Seinem Sohn Theudebert
gab er anschließend eine geheime schriftliche Weisung, er selbst
möge auch Sigivalds gleichnamigen Sohn umbringen. Theudebert
weigerte sich aber, sein Patenkind zu ermorden, warnte den jungen Sigivald
und
ermöglichte die Flucht: nach Theuderichs
Tode solle er unbesorgt wiederkehren, wie Sigivald auch tat.
Chlodwigs
Enkel wich mit seiner Haltung beträchtlich ab von der Ausrottunspolitik
gegenüber den eigenen Verwandten, die Chlodwig
grandios begonnen hatte und seine Söhne fortsetzten.
Theudeberts eigenem
Erbanspruch drohte von seinen königlichen Oheimen die größte
Gefahr. So wurde ihm in der Provence gemeldet, patrem suum graviter
egrotare, et ad quem nisi velocius properaret, ut eum inveniret vivum,
a patruis suis excluderetur et ultra illuc non rediret. Hals über
Kopf eilte Theudebert zurück,
fand seinen Vater Theuderich I.
zwar schon tot (gestorben vor Ende 533) vor, kam aber gerade noch rechtzeitig,
um vor den Oheimen mit Mühe seine Herrschaft zu behaupten.
Wieder stehen sich bei dem erbitterten Streit um Theuderichs
Erbe zwei verschiedene Rechtsansprüche gegenüber. Hier das auch
von Theuderich begünstigte Eintrittsrecht
des schon längst volljährigen und kampferprobten Sohnes
- sofern es der eigene Sohn, dort ein Anwachsungsrecht der Brüdergemeinde.
Entscheidend wirkt sich bei diesen konkurrierenden Rechtstiteln aus, wer
schneller handelt und sich die entscheidenden Machtvorteile herausarbeitet.
Diese hätte des sterbenden Königs letzter Wille und Einfluß
auf die Großen erreichen können, das war dann letztlich der
Umstand, daß Theudebert gerade
noch einen zeitlichen Vorsprung vor seinen Oheimen erjagt hatte, um als
erster und erfolgreich die leudes des väterlichen Reiches mit
Geschenken für sich zu gewinnen: Jetzt verteidigten sie ihn und "stabilisierten
seine Königsherrschaft", das dürfte heißen, daß sie
seinen Erbanspruch anerkannten und Theudebert
förmlich
zum
König erhoben. Politische Faktoren hatten bei dem Herrschaftswechsel
von Theuderich auf
Theudebert
demnach den entscheidenden Aussschlag gegeben. Gewichtigster politischer
Faktor bei der Königsbestellung waren die leudes. Dabei war Theudebert
von seinem Vater als Nachfolger vorgesehen und "aufgebaut" worden, wozu
das Verlöbnis mit Wisigarde,
der Tochter des Langobarden-Königs Wacho
gehört.
Er hatte dann aber nicht sie geheiratet, sondern die Ehefrau eines angesehenen
Provenzalen, die ihm schon früher den Weg zur Herrschaft über
das Gebiet um die Feste Cabrieres eröffnet hatte, - wobei Gregors
Überlieferung das damalige Verhalten dieser Deoteria
gegenüber dem Königs-Sohn als eine förmliche Einladung
zur Herrschaftsübernahme darstellt. Doch Theudeberts
Franken erzwangen später die Trennung von der Gallorömerin
Deoteria [81
Deoteria
war eine südgallische Senatoren-Tochter aus Beziers, Ewig, Trierer
Land 228.], indem sie darauf bestanden, daß Theudebert
die
ihm noch zu Lebzeiten seines Vaters vor sieben Jahren anverlobte Langobardin
heiratete. Wenn man beachtet, daß Heiraten mit auswärtigen
Königs-Töchtern sonst im Regelfall als dynastisch motiviert gelten,
so ist das außenpolitische Interesse der Franken Theudeberts
in diesem Falle bemerkenswert [83 R. Buchner, Das merowingische
Königtum 146, wollte in dem "ausgesprochenen Ausnahmecharakter der
Verbindung des
MEROWINGERS
mit einer Romanin" den Grund für Theudeberts
Trennung von Deoteria sehen, während
Zöllner Seite 90 Anm.1 den Hauptakzent auf dem Verlöbnisbruch
und Deoterias Verdächtigung, den
Unfall ihrer Tochter verursacht haben, legt (vgl. ders. Seite 130). K.
Reindel (Hb. d. Bayr. Gesch. I) 103 wiederum vermutet, daß Theudeberts
Eheschließung
mit der langobardischen Königs-Tochter
Wisigarde 537 zur Vorbereitung seiner Angriffspläne dienen
sollte.].
So knapp die Nachrichten über den Herrschaftswechsel
von Theuderich I. auf seinen Sohn
Theudebert auch sind, es scheint als sei
für Theudeberts Herrschaftsantritt
erstmalig in der fränkischen Überlieferung ein Umritt bezeugt.
Denkwürdig ist der Umschwung im Verhalten König
Childeberts
gegenüber seinem Neffen, dem er eben noch das Reich seines Vaters
streitig gemacht hatte. Als er sah, daß er Theudebert
nicht
werde überwinden können, versuchte er, sich mit ihm zu arrangieren.
Aber daß Childebert den tatkräftigen
und rasch zupackenden Theudebert
zu
sich bat, ihn adoptierte und mit Geschenken überhäufte,
verwunderte doch alle sehr, die es erlebten. Neben dem Eintrittsrecht der
Brudersöhne und dem Anwachsungsrecht der Brüdergemeine begegnet
hier mit der Adoption eines Verwandten eine dritte Form, die geeignet erscheint,
Erbansprüche innerhalb des merowingischen
Königshauses zu begründen. Verkannt werden darf bei Childeberts
Schritt
ebenfalls nicht, daß er damit faktisch sofort
Theudeberts
Königtum anerkannte und Frieden mit ihm schloß, so daß
in Gregors Frankengeschichte zur Recht resümierend gesagt werden kann,
Theudeberts
Königsherrschaft sei (jetzt) gefestigt worden. Ein gemeinsamer Feldzugsplan
Theudeberts
und Childeberts im Jahre darauf gegen
Chlothar
wirft auf das Verhältnis zwischen dem kinderlosen Oheim und seinem
Neffen ein zusätzliches Licht. Ob Childeberts
Erbpläne ernst und zu realisieren waren blieb offen. Denn Theudebert
starb
schon im 14. Jahr seiner Regierung (Ende 547), und "als König
herrschte statt seiner sein Sohn Theudebald".