Konstantin VII. Porphyrogennetos     Kaiser von Byzanz (913-959)
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Sept. 905 9.11.959
 

Einziger Sohn des Kaisers Leon VI. der Weise von Byzanz aus seiner 4. Ehe mit der Zoe Karbonopsina
 

Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 1377
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Konstantin VII. Porphyrogennetos, byzantinischer Kaiser
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* 905, 959

Eltern: Kaiser Leon VI. und Zoe Karbonopsina

  oo Helene Lakapene

Nach dem Tod seines Onkels Alexandros 913 de iure Autokrator, de facto von der Regentschaft unter Patriarch Nikolaos Mystikos, später unter Romanos I. Lakapenos, von der Herrschaft ausgeschlossen, nutzte die Jahre bis zur Machtergreifung (945) zu kulturpolitischer, literarischer und künstlerischer Tätigkeit. Im Sinne des von Photios und Arethas eingeleiteten Enzyklopädismus stellte sich Konstantin VII. Porphyrogennetos mit einem Mitarbeiterstab in den Dienst der Erhaltung und Tradierung antiker und frühbyzantinischer Texte. Außer dem inhaltlichen Gerüst einer in 53 Fachgebieten gegliederten Enzyklopädie sind Exzerptensammlungen mit größeren Partien mehrerer historischer Autoren erhalten. Besonders wertvoll sind die "Excerpta de legationibus" (Gesandtschaften von und nach Byzanz; sehr hoher Anteilan sonst verlorenen Autoren); die "Excerpta de virtutibus et vitiis" sind für die Cassius Dio-Überlieferung wichtig. Auf großes Interesse stießen in Byzanz ewiß die Exzerpte über die Thronbesteigung und jene über Attentate und Usurpationsversuche ("Excerpta de insidiis"). Auf die praktische Auswertung waren eine landwirtschaftliche Sammlung (Geoponika), ein medizinisches Handbuch (Iatrika) und eine veterinärmedizinische Sammlung (Hippiatrika) berechnet. In dem seinem Sohn Romanos II. gewidmeten, unter dem Titel "De administrando imperio" bekannten Werk geht Konstantin VII. Porphyrogennetos auf Vor- und Nachteile außenpolitischer Partner für Byzanz, deren richtige Behandlung, Geschichte und Lebensverhältnisse ein. In didaktischer Absicht schildert er Möglichkeiten der diplomatischen Vorgangsweise gegenüber Pecenegen, Chazaren, Russen, Bulgaren und Ungarn. Ein Sammelwerk über die byzantinischen Provinzen (De thematibus, ed. A. Pertusi, StT 160,1952) enthält Namenserklärungem und -veränderungen für Provinzen und Städte. Buch I des kulturhistorisch wertvollen sogenannten Zeremonienbuchs ("De ceremoniis") bringt detaillierte Angaben zum Hofzeremoniell (Akklamationen der Demen, Prozessionsitinerarien, Titel und Kleidung der Würdenträger, Räumlichkeiten des Kaiserpalasts, Archivmaterial zu frühbyzantinischen Kaiserkrönungen u.a.). Eine bisher sogenannte Appendix besteht aus drei Teilen von Auszug und Heimkehr des Kaisers anlässlich kriegerischer Expeditionen in den Osten. Buch II. enthält unter anderem Anweisungen an den Zeremonienmeister (wie Buch I) Berichte über Staatsbesuche, den Patriarchen und die Große Kirche, die Kaisergräber, die Kretaexpeditionen usw. Der Anteil
Konstantins VII. Porphyrogennetos an den drei zuletzt genannten Werken ist ungeklärt. De adm. imp. und De cer. enthalten einleitend eine Rechtfertigung des Autors in bezug auf den umgangssprachlich gefärbten Ton. Insgesamt sind die Arbeiten des Konstantin VII. Porphyrogennetos mehr als durchschnittliche byzantinische Texte auf praktische Ziele ausgerichtet. Das gilt vor allem für die Vita seines Großvaters Basileios I. (= Theophanes Contin. B. 5), ein politisch manipuliertes Enkomion, das den Mörder Michaels III. als Idealfigur erscheinen lässt. Wenn Konstantin VII. Porphyrogennetos als Oberbefehlshaber der Armee zwei Reden an die Soldaten richtet, mit denen er nie ins Feld zog, so ist die rhetorische Übung zumindest aus einer potentiell realen Situation hervorgegangen. Die Homilie über das 944 feierlich nach Konstantinopel gebrachte Mandylion (MPG 113, 424-453) behandelt ein zeitgeschichtliches Ereignis von ideologisch-politischer Bedeutung.
Die Regierung Konstantins VII. Porphyrogennetos war von Kämpfen an der Ostfront (Araber) und von reger diplomatischer Tätigkeit geprägt (OMAYYADEN von Cordoba, OTTO DER GROSSE, Besuch der Fürstin Olga von Russland). Von der hohen Qualität höfischen Kunsthandwerks zeugen unter anderem die Staurothek von Limburg, Miniaturenhandschriftensammlungen und Elfenbeine.



BERTELSMANN Lexikon Geschichte: Seite 488
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KONSTANTIN VII. PORPHYROGENNETOS ["DER PURPURGEBORENE"]
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* 905, 9.11.959

Oströmischer Kaiser 913-959

Unter der Vormundschaft zunächst seiner MutterZoe, dann seines SchwiegervatersRomanos I., seit 945 selbständig; verfaßte gelehrte Werke über Verwaltung, Zeremoniell und Geschichte des Byzantinischen Staats, die noch heute grundlegende Quellen sind; Literaturkenner und außerdem großer Literatursammler.



Thiele, Andreas: Tafel 196,197
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"Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band III Europäische Kaiser-, Königs- und Fürstenhäuser Ergänzungsband"

KONSTANTIN VII. "DER PURPURGEBORENE"
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* 905, 959

Konstantin VII. Porphyrogennetos folgte 913 dem Onkel Alexandros, der monatelang von den Bulgaren in Byzanz belagert wurde. Er sollte der Schwiegersohn von Zar Simeon I. werden, der 914 erneut Byzanz bekriegte. 919 verdrängte der Schwiegervater den Regenten Patriarch Nikolaos Mystikos, den Gegner Leons VI., und machte sich zum Regenten und 920 zum Kaiser. Konstantin wurde von diesem bis 944 zurückgedrängt. In der Zwischenzeit widmete er sich seinen wissenschaftlichen Neigungen, schrieb historische Abhandlungen ("Zeremonienbücher") und Exzerptenliteratur und regte entscheidend wissenschaftliche Aktivitäten und Buchmalerei an. Nach dem Sturz des Romanos und der Hinrichtung der Schwäger wurde Konstantin VII. 944 wieder Haupt-Kaiser, erntete die Früchte der Arbeit des Kaisers Romanos I. und gewann weitere Gebiete Kleinasiens zurück. Er stand mehrmals ungarischen und russischen Angriffen gegenüber und empfing wohl 956/57 die Großfürstin Olga von Kiew, die sich taufen ließ, womit die Christianisierung Rußlands begann. Er stützte sich besonders auf die Familie PHOKAS und begünstigte Kleingrundbesitz und Soldatengüter. Es war eine Zeit weiter zunehmender Bürokratisierung, die zu noch stärkerer Differenzierung der Zuständigkeiten führte. Der Senat, der während Konstantins Minderjährigkeit an politischer Macht gewonnen hatte, wurde wieder entmachtet.

 919
  oo HELENE LAKAPENA, Tochter des Kaisers Romanos I. von Byzanz
             961



Konstantin VII. Porphyrogennetos erbte mit sieben Jahren das Reich, regierte anfangs unter der Vormundschaft seines Onkels Alexandros, dann seiner Mutter Zoe und mußte nach der Vermählung mit der Tochter des Großadmirals Romanos Lekapenos seit 920 mit diesem die Herrschaft teilen. Erst nach dem Sturz seines Schwiegervaters führte er von Dezember 944 an die Regierung selbständig. Er starb im November 959, angeblich durch seinen Sohn Romanos II. auf Anstiften von dessen Gemahlin vergiftet. Er ließ unter seinem Namen wichtige Werke über Staatsverwaltung, Zeremonienwesen, militärische und administrative Reichseinteilung veröffentlichen und förderte die Anlage historischer und literarischer Sammelwerke.

Norwich John Julius: Band II Seite 171-176,186,196-198,205-219
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"Byzanz. Der Aufstieg des oströmischen Reiches."

Im September 905 gebar Zoe Karbonopsina einen Sohn, und obwohl er klein war und kränkelte, sah sich der Kaiser endlich am Ziel seiner Wünsche. Unter der Bedingung, dass Leon VI. Zoe aus dem Palast entferne, würde der Patriarch seine Zustimmung zur Taufe des Sohnes geben. Dazu kam es dann auch. Am Dreikönigsfest, dem 6. Januar 906, wurde der Kleine auf den Namen Konstantin getauft. Nach der Eheschließung seiner Eltern erhielt der inzwischen achtzehn Monate alte Konstantin den Titel Porphyrogennetos (im Purpur geboren) und am 15. Mai 908 wurde das Kind zum Mit-Kaiser gekrönt.
Sein Onkel, Kaiser Alexander, hatte wenige Monate zuvor vorgeschlagen, ihn zu entmannen, um ihn für immer von der Thronfolge auszuschließen. Auf dem Sterbebett ernannte er Konstantin zu seinem Nachfolger, für den ein Regentschaftsrat die Geschäfte führen sollte. Nach dem Sturz des Patriarchen Nikolaos übernahm seine Mutter die Regentschaft, die aber nach zwei katastrophalen Niederlagen gegen die Bulgaren zunehmend an Boden verlor, da sie sich weigerte, Konstantin mit einer Tochter des Bulgaren-Königs Symeon zu vermählen.
Während sich seine Mutter auf Leon Phokas stützte, schrieb sein persönlicher Lehrer Theodor im Namen seines Schülers einen Brief an Romanos Lakapenos und bat ihn um seinen Schutz. Warum Romanos als vertrauenswürdiger gelten sollte als Leon, ist nicht ganz klar. Vielleicht sprach seine bescheidene Herkunft für ihn, weil man hoffte, er lasse sich deshalb leichter unter Kontrolle halten. Wahrscheinlich ging es aber einfach um einen Machtkampf innerhalb des mächtigen Zirkels am Hof. Romanos war jedenfalls kein Jota weniger machthungriger als Phokas und willigte ohne zu zögern ein, dem jungen Kaiser als Beschützer und Fürsprecher zu dienen. Dabei muß er sich im klaren gewesen sein, welche Wirkung eine solche Erklärung auf Kaiserin Zoe haben mußte.
Der Knabe Konstantin Porphyrogennetos verlas eine Erklärung, in der seiner Mutter, der Kaiserin Zoe, verkündet wurde, ihre Regentschaft sei zu Ende und werde zukünftig gemeinsam von Patriarch Nikolaos und dem Magistraten Stephanos übernommen. Am Morgen danach erschien ein Trupp Soldaten, um Kaiserin Zoe erneut in das Euphemiakloster zu verfrachten. Erst nachdem Konstantin unter Tränen lange darum gefleht hatte, durfte sie schließlich, allerdings entmachtet, im Palast bleiben. Damit hatte Nikolaos triumphiert. Am 25. März 919 erschien Romanos Lakapenos mit seiner Flotte beim Bukoleon, betrat den Palast über das Seetor und verkündete, er habe die Regierung des Reiches übernommen. Nur einen Monat später verheiratete er seine Tochter Helene in der Hagia Sophia mit dem jungen Konstantin.
Die Synode des Jahres 920 verurteilte die letzten beiden Ehen von Leon VI. in aller Schärfe und die Legitimität seines Sohnes wurde zwar geduldet, aber auch das nur widerstrebend. Die Gefühle des 14-jährigen Konstantin, der das Dokument unterzeichnen mußte, kann man sich in etwa vorstellen. Doch so unwillkommen es ihm erscheinen mußte, bedeutete das Elaborat noch nicht das Ende seines Unglücks. Kaum einen Monat später stellte Romanos seine MutterZoe mit dem Vorwurf unter Anklage, sie habe versucht, ihn zu vergiften. Sie wurde erneut ins Euphemiakloster verbannt. In seinem Lehrer Theodor, der der Usurpation desRomanos Vorschub geleistet hatte, verlor Konstantin den letzten ihm wohlgesonnenen Freund. Von dem Zeitpunkt an war er nichts als eine Schachfigur in den Händen seines Schwiegervaters, den er am 24. Septmeber 920, nur wenige Tage nach seinem 15. Geburtstag, zum Cäsar ernannte. Am 17. Dezember desselben Jahres, also kaum drei Monate später, erreichte Romanos Lakapenos' skrupellos bis zum letzten verfolgte Karriere ihren Höhepunkt. Konstantin setzte ihm das kaiserliche Diadem auf. Theoretisch blieb natürlich Konstantinranghöherer Kaiser, aber binnen eines Jahres prangte Romanos' prächtig gewandetes Porträt auf den Münzen auf dem Ehrenplatz, und die Mehrheit seiner Untertanen muß damit gerechnet haben, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis der junge Konstantin Porphyrogennetos ganz von der Bildfläche verschwand.
Die Hartnäckigkeit, mit der sein junger Schwiegersohn am Leben festhielt, muß Romanos rasend gemacht haben. Solange der Porphyrogennetos lebte, gab es keine sichere Zukunft für das Haus LAKEPENOS. Der Gesundheitszustand Konstantins war nach wie vor sehr labil, und es wäre ein leichtes gewesen, ihn zu vergiften, ohne Verdacht zu erwecken. Romanos unternahm zwar alles in seiner Macht Stehende, den jungen Kaiser zu verdrängen und sich wie auch seinen Sohn in höhere Stellungen zu befördern, doch legte er niemals Hand an ihn. Und Schwiegersohn Konstantin überlebte, wie sich herausstellen sollte, schließlich beide um Jahre.
Trotzdem muß Konstantin eine elende, unglückliche Jugend verbracht haben, voller Ungewißheit und Angst. Der Vater tot, die Mutter ihrer Stellung beraubt, als Konkubine gebranntmarkt und zweimal verbannt. Systematisch trichterte man ihm ein, er sei nur ein Bastard, und schweigend mußte er zusehen, wie Romanos der Reihe nach alle, denen er noch vertrauen konnte, aus dem Palast entfernen ließ. Und als wäre das nicht schon genug gewesen für ein kränkliches, empfindliches Kind, mußte er einsam und von niemandem geliebt in einer großen, ihm gegenüber grundsätzlich feindselig eingestellten Familie leben. Die Vernunftsehe im Alter von 13 Jahren mit einem Mitglied dieser Familie, einem jungen Mädchen, das er kaum kannte, wird zu der Zeit kaum zur Verbesserung seiner Lage beigetragen haben. (Später nahm diese Ehe eine glücklichere Wendung, und zwei Kinder des Paares traten schließlich die Thronfolge an.) Es bestehen somit kaum Zweifel, dass der Kaiser seine Jugend in trauriger Einsamkeit verbrachte und mehr oder weniger ignoriert wurde. Zu seinem Glück wurde seine körperliche Schwäche durch einen außerordentlich lebhaften Verstand und breite künstlerische und intellektuelle Interessen ausgeglichen. Er scheint ein begabter Maler gewesen zu sein, war fasziniert von der großen weiten Welt jenseits der Mauern von Konstantinopel und auf der anderen Seite der Reichsgrenzen und verbrachte Stunden, ja Tage damit, Details der byzantinischen Hofzeremonien zu studieren. Dies war der Bereich, in den seine Stellung ihm uneingeschränkt Einblick gewährte und für den sein Werk De Ceremonis Aulae Byzantinae unsere wertvollste Quelle bleibt.
Es kam ihm zugute, dass er zumindest zu der Zeit weder politischen Ehrgeiz noch, soweit sich das beurteilen läßt, viel Zivilcourage besaß. Aber er verhielt sich klug, indem er in seiner Situation keinen Versuch machte sich durchzusetzen: weder als ihn sein Schwiegervater als ranghöheren Kaiser verdrängte, noch als dieser im Mai 921 seinen ältesten Sohn Christophoros ebenfalls auf den Thron erhob, noch als er nach dem Tod der Augusta Theodora im Februar 923 Christiphoros' FrauSophia krönte, noch als er wiederum zwei Jahre später, zwei weitere Söhne Theodoras und Romanos'erhob und es damit insgesamt absurderweise fünf Kaiser gab, und nicht einmal als er 927 Christophoros als zweithöchsten dieser fünf erklärte und damit sich selbst, den Porphyrogennetos, auf den dritten Rang zurückstufte. Niemals äußerte Konstantin auch nur ein Wort des Protestes. Sein Schweigen ist jedoch nicht mit Gleichgültigkeit gleichzusetzen. Seine späteren Schriften belegen, dass ihn jede einzelne Kränkung traf, am stärksten, so ist zu vermuten, der Tomus unonis. War dieses Dokument für Konstantin noch unerträglicher machte, war die Klausel, nach der es jedes Jahr am zweiten Sonntag im Juli von jeder Kanzel des Reiches zu verlesen war. Außerdem fand zur Erinnerung daran in Konstantinopel jährlich ein Prozession von der Irenenkirche zur Hagia Sophia statt, an der alle Mit-Kaiser zusammmen mit dem Patriarchen teilnehmen mußten. Doch auch dabei machte Konstantin gehorsam und ohne Klagen alles so, wie es von ihm verlangt wurde. Er wußte, dass es für ihn eine Pflicht gab, die vor allen anderen Vorrang hatte: zu überleben.
Nach der im Jahre 944 erfolgten Verbannung Romanos' I. durch seine eigenen Söhne, erzwang das Volk von Konstantinopel die Einsetzung Konstantins als ranghöchsten Basileus, wie es Romanos in seinem vorab veröffentlichten Testament vorgehabt hatte. In Purpur geboren war er und er allein der rechtmäßige Kaiser von Byzanz. Die LAKAPENI galten als nicht weiter denn emporgekommene Thronräuber, und ihre wankelmütigen Untertanen hatten sie satt. Der Porphyrogennetos auf der einen und die LAKAPENI auf der anderen Seite beriefen in der Folge so viele ihrer Leute in Schlüsselpositionen, wie sie nur konnten. Sich selbst überlassen, hätte der passive zurückhaltende Konstantin wahrscheinlich nichts unternommen - und wäre gewiß nicht lange Kaiser geblieben. Kaiserin Helene zeigte dagegen mehr Weitblick und war aus härterem Holz geschnitzt. Fünfundzwanzig Jahre lang hatte sie loyal die Interessen ihres Mannes gegen die ihrer Familie vertreten. Nun drängte sie ihn mit aller Kraft zu handeln, solange noch Zeit blieb. Noch schwankte er eine Weile, aber bald erhielt er eine Warnung, die er nicht ignorieren konnte: seine Schwäger planten ihn zu beseitigen. Da zögerte er nicht mehr. Wie immer unter dem Ansporn von Heleneerteilte er seine Befehle. Am 27. Januar 945 wurden seine beiden Mit-Kaiser verhaftet, tonsuriert und nach Proti zu ihrem Vater verbannt.
Um die Zeit, als Konstantin Porphyrogennetos nach der endgültigen Ausschaltung seiner Schwäger zu Beginn des Jahres 945 die alleinige Macht im Byzantinischen Reich behauptete, war er schon längst nicht mehr kränklich wie in seiner Kindheit und Jugend. Im Gegenteil: sehr groß und breitschultrig, "hochgewachsen wie eine Zypresse" sah er mit seinem gesundfarbigen, zur Hälfte von einem dichten schwarzen Bart bedeckten Gesicht, in dem helle blaßblaue Augen glänzten, aus, als wüßte er überhaupt nicht, was Krankheit sei. Als Folge eines überwiegend in sitzender Haltung zugebrachten Lebens und eines beinahe unstillbaren Appetits war er für heutige Vorstellungen allerdings viel zu fett. Aber gegen eine gewisse Wohlbeleibtheit hatte man im 10. Jahrhundert in der Regel nichts einzuwenden, um so mehr bei einem Mann von 39 Jahren, was damals als vorgerücktes Alter galt.
Über 36 Jahre von den insgesamt 39 war Konstantin Titular-Kaiser gewesen. Praktisch während dieser ganzen Zeit hatte er jedoch keinen Anteil an der Regierung des Reichs, und sein Auftreten in der Öffentlichkeit war auf das ihm durch sein Amt auferlegte Minimum beschränkt. Aber er vertat seine Zeit nicht. Wie sein Vater Leon der Weise besaß er eine Neigung zu Büchern und zur Gelehrsamkeit, und er konnte ihr im Gegensatz zu Leon ausgiebig nachgehen.
Angesichts der erwähnten Gefühle seinem Schwiegervater gegenüber wird verständlich, warum Konstantin instinktiv die Familie PHOKAS begünstigte. Sie gehörte seit Romanos Lakapenos' Staatsstreich zu den unversöhnlichen Feinden des Hauses LAKAPENOS und war nicht gewillt, die Behandlung ihres Verwandten Leon - es sei daran erinnert, dass Romanos ihn zum öffentlichen Gespött machte, indem er ihn auf einem Maultier zum Forum führen ließ - zu vergessen. Sie hatte seither aus ihrer Sympathie für Konstantin kein Geheimnis gemacht, und Konstantin vergalt ihr diese Loyalität nur zu gern. Er ernannte Leons Bruder Bardas Phokas zum Nachfolger von Johannes Kurkuas als Oberbefehlshaber des Ostheeres und dessen Söhne Nikephoros und Leon zu Militärgouverneuren der Themen Anatolien und Kappadokien. Dagegen vertraute er innerhalb der Familie LAKAPENOS außer seiner Frau, Kaiserin Helene, nur einem, und auch diesem erst, nachdem man ihn entmannt hatte, um eine mögliche Nachfolge auszuschließen: Romanos' leiblichem Sohn Basileios.
In der Außen- und Innenpolitik änderte sich in der Zeitspanne nichts. Was die Sarazenen betraf, war Konstantin entschlossen, weiterhin Druck ausüben. Es zeigte sich aber schon bald, dass Bardas kein Kurkuas war. Doch nach einer schweren Verwundung im Jahre 953 wurde er ohnehin von seinem Sohn Nikephoros abgelöst. Dieser errang vier Jahre später einen der beiden erfolgreichsten Siege während der Regierungszeit Konstantins: seine Streitkräfte eroberten Adata in Pamphylien und beherrschten dadurch die Hauptübergänge im Taurosgebirge. Der zweite Triumph für das Reich fiel in das Jahr 958: Samosata (heute Samasat) am Euphrat vermochte den Angriff eines anderen jungen Feldherrn, Johannes Tzimiskes, nicht standzuhalten. Leider gab es einen ähnlichen Erfolg gegen die sarazenische Besatzung auf Kreta nicht zu vermelden. Ein Feldzug im Jahre 949 mit dem Ziel, die Insel zurückzuerobern, für den Konstantin den deutschen König OTTO VON SACHSEN und, noch verblüffender, den OMAIJADEN-Kalif von Cordoba zu gewinnen gehofft hatte, wuchs sich im Gegenteil zu einem Fiasko aus.
Auch in der Innenpolitik setzte Konstantin die von Romanos Lakapenos vorgegebene Linie gerne fort. Ein Schwerpunkt von Romanos' Gesetzgebung war der Schutz des kleinen Wehrbauerntums vor der Gier der reichen Feudalaristokratie gewesen, die seit Jahren mehr und mehr ihres Landes aufkaufte; dies hatte ihn sehr, ja zeitweise sogar gefährlich unpopulär gemacht, denn der Einfluß der aristokratischen Familien hatte derart zugenommen, dass man sie jetzt allgemein hoi dynatoi (die Mächtigen), nannte. Er ließ sich aber von seinem Vorhaben nicht abbringen, wußte er doch, dass die Kleinbauern-Familien seit Herakleios durch ihre regelmäßigen Staatsabgaben und die Verpflichtung zum Heeresdienst das Rückgrat der gesamten Wirtschaft und Hauptstütze der Streitmacht des Reiches bilden.
Zwangsläufig stand Konstantin Porphyrogennetos der Aristokratie zunächst weit näher als seine armenischer Schwiegervater, der sich aus bäuerlichen Verhältnissen emporkatapultiert hatte, denn er gehörte ihr schließlich selbst an. Wie schon zu lesen, machte er auch kein Geheimnis aus seiner Freundschaft zur Familie PHOKAS, die all das repräsentierte, dem Romanos sehr mißtrauisch gegenübergestanden hatte. Von dem Augenblick an, in dem er die Macht in den Händen hielt, führte er die Agrarpolitik seines Vorgängers jedoch beharrlich weiter; 947 befahl er gar die sofortige, entschädigungslose Rückgabe allen bäuerlichen Landes, das "die Mächtigen" seit seinem Amtsantritt an sich gebracht hatten. Für die früheren Transaktionen mußte der Verkaufspreis theoretisch zwar zurückgezahlt werden, aber auch dann nur von jenen Landeignern, die ein Kapital von 50 Goldstücken besaßen. Weitere Gesetze bestimmten, dass das Eigentum, welches die Lebensgrundlage der Soldaten und die Voraussetzung für die Rüstung bildete, die sie aus eigenen Mitteln für den Militärdienst aufbringen mußten, unveräußerlich und der Verkauf eines kleinen Besitzes erst 40 Jahre nach Vertragsabschluß definitiv und nicht mehr rückgängig zu machen sei. Romanos' altes Gesetz über den ebenfalls entschädigungslosen Einzug von Ländereien, welche "die Mächtigen" unrechtmäßig erworben hatten, wurde erneuert und manche Gesetzeslücke geschlossen. Als Folge davon standen die landbesitzenden Bauernfamilien gegen Ende von Konstantins Regierungszeit so gut da wie schon seit über 100 Jahre nicht mehr. Es spricht durchaus für die Aristokratie, dass sie die neue Rechtsprechung offenbar ohne nennenswerten Protest hinnahm.
Das schwarze Schaf während Konstantins vierzehnjähriger Alleinherrschaft war niemand aus dem Adel, sondern der Eunuch und Mönch Polyeuktos, den er 956 nach dem Tod seines unrühmlichen Schwagers Theophylax übereilt als Patriarchen einsetzte. Polyeuktos mußte diesmal noch zurückstecken, aber er setzte seine Stichelein so lange fort, bis Konstantin es schließlich satt hatte und im September 959 nach Asien übersetzte, um mit seinem Freund, dem Bischof von Kyzikos, zu erörtern, wie er den Störenfried loswerden könne. Von Kyzikos reiste er weiter nach Bursa in der Hoffnung, dass die berühmten heißen Quellen ihn von seinem hartnäckigen Fieber heilten, das ihn beständig quälte. Als die Behandlung keine Wirkung zeigte, begab er sich in das hoch auf dem mysischen Olymp gelegene Kloster etwa 20 Meilen vor der Stadt. Zu dieser Zeit war aber seine unheilbare Krankheit schon zu erkennen: die Mönche, die sahen, dass keine Hoffnung bestand, bedeuteten ihm, sein Ende sei nahe, er möge sich auf den Tod vorbereiten. Er kehrte daraufhin eilends in die Hauptstadt zurück, wo er am 9. November 959 im Alter von 54 Jahren im Bett starb, umgeben von trauernden Hinterbliebenen: seiner Frau Kaiserin Helene, den gemeinsamen fünf Töchtern und dem 20-jährigen Sohn Romanos, der damit Kaiser von Byzanz war.
 
 
 
 

27.4.919
   oo Helena, Tochter des Romanos I. Lekapenos
        um 905 19.9.961
 
 
 
 

Kinder: 5 Töchter

  Romanos II.
  939 15.3.963

  Theodora
       

 971
  oo 2. Johannes Tzimiskes
           925 10.1.976 ermordet
 
 
 
 

Literatur:
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BERTELSMANN Lexikon Geschichte 1991 Seite 448 - Browning Robert: Byzanz. Roms goldene Töchter. Die Geschichte des Byzantinischen Weltreiches. Gustav Lübbe Verlag GmbH Bergisch Gladbach 1982 Seite 83,88,94,96,102,105,146 - Die Begegnung des Westens mit dem Osten, hg. von Odilo Engels und Peter Schreiner, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1993, Seite 16,42,47-50,116, 117,119,122,125,128 - Eickhoff Ekkehard: Theophanu und der König. Otto III. und seine Welt. Klett-Cotta Stuttgart 1996 Seite 26,38,196 - Ferdinandy Michael de: Der heilige Kaiser. Otto III. und seine Ahnen. Rainer Wunderlich Verlag Tübingen 1969 Seite 79,236,265,285 - Kashdan A.P.: Byzanz und seine Kultur. Akademie-Verlag Berlin 1968 Seite 54,79 - Norwich John Julius: Byzanz. Der Aufstieg des oströmischen Reiches. Econ Verlag GmbH, Düsseldorf und München 1993 Band II Seite 171-176,186,196-198,205-219 - Schneidmüller Bernd/Weinfurter Stefan (Hrsg.): Ottonische Neuanfänge. Symposium zur Ausstellung "Otto der Große, Magdeburg und Europa" Verlag Philipp von Zabern Mainz 2001 Seite 118,241,246,247,249,312,313 - Schneidmüller Bernd/Weinfurter Stefan: Otto III. Heinrich II. Eine Wende? Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1997 Seite 314 - Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band III Europäische Kaiser-, Königs- und Fürstenhäuser Ergänzungsband, R.G. Fischer Verlag 1994 Tafel 196,197 - Thiess Frank: Die griechischen Kaiser. Die Geburt Europas. Paul ZsolnayVerlag Gesellschaft mbH Hamburg/Wien 1959 Seite 400 -