Tochter des N.N.; Nichte des Admirals Himerios
Norwich John Julius: Band II Seite 148,153,158,161,166-176
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"Byzanz. Der Aufstieg des oströmischen Reiches."
Die Nichte von Admiral Himeros "mit kohlrabenschwarzen
Augen" wurde erst einmal die Geliebte des Kaisers
Leon VI. Nachdem sie einer Tochter
das Leben geschenkt hatte, gebar sie im September 905 einen Sohn, der klein
und kränklich war, und am 6. Januar 906 auf den Namen Konstantin
getauft wurde. Da Papst Sergius III. dem Kaiser
Leon VI. einen Dispens für
eine 4. Ehe erteilte, heiratete dieser Zoe
im Jahre 906.
Nach dem Tode Leons VI.
wurde Kaiserin Zoe
mit all ihren Freunden und Beratern ohne viel Federlesen aus dem Palast
gewiesen. Sobald
Zoe vernahm, dass
Kaiser Alexander
im Sterben liege, verschaffte sie sich, zielstrebig um die Zukunft
ihres Sohnes bemüht, wieder Zugang zum Palast. Sie wußte, dass
Alexander wenige Monate zuvor vorgeschlagen
hatte, ihn zu entmannen, um ihn für immer von der Thronfolge auszuschließen.
Nur das Argument, dass ein solcher Schritt einen möglicherweise gefährlichen
Aufschrei provozieren könnte und der Junge ohnehin schwach und kränklich
sei, dass er nicht lange leben werde, vermochte ihn dazu zu bewegen, die
Sache nochmals zu überdenken. Nun, da es den Anschein machte, als
würde der Patriarch Nikelaos mächtigste Figur im Staat,
wuchsen Zoes
Befürchtungen noch.
Nikolaos hatte den Dispens nie akzeptiert, mit dem sein Feind Eutymios
ihre Ehe mit Leon
anerkannt und ihren
Sohn legitimiert hatte. Sie zweifelte nicht daran, dass er alles in seiner
Macht Stehende unternehmen würde, um den jungen Konstantin
vom Thron fernzuhalten - und war festentschlossen, seine Bemühungen
zunichte zu machen.
Zoe kämpfte
noch immer darum, die alte Stellung wiederzuerlangen, als der sterbende
Kaiser noch einmal zu Bewußtsein kam und seinen Nachfolger ernennen
konnte. Zu ihrer Erleichterung bestimmte er tatsächlich ihren Sohn
Konstantin.
Um so weniger muß sie sich jedoch gefreut haben, wen er in den erforderlichen
Regentschaftsrat berief: Vorsitzender sollte kein anderer als Patriarch
Nikelaos sein. Sie selbst aber gehörte nicht dazu.
Zoe protestierte heftig. Noch nie in der byzantinischen Geschichte
war der Mutter eines Kaisers und einer gekrönten Augusta
der Sitz in einem solchen Rat verwehrt worden. Nikalaos wußte
aber, dass er kein Risiko eingehen konnte. Ihre Stellung sowie die ihres
Sohnes gingen auf eine Entscheidung von Euthymios zurück. Dadurch
war sie gewissermaßen die Verkörperung von dessen Anhängerschaft
schlechthin, sogar noch mehr als der alte Abt selbst, und daher automatisch
schlimmste Konkurrentin des nun wieder herrschenden Patriarchen. Eine seiner
ersten Handlungen als Regent bestand darin, sie verhaften, ihr
das Haar scheren und sie in das ferne Euphemia-Kloster
in Petrion verfrachten zu lassen. Nicht einmal ihren Namen durfte
sie behalten. Schwester Anna sollte sie nun sein und weiter nichts
mehr. Die Nachricht, dass Patriarch Nikolaos - der mitlerweile schwer
unter dem Verdacht stand, zumindest zu Beginn in die
DUKAS-Affäre verwickelt
gewesen zu sein - geheime Verhandlungen mit dem bulgarischen König
geführt hatte, brachte das Faß zum Überlaufen. Von dem
Augenblick an begann der Rat auseinanderzubrechen. Im Februar 914 wurde
Schwester
Anna aus dem Nonnenkloster zurückgerufen, und sie setzte
umgehend ihre Freunde und Berater wieder in ihre alten Ämter ein.
Damit nahm einmal mehr eine Kaiserin die Regentschaft in die
Hand.
Kein Wunder, dass sich die Kaiserin mit ihrem hauptsächlich
aus Eunuchen bestehenden Beraterstab als weitaus fähigere Verwalterin
des Reichs erwies als Nikelaos und sein Regentschaftsrat. Das
einzige Hindernis war der alte Patriarch. Zuerst hatte Zoe
vorgehabt,
ihn ein zweites Mal durch Euthymios zu ersetzen. Mit einem gewissen
Widerwillen erlaubte sie deshalb Nikolaos, im Amt zu bleiben, gleichzeitig
warnte sie ihn jedoch davor, sich weiter in Angelegenheiten zu mischen,
die ihn nichts angingen. Zweifellos muß es ihn aber fürchterlich
geärgert haben, als Zoe ihre ohnehin
bereits beträchtliche Popularität mit drei militärischen
und politischen Erfolgen von sehr großer Bedeutung für die Sicherheit
des Reichs noch steigern konnte.
Das erste war die Inthronisation von Aschot
zum
König von Armenien. Kaiserin
Zoes zweiter Triumph bestand im wichtigen Sieg über ein
großes moslemisches Heer, das von einem Stützpunkt in Tarsos
aus einen Großangriff auf das Reichsgebiet lanciert hatte. Großer
Jubel herrschte, als die Nachricht Konstantinopel erreichte. Und doch war
dieser Erfolg nichts, verglichen mit dem dritten, den sie für Byzanz
in der entgegengesetzten Ecke des Reichs errungen hatte, während sich
Aschot
wieder anschickte, in Armenien Fuß zu fassen. Im süditalienischen
Thema Langobardien, direkt vor Capua, vernichtete der kaiserliche Strategos
mit seinen Einheiten das sarazenische Heer. Damit erreichte das byzantinische
Ansehen auf der italienischen Halbinsel das höchste Niveau seit dem
Abzug von Nikephoros Phokas im Jahre 886. Bis zum Ende des Jahres
915 saß
Kaiserin
Zoe so fest im Sattel, dass sie nach Ansicht der Mehrheit ihrer
Untertanen überhaupt nichts mehr falsch machen konnte.
Ein byzantinisches Heer unter dem Befehl des Domestikos
Leon Phokas, Sohn des Befehlshabers Nikephoros, wurde am
20. August 917 von den Bulgaren außerhalb des kleinen Hafens Anchialos
vernichtend geschlagen, wobei das gesamte byzantinische Heer niedergemetzelt
wurde. Die Wut der Kaiserin, als sie von dem Debakel erfuhr, war nicht
gering. Sie ordnete sofort eine offizielle Untersuchung des Verhaltens
von Romanos Lakapenos an, und er wurde
zur Blendung verurteilt. Zu seinem Glück - und, wie sich später
herausstellen sollte, auch dem des Reiches - verwendeten sich ein paar
seiner einflußreichen Freunde für ihn und erwirkten in letzter
Minute, dass man ihn begnadigte.
Zoes
Vertrauen in Leon Phokas war trotz der so verheerenden Niederlage
offenbar ungebrochen. Im selben Winter vertraute sie ihm ein weiteres Heer
an, um die Bulgaren zurückzudrängen. Sie hatten erneut Ost-Thrakien
überrollt und waren bis zu den Mauern Konstantinopels vorgedrungen.
Leon hatte jedoch nichts vom militärischen Geschick seines
Vaters geerbt. Er gelangte gerade bis Kasasyrte in den westlichen Außenbezirken
der Stadt, da ereilte seine zweite Armee eine fast ebenso gründliche
Niederlage wie die erste.
Dennoch stand Konstantinopel zu Beginn des Jahres 918
im Zeichen einer zunehmenden Krise. Nach zwei vernichtenden Niederlagen
war Zoes Ruf angeschlagen, ihre Herrschaft
ernstlich in Gefahr. Sie wußte, dass keine Aussicht auf eine Übereinkunft
mit dem Bulgaren-König
Symeon bestand. Er beharrte weiterhin auf einer Ehe zwischen
ihrem Sohn Konstantin und seiner
Tochter als Vorbedingung eines Abkommens. Zoe
aber konnte sich noch immer nicht dazu durchringen, eine fremdländische
Schwiegertochter auch nur in Erwägung zu ziehen. Um die nötige
Unterstützung für die Rettung ihres wackligen Throns zu finden,
mußte sie innerhalb des Reichs suchen. Nüchtern betrachtet kamen
nur zwei Personen in Frage. Der erste war Leon Phokas, so diskredidiert
er auch sein mochte. Er hatte sich nach der Schmach in Kasasyrte auf ihren
Befehl nach Asien begeben, um Ordnung in die anatolischen Truppen zu bringen.
Seit Konstantin Dukas' Sturz war die Familie, der er entstammte,
zur anerkannten führenden Kraft innerhalb des reichen Landadels aufgestiegen.
Leon war zudem Witwer, so dass Zoe eine
Ehe mit ihm in Betracht ziehen konnte - ein Schritt, der ihre Position,
geschweige denn die ihres Sohnes, enorm gestärkt hätte.
Die Alternative hieß Romanos
Lakapenos. Er unterschied sich in zwei wichtigen Belangen von
Leon: er war
1. weder von hoher Geburt noch gebildet, sondern hatte
sich, aus bäuerlichen Verhältnissen
stammend, aus eigenen Kräften hochgearbeitet,
und war
2. obwohl auch er sich in den vergangenen Kämpfen
nicht gerade ausgezeichnet hatte, immerhin nicht
besiegt worden. Sein großes
Flaggschiff lag auch jetzt stolz im Goldenen Horn vor Anker, umgeben
von der kaiserlichen Flotte: eine
Zurschaustellung der Seemacht, die ihre Wirkung auf die
byzantinische Bevölkerung nicht
verfehlte, vor allem im Vergleich zum Zustand ihrer Armee - und
an dem war, wie wohl alle wußten,
hauptsächlich Leon Phokas schuld.
Die Kaiserin zog schließlich doch den properen,
aristokratischen Feldherrn dem ungebildeten, fremden Emporkömmling
vor. Sie ließ Leon in den Palst kommen, und innerhalb weniger
Wochen gehörte er zu ihren engsten Mitarbeitern und vertrautesten
Beratern. Sie hatte indes Macht und Einfluß der öffentlichen
Meinung ernstlich unterschätzt. Konstantins
VII. Lehrer Theodor schrieb einen Brief an Romanos
Lakapenos und bat ihn um seinen Schutz. Zweifellos nach Absprache
mit Phokas, gab Kaiserin
Zoe ihrem alten Freund und Berater, Parakoimomenos Konstantin,
den Auftrag, Romanos in ihrem Namen
zu befehlen, seine Seeleute auszuzahlen und die Flotte umgehend aufzulösen.
Dieser reagierte überaus höflich und bat Konstantin an
Bord seines Flaggschiffes, wo er sofort gefangengesetzt wurde.
Die Verhaftung ihres bedeutenden Vertreters war ein vorsätzliche
Beleidigung und eine Kampfansage an die Kaiserin.
Zoe sandte eine Abordnung an Romanos
mit der Forderung nach einer Erklärung, und diese wurde von einem
Steinhagel begrüßt. Alarmiert berief sie umgehend eine Sitzung
ihrer Magistraten im Bukoleon ein - und mußte erkennen, dass diese
die Seite gewechselt hatten. Ihr eigener Sohn, der Knabe Konstantin
Porphyrogennetos, verlas eine Erklärung, in der seiner
Mutter, der Kaiserin, verkündet wurde, ihre Regentschaft sei zu
Ende und werde zukünftig gemeinsam von Patriarch Nikolaos
und dem Magistraten Stephanos, einem weiteren Mitglied des früheren
Rates, übernommen. Am Morgen danach erschien ein Trupp Soldaten, um
Kaiserin Zoe
erneut in das Euphemiakloster zu verfrachten. Erst nachdem
Konstantin unter Tränen lange
darum gefleht hatte, durfte sie schließlich, allerdings entmachtet,
im Palast bleiben.
Kaum einen Monat später (August 920) stellte Romanos
Konstantins Mutter Zoe mit dem
Vorwurf unter Anklage, sie habe versucht, ihn zu vergiften. Ob an dem Verdacht
etwas Wahres war, werden wir nie erfahren. Grund genug hätte sie gehabt,
aber da ihm in seiner Skrupellosigkeit jedes Mittel recht war, zum Ziel
zu gelangen, kann er die Anklage auch als Vorwand benutzt haben, um sie
endgültig aus dem Weg zu schaffen. Der Verdacht genügte jedenfalls,
um Kaiserin Zoes
Schicksal zu besiegeln. Wieder wurde ihr das Haar geschoren,
wieder mußte sie ins rauhe Nonnengewand schlüpfen, und wieder
schloß sich das schwere Tor des Euphemiasklosters hinter der
widerstrebenden
Schwester Anna.
9.1.906
oo 4. Leon VI. der Weise Kaiser von Byzanz
1.9.866 † 11.5.912
Kinder:
Tochter
90 3†
Konstantin VII. Porphyrogennetos
September 905 † 9.11.959
Literatur:
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Collenberg, Weyprecht Hugo Graf Rüdt von:
Wer war Theophano? Seite 59 - Norwich John Julius: Byzanz. Der Aufstieg
des oströmischen Reiches. Econ Verlag GmbH, Düsseldorf und München
1993 Band II Seite 148,153,158,161,166-176 -