Lewald Ursula: Seite 143-153
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"Die Ezzonen. Das Schicksal eines rheinischen Fürstengeschlechtes"

Auch Richeza ist ein tragisches Schicksal nicht erspart geblieben. Die verschiedenen deutschen und polnischen Quellen berichten über sie höchst Widersprüchliches, und auch die Erzählung des Brauweiler Mönchs ist kein Verlaß. Richeza hat sich sicher nicht, wie jener will, wegen der Nachstellungen einer Konkubine von ihrem Mann Mieszko getrennt und ist mit ihrem Sohn Kazimir bei Nacht und Nebel nach Deutschland geflohen. Sie wurde vielmehr nach dem Tode Mieszkos 1034, vielleicht sogar erst nach einer kurzen Zeit der Regentschaft von einer heidnisch-antideutschen Partei aus Polen vertrieben. Auch ihr Sohn Kazimir mußte kurz darauf fliehen. Spätere polnische Quellen wollen wissen, die Königin habe deutsche Zuzügler begünstigt und versucht, zur Zähmung des unbändigen polnischen Volkes Rundreisen des Herrschers bei den Magnaten und Hoftage mit Frohsinn und Gesang einzuführen. Erfolg hat sie mit diesen Reformen jedenfalls nicht gehabt, zumal auch ihr Mann, Mieszko II., kein Freund des deutschen Reiches gewesen ist. Mehrfach kam es zwischen ihm und KONRAD II. zu blutigen Zusammenstößen. Die Magdeburger Annalen überbieten sich geradezu in der Schilderung der Grausamkeiten, die Mieszko bei seinem Einfall in das Gebiet zwischen Saale und Elbe 1030 verübt hatte. KONRAD II. zwang ihn drei Jahre später auf dem Hoftag in Merseburg, auf die Königswürde zu verzichten. Die Krone selbst hatte schon Besprym, der ältere Bruder und Konkurrent Mieszkos, ein Jahr zuvor dem deutschen Kaiser ausgeliefert. Nach der fundatio überbrachte erst Richeza auf der Flucht zu KONRAD II. diesem ihre eigene Krone und die ihres Mannes. Das ist vermutlich unrichtig, richtig aber ist, dass der Kaiser Richeza gestattete, die Würde einer Königin weiter beizubehalten, obwohl in Polen selbst das Königtum erloschen war und erst von Richezas Enkel nach ihrem Tode 1076 wieder erneuert wurde.
Der plötzliche Verlust ihres Bruders Otto erschütterte Richeza derart, dass sie unmittelbar nach der Beisetzung, die wie erwähnt Bischof Bruno von Toul vornahm, aus dessen Händen den Schleier empfing und ihre Prunkgewänder sowie ihren kostbaren Schmuck auf dem Altar des heiligen Nikolaus aufopferte. Er diente neben anderen Zuwendungen dem Neubau der Brauweiler Klosterkirche. Und so ist auch Richeza nicht anders als ihre Äbtissinnen-Schwestern an einem wichtigen Kirchenneubau aktiv beteiligt gewesen. Durch den Akt der Schleiernahme verpflichtete sich Richeza nur dazu, keusch und zurückgezogen zu leben. In eine Kloster oder Stift ist sie nicht eingetreten. Noch fast zehn Jahre hindurch hat sie gezögert, ehe sie über ihren bedeutenden Grundbesitz verfügte. Ihr Bruder, Erzbischof Hermann, hatte für seine Kirche bisher nur das Hauskloster Brauweiler erworben. Papst Leo IX. bestätigte 1052 neben anderen wichtigen Rechten Burg und Kloster der Kölner Kirche. Mit Brauweiler und der Tomburg, dem wichtigsten Stützpunkt an der Aachen-Frankfurter Heerstraße, war das Erzstift in die linksrheinische Schlüsselposition der Pfalzgrafen eingerückt. Das scheint Erzbischof Hermann genügt zu haben. Auf seine Schwester hat er jedenfalls nachweislich keinen Druck ausgeübt, weitere Besitzungen der Kölner oder einer anderen Kirche zu übereignen.
Richeza jedoch wollte in Brauweiler neben ihren Eltern und Brüdern bestattet werden. Sie schenkte zu diesem Ende an Brauweiler das kostbare Weingut Klotten mit allem Zubehör, behielt sich freilich zeit ihres Lebens die Nutznießung davon vor. Zuweilen scheint sie auch dort gewohnt zu haben, denn die Klosterchronik berichtet, dass sie am Ort eine Kapelle errichten ließ, die ausschließlich für sie und ihr Gefolge bestimmt war. Den darüber wenig erfreuten Erzbischof Anno gedachte die Königin, so stellt es fundatio dar, dadurch freundlich zu stimmen, dass sie ihm Saalfeld, Coburg und Orla übertrug. Ganz freiwillig scheint diese Übereignung wohl nicht erfolgt zu sein. Jedenfalls geht aus der freilich nur in einem angeblichen Original überlieferten, aber dem Inhalt nach einwandfreien Urkunde hervor, dass Anno erst nach anfänglicher Weigerung der Richeza zum Ziele kam. Auch von diesen bedeutenden Besitzungen behielt sich Richeza die lebenslängliche Nutzung vor, ja Anno mußte ihr darüberhinaus die Einkünfte von Gütern in sieben Orten im Mainzer und Kölner Raum bis zu ihrem Tode übertragen und dazu noch jährlich 100 Pfund Silber. In der verfälschten Gründungsurkunde für das Kloster Saalfeld von 1071 bezeichnet Anno nicht ganz zu Unrecht diese Übertragung als einen Kauf, und er nennt zusätzlich noch drei Pfarrkirchen, die er bei diesem Rechtsakt von der Königin in der noch halb heidnischen terra Orla erworben habe. Auch nach der Übertragung an Anno hat Richeza in Saalfeld residiert, vielleicht, weil sie von hier aus, unweit der Slawengrenze, leichter den Kontakt mit ihrem inzwischen berühmt gewordenen Sohn, Herzog Kazimir von Polen, aufrechterhalten konnte. Hier ist sie auch 1063 gestorben. Erzbischof Anno bestattete Richeza nicht in Brauweiler, sondern in dem von ihm gegründeten Stifte Mariengraden und wandte diesem, entgegen dem Willen der Königin, nicht dem ezzonischen Familienkloster, das Weingut Klotten zu. Mit dem Tode der Richeza war schließlich das umfangreiche Allodialerbe mangels direkter Nachkommen von Ezzo und Mathilde an die Kirche gefallen. Bei den EZZONEN war die Mutter der Pfalzgrafenkinder, als der Erbfall eintrat, schon fast 40 Jahre tot, und es gab nach dem Verzicht Herzog Kazimirs von Polen auch aus der weiblichen Linie keine Nachkommen mehr, denn die sechs Schwestern der Richeza waren als Kloster- und Stiftsdamen ja sämtlich unverheiratet geblieben.