Lebe Reinhard: Seite 193-199
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"Ein Königreich als Mitgift. Heiratspolitik in der Geschichte."

Königin Hedwig und ihre Freier

König Ludwig I. von Ungarn und Polen hinterließ keinen Sohn, jedoch zwei minderjährige Töchter, Maria und Hedwig. Wahrhaft hochkarätige Erbinnen. Maria, die 1371 geborene ältere, war schon 1372 als Wickelkind mit Kaiser KARLS IV. damals vierjährigen Sohn SIGISMUND versprochen worden. Als das Mädchen nach dem Tod des Vaters jetzt von den ungarischen Magnaten in Buda zur Königin von Ungarn gekrönt wurde, entflammte der schöne SIGISMUND in gleichmäßig innigem Begehren sowohl für sie, seine Frühbverlobte, als auch für die ungarische sowie für die polnische Krone; schließlich war er ja der Urenkel Kasimirs des Großen. Würde Kaiser KARL IV. noch postum - als heiligmäßiger Reliquiensammler jetzt zweifellos aus Himmelsgefilden gespannt herunterspähend - durch seinen Sohn neben Ungarn auch Polen für das Haus LUXEMBURG-BÖHMEN erheiraten?
Nicht jedes fromme Frohlocken belohnt der Herr: mit der Königin Maria, der er 1385 vermählt wurde, gewann SIGISMUND, der spätere Kaiser, auf Sicht lediglich Ungarns Krone; "lediglich" geht eigentlich fehl, denn Ungarn war ja groß und bedeutend und überdies schwierig genug. Allzu voreilig aber titulierte sich SIGISMUND bereits "Herr des Königreichs Polen". Der mächtige polnische Adel nämlich versagte sich nach den trüben Erfahrungen mit Ludwig von Ungarn entschieden einer neuen Doppelung: Nur jene Tochter des verewigten Königs, so beschloß man, die ständig in der Hauptstadt Krakau resiedieren würde, könnte Königin von Polen werden. Und da Maria ja bereits in Buda ungarisch festgelegt war, kam nur ihre jüngere Schwester Hedwig, polnisch Jadwiga, als Monarchin in Betracht. Nach der Überwindung bürgerkriegsähnlicher Wirren in Polen wurde die etwa 1373 geborene Hedwig in der Obhut ihrer piastischen Mutter Elisabeth nach Krakau beordert [Richtigstellung: Hedwigs Mutter Elisabeth kann als bosnische Königs-Tochter keine PIASTIN gewesen sein, aber deren Mutter Elisabeth (+ nach 1345) war als Tochter Herzog Kasimirs III. von Kujawien ebensowie ihre Schwiegermutter Elisabeth von Polen (+ 29.12.1380), Schwester Kasimirs III., eine PIASTIN.]: Ihre Krakauer Krönung zum "Rex Poloniae" im Oktober 1384 beendete ein zweijähriges Interregnum und die ungarisch-polnische Union.
Wem aber würde die Mädchen-Königin, Polens Regina, ihre Hand reichen und zum für sie oder mit ihr regierenden Rex machen? Korrrekter: ihre Hand zu reichen haben? Für das Heirats-Haus HABSBURG stand die Antwort bereits fest. Wien hatte nämlich den kindlichen Herzog Wilhelm von Habsburg frühzeitig an diese Heiratsfront entsandt: Der Sohn Herzog Leopolds III. von Steiermark war 1375 fünfjährig mit der zweijährigen Hedwig verlobt und ihr 1378 sogar formell angetraut worden; mit Hedwigs zwölftem Jahr sollte die Ehe mit Wilhelm "vollzogen", wie auch immer, und rechtskräftig werden.
Gegen diese happige habsburgische Option nominierte eine starke polnische Adelsclique als Thronprätendenten und Ehekandidaten für Hedwig-Jadwiga den Herzog Ziemowit IV. aus dem nordpolnischen Masowien - und eine noch stärkere Adelspartei im Einvernehmen mit der Königin-Mutter Elisabeth machte sich für den Großfürsten Jagiello von Litauen stark. Während es zu dieser Zeit in Skandinavien bei einer Heirat um drei Kronen ging, konkurrierten in Polen also drei Ehekandidaten um eine Krone.
Wilhelm oder Ziemowit oder Jagiello? Die noch kindliche Hedwig kannte den Masowier nicht und schauderte bei dem Gedanken an den so viel älteren Litauer, der noch nicht einmal Christ war. Dann doch lieber Wilhelm nehmen, den netten Jungen, mit dem sie in dessen Heimat schon mal Fangen gespielt hatte. "Die gelegentlich breit ausgesponnenen Erzählungen über die Liebe der jungen Königin zu Wilhelm und ihre verzweifelte Unterordnung unter die politische Notwendigkeit", erzählt Gotthold Rhode, "sind ebenso spätere Ausschmückungen wie die Berichte über ihre strahlende Schönheit, handelte es sich doch um ein knapp zwölfjähriges Kind, das natürlich nicht ohne weiteres zur Ehe mit einem über zwanzig Jahre älteren Heidenfürsten bereit war."
Wilhelm von Habsburg kreuzte denn auch inn Krakau auf und drängte mit seinen Mentoren auf einen Heiratstermin. Hedwig war bereit, aber der Kastellan der Königsburg gehörte der einflußreichsten Adelsfraktion an, die schon mit Jagiello im Wort war, und verwehrte den HABSBURGER Hochzeitern den Zutritt. Nicht Österreich sollte sich ehelich nach Osten erweitern, sondern Polen wollte es selbst: in einer historischen Union mit dem riesigen Litauen.

Die Großunion: Jagiello und Hedwig

Boulevardblätter würden es heute eine "Elefantenhochzeit" nennen: Die Eheverbindung Jagiellos von Litauen und Hedwigs von Polen begründete, wie schon angedeutet, ein Großreich des Ostens mit rund 800.000 Quadratkilometern zwischen Schlesien und dem Fürstentum Moskau, zwischen Livland und der Krim. Leopold Ranke hat die Heiratsunion "das größte Ereignis" genannt, "welches seit dem Einbruch der Tatren 1230/31 die östliche Welt erschüttert hat."
Die arme kleine Hedwig konnte sich nicht lange verweigern, und so versprachen Polens führnede Adelfraktion und Mutter Elisabeth die Mädchen-Königin endgültig in einem Vertrag vom August 1385 mit dem Großfürsten aus Wilna: Würde Hedwig, so suggerierte man wohl dem frommen Kind, der Christenheit nicht einen unermeßlichen Dienst leisten, wenn sie mit ihrem Jawort der Bekehrung Jagiellos und seiner Völkerschaften den Weg bereitete?
Anfang des Jahres 1386 traf der litauische Großfürst in Krakau ein. Jagiello wurde feierlich getauft und dabei Wladyslaw benannt, und am 18. Februar 1386 fand die historische Hochzeit Jagiello-Wladyslaws mit Hedwig-Jadwiga auf dem Wawel statt.
Hedwig-Jadwiga, die in Polens Tradition als selbstlose, fromme und umsichtige Königin (und übrigens auch Neugründerin der Universität Krakau) eingegangen ist, hat, erst 26 Jahre alt, 1399 ein schwieriges Kindbett nicht überlebt.
Bezeichnenderweise ein polnischer Papst, Johannes Paul II., hat sie 1997 heiligegsprochen.