Ältester Sohn des Kaisers
KARL IV. aus dem Hause
LUXEMBURG aus seiner 4. Ehe mit der
Elisabeth
von Pommern, Tochter von Herzog Boguslaw V.
Lexikon des Mittelalters: Band VII Spalte 1868
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SIEGMUND, römisch-deutscher Kaiser, König von
Ungarn und Böhmen aus dem
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Hause LUXEMBURG
* 15. Februar 1368, + 9.12.1437
Nürnberg
Znaim
Begraben: Nagyvarad
Eltern: Kaiser KARL IV. und Elisabeth, Tochter Herzog Bogislaws V. von Pommern
1. oo 1385 Maria (+ 1395), Tochter Ludwigs I. von Ungarn und Polen
2. oo 1406/08 Barbara von Cilli
1409 Geburt der Tochter Elisabeth (oo ALBRECHT II., dem späteren deutschen König, König von Ungarn und Böhmen); am 31. März 1387 Krönung zum König von Ungarn in Stuhlweißenburg, am 20. September 1410 erste Wahl, am 21. Juli 1411 zweite Wahl zum römischen König, am 8. November 1414 Krönung in Aachen, am 25. November 1431 Krönung mit der „Eisernen Krone“ in Mailand, am 31. Mai 1433 Kaiserkrönung durch Eugen IV.
[1] JUGEND
SIEGMUNDS Jugend stand im Zeichen luxemburgischer Hauspolitik.KARL IV. hatte SIEGMUND kurz nach der Geburt mit der Tochter Burggraf Friedrichs V. von Zollern verlobt; als dieser eigene Söhne bekam, wurde die Verbindung gelöst. 1372 in Breslau, definitiv 1375 in Brünn vereinbarte KARL die Verlobung SIEGMUNDS mit Maria, der Tochter König Ludwigs, die durch den Tod ihrer älteren Schwester im Jahre 1378 zur Haupterbin Ludwigs in Ungarn wurde. Kindheit und Jugend verbrachte SIEGMUND überwiegend in Prag und in der Mark Brandenburg, später auch in Polen und Ungarn. Der Prinz lernte Deutsch, Tschechisch, Lateinisch, Französisch, „Slawisch“ (wohl Kroatisch), Italienisch und Ungarisch. Von seinen Erziehern ist der Humanist Niccolo die Beccari aus Florenz bekannt. Der körperlich attraktive und lebenslustige SIEGMUND galt als hochgebildet.
[2] KURBRANDENBURG, UNGARN
1376 erhielt SIEGMUND
als Lehen die Mark Brandenburg (zunächst ohne die Neumark).
Als König Ludwig 1382 starb, nutzten
die Polen die Gunst der Stunde, um sich von Ungarn zu lösen. SIEGMUND
mußte sich dort gegen Karl III. vonAnjou-Durazzo
und dessen Sohn Ladislaus sowie deren
Parteigänger um den Ban Johann Horvati durchsetzen. Maria
war
fast ein Jahr Gefangene der Gegner, ihre Mutter Elisabeth
und der Palatin Nikolaus I. von Gara wurden getötet. SIEGMUND
mußte
die Hilfe König WENZELS in Anspruch
nehmen und die Unterstützung des ungarischen Adels erwirken; besonders
letzteres kam den König teuer zu stehen. Von 1387 ist das erste, mehr
oder minder förmliche Wahlversprechen eines ungarischen Königs
überliefert; vereinbart war es mit den „Regnicolae Hungaricae“, die
sich 1386 formiert hatten.
SIEGMUND
wurde
gekrönt und erwirkte die Befreiung Marias,
beides mit Hilfe Venedigs, das kein Interesse an einer Verbindung Neapels
mit Ungarn haben konnte. Die Königin blieb bis zu ihrem Tode Mitregentin.
Zur Schuldentilgung verpfändete SIEGMUND
1388 die Mark Brandenburg an seine Vettern JODOK
und Prokop; später erhielt JODOK
auch die Kurwürde. Die Neumark ging an Johannes
von Görlitz,
SIEGMUNDS
Halbbruder (Richtigstellung: Johann
war SIEGMUNDS Bruder), zurück;
SIEGMUND
erbte
sie 1396. WENZEL erhielt SIEGMUNDS
Anteil an den Bergwerken in Kuttenberg. Durch die lange Phase der Herrschaftskonsolidierung
geschwächt, verlor Ungarn unter anderem Galizien und die Moldau.
1396 unterlag SIEGMUND mit
vorwiegend französisch-ungarischen Kreuzfahrern Sultan
Bayezid I. bei Nikepolis; damit wurde die türkische Gefahr
akut. Der Reichstag zu Temesvar 1397 beschloß auf der Basis der Goldenen
Bulle König Andreas‘ II. mit den
Zusätzen Ludwigs I. die Reorganisation
des Militärs. In diesem Kontext wurden auch die kirchlichen Einkünfte
zugunsten des heimischen Klerus und der Söhne des Adels beschnitten.
Dies, die Einschränkung der Appellation an Rom und das Verbot, von
der Kurie ernannten „bullati“ Pfründen zu gewähren, bereiteten
dem „Placetum Regium“ (Reichstag zu Preßburg, 1404) den Weg. Die
Nutzung des Schismas zur Stärkung der königlichen Position prägte
SIEGMUNDS
ungarische Kirchenpolitik von 1397 bis zum Konstanzer Konzil. Das Adelsrecht
auf Widerstand und das bereits in der Wahlkapitulation genannte, 1397 bestätigte
Verbot fremder Berater ermöglichten der Gruppe um den Erzbischof Johann
Kanizsai 1401 die Festnahme SIEGMUNDS.
Die Regierung wurde „auctoritate sacre corone“ von Baronen übernommen.
Befreit wurde
SIEGMUND von der Garai-Gruppe,
mit der er sich durch Heirat mit Barbara von Cilli
verbunden
hatte. Ein letzter Angriff auf das Königtum erfolgte im Frühjahr
1403 durch Ladislaus von Neapel, der seine Ansprüche mit Hilfe des
Papstes durchzusetzen versuchte. Der Angriff mißlang, weil der Papst
durch das Schisma geschwächt und SIEGMUNDS
Liga bereits stark genug war. Im Oktober 1403 amnestierte SIEGMUND
alle ehemaligen Gegner (Reichstag zu Ofen,1403). Die Gründung des
Drachenordens (1408) sollte das Königtum weiter festigen. In den folgenden
Jahren mußte SIEGMUND mehrfach
türkische Angriffe abwehren. Im Innern bemühte er sich um die
Nutzung der Landesressourcen durch Förderung wichtiger Städte
und des Levante-Handels. Im Laufe seines Herrscherlebens zog SIEGMUND
in luxemburgischer
Haustradition
vor allem italienische, aber auch deutsche Experten an seinen Hof. Wichtige
Einkommensquellen des Königs waren der (Gold- und Silber-)Bergbau
und das Salzregal. In der Lokalverwaltung gewann der Komitatsadel an Selbständigkeit.
Mit der Nachfolge ALBRECHTS und Elisabeths
setzte
SIEGMUND
seine dynastischen Pläne durch.
[3] BÖHMEN UND DAS REICH
Die Herrschaft in Böhmen war bereits unter WENZEL
nicht konfliktfrei. Dabei vermengten sich böhmische und deutsche Fürsteninteressen
und luxemburgischer Familienzwist nicht nur bei der Genese der Konflikte,
sondern auch bei deren Beilegung in wechselndem Mit- und Gegeneinander.
SIEGMUND
schloß 1394 einen Erbvertrag mit seinem Bruder, den er zwei Jahre
später gegen erneute Hilfe bekräftigen ließ. Zudem setzte
WENZEL
dem deutschen Drängen auf einen Reichsvikar die Ernennung
SIEGMUNDS
entgegen, obgleich dieser nach Ungarn zurückkehrte und mit Brandenburg
sogar die Reichsfürstenwürde verloren hatte. Während der
Gefangenschaft WENZELS (1402/03) trat
SIEGMUND
im Februar 1402 als Reichsverweser die Herrschaft in Böhmen an und
plante den überfälligen Romzug für seinen Bruder (Richtig:
Stiefbruder). Unterstützt wurde SIEGMUND
von den HABSBURGERN;
Albrecht
IV. erhielt dafür die Anwartschaft auf die ungarische Krone
und die böhmische Statthalterschaft. Zur Finanzierung seiner Politik
verpfändete SIEGMUND 1402 die
Neumark an den Deutschen Orden. Allerdings war SIEGMUND
damit überfordert, gleichzeitig in Ungarn und Böhmen seine Herrschaft
durchzusetzen: Weihnachten 1403 zog WENZELwieder
in Prag ein.
Nach dem Tod König RUPRECHTS
wählten
am 20. September 1410 Kurpfalz, Kurtrier und (unrechtmäßig)
Kurbrandenburg SIEGMUND und am 1. Oktober
die Gegenpartei JODOK VON MÄHREN
zum deutschen König; letzterer starb am 18. Januar 1411. Am
21. Juli des Jahres wählten dann auch Mainz, Köln, Sachsen, Brandenburg
und Böhmen SIEGMUND zum König.
Die Zweiteilung der Wahl spiegelt SIEGMUNDS
diplomatisches Geschick wieder: In der Approbationsfrage machte er der
kurpfälzischen Partei („Gregorianer“) keine Zugeständnisse, die
für Kurmainz und Kurköln („Pisaner) unannehmbar gewesen wären.
Zudem gelang es SIEGMUND, sich mit
WENZEL
über eine Aufteilung der Königs- und Kaiserwürde zu einigen.
Bei der Herrschaftssicherung stützte sich SIEGMUND
zunächst auf Kurpfalz. Eigene Reichspolitik (seit 1414) fiel dem König
ohne Hausmacht schwer; er war im wesentlichen auf seine Legitimationsfunktion
angewiesen. Aktives politisches Handeln war ihm nur bei eklatanten Verletzungen
der Ordnung möglich. Die Erfolge des Königs führten
zum Zusammenrücken der Kurfürsten und zum Bruch mit dem Pfalzgrafen
(1417). SIEGMUND blieb zeitlebens darauf
angewiesen, sich auf territoriale Handlungsträger („Ersatzhausmacht“)
im Reich zu stützen. Dies erforderte große Zugeständnisse,
von denen die Übertragung der Mark Brandenburg an Friedrich von Nürnberg
(1411 Kurwürde 1417) zu den historisch folgenreichsten zählt.
Die Einberufung des Konstanzer Konzils ist bezeichnend
für SIEGMUNDS
pragmatische Politik:
SIEGMUND
nutzte
den Vorteil, dass sein Königtum erstarkte, während sich die Lage
der Päpste unter dem Schisma ständig verschlechterte. Im Vorfeld
des Konzils entstand ein komplexes Bündnisgeflecht: in Leicester (König
Heinrich V. von England/Burgund), in Trino (SIEGMUND/Karl
VI. von Frankreich), in Koblenz (SIEGMUND/Heinrich
V.) und in Arras (Burgund/Karl VI.).
SIEGMUND
wollte das Konzil sichern und zugleich die burgundische Frage im dynastischen
Interesse lösen. In der Papstfrage blieb er nominelle der Pisaner
Position treu, politisch näherte r sich jedoch dem Heidelberger Hof.
Die Zustimmung der spanischen Könige („Capitula Narbonensia“) erwirkte
SIEGMUND
auf einer Reise 1415/16, auf der auch das Bündnis von Canterbury geschlossen
wurde. Es gelang, das Schisma zu überwinden; hingegen verlor SIEGMUND
den Streit um die Priorität von Kirchenreform oder Papstwahl. Auch
die causa fidei wurde durch die Verbrennung von Johannes Hus im Juli 1415
nur scheinbar gelöst; in Böhmen eskalierte das Problem, spätestens
nach dem Tod WENZELS.
SIEGMUNDS
böhmische Krönung am 28. Juli 1420 blieb bis zur Durchsetzung
(1436/37) der auf der Basis der Vier Prager Artikel ausgehandelten Basler
Kompaktaten (1433) ein umkämpfter Anspruch; die gescheiterten Kreuzzüge
(1420/21,1422,1426/27,1431) sowie die Schlacht bei Lipany 1434 markierten
Stationen auf diesem Weg.
[4] KÖNIG UND REICH
Da SIEGMUND oft nicht
im Reich war, mußte königliches Handeln, dort wo es eigentlich
hätte erfolgen müssen, vielfach aufgeschoben oder vorausgesetzt,
gelegentlich auch ersetzt werden, wobei letzeres am schlechtesten legitimiert
war. Jedenfalls konnte das Königs“defizit“ im Normalfall ausgeglichen
werden, nicht jedoch in der Hussitenkrise. Deren Bewältigung erfolgte
in drei Etappen, was die Entwicklung reichspolitischen Handelns unter SIEGMUND
verdeutlicht: das Kurfürstenbündnis (1421), die Reichsmatrikel
(1422) und die Reichssteuer (1327). Zunächst handelten die Kurfürsten
unter Berufung auf den König, jedoch mit päpstlicher Legitimation.
1422 reichte diese Art der Legitimation nicht mehr aus, der König
mußte selbst erscheinen. Als 1427 SIEGMUND
nicht erreichbar war, leitete an seiner Stelle der englische Finanzexperte
und Kardinallegat Heinrich von Beaufort
den Tag und erarbeitete das Konzept für die erste deutsche Reichssteuer.
Diese bemerkenswerte Überwindung des Königs“defizits“ markiert
einen vorläufigen Höhepunkt der Selbstorganisation des Reiches.
Das Baseler Konzil war anfangs auf den König angewiesen
und diente diesem im Gegenzug zur Steigerung seiner machtpolitischen Präsenz
im Reich sowie als diplomatisches Rückendeckung in Italien. Das Konzil
emanzipierte sich jedoch zusehends vom König und nahm wie dieser Legitimationsfunktionen
und Rechtsprechung wahr. Dem Kaiser (seit 1433) war ein Konkurrent erwachsen,
der mit zunehmender Rigorosität gegen den Papst auch politisch selbstbewußter
auftrat und begann, Forderungen an das Reich zu stellen. Kurfürsten
wie Reichsstädte schützten sich gegen Konzilsansprüche,
indem sie sich auf den Kaiser beriefen. Dieser Vorgang belegt die Grenze
reichspolitischer Selbständigkeit: Die Reichsglieder waren unter SIEGMUND
noch unmittelbar auf den König bezogen, weshalb sich eine eigenständige
legitimierte „Opposition“ (noch) nicht bilden konnte. Dies schloß
Kontroversen und grundsätzliche Aufffassungsunterschiede zwischen
SIEGMUND
und den Kurfürsten jedoch nicht aus.
Die unterschiedliche geopolitische Perspektive von König
und rheinischen Kurfürsten beeinflußte auch die Vermittlungen
zwischen den Deutschen Orden und Polen: SIEGMUNDS
Verankerung in Ostmitteleuropa veranlaßte ihn, die Politik des Deutschen
Ordens an seinem Verhältnis zu Polen-Litauen zu orientieren. Dagegen
stellten sich die rheinischen Kurfürsten - vom Papst unterstützt
– uneingeschränkt vor den Orden als „Hort der Christenheit“ und machten
dies gegebenenfalls auch gegen den König geltend. Ähnlich
differierten die Haltungen zum Krieg zwischen Venedig und Mailand. SIEGMUNDS
Handeln war ganz vom diplomatischen Nutzen bestimmt; so wechselte er auf
seinem Italienzug von der mailändischen auf die Seite der Liga, um
im komplizierten Mit- und Gegeneinander von Papst und Venedig versus Konzil
und Mailand seine eigene Position zu stärken und eine Vermittlerrolle
wahrnehmen zu können.
SIEGMUND gilt als
Kirchen- und Reichsreformer, als Schöpfer der Idee der Donaumonarchie,
als großer Diplomat und schlechter Feldherr. Man sagt ihm nach, er
sei unstet gewesen und habe zu viele Dinge gleichzeitig betrieben. Der
Persönlichkeit wird wohl zu Unrecht angelastet, was auch durch den
extremen Aktionsradius dieses letzten LUXEMBURGERS
erklärbar ist: Der weit ausgedehnte Herrschaftsraum mit den unterschiedlichen
sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen
überforderte das Leistungsvermögen eines spätmittelalterlichen
Herrschers sowohl hinsichtlich der Anforderungen als auch der verfügbaren
Mittel bei weitem.
Quellen:
----------
MCXV. Concil Basileense, T. I-III, 1857-1896 - RTA, Ältere
Reihe, 7-12 Bde, 1878-1901 - F. E, Windecke, Denkwürdigkeiten zur
Gesch. des Zeitalters Ks. S. s, hg. W. Altmann, 1893 - Acta Concil Constanciensis,
hg. H. Finke - J. F. Böhmer, RI XI, 1896-1900 - Zsigmondkori Okleveltar,
hg. E. Malyusz, 1951-1958 - Necr. Regni Hung., 1301-1457, ed. F. Döry,
G. Bonis, V. Bacskai, 1976.
Literatur:
-----------
J. v. Aschbach, Gesch. Ks. S. s, 1838-1845 - S. Wefers,
Das politische System Ks. S. s, 1989 - E. Malyusz, Ks. S. in Ungarn, 1990
- W. Baum, Ks. S., 1993 - S. von Luxemburg, hg. J. Macke, E. Marosi, F.Seibt,
1994 - G. Beinhoff, Die Italiener am Hof Ks. S. s, 1995.
SIGISMUND
-----------------
* Prag 14. II 1368, + Znaim 9. XII 1437
Begraben: Großwardein
11. VI 1378/1395 und 1411/15 MARKGRAF VON BRANDENBURG
Stuhlweißenburg 10. VI 1386 als KÖNIG VON
UNGARN gewählt
Stuhlweißenburg 31. III 1387 gekrönt
Frankfurt 14. IX 1410 als KÖNIG gewählt, bestätigt
21. VII 1411
Aachen 8. XI 1414 mit Gemahlin gekrönt
Hradschin 28. VII 1410 KÖNIG VON BÖHMEN
Prag 27. VII 1420 gekrönt
Mailand 25. XI 1431 KÖNIG VON ITALIEN
31. V 1433 KAISER
1. oo X 1385
MARIA, 1382 KÖNIGIN VON UNGARN (ANJOU-SIZILIEN)
* 1370, Ofen 17. V 1395
Begraben: Warasdin
Tochter von Ludwig dem Großen König von Ungarn und Polen
2. oo 1406/08
BARBARA VON CILLI
* (1390/95), + Melnik an der Pest 11. VII 1451
Tochter von Graf Hermann II.
1412 Statthalterin von UNGARN
Prag 11. II 1436 Königin von BÖHMEN
Hoensch Jörg: Seite 457-464
***********
"Kaiser Sigismund.Herrscher an der Schwelle zur Neuzeit
1368-1437."
SIGISMUNDVON LUXEMBURG
hat - wie im Hofmilieu der Zeit üblich - wenig elterliche Zuwendung
erfahren. Seine erste Teilnahme an einem Staatsakt ist für den 2.
Oktober 1273 nachzuweisen, als er auf einem Prager Hoftag zusammen mit
seinen Brüdern WENZEL
und
Johann von dem kaiserlichen Vater mit der Mark Brandenburg
belehnt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte längst die konsequente
Ausbildung des Kaisersohnes eingesetzt. Neben dem vom Hofmeister überwachten,
von den Kaplänen und ihnen zugewesenen Lehrern erteilten Unterricht
im Lesen und Schreiben, Rechnen und der Religion kam der Vermittlung von
Fremdsprachen ein hoher Stellenwert zu. KARLS
Söhne wuchsen zweisprachig - tschechisch und deutsch - auf und erhielten
früh Französisch- und Lateinunterricht. Der sprachbegabte SIGISMUND
lernte darüber hinaus Ungarisch, Italienisch und "Slavisch" - wohl
eher Polnisch als Kroatisch. Er wurde zudem nicht nur mit der Heiligen
Schrift und den Kirchenvätern, sondern auch mit den Werken antiker
Autoren sowie den Grundlagen des römischen und kanonischen Rechts
bekannt gemacht. Er reiste im Februar 1374 mit der königlichen Hofhaltung
in die Mark Brandenburg und blieb nach des Vaters Abreise in Tangermünde
zurück.
Bereits bei seiner Geburt war SIGISMUND
mit Katharina von Zollern, der Tochter des Burggrafen Friedrich
V., verlobt worden. Durch die Geburt von zwei Söhnen verlor diese
Verbindung jeglichen Sinn. Anfang 1372 wurde eine Ehevereinbarung zwischen
SIGISMUND
und einer ungarischen Prinzessin getroffen. Ludwig
von Ungarn benannte erst am 21. Juni 1373 seine Zweitgeborene
Maria
als
Verlobte SIGISMUNDS. In dem am 14.
April 1375 in Brünn abgeschlossenen Ehevertrag kam es zu keinen Vereinbarungen
über die ungarische Thronfolge. Auch nach dem Tod der ungarischen
Thronfolgerin Katharina (Mai/Oktober 1378) gelang es seinem
Vater nicht mehr, die Nachfolge seines Sohnes in Ungarn abzusichern. Im
September 1379 fand die Verlobung mit der 8-jährigen Maria
statt, die SIGISMUND
hier zum ersten Mal sah. Zur weiteren Erziehung wurde der junge Prinz dem
Schwiegervater übergeben, um sich mit den Sitten und Gebräuchen
vertraut zu machen. Obgleich ihn König Ludwig
als
geeigneten Nachfolger in beiden Reichen einstufte, scheint sich SIGISMUND
nicht nur das Missfallen der dominierenden Königs-Mutter
Elisabeth(+ 29.12.1380) zugezogen zu haben, sondern bald auch
die sich zu Hass steigernde Abneigung seiner künftigen Schwiegermutter,
der bosnischen Prinzessin Elisabeth Kotromanic.
Krankheiten und das Ende
Als SIGISMUND am 12.
August 1437 nach Prag zurückkehrte, dürfte seine Gesundheit bereits
angegriffen gewesen sein, denn er musste sich am 9. September einer Operation
unterziehen, bei der er die bei der Amputation einer großen Zehe
auftretenden starken Schmerzen heldenhaft ertrug. Bei der von den Zeitgenossen
als "ignis sacer" (Höllenbrand), "cancer" oder recht allgemein
"infirmitas pollicis in pede" bezeichneten Erkrankung dürfte
es sich um schwere arterielle Durchblutungsstörungen gehandelt
haben, die "Gangraena senilis" (Altersbrand) hervorgerufen hatten.
SIGISMUND verfügte über eine
recht robuste Konstitution, obgleich er durch übermäßiges
Essen und Trinken sowie durch die Strapazen des ständigen Reisens
seinen Körper zeitlebens großen Belastungen ausgesetzt hatte.
Bereits in seinen frühen ungarischen Jahren sind
fast immer Mediziner in seiner Umgebung nachzuweisen. Verwundungen in Gefechten
oder bei Turnieren scheint er nicht erlitten zu haben. Eine ernsthafte
Erkrankung ist erstmals für das Jahr 1404 belegt, als SIGISMUND
bei der Belagerung von Znaim wohl eher eine schwere Ruhr durchmachte und
nicht wegen eines Giftanschlags lebensgefährlich darniederlag. Einen
riskanten Sturz vom Pferd bei der Jagd 1412, nach dem der ohnmächtige
König von seiner Umgebung schon aufgegeben wurde, hat er ebenso folgenlos
überstanden wie mehrere Attentate und Vergiftungsversuche. Nach einem
heftigen Gichtparoxysmus im Jahre 1422 litt er, wie er den im Mai
1426 in Nürnberg auf ihn wartenden Reichsständen mitteilte, an
einer Krankheit "mit namen die sciatia des Ruckes". 1429 zwang ihn ein
erneuter Gichtanfall in Preßburg zu bleiben, so dass er auch
einen für November nach Wien ausgeschriebenen Reichstag nicht zu besuchen
vermochte. Während des Romzuges müssen ihn ebenfalls so große
Gichtschmerzen geplagt haben, dass er im September/Oktober 1432 von Siena
aus den Besuch der Thermen von Petriolo in Erwägung zog. Auch bei
seinem Aufenthalt in Basel muss seine Sehschärfe nachgelassen haben,
weil er im März 1434 den ihm seit langem gut bekannten Frankfurter
Schöffen Walter von Schwarzenberg um die Zusendung einer Brille bitten
ließ.
Er legte selbst noch den Ablauf der Totenfeier fest und
hörte am Morgen des 9. Dezember im kaiserlichen Ornat und gekrönt
die Heilige Messe. Anschließend in sein Totengewand gekleidet, starb
er im Schlaf am Nachmittag des 9. Dezember 1437, auf seinem Thron
sitzend, nachdem er 50 Jahre in Ungarn, 27 Jahre im Reich und - nominell
- 18 Jahre in Böhmen regiert und über 4 Jahre das kaiserliche
Diadem getragen hatte.
1385
1. oo Maria von Ungarn, Tochter des Königs
Ludwig I.
x 1370-17.5.1395
11.5.1396
v. oo Margarete von Brieg, Tochter des Herzogs
Heinrich VII.
1380/84-2.10. nach 1408
6.12.1405
2. oo Barbara von Cilly, Tochter des Grafen Hermann
II.
1392-11.7.1451
Melnik
Kinder:
2. Ehe
Elisabeth
1409-19.12.1441
28.9.1421
oo ALBRECHT II. VON HABSBURG König
des Deutschen Reiches
16.8.1397-27.10.1439
Illegitim:
Janos Hunyadi
1408-11.8.1456
Literatur:
-----------
Hoensch, Jörg K.: Die Luxemburger. Eine spätmittelalterliche
Dynastie gesamteuropäischer Bedeutung 1308-1437. Verlag W. Kohlhammer
2000 Seite 39,159,163-167,170,191,193,202,204-207,210-214, 217-224,226,231-306
- Hoensch, Jörg K.: Kaiser Sigismund. Herrscher an der Schwelle
zur Neuzeit 1368-1437. Verlag C.H. Beck München 1996 - Hoensch,
Jörg K.: Matthias Corvinus. Diplomat, Feldherr und Mäzen. Verlag
Styria Graz Wien Köln 1998 Seite 7,14,16-20,23-29,31,34,36,50,70,76,81,
85,87,95,100,102,120,124,143,145,200,208,243,246,256,259 - Höfer,
Manfred: Die Kaiser und Könige der Deutschen, Bechtle Verlag Esslingen
1994, Seite 155-161 - Hoyer, Siegfried: Siegmund, in Deutsche
Könige und Kaiser des Mittelalters. Urania-Verlag Leipzig Jena Berlin
1989, Seite 341-354 - Jaeckel, Gerhard: Die deutschen Kaiser.
Die Lebensgeschichten sämtlicher Monarchen von Karl dem Großen
bis Wilhelm II., Weltbild Verlag Augsburg, Seite 128-137 - Krieger,
Karl-Friedrich: Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich
III. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1994, Seite 155-159,161,164,
168,173,179,189 - Schwennicke Detlev: Europäische Stammtafeln
Neue Folge Band I. 1, Vittorio Klostermann GmbH Frankfurt am Main 1998
Tafel 82 - Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln
zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1, R. G. Fischer Verlag
Frankfurt/Main 1993 - Veldtrup, Dieter:
Zwischen Eherecht und Familienpolitik. Studien zu den dynastischen Heiratsprojekten
Karls IV., Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit Verlag Fahlbusch/Hölscher/Rieger
Warendorf 1988 - Westmitteleuropa - Ostmitteleuropa. Vergleiche
und Beziehungen. Festschrift für Ferdinand Seibt zum 65. Geburtstag,
hg. von Winfried Eberhard, Hans Lemberg, Heinz-Dieter Heimann und Robert
Luft, R. Oldenbourg Verlag München 1992, Seite 166,168-169,173,180-181,183,309,314,316-317,319,328-329
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