Etwa zur Zeit seiner Königserhebung, also wohl noch
im Jahre 855, heiratete Lothar
II. die Schwester Hukberts,
Teutberga.
Zu
dieser Ehe mag der König von seinem Adel gezwungen, zumindest aber
durch die allgemeine politische Lage genötigt worden sein. Wegen der
Eheschließung mit Teutberga hatte
Lothar
vielleicht eine andere Verbindung gelöst, zumindest wurde dies im
Laufe des "Ehestreites" behauptet. Möglicherweise war
Lothar wie sein Bruder LUDWIG
II. zu Lebzeiten
LOTHARS
I.
einen Konkubinat eingegangen. Ob
Lothar
diesen
855 auflöste oder neben der Ehe mit Teutberga
bestehen ließ, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Spätestens
an Lothars Versuch, sich auch von Teutberga
bald wieder zu trenenn, ist klar ersichtlich, daß der Adel dessen
Eheverhalten - anders als im Fall KARLS
DES GROSSEN - nicht unwidersprochen hinnahm. Hukbert,
der Bruder Teutberga, gehörte
zu den engsten Ratgebern Lothars II.
und kontrollierte zum Zeitpunkt der Heirat seiner Schwester weite Gebiete
des Jura und Oberitaliens Vom Druck Hukberts wollte sich
Lothar möglicherweise befreien, als er 857 eine Annäherung
an seine beiden Oheime suchte.
Teutbergas
Verstoßung sollte wohl im alten Stil anzeigen, daß
Lothar Hukberts Verhalten nicht länger hinnehmen würde
und das Bündnis mit ihm aufkündigte.
Die Reaktion auf Lothars
Handlungsweise, die dessen Königtum außerordentlich gefährdete,
blieb nicht aus. Seine geringe Macht wurde offenbar, als er Hukberts
nicht Herr wurde.
Lothars Scheidung
von Teutberga wurde nun zu einem Politikum
größten Ausnmaßes. Innere und äußere Feinde
spielten sich zu Beschützern der Königin auf.
Lothar berief Geistliche zu Schiedsrichtern in dieser Angelegenheit
und begab sich damit vollends in eine Abhängigkeit, die sein Königtum
in Frage stellte.
Im späteren Verlauf des "Ehestreits" wurden mehrere
Motive für die Verstoßung Teutbergas
angeführt,
die auch die neuere Forschung nicht immer scharf von den Ereignissen des
Jahres 857 getrennt hat. Auch jene erste Begründung der Scheidung,
nämlich der Verdacht der widernatürlichen Unzucht zwischen
Teutberga
und ihrem Bruder Hukbert, wurde erst auf der zweiten Synode des
Jahres 860 deutlich ausgesprochen. Bei der ersten Synode von Aachen im
Jänner 860 war nur ganz allgemein von einem Verbrechen Teutbergas
die Rede gewesen, das Gunther als Beichtvater der Königin bezeugt
hatte. So bleibt es unerwiesen, ob ein derartiges Gerücht schon 857
ausgestreut wurde. Jedoch mag schon 857 die Absicht bestanden haben, das
Geschwisterpaar moralisch zu diffamieren. Vielleicht darf die Art der Beschuldigung
sogar als Hinweis darauf interpretiert werden, daß Teutberga
an der Politik ihres Bruders nicht unbeteiligt war. Der Vorwurf gegen sie
und Hukbert entsprach einer Praxis, die auch schon gegen Judith
und
Bernhard, die gemeinsame Politik machten, angewandt worden war.
Auch die Geschehnisse des Jahres 858 sind nicht eindeutig
überliefert. Während Prudentius berichtet, daß
Lothar von seinem Adel gezwungen worden sei, Teutberga
wieder aufzunehmen, sie aber nicht als Ehefrau respektiere, sondern gefangen
halte, weiß Hinkmar von einem Königsgericht zu berichten, in
dem die Unschuld der Königin durch ein Gottesurteil erwiesen worden
sei. Sofern die westfränkischen Quellen den Sachverhalt überhaupt
richtig darstellen, müßte das Gericht jedenfalls vor Lothars
Arrangement
mit seinen Brüdern getagt haben. Insbesondere das Bündnis mit
seinem Bruder
Karl brachte Lothar,
der 858 tatsächlich einen Tiefpunkt seiner Macht erreicht hatte, eine
Wende. Danach konnte es Lothar vielleicht
wieder wagen,
Teutberga gefangen zu
halten.
Durch einige Gebietsabtretungen war ein gutes Einvernehmen
mit den Brüdern und den Oheimen erkauft worden. Im Oktober 859 zeichnete
sich allerdings ein Zerwürfnis mit KARL
DEM KAHLEN ab. Vielleicht hatte dessen Verhalten gegenüber
Hukbert
Lothar
verärgert
und auf den Gedanken gebracht, seine Trennung von Teutberga
neuerlich
zu dokumentieren. Andere Gründe für die Einberufung der beiden
Aachener Synoden von 860 sind kaum festzustellen. Damals spielten nämlich
weder die Frage der Unfruchtbarkeit Teutbergas
noch der Wunsch Lothars, eine neue
Ehe eingehen zu können, eine Rolle. Der König hatte
Teutberga außerdem in seiner Gewalt und hätte, sofern
er aus jenen Gründen eine Scheidung erstrebte, sein Ziel durch stillschweigends
Handeln eher erreicht. Die Oheime Lothars,
insbesondere KARL DER KAHLE, scheinen
erst auf Grund der unklugen Vorgehensweise des Neffen den Plan gefaßt
zu haben, dessen Schwieirgkeiten zu einem erbrechtlichen Vorteil auszunützen.
Mit den Prozessen von 860 verfolgte Lothar
II. offensichtlich das Ziel, seinen politischen Gegner Hukbert
zu
diffamieren. Teutberga war aber dazu
ausersehen, das Werkzeug für einen Angriff gegen ihren Bruder abzugeben.
Sie wurde nicht nur gezwungen sich selbst zu beschuldigen, sondern sollte
vor allem die moralische Verworfenheit ihres Bruders bezeugen.
Die erste Phase des "Ehestreits" war von Lothars
Bestrebungen
bestimmt gewesen, sich von der Bevormundung durch seinen Adel zu befreien
und seine Unabhängigkeit als König unter Beweis zu stellen. In
der zweiten Phase nach den Synoden von 860 versuchte
Lothar, seinen Erben zu legitimieren und ihm somit die Nachfolge
zu sichern. Schon als Teutberga 860
in das Reich KARLS DES KAHLEN
floh, kündigte sich die zweite Phase des "Ehestreits" an. In Sicherheit
konnte Teutberga ihr Schuldgeständnis
widerrufen. Dies mag Lothar dazu veranlaßt
haben, beim Papst um eine Bestätigung des Synodalverfahrens von 860
anzusuchen. Eine entscheidende Wendung zeichnete sich erst ab, als 862
KARL
DER KAHLE ganz offen zum Angriff überging und aus moralischen
Gründen ein Bündnis mit Lothar
ablehnte. Lothar hielt KARLS
Angriffe
für schwerwiegend genug, um 862 neuerlich eine Synode einzuberufen,
die sich mit seiner Ehe befassen sollte. Er selbst war wohl zuvor die Verbindung
mit Waldarada eingegangen. Ob dies
schon vor seiner Ehe mit Teutberga
der Fall war, wie auf der Synode von Metz im Jahere 863 behauptet wurde,
muß dahingestellt bleiben.Wahrscheinlicher wäre, daß
Lothar erst nach Verstoßung Teutbergas
die Verbindung mit einer andere Sippe seines Reiches suchte und Waldarada
heiratete. Für letzteres spräche auch das mutmaßliche Datum
der Geburt von deren Sohn Hugo. Die
Synode des Jahres 862, die im April in Aachen zusammentrat, strebte erstmals
eine Nichtigkeitserklärung der Ehe mit Teutberga
an.
Dadurch sollte die Berechtigung des Königs zu einer neuen Ehe festgestellt
werden. In einem Brief erbat Lothar
schließlich die Bestätigung des Urteils der Synode durch den
Papst und dessen Zustimmung zu einer Ehe mit Waldrada.
Ernst war es dem König damit wohl nicht, denn ohne die päpstliche
Entscheidung abzuwarten, machte er Waldrada
noch 862 zur Königin.
Nikolaus I. sandte 865 Arsenius zu KARL
DEM KAHLEN. Dieser nahm von diesem Teutberga
in
Empfang und führte sie Lothar
als
Gattin zu. Waldrada aber nahm er auf
seiner Rückreise mit nach Rom. Soweit mochte der Gesandte des Papstes
ganz im Sinne KARLS DES KAHLEN
gehandelt haben. Auf dem Weg nach Rom kehrte Waldrada
jedoch um und kam zu Lothar II. zurück.
In Anbetracht dieser Tatsache nimmt sich Lothars
Bereitwilligkeit, dem Willen des Arsenius zu willfahren, wie ein abgekartetes
Spiel aus.
Zwischen Lothar II. und
Teutberga
kam nun ein gewisses Einvernehmen zustande. Die Königin betrieb selbst
ihre Scheidung bei Nikolaus I., später auch bei Hadrian
II. Vielleicht als Gegenleistung dafür hatte
Lothar die Versorgung Teutbergas
sichergestellt.
Erst in dieser späten Phase des "Ehestreites" wurde das Argument der
Unfruchtbarkeit Teutbergas als
Scheidungsgrund ausdrücklich vorgebracht. Diese neuen Bestrebungen
Lothars,
eine Scheidung von Teutberga zu erwirken,
konnten der Königin zugemutet werden und ließen auf ihre Mithilfe
rechnen. Den Tatsachen braucht aber der neue Scheidungsgrund nicht entsprochen
zuhaben, es sei denn, die eheliche Gemeinschaft wäre 865 noch einmal
aufgenommen worden. Dagegen spricht aber mehr noch als die Rückkehr
Waldradas
der Umstand, daß Lothar Teutberga
auch in einer Schenkung vom Jänner 866 weder Gattin noch Königin
nannte. Allerdings scheint Waldrada
nach ihrer Rückkehr nicht gleich an den Königshof gekommen zu
sein. Vielleicht vermied Lothar es
zu diesem Zeitpunkt noch, sich festzulegen. Möglicherweise erhoffte
er aber auch tatsächlich eine Nachkommen von Teutberga,
den er zunächst wegen der Opposition Hukberts nicht gewollt
hatte, weil er in einem solchen Sohn einen gefährlichen Konkurrenten
befürchten mußte. Nun mag Lothar II.
ein legitimer Nachfolger, auch wenn er von Teutberga
stammte, immer noch lieber gewesen sein als einer, dessen Legitimität
von allen Seiten bezweifelt wurde. Aus welchen Gründen auch immer
immer blieb Teutberga aber jedenfalls
kinderlos.