Die Jahre 861-863.
861. Der selige Bischof Liutbert schmückte
ehrenvoll das Kloster, welches Frikkenhurst heißt, mit vielen Gliedmaßen
von Heiligen d. i. der Märtyrer Bonifacius und Maximus, der Bekenner
Eonins und Antonius, und fügte einen Theil von der Krippe des Herrn
hinzu und von dem Grabe desselben,
zugleich auch von dem Staub seiner Füße als
er zum Himmel aufstieg.
In diesem Jahre war ein sehr langer Winter, und die obengenannten Könige hatten wiederum eine geheime Unterredung auf obengenannter Insel bei Confluentia, wobei sie alles im Umkreis wüst legten. Und Lothar, der König der Ripuarier, verließ seine rechtmäßige Gemahlin, die Schwester des Klerikers Hugbert, unter ungerechtem Vorwand. Diese nahm nachher in demselben Jahre der zuvorgenannte Bruder derselben bei sich auf. Der König aber hielt es öffentlich mit dem Kebsweib, der zu Liebe er die Gemahlin verließ.
862. Ludewich setzte den gottlosen Hughard zum Grafen. Dies schien fast allen Seinigen schädlich. Schon ist es widerwärtig, von der Zwietracht unserer Könige und dem Unheil, welches die Heiden über unsere Reiche brachten, zu erzählen.
Das Jahr 865.
865. Als Lothar zauderte
zu kommen, sandten die Bischöfe selber wiederum verwegene Schreiben
an Pabst Nikolaus zurück, worin sie sagten, daß er gottlos
und ohne alle Vernunft auf tyrannische Weise ungerechtes Gericht gegen
sie übe. Sie erklären, daß sie ohne eine Gunst seinerseits
gleiche Würde
auf ihren Stellen forderten, wie er in Rom, und daß
ihre Stellung in nichts der seinigen untergeordnet sei; ohne sich zu erinnern,
daß sie von ihm das Pallium der Würde erhalten hatten. Es sprach
aus ihnen der abtrünnige Geist, welcher gesagt hat: "Ich will meinen
Thron aufrichten in Mitternacht und ich werde gleich sein dem Höchsten."
Ihnen kündete abermals der Pabst in der bischöflichen Synode
an, daß, wenn sie also fortführen, sie aus aller Gemeinschaft
der katholischen Kirche müßten ausgeschlossen werden. Sie kehrten
nun zurück woher sie gekommen waren; und nach Cöln gekommen,
hielt Gunthar gerade an dem heiligsten Tage des Mahles des Herrn das ganze
Osteramt widerrechtlich ab, und ob dieser Verwegenheit wurde er abermals
in eben derselben Provinz von allen
Bischöfen Lothars aus der Gemeinschaft gestoßen.
Und kein Wunder, wenn eben der, welcher den Schatz des heiligen Petrus
an heiligen Gefäßen von Gold und Silber und vieler Art leerte
und immerfort von dem Brande der Habsucht verzehrt ward und zu weltlichem
Pomp, auch den Brüdern und Neffen und Schwestern und Nichten sie zuwandte,
aller Güter beraubt wurde. Sein Geselle aber versuchte nichts von
alle dem zu thun. Aber dennoch kehrten beide abermals nach Rom zurück.
Das Jahr 866.
866. Im Monat Januar ereignete sich eine Mondfinsterniß; und der heiligste Bischof von Bremen, Ansger, ging aus dieser Welt. Liudolf, Graf im Norden, und in Italien Everwin, der Schwiegersohn Königs Ludewich, hochstehende Männer, wurden aus dieser Welt fortgerafft. Zu derselben Zeit war der Cleriker Hubert, von welchem oben geschrieben ist, dessen Schwester König Lothar jüngst verstoßen hatte, von fünf Bischöfen aus der Gemeinschaft der Kirche gestoßen, und wird von den Söhnen Cuonrads, des Bruders der einstigen Königin Juthit, im Kriege getödtet. In diesem Jahre verwüsteten die Heiden gewaltig die Ueberbleibsel von Friesland. Und Ludewich, der östliche König, hielt zur Sommerszeit eine Versammlung des Volkes von seinem Antheil in Franconofurt, und daselbst war Arsenius, ein Rath des Pabstes Nicolaus, zugegen, mit Briefen von ihm abgesandt, betreffend den Zustand des katholischen Glaubens und die Vertheidigung der christlichen Religion. Und von da abgereist, besuchte er den König Lothar, entriß ihm das unerlaubt zur Königin erhobene Kebsweib — durch ihre Zustimmung hiezu hatten Gunthar und Thietgaud, zwei Erzbischöfe, schwer gefehlt —; setzte wieder die rechtmäßige Gemahlin bei ihm ein, welche zuvor unter unwürdigem Vorwand verstoßen war, und kehrte von da nach Rom zurück. Zu dieser Zeit ging aus dieser Welt ein hochstehender Mann Namens Ernost, der Schwiegervater nämlich von Karlmann, dem Erstgebornen Königs Ludewich. Als aber Gunthar zauderte in die Stadt zu kommen, folgte an seiner Stelle ein gewisser Tyrann, Namens Hugo, Sohn des vorgenannten Grafen Cuonrad, welcher nicht wie ein Hirt, sondern wie ein räuberischer Wolf in die Heerde Gottes fiel, und deshalb auf den Wink des Herrn schnell von dort verworfen ist, nachdem sehr viele von ihm in diesem Bisthum getödtet waren. Und die Heiden verwüsteten grausam Gallien. Und nachdem sie daher von König Karl unzähliges Geld erhalten, zogen sie sich auf eine Zeitlang zurück, anderswo die Kirche des Herrn zu verwüsten.
Das Jahr 869.
869. Im Monat Februar wurde bei dunklem Regengewölk in der Luft mehrfach Donner gehört, und am 15. Februar, d. i. in der heiligen Nacht Septuagesimä, wurde ein Cometstern im Norden und Westen erblickt, welchem sogleich ein ungeheurer Sturm und unermeßliche Ueberschwemmung gefolgt ist; bei der viele Unvorsichtige umkamen. Und hernach zur Sommerszeit folgte in vielen Provinzen eine heftige Hungersnot; vornehmlich in Burgund und Gallien, wo eine große Menge Menschen bitteren Todes starb, so daß Menschen sollen Menschenleiber gegessen haben. Aber auch Hundefleisch sollen einige gegessen haben. Zu derselben Zeit, wie der Prophet sagt "wegen der Sünden der Welt werden viele Fürsten derselben" herrschten vier Könige in dem einstmaligen Reich Karls des Großen, Ludewich, der Sohn des Kaisers Ludewich, im Osten und über die Sclaven, Bavarien, Alamannien und Corien, Sachsen, Sueven, Thoringer und die östlichen Franken nebst dem Wormacischen Gau und den Namnetern, welcher weiser und gerechter ist als die übrigen. Karl, sein Bruder, beherrschte die Gallier, Aquitanier und Wasconen, der sehr häufig die Feindseligkeit der Heiden erfuhr, immerfort ihnen Geld anbot und niemals siegreich im Kriege war. Ludewich, der ältere Sohn des Kaisers Lothar, saß in Italien und Benevent; beleidigte vielfach den Pabst Nicolaus und vertrieb nicht die Mauren aus dem Beneventanischen. Lothar, sein Bruder, hitzig und leichtfertig, verließ die rechtmäßige Gemahlin gegen die Canones der Heiligen und den Befehl des Pabstes Nicolaus, und ging unerlaubt mit einem Kebsweib um. Dieser nämlich besaß Ripuarien, Burgund und die Provinz.
Wieder und wieder zogen Guntar und Thietgaud nach Rom,
wo in der Herrschaft Adrian gefolgt war, ob sie irgendwie die alte Stellung
erlangen könnten; aber sie konnten es nicht, weil es hart ist, wider
den Stachel zu löcken. Auf der Reise nun wurde Theotgaud von einem
heftigen Fieber ergriffen und ging des Lebens zugleich mit seinem
Priesterthum verlustig. Der andere nun von derselben Beschwerde befallen,
genas kaum. Und als er sah, daß er auf keine Weise in die alte Stellung
wieder eintreten konnte, sein betrügerisch erworbener Schatz verzehrt,
fast alle seine Anhänger verschieden
waren, irrte er arm imLande. Und so sind zwei Metropolitane
ob ihrer Zustimmung zu dem scheußlichen Ehebruch mit Recht
verstrickt und gefallen. Aber die Verlobte Gunthars, welche einst für
die feinste nach Rom galt, wie eine Wittwe, die von ihrem Manne verlassen
ist, mit zerrissenem Kleid, beschmutzter Haut, fliegendem Haar, nackten
Füßen, saß ohne den Hirten in Asche. Ihre Kleinen wurden
hie und da von räuberischen Wölfen verschlungen, denn sie hatten
keinen Vater; ihre Priester werden scharf mit Schlägen und Ruthen
gezüchtigt, denn sie haben keinen Schützer. Ihre Edlen fielen
durch das Schwert und sie unter Klagen und Seufzen weinte, weinend bei
Tag und Nacht und spricht: "In Aengsten bin ich überall und was ich
wählen soll weiß ich nicht, weil die Nöthe meines Herzens
vervielfacht sind." Und zu den Wanderern gewendet, sagte sie: "O ihr alle,
die ihr des Weges vorübergeht, merket auf und sehet, ob ein Schmerz
ist ähnlich meinem Schmerze. Siehe, noch lebet mein Mann und ich heiße
Wittwe; meine zarten Kleinen sind erstickt, meine Jünger sind fortgeführt
in die Gefangenschaft. Siehe an, Herr, meine Betrübniß, da überall
sich ein Feind aufgerichtet hat. Niemand ist der mich tröstet, außer
Du Gott allein."
Das Jahr 870.
870. Lothar, der König
von Ripuarien, kam, oft geladen, endlich nach Rom, und hatte mit dem
Pabst Adrian eine Unterredung. Und von diesem erhielt er
den Befehl, das Kebsweib zu verstoßen und die rechtmäßige
Gattin aufzunehmen. Er versprach in allem also gehorchen zu wollen,
aber erfüllte es keinesweges. Und deswegen traf ihn schrecklich der
Herr, als er von Rom heimkehrte, nebst fast allen seinen Edlen. Ihre Leiber
wurden zugleich nach Cöln gebracht und beerdigt. Gleichsam als hätte
der Rächer gesagt: "Mir, mir die Rache und ich will vergelten; ich
werde das Schwert aus der Scheide ziehen, und es wird sie meine Hand tödten."
In diesem Jahre schickte Ludewich,
der östliche König, seine zwei Söhne Karlmann
und Karl
gegen die lange ihm aufständischen Margen; sie jagten
ihren König Rastiz in die Flucht und verwüsteten
das Land und kehrten mit vieler Beute heim. Desgleichen kam der schon oft
genannte Gunthar zur Herbstzeit mit wenigen, wie ein Wolf in die Heerde
fällt, ohne Wissen aller, heimlich zu Schiffe nach Cöln,
und schickte einen Boten und befahl die Glocken der Kirche zu läuten
und daß man ihn ehrenvoll einhole, und sagte, daß er die Macht
habe, welche er nicht hatte, wie der Ausgang der Sache hernach bewiesen
hat.