Das Jahr 858.
In diesem Jahre [als Karl auf die Insel der Sequana, Oscellus genannt, kam, wo er große Gefahr bestand, wie damals vielen bekannt wurde; und als sein Bruder Hludowich mit seiner ganzen Heeresmacht über ihn kam, aber durch Gottes reiche Gnade ohne Ehre zurückkehrte] am Tage der Geburt des Herrn fanden zu Mogontia während der Nacht und des Tages starke und wiederholte Erderschütterungen statt denen eine große Sterblichkeit unter den Menschen folgte.
Im Gebiete ..... warf das Meer einen mit den Wurzeln ausgerissenen, im Gallischen Lande bis dahin ganz unbekannten Baum an's Ufer. Derselbe hatte keine Blätter, sondern an Stelle der Belaubung trug er ganz kleine Zweige, wie Grashalme, nur etwas länger, und an Stelle der Blätter dreieckige Figuren, in der Farbe wie die menschlichen Nägel oder die dünneren Fischgräten, und diese saßen an der Spitze jener grasartigen Zweige so, als ob sie von außen angesetzt wären, in der Art der Zierrathen, welche aus verschiedenen Metallen auf die Gürtel der Menschen oder das Geschirr der Pferde außerhalb aufgesetzt zu werden pflegen. Im Senonischen Gau, am Tage des Herrn, als der Presbyter in der Kirche der heil. Porcaria die Messe las, kam plötzlich ein Wolf in die Kirche, verwirrte umherlaufend das gegenwärtige Volk, that dasselbe wiederholt auch bei den Frauen und verschwand schließlich wieder.
Edilwulf, der König der Westsachsen starb, und sein Sohn Aedalbold nahm die Wittwe des Vaters, die Königin Judith, zur Gemahlin. Berno, der Führer des Theils der Seeräuber, die in der Sequana sich festgesetzt hatten, kam zu König Karl nach der Pfalz Vermeria, übergab sich seiner Huld, und leistete ihm sofort den Eid der Treue.
Ein anderer Theil dieser Seeräuber nahm Ludowich, den Abt des Klosters vom heiligen Dionysius, mit seinem Bruder Gauzlen gefangen, und legte ihnen für ihre Befreiung eine ungeheure Summe auf, für welche auf Befehl König Karls viele Schätze der Kirchen Gottes in seinem Reiche erschöpft wurden; da diese aber durchaus nicht ausreichten, so wurde von dem Könige, von allen Bischöfen, Aebten, Grafen und anderen mächtigen Männern wetteifernd viel beigesteuert, um jene Summe voll zu machen.
Die Grafen König Karls, mit den Brittonen verbunden, fielen von Karl ab, vertrieben seinen Sohn Ludowich und dessen Begleiter aus dem Cenomanischen Gebiet und zwangen ihn, die Sequana zu überschreiten und sich zu seinem Vater zu flüchten.
König Lothar befestigte die Freundschaft mit seinem Bruder Karl, dem Könige der Provinz, indem er ihm von seinem Reich das Gebiet von zwei Bisthümern schenkte, nämlich Bilisium und Tarantasia; seinerseits übergab Karl sein Reich dem Bruder Lothar in der Weise, daß, wenn er stürbe, bevor er eine Frau genommen und Kinder gezeugt hätte, Lothar als Erbe ihm nachfolgen sollte.
Im Monat Mai trat in dem Ort Leudicum, wo der Leib des heiligen Landbert ruht, plötzlich durch Regengüsse eine solche Ueberschwemmung ein, daß die Häuser und steinernen Mauern und überhaupt Gebäude aller Art mit den Bewohnern und allem, was sich nur darin fand, ja selbst die Kirche des heiligen Landbert durch die Gewalt derFluthen in den Fluß Mosa fortgerissen wurden.
Die Dänen fielen in Sachsen ein, wurden aber zurückgeschlagen. Benedict, der römische Papst starb; Nikolaus trat an seine Stelle, mehr in Folge der Anwesenheit und durch die Gunst König Ludowichs und seiner Großen, als durch die Wahl der Geistlichkeit.
König Lothar nahm, von den Seinigen gezwungen, die Gemahlin, welche er verstoßen hatte, wieder auf; er ließ sie aber nicht in sein Ehebett, sondern gab sie in Gewahrsam.
König Karl kam im Monat Juli nach der Insel Oscellus, um die Dänen zu belagern, welche sich darauf festgesetzt hatten; daselbst traf sein Sohn, der Knabe Karl, aus Aquitanien bei ihm ein. Mit diesem zugleich empfing er den, nun als Laien auftretenden Pippin, und schenkte ihm Grafschaften und Klöster in Aquitanien. Auch König Lothar kam nach dieser Insel im Monat August geeilt, um seinem Oheim Hülfe zu bringen. Und nachdem sie daselbst bis zum 23. September, ohne die Belagerung zu fördern, geweilt hatten, kehrten sie wieder nach Haus zurück.
Inzwischen führten die Grafen aus König Karls Reich den König der Deutschen, Ludoich, herbei, den sie schon fünf Jahre hindurch eingeladen hatten. Am ersten September traf er auf dem königlichen Hofgut Ponteo ein, und begab sich weiter über Catalauni und Cupedenses nach Ajedincum der Senonen; von da zog er nach dem Aurelianensischen Gau, empfing aus Aquitanien, Niustrien und von den Brittonen die, welche zu ihm zu kommen versprochen hatten, und kehrte dann fast auf demselben Wege nach Cupedenses zurück. Als dies König Karl vernommen hatte, zog er eilends über Catalauni, nach dem Orte Breo, wo er, während die vornehmsten Burgunds zu ihm eilten, den Ludoich, der ihm folgte, erwartete; Gesandte wurden hin und her gesandt; da jedoch eine friedliche Verständigung nicht zu Stande gebracht werden konnte, rüsteten sie sich am dritten Tage, das ist dem 12. November, beiderseitig zur Schlacht. Karl aber, als er sah, daß er plötzlich von den Seinigen verlassen wurde, wich zurück und wandte sich nach Burgund.
Ludoich seinerseits,
nachdem er die, welche von Karl abgefallen
waren, aufgenommen hatte, zog nach Augusta der Tricer, vertheilte hier
unter denen, die ihn gerufen hatten, Grafschaften, Klöster, königliche
Güter und Besitzungen, und kehrte dann nach der Pfalz Attiniacus zurück.
Hierher kam zu ihm König Lothar,
und kehrte, nach neubekräftigtem Bündniß, wieder in sein
Reich zurück. Ludoich aber begab
sich über Durocortorum der Römer und den Laudunensischen Gau
nach der Stadt Augusta der Veromander, um daselbst im Kloster des heiligen
Quintinus das Fest der Geburt des Herrn zu begehen.
Inzwischen war ein Mönch aus dem Kloster des heiligen
Märtyrers Vincentius und des heiligen Bekenners Germanus, von Corduba,
der Stadt in Hispanien, zurückgekehrt, und brachte die Leiber der
seligen Märtyrer, Georgs des Diakonen und des Aurelius, sowie das
Haupt der Nathalie mit sich, und legte sie in dem Ort Acmantum in besonderen
Behältnissen zur Aufbewahrung nieder.
Das Jahr 860.
Der Winter war lang, und bei fortwährendem Schnee und Frost hart, und zog sich vom Monat November bis zum April hin. Lothar zwang seine königliche Gemahlin Teutberga, gegen die er von unversöhnlichem Haß erfüllt war, selbst vor den Bischöfen zu bekennen, daß ihr Bruder Hucbert sodomitischen Frevel mit ihr getrieben habe; in Folge dessen wurde sie zu ewiger Buße verurtheilt und in ein Kloster eingeschlossen.
König Karl, durch
leere Versprechungen der in der Somna weilenden Dänen verleitet, ließ
einen Schoß von allen Schätzen der Kirchen und allen Hufen und
allen, selbst den armen Kaufleuten erheben, in der Art, daß man auch
ihre Häuser und all' ihr Hausgeräth abschätzte, und davon
einen bestimmten Satz einforderte; die Dänen hatten nämlich versprochen,
daß sie, wenn er ihnen dreitausend Pfund reines Silbers gäbe,
gegen die Dänen in der Sequana ziehen und dieselben entweder von dort
vertreiben oder tödten würden.
In der Nacht vom 4. zum 5. April, als schon der neue
Mond aufgegangen, zeigte sich, wie berichtet wird, ein dunkler, sichelförmiger
Streif, von derselben Gestalt, wie der Mond selbst, mitten durch diesen
gelegt, so daß auf beiden Seiten der Mond hell leuchtete, in der
Mitte aber verdunkelt war. Ebenso heißt es, daß man am 6. April
nach Sonnenaufgang in der Mitte der Sonne einen dunkeln Fleck sah und als
dieser sich bis an den untersten Rand herabgezogen hatte, erschien alsbald
ein anderer am obersten Rand, und durchlief wie der erste die ganze Scheibe
wieder bis unten. Dies geschah am zehnten Tage nach Neumond.
Die Dänen auf der Somna nahmen, als ihnen der obengedachte Tribut nicht gegeben wurde, Geiseln, und fuhren zu den Angelsachsen; von diesen geschlagen und vertrieben, wandten sie sich nach anderen Gegenden. Die Dänen aber, welche auf dem Rodan weilten, drangen, alles verwüstend, bis nach der Stadt Valentia; nachdem sie hier die ganze Umgegend ausgeplündert hatten, kehrten sie nach der Insel zurück, wo sie ihre Sitze aufgeschlagen hatten.
Die Könige Ludoich, Karl und Lothar kamen am 1. Juni in dem Castell Confluentes zusammen; und nachdem sie daselbst lange über den Frieden unter einander verhandelt hatten, bekräftigten sie schließlich ihre Eintracht und Freundschaft durch Eide. Ludoich, der Kaiser von Italien, wurde von einer Partei unter den Seinigen angegriffen, und wüthete gegen diese und gegen die Beneventaner plündernd und sengend. Die Dänen, welche auf dem Rodan waren, zogen nach Italien, und eroberten, plünderten und verwüsteten Pisa undandere Städte.
König Lothar verbündete
sich aus Furcht vor seinem Oheim Karl,
mit Ludoich, dem König von
Deutschland, und überließ ihm, um dieses Bundes willen,
einen Theil seines Reichs, nämlich Helizatia. Die Gemahlin
Lothars, den Haß und die Nachstellungen
ihres Mannes fürchtend, floh zu ihrem Bruder Hucbert in das
Reich Karls. König
Karl schenkte das Kloster des heiligen Martinus seinem Sohne
Ludowich.
Das Jahr 862.
Karl begab sich über Remi nach der Stadt Suessionis, wo er die unzweifelhafte Nachricht erhielt, daß seine Tochter Judith, die Wittwe des Königs der Angeln Edelbold, welche, nachdem sie die im Reiche der Angeln erhaltenen Besitzungen verkauft hatte, zum Vater zurückgekehrt war, und in der Stadt Silvanectis mit den ihr als Königin gebührenden Ehren unter dem Schutz des Vaters und Königs, sowie unter bischöflicher Obhut gelebt hatte, bis sie, falls sie sich nicht enthalten könnte, nach dem Wort des Apostels eine passende und gesetzmäßige Ehe eingehen würde, dem Grafen Balduin sich hingegeben habe, und ihm mit Bewilligung ihres Bruders Hludowich in einer Verkleidung gefolgt sei; daß ferner sein Sohn Hludowich, von den obengenannten Guntfrid und Gozfrid verlockt, die Getreuen des Vaters verlassend, mit wenigen Nachts entflohen, und als Ueberläufer zu denen, die ihn verlockt hatten, gekommen sei. In Folge dessen berieth sich König Karl mit den Bischöfen und übrigen Großen seines Reiches, und nach erfolgtem Spruch des weltlichen Gerichts forderte er die Bischöfe auf, über Balduin und über Judith, die mit dem Dieb entlaufen war, und sich zur Genossin der Unzucht gemacht hatte, auch das geistliche Urtheil nach dem Decret des seligen Gregorius zu fällen, daß, wenn jemand eine Wittwe entführt, um sie zu seiner Frau zu machen, er und alle, die dem zugestimmt, verflucht sein sollen. Und die Abtei des heiligen Martinus, die er unbedachter Weise seinem obengenannten Sohn Hludowich, gegeben hatte, schenkte er, auch nicht sehr überlegt, dem Hucbert, einem verheiratheten Pfaffen. Von dort begab er sich nach Silvanectum; während er hier verweilte, erwartend, daß das Volk sich um ihn schaarte, um je auf beiden Ufern der einzelnen Flüsse, d. h. der Isara, der Matrona und Sequana einen Heerhaufen zum Schutz dagegenaufzustellen, daß die Normannen nicht ihre Plünderungszuge unternehmen könnten, erhielt er die Nachricht, daß eine Schaar Dänen von denen, welche in Fossata sich festgesetzt hatten, auf kleinen Schiffen gegen die Stadt der Meldenser gerückt wäre. Darauf eilte er, mit denen, welche er bei sich hatte, dorthin zu ziehen; und weil er, da die Normannen die Brücken zerstört und der Schiffe sich bemächtigt hatten, an sie nicht herankommen konnte, stellte er, von der Nothwendigkeit Rath nehmend, eine Brücke bei der Insel in der Nähe von Trejectum wieder her, und schnitt den Normannen die Möglichkeit der Fahrt abwärts ab; zugleich entsandte er auch noch zum Schutz Heerhaufen auf beiden Seiten der Matrona.
Hierdurch äußerst bedrängt, sandten die Normannen auserwählte Geiseln an Karl, die dafür haften sollten, daß sie alle Gefangenen, welche sie gemacht hätten, nachdem sie nach der Matrona gekommen wären, freigeben, und entweder mit den andern Normannen an einem festgesetzten Tag die Sequana verlassen und in See gehen würden, oder aber, wenn die übrigen mit ihnen nicht fortziehen wollten, vereint mit dem Heere Karls die sich Weigernden mit den Waffen angreifen würden; und darauf hin wurde ihnen, nachdem sie zehn Geiseln gestellt, gestattet, zu den Ihrigen zurückzukehren. Ungefähr zwanzig Tage darauf kam nun Weland selbst zu Karl, huldigte ihm als seinem Herrn und leistete sofort mit denen, welche er mit sich führte, eidliches Gelöbniß. Von da wieder zu den Schiffen zurückgekehrt, fuhr er mit der ganzen Flotte der Dänen bis hinab nach Gemeticum, wo sie ihre Schiffe ausbessern und die Frühlings-Sonnenwende abwarten wollten.
Nachdem die Dänen ihre Schiffe wieder in Stand gesetzt, gingen sie in getrennten Geschwadern zur See und steuerten je nach dem verschiedenen Belieben hierhin und dorthin. Der größte Theil aber zog zu den Brittannern, die unter ihrem Herzog Salomon in Niustrien wohnen; und mit diesen verbanden sich auch diejenigen, welche in Hispanien gewesen waren.
Rotbert nahm denselben auf dem Flusse Liger zwölf Schiffe, welche Salomon zum Widerstand gegen ihn gemiethet hatte, und tödtete alle, welche auf diesen Schiffen sich befanden, mit Ausnahme weniger, die flüchtend sich verbargen. Da aber Rotbert sich nicht stark genug fühlte gegen Salomon und jene Normannen, welche aus der Sequana kamen, so verhandelte er mit diesen noch ehe sie Salomon gegen ihn herbeirief, und vereinigte sich mit ihnen durch Vertrag unter beiderseitig gegebenen Geiseln für 6000 Pfund Silbers gegen Salomon.
Karlmann, der Sohn Hludowichs, des Königs von Deutschland, versöhnte sich mit seinem Vater, indem er von diesem den Theil des Reichs, dessen er früher sich bemächtigt, erhielt und einen Eid leistete, daß er fernerhin ohne des Vaters Willen keines weiteren Gebietes sich bemächtigen werde.
Hludowich endlich, der Sohn König Karls, der sich auf den Rath des Guntfrid und Gozfrid zu Salomon begeben, erhielt einen starken Heerhaufen Brittonen, griff mit diesen den Getreuen seines Vaters, Rotbert, an, und verheerte mit Mord, Feuer und Raub das Gebiet von Andegavum und alle Gaue, wohin er gelangen konnte. Rotbert jedoch griff die mit großer Beute zurückkehrenden Brittonen an, tödtete mehr als 200 Edle der Brittonen und nahm ihnen ihre Beute ab. Wiederum griff darauf Hludowich den Rotbert an, wurde aber von diesem in die Flucht geschlagen und entkam, während seine Genossen zerstreut wurden, selbst kaum mit dem Leben.
Karl, der König der Aquitanier, König Karls Sohn, nahm, noch nicht ganz fünfzehn Jahre alt, von Stephan überredet, ohne Willen und Wissen des Vaters, die Wittwe des Grafen Humbert zur Gemahlin. Und auch der obengenannte Hludowich, sein Bruder, heirathete, seinem Beispiel folgend, unverzüglich zu Anfang der Fasten die Tochter des verstorbenen Grafen Harduin, die Schwester seines vielgeliebten Freundes Odo. Karl, dieser beiden Vater, hieß alle Grafen seines Reichs an einem Ort, der Pistis heißt, wo von der einen Seite die Andella und von der andern die Audura in die Sequana einfließt, zu Anfang Juni mit vielen Werkleuten und Karren sich versammeln, errichtete daselbst Befestigungen in der Sequana, und schnitt der Normannen wegen allen Schiffen die Möglichkeit des Hinauf- und des Hinabfahrens ab. Er selbst, von seiner Gemahlin begleitet, hatte an dem Fluß Liger, in dem Ort, der Maidunus heißt, nachdem die Seinigen Eide geleistet, eine Unterredung mit seinem Sohne Karl; und da dieser, in Worten unterwürfig, aber von widerspenstigem Geiste, plötzlich sich entfernte und nach Aquitanien zurückkehrte, begab er sich wieder nach Pistis, wohin er einen Reichstag und eine Synode berufen hatte, und verhandelte, indem er auch jene Arbeiten betrieb, mit seinen Getreuen über die Angelegenheiten der Kirche und des Reichs.
Hierhin kam nun Rothad, Bischof von Suessionis, ein Mensch von merkwürdigem Unverstand, um sich, nachdem er in einer Provinzialsynode rechtmäßig von der Gemeinschaft der Bischöfe ausgeschlossen war, in seiner Hartnäckigkeitder Versammlung der Bischöfe der vier Provinzen vorzustellen. Die Versammlung seiner Brüder, um ihn nicht ganz zu entsetzen, beschloß, daß er bis zur Entscheidung seiner Appellation an den heiligen Stuhl in Haft gehalten würde. Da er aber nach dem Urtheil dieses Concils noch immer dahin wollte, wohin er seine Appellation gerichtet hatte, so wurde, nachdem von dieser Synode zwölf Richter zur Ausführung des Urtheils bestellt waren, Rothad, dieser neue Pharao in seines Herzens Härtigkeit und als ein zum Thier verwandelter Mensch ein Vertreter der alten heidnischen Zeiten, wegen der ungehörigen Handlungen, welche in der Geschichte seines Verhaltens aufgezeichnet sind, weil er sich nicht bessern wollte, in der Vorstadt der Stadt Suessionis entsetzt.
In jener Zeit trug sich in der Stadt Morinum ein Wunder
zu. Als nämlich der Diener eines Bürgers dieser Stadt am Morgen
des Festes der Himmelfahrt der seligen Jungfrau Maria ein leinenes Gewand,
das man Hemd zu nennen pflegt, zu plätten anfing, damit sein Herr,
wenn er zur Messe ging, es anziehen könnte, zeigte sich
3-°°°daß das Gewand nach dem ersten
Strich, den er mit dem aufgesetzten Plätteisen that, einen blutigen
Streifen hatte; und so oft er mit dem Eisen darüber hinfuhr, kam immer
wieder Blut hervor, bis zuletzt das ganze Gewand von frischem Blute durchzogen
war. Dies Gewand ließ sich Hunfrid, der ehrwürdige Bischof der
Stadt, bringen und in der Kirche zum Zeugniß aufbewahren. Und da
dieses Fest von den Bewohnern dieser Diöcese nicht gefeiert wurde,
befahl er, daß dasselbe fortan von allen mit gebührender Ehre
begangen und gefeiert würde.
Hludowich, der vor
einiger Zeit von seinem Vater abgefallen war, kehrte zu ihm zurück,
und von ihm, sowie auch von den Bischöfen Verzeihung für seine
Uebelthaten erbittend, verband er sich mit schwersten Eiden, seinem Vater
künftig treu bleiben zu wollen. Sein Vater gab ihm die Meldensische
Grafschaft und die Abtei des heiligen Crispin, und hieß denselben
mit seiner Frau aus Niustrien zu ihm kommen. Dem Hunfrid, welchen Warengaud
der Untreue angeklagt hatte,erließ er, auf Bitten seiner Getreuen,
den Kampf der Waffen zu bestehen, und versöhnte ihn und Warengaud
wieder miteinander.
Hludowich, der König
von Deutschland, lud seinen Neffen Hlothar
zur Zusammenkunft nach Moguntia ein und bat denselben, daß er im
Verein mit ihm gegen die Wineder, welche .... heißen und gegen ihren
Häuptling . . . . mit einer Heeresmacht zöge;
Hlothar versprach zuerst, daß er kommen würde, hielt
jedoch später sein Versprechen nicht. Hludowich
aber, nachdem er seinen Sohn Karl
im Vaterlande zurückgelassen hatte, weil er vor kurzem die Tochter
des Grafen Erkangar als Gattin heimgeführt hatte, zog, von seinem
Sohn Hludowich begleitet, gegen die
Wineder; nachdem er daselbst mehrere seiner Großen verloren und nichts
ausgerichtet hatte, kehrte er mit Geiseln, die ihm gestellt waren, nach
seiner Pfalz Frankonofurth am Fluß Moenus zurück. Die Dänen
verwüsteten einen großen Theil seines Reiches mit Feuer und
Schwert; aber auch andere, bisher jenen Völkern unbekannte Feinde,
welche Ungarn genannt werden, verheerten sein Reich.
Hlothar, durch böse Zauberkünste, wie es heißt, bethört, und von blinder Liebe zu seinem Kebsweibe Waldrada getrieben, um deren willen er seine Gemahlin Theutberga verstoßen hatte, krönte diese seine Beischläferin und nahm sie förmlich als Ehegattin und Königin an. Und hierbei unterstützten ihn sein Oheim Liutfrid und Waltarius, die eben deswegen ihm so nahe standen, und, unerhört zu sagen, selbst einige Bischöfe seines Reiches gaben dazu ihre Zustimmung. Seine Freunde aber beklagten und verwarfen diese That.
Hinkmar, Bischof von Remi, weihte in Gegenwart König Karls und seiner Suffraganbischöfe, die Metropolitankirche dieser Provinz der heiligen Maria, der schon die alte Kirche geweiht gewesen war. Hludowich, der König von Deutschland, schickte sehr freundliche Botschaft an seinen Bruder Karl und ließ ihn zu einer Unterredung nach dem Tullensischen Gebiet einladen; und da Karl nicht eher mit Hlothar eine Besprechung halten wollte, als bis er seinem Bruder das mitgetheilt hätte, was ihm in Hlothars Verhalten mißfiel, so erhob sich darüber ein nicht geringer Streit in der Unterredung. Zuletzt übergab Karl in Gemeinschaft mit den Bischöfen, die er bei sich hatte, dem Hludowich und den Bischöfen, die dieser bei sich hatte, eine Schrift, in der einzeln die Gründe aufgeführt waren, um welcher willen er nicht mit Hlothar Gemeinschaft haben wollte, wenn dieser nicht verspräche, genügende Rechenschaft für sein Verhalten zu leisten, oder der Autorität gemäß eine genügende Besserung vorzunehmen.
Nach diesem Versprechen nahmen unter solcher Bedingung
Karl und die Bischöfe, welche mit ihm waren, den Hlothar
in ihre Gemeinschaft auf; nachdem aber die Erklärungen, welche sie
über ihre Zusammenkunft dem Volke geben sollten, niedergeschrieben
und den Rathgebern vorgelesen waren, verwarfen Hludowich
und Hlothar dieselben vollständig,
damit nicht dem Volke die Dinge bekannt würden, die Karl
dem Hlothar vorwarf, indem sie dabei
insbesondere dem Rathe des Chunrad,
ihres Rathgebers und Oheims von Karl folgten,
der wie gewöhnlich auf ein hochmüthiges und doch eitles, weder
ihm noch andern nützliches Wissen sich stützte;
Karl aber ließ gegen denWillen derselben alle vollständig
wissen, daß er, weil Hlothar seine
Gemahlin wider die Autorität des Evangeliums und der
Apostel verlassen und eine andere sich genommen habe,
und weil sie mit der Frau des Boso
und mit Balduin, welcher seine Tochter entführt und zur Frau genommen
hatte, Verkehr gepflogen, obgleich jene excommunicirt worden waren, mit
Hlothar vor gedachter Erklärung
nicht habe Gemeinschaft haben wollen. Und nachdem sie für eine neue
Zusammenkunft einen Reichstag im künftigen Monat October auf der Grenze
der Mosomagensischen und Vonzensischen Grafschaft festgesetzt hatten, schieden
sie von einander.
Hludowich zog nach
Baiern, um seinen Sohn Karlmann, der
mit Hülfe des Restiz, des Häuptlings der Winider, gegen den Vater
sich empört hatte, in Güte zu gewinnen oder ihm mit Gewalt entgegenzutreten.
Karl kehrte vom Tullensischen Gebiet
über Pontigo und dann längs dem Fluß Matrona seinen Weg
nehmend nach Carisiacus zurück und beging daselbst aufs festlichste
den Tag der Geburt des Herrn.
Das Jahr 863.
Im Monat Januar fuhren die Dänen auf dem Rhein nach Colonia zu, und nachdem sie die Hafenstadt, welche Dorestat heißt, sowie auch eine andere nicht unbedeutende Stadt, in welche sich die Frisier geflüchtet hatten, verwüstet, viele frisische Kaufleute getödtet und eine große Masse Volks gefangen genommen hatten, kamen sie bis zu einer Insel beim Kastell Novesium. Hier griff Hlothar von dem einen Ufer des Rheins, und die Sachsen von dem andern Ufer die Dänen an, und hielten sie bis zu Anfang April belagert; worauf die Dänen auf den Rath Horichs, wie sie gekommen waren, auch wieder fortzogen.
Karl, der Sohn des Kaisers Hlothar und König der Provinz, starb, nachdem er lange von der epileptischen Krankheit geplagt worden war. Sein Bruder Hludowich, der Kaiser von Italien genannt, kam nach der Provinz, und suchte so viel er konnte die Großen dieses Reiches für sich zu gewinnen. Als dies Hlothar hörte, eilte er ebenfalls dahin, und nachdem ihre Hausgenossen und Freunde einen Vergleich vermittelt hatten, wonach sie beide zurückkehren und bei sich über jenes Reich verhandeln sollten, begab sich Hludowich wieder nach Italien und Hlothar in sein Reich.
König Karl kam nach der Stadt Cinomannis und begab sich von da weiter bis zum Kloster, das Interamnis heißt; hier stellte sich bei ihm Salomon, der Herzog der Brittonen, mit den Großen seines Volks ein, huldigte ihm, gelobte Treue und hieß alle Großen Brittanniens eben diesen Eid leisten, und überbrachte ihm den Tribut des Landes nach alter Gewohnheit. Karl gab ihm zum Lohn für seine Treue einen Theil des Landes, welches das Land "zwischen zwei Wassern" genannt wird, und die Abtei des heiligen Albinus zu Lehen. Den Gozfrid, Horich, Heriveus und die übrigen, welche, wie schon oft, auch kürzlich erst von ihm abgefallen waren, empfing er, und beschenkte sie, gnädig ihnen verzeihend, mit Lehen. Darauf kehrte er nach Cinomannis zurück und feierte daselbst das Osterfest.
Hunfrid, der Markgraf von Gothien, entriß dem Reimund die Stadt Tolosa ohne Wissen und Willen König Karls durch die hergebrachten Umtriebe der Tolosaner, welche gewohnt waren, ihren Grafen die Stadt abwendig zu machen, und unterwarf sie seiner Gewalt.
König Karl, aus dem Lande jenseits der Sequana zurückkehrend,empfing den Bischof von Papia, Liutard, der von Seiten Hludowichs, des Kaisers von Italien, und den Bischof von Speier, Gebahard, der von Seiten seines Bruders Hludowich, des Königs von Deutschland, sowie den Grafen Nanthar, der von Seiten Hlothars, seines Neffen, ihn um Frieden zu bitten kam. Karl selbst wollte diesen immer bewahren, so weit es ihm die Anfeindung der Gegner gestaltete. Er empfing aber auch noch einen anderen Gesandten von seinem Bruder Hludowich, Namens Blitgar, der Karl bat, daß er seinen (Ludwigs) Sohn Karlmann, der von dem Winider Restiz verlassen und von ihm in die Flucht getrieben sei, wenn derselbe zu Karl kommen sollte, nicht aufnehmen möchte. Nicht lange darauf nahm Hludowich seinen Sohn, der von den Seinen verrathen und verlassen worden war, unter der Bedingung eidlichen Gelöbnisses bei sich auf, und behielt ihn in freier Haft bei sich.
Karl empfing zu Suessionis im Kloster des heiligen Medardus höchst ehrenvoll die Gesandten des apostolischen Vaters Nikolaus, nämlich den Portuensischen Bischof Raduald und den Ficodensischen Bischof Johannes. Diese behielt er einige Zeit bei sich, und nachdem er dem Balduin, welcher zum apostolischen Stuhl seine Zuflucht genommen hatte, seine Verzeihung gewährt, welche jene Gesandten zu erbitten gekommen waren, entließ er sie beschenkt und mit Briefen an den heiligen Stuhl. Eben diese Gesandten des apostolischen Stuhls begaben sich darauf nach Mettis, um daselbst im Auftrage des Papstes um die Mitte des Monats Juni eine Synode wegen der Scheidung zu halten, welche zwischen Hlothar und seiner Gemahlin Theotberga erfolgt war, so wie wegen der Verdrängung dieser durch die Beischläferin Waldada, welche jener gegen die geistlichen und weltlichen Gesetze sich zur Ehefrau genommen hatte. Die Gesandten aber, durch Geschenke bestochen, verheimlichten auf der Synode die Briefe des heiligen Vaters und thaten nichts von dem, was ihnen aufgetragen war, gemäß dem heiligen Befehl. Damit sie aber wenigstens irgend etwas gethan zu haben schienen, hießen sie den Gunthar, Erzbischof von Colonia, und Theutgaud, Erzbischof von Treviri, nach Rom gehen, damit dort ihre Angelegenheit durch das Urtheil des heiligen Stuhles entschieden würde, mit thörichten Schriften, welche in dieser Synode die Bischöfe aus dem Reiche Hlothars auf Antrieb Haganos, eines schlauen und gierigen Bischofs aus Italien, unterzeichnet hatten.
Der heilige Vater, vollständig von dem, was geschehen war, unterrichtet, und gewillt, den Radoald zu verurtheilen, der sich mit seinem Genossen, dem Bischof Zacharias, unlängst ebenfalls in Konstantinopel durch seine Geldgier hatte bestechen lassen, berief eine Synode; als Radoald hiervon Kunde bekam, ergriff er bei Nacht die Flucht und verschwand. Gunthar aber und Theutgaud wurden, als sie nach Rom gekommen waren, zuerst in der Synode und sodann in der Kirche des heiligen Petrus, wie nachstehend zu lesen ist, vom apostolischen Vater verurtheilt:
"Wir Bischof Nicholaus, der Knecht der Knechte Gottes, unsern sehr ehrwürdigen und heiligen Brüdern, Hincmar von Remi und Wanilo von Rotomagus, sowie allen unsern Brüdern, den Erzbischöfen und Bischöfen im Reiche Karls des glorreichen Königs. Das Verbrechen, welches König Hlothar, wenn in Wahrheit noch derjenige König genannt werden kann, der durch keine heilsame Herrschaft die Begierden des Körpers zügelt, sondern in lüsterner Schlaffheit vielmehr den unerlaubten Regungen desselben sich hingiebt, an den beiden Frauen, Theotberga nämlich und Waldrada, begangen hat, ist allen offenbar. Daß er aber auch die Bischöfe Theotgaud und Gunthar bei solcher That zu Anstiftern und Vollbringern gehabt, berichtete uns schon längst fast alle Welt, die von den verschiedensten Seiten zu den Schwellen und dem Sitz der Apostel zusammenströmte, sowie auch Abwesende eben dies an unsern apostolischen Stuhl schrieben. Wir hatten aber dies zu glauben um so mehr Anstand genommen, als wir von Bischöfen derartiges zu hören nimmer erwarteten, bis dieselben, zur Zeit des Concils nach Rom gekommen, vor uns und der heiligen Synode als solche erfunden worden sind, wie sie von vielen so oft uns bezeichnet worden waren; dergestalt, daß sie durch die Schrift, welche sie eigenhändig unterzeichnet hatten, und von der sie wollten, daß wir sie durch unsere Unterschrift bekräftigen sollten, gefangen wurden, und während sie den Unschuldigen eine Falle zu stellen suchten, in ihren eigenen Netzen sich verstrickt haben. So hat sich durch Gottes Fügung erfüllt, was in den Sprichwörtern (1, 17) zu lesen ist: ""Denn es ist vergeblich, das Netz auswerfen vor den Augen der Vögel."" So haben sie sich nun verstrickt und sind gefallen; wir aber, die man fälschlich in dieses Verbrechen gefallen sagte, haben durch Gottes Hilfe mit den Vorfechtern der Gerechtigkeit uns wieder erhoben und stehen aufrecht. Nach dem daher, was mit uns die heilige Synode beschlossen, sind unzweifelhaft jene jetzt in ihrer Anwesenheit entsetzt, von dem Priesteramt ausgeschlossen und der Leitung des Bisthums enthoben, deshalb möge Eure Brüderlichkeit, in Wahrung der kanonischen Regel und Beobachtung der heiligen Dekrete, sich davor hüten, diejenigen, welche wir verworfen haben, noch ferner in das Verzeichniß der Priester aufnehmen zu wollen. Das Absetzungsurtheil aber, welches wir gegen die vorgenannten Theotgaud und Gunthar gefällt haben, nebst den übrigen Kapiteln, welche wir in Uebereinstimmung mit dem heiligen Concil veröffentlicht haben, ist in dem unten Beigefügten enthalten."
Kapitel 1.
Die Synode, welche in der Stadt Mettis von den Erzbischöfen
Theotgaud und Gunthar versammelt worden, ist vollständig nichtig.
Die Synode, welche jüngst, das ist unter dem sehr
frommen Kaiser Hludowich während
der elften Indiction im Monat Juni zu Mettis von den Bischöfen versammelt
worden ist, welche unserm Urtheil zuvorgekommen waren und welche die Ordnungen
des apostolischen Stuhls frech verletzten, erklären wir damals und
jetzt und in Ewigkeit für nichtig, und der Räubersynode von Ephesus
gleich zu achten, verordnen kraft unserer apostolischen Autorität,
daß sie in Ewigkeit verdammt sei, und befehlen, daß dieselbe
nicht den Namen einer Synode trage, sondern, da sie den Ehebruch begünstigt,
eine Hurenwirthschaft genannt werden soll.
Kapitel 2.
Die Absetzung der Erzbischöfe Theotgaud und Gunthar.
Nachdem Theotgaud, Bischof von Treviri, Primas der Belgischen
Kirchenprovinz, und Gunthar, Bischof der Colonia Agrippina, jetzt vor uns
und der heiligen Synode unter Vorlegung der Acten zur Rechenschaft gezogen
worden, wie sie die Sache König Hlothars
und seiner beiden Frauen, der Theotberga
und Waldrada untersucht und entschieden
haben, und überdies eine eigenhändig unterzeichnete Schrift überreichten
und in vieler Gegenwart mit eigenem Munde erklärten, nichts mehr oder
weniger oder anders gehandelt zu haben, und endlich auch öffentlich
und laut den Urtheilsspruch verletzt zu haben bekannten, den gegen Ingildrud,
die Frau des Boso, unser heiliger Bruder, der Erzbischof von Mediolanum,
Tado, und unsere übrigen Genossen in der bischöflichen Würde
vom apostolischen Stuhl erbeten, und den wir, vom heiligen Zorn entbrannt,
unter Androhung des Bannes kanonisch gefällt hatten: so haben wir
in allem diesem gesunden, daß sie die apostolischen und kanonischen
Vorschriften mehrfach überschritten, und das Gebot der Gerechtigkeit
freventlich verletzt haben, und erkennen dahin, daß sie jeder priesterlichen
Amtshandlung sich unbedingt zu enthalten haben, indem wir nach der Entscheidung
des heiligen Geistes und der Macht des heiligen Petrus, die bei uns ist,
bestimmen, daß sie der Leitung des Bisthums völlig enthoben
bleiben sollen. Wenn sie aber nach ihrer bisherigen Gewohnheit als Bischöfe
wagen würden, irgend wie heilige Diensthandlungen zu verrichten, so
sei ihnen in keiner Weise mehr gestattet, auf ihre Wiedereinsetzung in
einer anderen Synode oder auf eine Gelegenheit zu einer Genugthuung zu
hoffen; die aber, welche mit ihnen verkehren, sollen aus der Kirche gestoßen
werden, vorallem, wenn sie wagen sollten, dies zu thun, nachdem sie erfahren
haben, daß gegen die Vorgenannten das Urtheil gefällt ist.
Das Jahr 864.
Kapitel 6.
Wir nun aber, da wir deine Hinterlist und Verschlagenheit
erprobt haben, sind nicht wie über eine uns
angethane Schmach aufgereizt worden, sondern sind
wider Deine Ungerechtigkeit in Eifer entbrannt, und wir denken nicht an
unsere geringe Person, sondern haben die ganze Gesammtheit unseres Standes,
dem Du Gewalt anzuthun wagst, vor Augen.
Was die Summe unserer besonderen Vorstellung gewesen,
wollen wir mit wenigen Worten zusammenfassen. Das göttliche und kanonische
Gesetz lehrt auf das klarste, und die ehrwürdigen weltlichen Gesetze
stimmen dem bei, daß es keinem erlaubt ist, eine freie Jungfrau einem
Manne zur Beischläferin zu überliefern, besonders wenn ein solches
Mädchen auf ein unerlaubtes Verhältniß nie selbst hat eingehen
wollen; und wenn sie ihrem Manne mit Zustimmung der Eltern in ehelicher
Treue, Hingebung und Liebe verbunden ist, so soll sie sicherlich als seine
Frau und nicht als seine Beischläferin betrachtet werden". -
Der Papst aber, vorher unterrichtet, wollte diese Schrift nicht annehmen. Der oben genannte Hilduin drang jedoch bewaffnet mit den Leuten Gunthars in die Kirche des heiligen Petrus ein und wollte die teuflische Schrift, wie es ihm sein Bruder vorgeschrieben hatte für den Fall, daß der Papst sie nicht annehmen wollte, auf das Grab des heiligen Petrus werfen. Und da die Wächter dies zu verhindern suchten, fielen er und seine Genossen mit Schlägen über die Wächter her, so daß einer von ihnen todt auf der Stelle blieb. Nun warf er jene Schrift auf das Grab des heiligen Petrus, worauf er und die mit ihm gekommen waren, mit gezückten Schwertern sich schützend, wieder aus der Kirche fortzogen, und nach vollbrachtem traurigen Geschäft zu Gunthar zurückkehrten.
Der Kaiser aber verließ nach wenigen Tagen Rom, wo von seiner Begleitung viele Räubereien verübt, Häuser zerstört, Nonnen und andere Frauen geschändet, viele Männer getödtet und Kirchen geplündert waren. Er begab sich nach Ravenna und feierte daselbst das Osterfest mit solcher Gnade Gottes und der Apostel, wie er sie verdiente. Gunthar aber, der gerade am Gründonnerstag nach der Stadt Colonia kam, hatte, als ein Mensch ohne Gott, die Frechheit, die Messe zu celebriren und das heilige Oel zu weihen; Theutgaud jedoch enthielt sich ehrerbietig, wie ihm befohlen war, des Priesterdienstes. Endlich aber auf Betrieb der übrigen Bischöfe, entzog Hlothar dem Gunthar sein Bisthum und gab es allein nach seinem Gutdünken dem Hugo, dem Sohne Chuonrads, des Oheims von König Karl und Sohn seiner mütterlichen Tante, der durch die Tonsur Kleriker und durch die Ordination nur erst Subdiaconus, seinen Sitten und seinem Leben nach nicht einmal einem frommen Laien gleichstand. Hierdurch bewogen, ging Gunthar, alles was von Kirchenschätzen in der Stadt sich befand, mit sich nehmend, noch einmal wieder nach Rom, um Hlothars und seine sämmtlichen Lügen bezüglich der Theutberga und Waldrada der Reihe nach dem heiligen Vater darzulegen. Aber auch die Bischöfe aus dem Reiche Hlothars schickten Gesandte mit Briefen, in denen sie ihre Reue aussprachen und kanonisches Bekenntniß ablegten, daß sie von der evangelischen Wahrheit und der apostolischen Autorität sowie den heiligen Regeln in der Angelegenheit der Theutberga und Waldrada nicht wenig abgewichen wären. Hlothar aber, nachdem er Ratold, den Bischof der Stadt Argentoratum mit Briefen, in denen er nach seiner gewöhnlichen Art lügnerisch sich entschuldigte und freiwillige Besserung versprach, an den Papst vorausgeschickt hatte, begab sich selbst über Gundulfivilla und den Rumerischen Berg zur Zusammenkunft mit seinem Bruder nach dem Ort, der Urba heißt.
Papst Nikolaus sandte von neuem Briefe an alle Erzbischöfe und Bischöfe in Gallien, Germanien und der Belgischen Provinz, in denen die Entsetzung Theutgauds, Erzbischofs von Treveri, und Gunthars, Erzbischofs von Colonia, bestätigt wurde. Den übrigen Bischöfen aber, welche aus dem Reiche Hlothars zur Scheidung der Theutberga und der Wiederverheirathung mit der Beischläferin Waldrada ihre Zustimmung gegeben und an ihn ihre Briefe mit ihrem Schuldbekenntniß gesandt hatten, gewährte er gnädig, wie er früher in seinem Schreiben versprochen hatte, Verzeihung. Zu Anfang November berief er eine Synode nach Rom, in welcher er nach seiner Ankündigung die Absetzung jener früheren Erzbischöfe von neuem bestätigen und die Angelegenheit Hlothars, sowie des Ignatius, Bischofs von Constantinopel, zur Verhandlung bringen wollte, der im vorigen Jahre abgesetzt und an dessen Stelle ein sofort nach erhaltener Tonsur zum Bischof geweihter Laie getreten war. Zu dieser Synode begaben sich die oben genannten Theutgaud und Gunthar freiwillig, indem sie hofften, durch Verwendung Kaiser Hludowichs vom Papst ihre Erzbisthümer wieder erlangen zu können.
Hludowich, der Kaiser von Italien genannt, wurde von einem Hirsch, den er in der Brunst mit dem Pfeil schießen wollte, schwer verwundet. Von Seiten des römischen Bischofs Nikolaus wurde er durch den Apocrisiarius Arsenius ersucht, dem Papst zu gestatten, Gesandte wegen verschiedener geistlicher Angelegenheiten an Karl zu senden; er aber schlug die Bitte ab, weil er glaubte, daß der Papst in nicht aufrichtigen Absichten gegen ihn seine Gesandten nach Francien schicken wolle.
Hucbert, ein verheiratheter Kleriker und Abt des Klosters des heiligen Martinus, welcher die Abtei des heiligen Mauritius und andere Lehengüter Hludowichs, des Kaisers von Italien, gegen dessen Willen in Besitz hielt, wurde von den Leuten des Kaisers getödtet und seine Schwester Theotberga, die verstoßene Frau Hlothars begab sich in den Schutz Karls, der ihr das Kloster Avennacus schenkte, und dem Diacon ihres Palastes, Ingelwin, die Abtei des heiligen Martinus verlieh.
Rodbert, der Graf von Andegavi, griff zwei Haufen von
den Nortmannen an, die sich in dem Fluß Liger festgesetzt hatten,
und tödtete von dem einen fast alle Leute bis auf wenige, die entkamen;
von dem andern stärkeren aber im Rücken angegriffen, wurde er
verwundet, worauf er, nach Verlust einiger von den Seinigen, den Rückzug
für gerathen hielt, und nach wenigen Tagen war er selbst auch wieder
hergestellt.
Das Jahr 865.
König Karl feierte den Tag der Geburt des Herrn in der Pfalz Carisiacus. Nachdem er sich um die Mitte des Februar nach dem Ort Vernum begeben hatte, empfing er im Dorfe Tusiacus sehr ehrenvoll seinen Bruder Hludowich, der mit seinen Söhnen dahin kam. Und nachdem hier alles mit ihren Getreuen berathen worden war, sandten sie durch die Bischöfe Altfrid und Erchanraus eine Botschaft an ihren Neffen Hlothar und forderten ihnauf, daß er, da er öfters erklärt habe, nach Rom gehen zu wollen, zuvörderst nach des apostolischen Vaters und ihrer Ermahnung das bessern solle, was er gegen die göttlichen und menschlichen Gesetze in der Kirche verbrochen habe, der er durch seinen Uebermuth großes Aergerniß bereitet, und dann nach Ordnung seines Reiches, wenn er wolle, zu den Schwellen der Apostel ziehen möge, um dort Verzeihung zu erbitten und zu erlangen. Hlothar aber, welcher glaubte, daß sie ihm sein Reich entreißen und unter sich theilen wollten, schickte seinen Oheim Liutfrid hinüber zu seinem Bruder, dem Kaiser von Italien, und ließ ihn bitten, doch den Papst dahin zu vermögen, daß er für ihn an seine Oheime Briefe schriebe, worin er sie ermahne, Frieden zu halten und ihm an seinem Reich keinen Abbruch und Schaden zu thun; und dieses erlangte Kaiser Hludowich auch.
Inzwischen fuhren die Nortmannen, welche auf dem Fluß Liger verweilten, nach Gottes Willen bei günstigem Winde jenen Fluß hinauf bis zum Kloster des heiligen Benedictus, welches Floriacus heißt, zündeten das Kloster an und verbrannten auf dem Rückweg die Stadt Aurelianis und die dort sowie in der Umgegend befindlichen Kloster, mit alleiniger Ausnahme der Kirche zum heiligen Kreuz, welche die Flamme trotz aller darauf von den Nortmannen verwandten Anstrengung nicht verzehren wollte. So den Fluß herabfahrend und das nahe Land auf beiden Ufern verwüstend, gelangten sie nach ihrem alten Standort zurück.
Von Tusiacus aus zog Hludowich nach Baiern, gab seinem Sohn Karlmann, mit dem er sich herzlich versöhnte, die Marken wieder, die er ihm genommen hatte, und kehrte dann nach der Pfalz Frankonoford zurück. Karl aber kam über Attiniacus nach Silviacus, feierte daselbst die heilige Fastenzeit und das Osterfest und sandte den Bernhard, den Sohn eines gewissen Bernhard und einer Tochter des Grafen Rorigo, nach Gothien, indem er ihm einen Theil jener Mark übergab. Von da begab er sich wieder nach Vernum und empfing daselbst die Bischöfe und übrigen Großen von Aquitanien. Auf ihre dringenden Bitten erlaubte er, daß sein Sohn Karl, obwohl er noch nicht hinreichend gezüchtigt war, mit königlichem Namen und königlicher Gewalt nach Aquitanien zurückkehren durfte.
Papst Nikolaus schickte den Arsenius, Bischof von Orta, und seinen Rath, an die Brüder Hludowich und Karl, sowie auch an die Bischöfe und Großen ihrer Reiche mit Briefen, die das enthielten, was Hlothar durch seinen Bruder erbeten hatte. Diese Briefe waren aber nicht in jener apostolischen Milde und jener achtungsvollen Höflichkeit gehalten, mit welcher die römischen Bischöfe in ihren Briefen die Könige zu beehren pflegten, sondern voll von boshaften Worten und Drohungen. Arsenius aber kam, seinen Weg durch Curien und Alamannien nehmend, zu Hludowich, dem König von Deutschland, nach der Pfalz Franconoford und übergab ihm die Briefe des Papstes, und von da ging er nach Gundulfivilla zu Hlothar. Diesen und den Bischöfen und Großen seines Reichs stellte er die Briefe des Papstes zu, des Inhalts, daß, wenn Hlothar nicht auf die Mahnung des Arsenius seine Gemahlin Theodberga wieder zu sich nähme und die Waldrada abthäte, Arsenius denselben ganz aus der Gemeinschaft der Christenheit ausstoßen sollte, nachdem er, der Papst, ihn schon selbst in mehreren früheren Briefen wiederholt für excommunicirt und für ausgeschlossen aus der Gemeinschaft der Christenheit erklärt hatte. Von Hlothar kam dann Arsenius um die Mitte des Monats Juli zu Karl nach der Pfalz Attiniacus und übergab mit genügender Ehrerbietung die für Karl bestimmten, mit den an die Könige Hludowich und Hlothar gerichteten gleichlautenden Briefe. Zugleich stellte er auch Karl den von ihm mitgebrachten Rothad vor, welchen, nachdem er kanonisch von den Bischöfen von fünf Provinzen entsetzt worden, Papst Nikolaus, nicht nach dem Gesetz, sondern aus reiner Machtvollkommenheit wieder eingesetzt hatte. Denn die heiligen Canones sagen, daß, wenn ein Bischof, der von den Bischöfen der Provinz seines Amtes entsetzt worden, seine Zuflucht zu dem römischen Bischof nimmt, der römische Bischof den Bischöfen der angrenzenden und nahen Provinz schreiben soll, daß sie die Angelegenheit sorgfältig prüfen und wahrheitsgetreu entscheiden, und wenn der, welcher auch von diesen durch zweiten Spruch entsetzt ist, wieder den Papst angeht, so steht dem Papst zu, Gesandte a latere zu bestellen, welche mit der Autorität dessen, der sie gesendet, ausgestattet, in Gemeinschaft mit jenen Bischöfen das Urtheil zu fällen haben, oder aber er muß die Autorität der Bischöfe für genügend betrachten, um in der Angelegenheit endgültig zu entscheiden. Nichts von allem dem wollte aber der Papst thun, sondern mit Hintansetzung des Urtheils der Bischöfe, welche den heiligen Vorschriften gemäß nach gefälltem Urtheil mit genauer Darlegung der Thatsachen die ganze Angelegenheit dem Papst unterbreitet hatten, setzte er den Rothad mit eigner Macht wieder ein. Nach dieser Wiedereinsetzung sandte er ihn nun an Karl mit Briefen, worin gesagt war, daß ohne alle Ausnahme jeder, welcher besagtem Rothad irgendwie in Bezug auf seine Würde oder die Ausübung seines bischöflichen Amtes in den Weg treten würde, vom Bann getroffen sein sollte. Und so ohne Befragen und ohne Zustimmung der Bischöfe, die ihn abgesetzt hatten, wurde Rothad durch den Gesandten Arsenius in seinen Bischofsitz wieder eingeführt.
Nach dem begab sich Arsenius zur Zusammenkunft mit Lothar nach Duciacus, wohin er die Theotberga mit sich führte, welche einige Zeit ehrenvoll in Karls Reich gelebt hatte. Und nachdem er von zwölf Männern von der Partei Hlothars einen Eid empfangen, übergab er sie dem Hlothar, ohne daß von diesem, wie es die heiligen Canones vorschreiben, irgend welche kirchliche Sühne für seinen öffentlichen Ehebruch geleistet war, wieder zur rechtmäßigen Gemahlin. Der Eid aber, welcher von Seiten Hlothars für Theodberga geleistet wurde und den Arsenius selbst von Rom mitgebracht und vorgeschrieben hatte, lautete wie folgt: "Ich, der und der, verspreche eidlich auf die vier heiligen Evangelien Christi, welche ich hier mit meinen Händen berühre und auf jene Reliquien der Heiligen, daß mein Senior, König Hlothar, der Sohn des erlauchten Kaisers weiland Hlothar, hochseligsten Andenkens, von jetzt an und in Zukunft seine Gemahlin Theodberga als seine rechtmäßige Gattin annehmen und in allen Stücken so behandeln wird, wie es einem Könige ziemt, seine königliche Gemahlin zu behandeln. Und wegen der besagten Zwistigkeiten soll sie weder an ihrem Leben noch an ihren Gliedern, weder von meinem oben genannten Senior Hlothar, noch von irgend einem seiner Leute auf seinen Antrieb, durch seine Unterstützung oder Hülfe oder auch nur mit seiner Zustimmung Schaden erleiden; sondern er wird sie so behandeln, wie es einem Könige geziemt, seine rechtmäßige Ehegattin zu behandeln; mit der Maßgabe, daß sie fernerhin sich so aufführe, wie es sich für eine Ehefrau ziemt, inallen Stücken ihrem Senior die Ehre zu bewahren." Folgendes sind die Namen derer, welche dies beschworen haben: von den Grafen Milo, Rathar, Herland, Theutmar, Werembold, Rocolf. Von den Vasallen Herlebold, Wulfrid, Heidulf, Bertmund, Nithard, Arnost. Dieses ist beschworen worden auf die vier Evangelien Gottes und das höchst werthvolle Stück Holz vom heiligen Kreuz des Herrn und andere Reliquien der Heiligen, an dem Orte, der Vindonissa heißt, am dritten Tag des Monats August, in der vierzehnten Indiction. Dies ist geschehen zu den Zeiten unseres apostolischen Herrn, des dreimal seligen und engelgleichen Nikolaus, durch Vermittelung und nach Anweisung des ehrwürdigen Bischofs Arsenius, des Abgesandten und Apocrisiarius des heiligen höchsten katholischen und apostolischen Stuhls, der mit der apostolischen Autorität ausgerüstet und von dem apostolischen Herrn Nikolaus geschickt war. Die Namen der Bischöfe, in deren Gegenwart solches geschehen und die daran Theil genommen, sind folgende: Harduin, Erzbischof von Besintio, Remedius, Erzbischof von Laudunum, Ado, Erzbischof von Bienna, Rodland, Erzbischof von Arelate, Adventius, Bischof von Mettis, Atto, Bischof von Bardunum, Franco, Bischof von St. Landbertus, Rathald, Bischof von Stratiburg, Fulkerich, kaiserlicher Caplan und Sendbote. Aus dem Reiche Karls aber Isaak, Bischof von Linguinum, Herkanraus, Bischof von Catalaunum, aus deren Händen von Seiten König Karls die Königin Theodberga in Empfang genommen wurde von Arsenius, dem ehrwürdigen Bischof und Legaten des apostolischen Stuhls, gemeinschaftlich mit den obengenannten Erzbischöfen und Bischöfen, während an demselben Orte aus den verschiedenen Reichen edle Männer und eine Menge Volks gegenwärtig waren, die solches gesehen und gehört haben, deren Namen wir aber nicht alle hier auf diese Schrift setzen können.
An demselben Tage übergab Arsenius, der Bischof und Abgesandte des apostolischen Stuhls, mit den sämmtlichen obengenannten Erzbischöfen und Bischöfen die Königin Theodberga in die Hände des Königs Hlothar, nicht nur unter derselben Betheuerung, wie sie oben mitgetheilt, sondern auch unter der Drohung der Excommunication, daß wenn er nicht alles, wie es oben zu lesen ist, halte und erfülle, er nicht allein in dem gegenwärtigen Leben, sondern auch vor dem ewigen furchtbaren Gericht Gottes und dem heiligen Petrus, dem Apostelfürsten, Rechenschaft werde ablegen müssen und von demselben auf ewig in diesem Gerichte werde verdammt und durch ewiges Feuer verbrannt werden.
Inzwischen schickte Hlothar Gesandte an Karl mit dem Wunsche und der Bitte, daß sie sich durch neubekräftigtes Freundschaftsbündniß verbänden. Und auf Verwendung der Königin Irmentrud gewährte Karl die Bitte, worauf Hlothar nach Attiniacus kam, von Karl freundlich und ehrenvoll empfangen und in das gewünschte Freundschaftsbündniß aufgenommen wurde. Hierhin kam auch Arsenius zurück und brachte einen Brief des Papstes Nikolaus mit, voll von schrecklichen und der Mäßigung des römischen Stuhls früher unbekannten Verwünschungen gegen diejenigen, welche vor einigen Jahren dem Arsenius eine große Summe Geldes geraubt hatten, wenn sie nicht Sorge tragen würden, durch Wiedererstattung dessen, was sie genommen, Genugthuung zu leisten. Nachdem Bischof Arsenius diesen Brief und einen andern bezüglich der Excommunication der Ingiltrud verlesen hatte, welche ihren Mann Boso verlassen hatte und mit einem Ehebrecher in das Reich Hlothars entflohen war, sowie nachdem er unter Karls Schutz ein Dorf, Namens Vendopera, in Empfang genommen hatte, welches Kaiser Hludowich seligen Andenkens dem heiligen Petrus übergeben und ein gewisser Graf Wido längere Jahre besessen hatte, begab er sich, da er alles von Karl erreicht hatte, um deswillen er zu ihm gekommen war, mit Hlothar nach Gundulsivilla, wohin Theodberga schon vorausgegangen war. Während er hier um der Waldrada willen, die hierher zu ihm gebracht und dann von ihm nach Italien geführt werden sollte, mehrere Tage verweilte, feierte er in Gegenwart des Hlothar und der Theodberga, die in vollem Königsschmuck und mit der Krone auf dem Haupte erschienen, am Tage der Himmelfahrt der heiligen Maria die Messe, und begab sich dann von diesem Orte mit der genannten Waldrada nach Urba, bis wohin, wie es hieß, Hludowich, der Kaiser von Italien, Hlothar entgegenkommen wollte; von hier kehrte Arsenius durch Alamannien und Baiern, um in diesen Ländern gelegene Erbgüter der Kirche des heiligen Petrus in Empfang zu nehmen, nach Rom zurück.
Karl zog von Attiniacus mit einem Heer gegen die Nortmannen, welche mit fünfzig Schiffen in die Sequana gekommen waren. Auf dem Wege dahin gingen ihm durch die Unachtsamkeit der Hüter drei höchst kostbare Kronen, sehr werthvolle Armspangen und alle andern Juwelen verloren; indeß fand sich nach wenigen Tagen alles wieder, bis auf einige Edelsteine, die bei der Hast des Raubes verloren gegangen waren. Die Nortmannen aber, welche in dem Fluß Liger weilten, zogen zu Lande ungestört nach der Stadt Pictavum, verbrannten die Stadt und kehrten dann ungestraft zu ihren Schiffen zurück. Rodbert aber tödtete von denselben Nortmannen, welche in dem Fluß Liger saßen, mehr als fünfhundert ohne Verlust der Seinigen und übersandte an Karl nortmannische Fahnen undWaffen. Als Karl bis an den Ort gekommen war, welcher Pistis heißt, wo die Nortmannen sich festgesetzt hatten, ließ er selbst, auf den Rath seiner Getreuen, die Brücken über die Flüsse Isara und Matrona an den Orten Namens Alvernis und Carentom wieder herstellen, weil die Einwohner, welche früher diese Brücken gebaut hatten, wegen der Anfeindungen der Nortmannen sie nicht wieder herstellen konnten. Er befahl daher wegen der dringenden Nothwendigkeit denen, welche aus den entfernteren Gegenden zur Arbeit geschickt worden waren, um die Befestigungen in der Sequana herzustellen, unter der Bedingung die Brücken herzustellen, daß diejenigen, welche jetzt diese Brücken wiederhergestellt hätten, niemals für die kommenden Zeiten wieder der Verpflichtung unterworfen würden, an dieser Arbeit Theil zu nehmen. Und nachdem er Mannschaften entsendet hatte, um beide Ufer zu bewachen, begab er sich um die Mitte des Monats September zur Jagd nach dem Gut Odriaca. Die Nortmannen aber schickten, da die Wachmannschaften noch nicht bis diesseits der Sequana gekommen waren, ungefähr zweihundert von den Ihrigen nach Parisius, die, als sie hier den Wein, den sie suchten, nicht fanden, zu denen, welche sie gesandt hatten, unversehrt zurückkehrten. Mehr alsfünfhundert von den Nortmannen jedoch, welche jenseits der Sequana bis nach Carnotum ihren Raubzug ausdehnen wollten, wurden von den Wächtern des Ufers angegriffen und zogen sich, nachdem einige von ihnen getödtet, einige auch verwundet waren, nach ihren Schiffen zurück.
Karl schickte seinen Sohn Hludowich nach Neustrien, ohne ihm den königlichen Namen wieder zu verleihen oder zu untersagen, und gab ihm nur die Andegavensische Grafschaft, dieAbtei des Majus-Monasterium und einige Dörfer. Dem Rodbert aber, welcher Markgraf in Andegavum gewesen war, verlieh Karl zu den andern Lehen, welche er inne hatte, die Autissiodorensische und die Nivernenser Grafschaft.
Hludowich, König der Deutschen, nahm sein Heer, welches von ihm gegen die Wineder entsendet worden war und mit Erfolg wirkte, wieder in Empfang. Sein gleichnamiger Sohn verlobte sich wider des Vaters Willen mit einer Tochter Adalards, wodurch er den Vater nicht wenig aufbrachte. Karl begab sich zu einer Unterredung mit seinem Bruder Hludowich nach Colonia und brachte, neben andern Gegenständen der Unterredung, zwischen dem Vater und Sohn wegen jener eigenmächtigen Handlung des letzteren eine Versöhnung zu Stande, unter der Bedingung, daß der Sohn nicht weiter mit der Tochter des Adalard verbunden bliebe. Von da kehrte Hludowich nach Wormatia und Karl nach Carisiacus zurück; letzterem wurde unterwegs gemeldet, daß die Nortmannen am 20. October sich des Klosters des heiligen Dionysius bemächtigt hatten; hier verweilten sie etwa zwanzig Tage und brachten täglich Beute von da zu ihren Schiffen; nach vielem Plündern aber kehrten sie, ohne von irgend jemand gehindert zu werden, zu ihren nicht weit vom Kloster gelegenen Standquartieren zurück. Inzwischen waren die Nortmannen, welche in dem Fluß Liger sich festgesetzt hatten, vereint mit den Brittonen nach der Stadt Cinomannis gezogen, hatten dieselben ungestraft geplündert und waren dann zu ihren Schiffen zurückgekehrt. Die Aquitanier kämpften mit den Nortmannen, die unter ihrem Herzog Sigefrid in dem Fluß Carentus lagen, und tödteten von ihnen ungefähr vierhundert; die übrigen ergriffen die Flucht und zogen sich nach ihren Schiffen zurück.
Karl empfing zu Compendium seine Gesandten, welche er im vorigen Jahre nach Corduba an Mohamet geschickt hatte und die nun von da mit reichen Geschenken, wie Kamelen, die Ruhebetten und Zelte trugen, Tüchern verschiedenster Art und vielen Spezereien, zurückkehrten. Von Compendium kam Karl nach dem Hofgut Rosiacus und nahm dem Adalard, welchem er den Schutz des Landes gegen die Nortmannen übertragen hatte, sowie den Verwandten desselben, Hugo und Berengar, die nichts Ersprießliches gegen die Nortmannen vollbracht hatten, die ihnen verliehenen Lehen und vertheilte dieselben unter verschiedene Andere. Die Nortmannen, welche das obengenannte Kloster verwüstet hatten, wurden von allerlei Elend getroffen; einige verfielen in Raserei, andere wurden vom Aussatz befallen, andere starben, indem ihnen nach und nach mit dem Stuhlgang alle Eingeweide abgingen. Nachdem Karl zum Schutz gegen die Nortmannen Hüter angeordnet hatte, kehrte er nach Silvanectis zurück, um daselbst das Fest der Geburt des Herrn zu feiern. Hier erhielt er die Nachricht, daß sein Sohn Hlothar, Abt des Klosters zum heiligen Germanus, gestorben war.
Das Jahr 866.
Am 29. Dezember stieß eine Abtheilung der in dem
Fluß Liger weilenden Nortmannen, die auf Raub nach Neustrien zog,
auf die Grafen Gauzfrid, Heriveus und Rorig, und im Kampfe fiel Rorig,
der Bruder des Gauzfrid; die Nortmannen aber kehrten, nachdem sie viele
der Ihrigen verloren, flüchtend zu ihren Schiffen zurück. Rodulf,
der Oheim König Karls, starb an
der Kolik. Die Nortmannen, die
Sequana hinauffahrend, kamen bis zum Kastell Milidunum,
und als auf beiden Ufern des Flusses die Mannschaften Karls
heranzogen, verließen sie ihre Schiffe und warfen sich
auf den, wie es schien, größeren und stärkeren Heerhaufen,
der unter dem Befehl Rotberts und Odos stand, jagten ihn ohne Kampf in
die Flucht und kehrten auf ihren mit Beute beladenen Schiffen zu den Ihrigen
zurück. Karl schloß mit
denselben Nortmannen ein Abkommen, ihnen eine Summe von viertausend Pfund
Silber zu zahlen, und legte, um diesen Tribut aufzubringen, eine Steuer
auf das ganze Reich, in der Art, daß von jedem freien Mansus sechs
Denare, von einem unfreien drei, von dem Colonen einer und von je zwei
Häuslern auch einer, und der Zehnte von allem, was die Kaufleute besaßen,
erhoben wurde; aber auch von den Geistlichen wurde, je nach dem was jeder
besaß, eine Steuer eingezogen, und von allen Franken der Heerbannschoß
gefordert. Darauf wurde von jedem Mansus, freiem wie unfreiem, ein Denar
erhoben, und endlich wurde zu zwei Malen, je nach dem was jeder der Großen
des Reichs an Lehen besaß, von ihnen ein Beitrag eingefordert, sowohl
in Geld als in Wein, um das zusammenzubringen, was den Nortmannen zu leisten
man sich verbunden hatte. Außerdem wurden auch alle von den Nortmannen
geraubten Sklaven, die nach Abschluß jenes Vertrages ihnen entflohen
waren, zurückgeliefert, oder nach einem von jenen beliebig gestellten
Satz ausgelöst; und wenn einer der Nortmannen getödtet war, so
wurde für denselben eine Geldbuße, wie sie von den Nortmannen
gefordert wurde, gezahlt.
Hludowich, der Kaiser von Italien, zog in Begleitung seiner Gemahlin Ingelberga nach Benevent gegen die Sarracenen.
Hlothar, wie einige wissen wollen auf Verwendung seines Bruders, des Kaisers Hludowich, übergab das dem Hugo wieder genommene Cölner Bisthum dem Hilduin, Gunthars Bruder; in Wahrheit aber blieb die ganze Verwaltung mit Ausnahme der rein priesterlichen Verrichtungen des Bischofs in den Händen Gunthars, und so entbehrten diese Metropole, wie auch die Trierer Kirche, wider die heiligen Vorschriften und unter großer Gefährdung vieler Gläubigen längere Zeit ihrer Hirten. Karl übergab dem Grafen Rotbert die dem Engilwin entzogene Abtei des heiligen Martin, und vertheilte auf seinen Rath die Lehen, welche jenseits der Sequana lagen, unter die Genossen desselben; auch gab er, ebenfalls auf den Rath Rotberts, die Augustidunenser Grafschaft, welche Bernhard, Bernhards Sohn, dem Rotbert entrissen hatte, seinem Sohn Hludowich, um ihn zu bereichern.
Im Monat Juli verließen die Nortmannen die Insel bei dem Kloster des heiligen Dionysius, fuhren die Sequana hinab bis zu einem Ort, der geeignet war, um ihre schadhaften Schiffe auszubessern und neue zu bauen, und erwarteten daselbst die Ueberlieferung des ihnen zu zahlenden Tributs. Karl zog mit einem Heere und Arbeiter nebst Karren mit sich führend nach Pistis, um die Befestigungswerke zu vollenden, damit die Nortmannen nicht wieder den Fluß herauf fahren könnten. Hludowich, der König von Deutschland, bot ein Heer gegen mehrere der Seinigen auf, welche in der Mark der Winider auf Abfall sannen; er selbst eilte demselben voraus, und da er in kurzem ohne Kampf die Aufrührer unterwarf, befahl er dem Heer, das noch wenig vorgerückt war, in der Heimath zu verbleiben.
Im Monat Juli gingen die Nortmannen in See, und ein Theil von ihnen nahm einige Zeit seinen Aufenthalt im Isalgau, wo sie alle ihre Gelüste befriedigten, nur daß Hlothar nicht, wie sie wünschten, mit ihnen sich öffentlich verband.
Karl begab sich mit seiner Gemahlin nach einem Gute der Abtei des heiligen Quintinus, Orti-Vineas genannt, zur Zusammenkunft mit Hlothar, und erhielt für verschiedene Gefälligkeiten, wie man sagt, indem sie unter einander Vereinbarungen trafen, von Hlothar die Abtei des heiligen Vedastus zum Geschenk.
Karl begab sich im
Monat August nach der Stadt Suessionis und nahm an der vom Papst Nikolaus
zusammenberufenen Synode Theil. Hier wurde entsprechend der Empfehlung
des genannten Papstes die Frage wegen des Vulfad und seiner Genossen, welche
von dem früheren Erzbischof von Remi, Ebo, nach seiner Entsetzung
ordinirt waren, zur Entscheidung gebracht. Weil indeß die heiligen
Regeln nicht offenbar verletzt werden konnten, so wurde aus Achtung für
ihn und aus Rücksicht für mehrere, besonders auch weil der König
und einige andere aufs lebhafteste für Vulfad eintraten, auch Zwiespalt
und Aergerniß nicht anders zu vermeiden war, beschlossen, daß,
da die regelrechte Entscheidung der Synode der Bischöfe aus den fünf
Provinzen über die Entsetzung der oben genannten durch die Unterschriften
der Päpste Benedictus und Nikolaus bestätigt worden
war, jene gemäß der Nachsicht des Nicänischen Concils wider
die, welche der Verurtheilte Meletius ordinirt hatte, sowie nach der Tradition
des Afrikanischen Concils bezüglich der Donatisten, in ihre Würden
wieder eingesetzt werden sollten, vorausbesetzt aber, daß es dem
Papst Nikolaus gefiele, den von ihm gestätigten Urtheilspruch
zu ändern. Nachdem zufolge dessen die versammelte Synode durch Egilo,
den Erzbischof von Sens, nebst andern Aufträgen, um deren willen er
reiste, einen Brief mit dem oben bezeichneten Beschluß an Papst
Nikolaus gesandt hatte, löste sich dieselbe ohne Zwiespalt unter
den Geistlichen auf. Und wiewohl nach den Decreten des Innocentius, das,was
auf solche Weise die Nothwendigkeit der Zeitumstände einst herbeigeführt,
mit Aufhören dieser Nothwendigkeit auch wieder aufhören soll,
da etwas Anderes die gesetzmäßige Ordnung und etwas Anderes
die Willkür ist, zu der für den Augenblick die Zeitumstände
nöthigen: so erschien es gewissen Leuten erträglicher, weil doch
im Grunde nichts Anderes, mit größter Anstrengung aber das erstrebt
wurde, daß auf irgend welche Weise Vulfad wieder Bischof werden könnte,
zur Vermeidung von Aufruhr diese Nothwendigkeit, welche jetzt wie damals
drängte, wiederum ins Mittel zu rufen und, wie Paulus berichtet, nach
dem Rath des Jakobus und der Aeltesten von Jerusalem mit dem auch nach
Aufhebung des Gesetzes beschnittenen Timotheus den Gottesdienst zu verrichten,
als Unruhen in der Kirche und
in der Regierung des Königs zu verursachen. Nachdem
dies solchergestalt geordnet war, übertrug Karl
dem genannten Vulfad vor Entscheidung der Angelegenheit ganz
eigenmächtig die Bituricenser Metropole, deren Erzbischof Rhodulf
vor kurzem gestorben war. Ehe aber jene Bischöfe die Stadt verließen,
bat sie Karl, daß sie seine Gemahlin
Hirmintrud zur Königin weihen
möchten; und dies thaten sie in seinem Beisein in der Basilika des
heiligen Medardus, und setzten ihr zugleich mit ihm eine Krone auf. Von
dieser Stadt aus begab sich der König mit der Königin nach der
Pfalz Attiniacus zu einer Zusammenkunft mit Hlothar.
Hierhin riefen sie Theutberga, nur
dem Namen nach die königliche Gemahlin, welche die Erlaubniß
nach Rom zu gehen erhalten hatte, zurück, und eine gemeinsame Botschaft
anordnend, ließen sie, Karl durch
Egilo, den Sennenser, und Hlothar durch
Ado, den Viennenser Erzbischof, und durch Walter, seinen Geheimschreiber,
dem Papst Nikolaus ihre Ansichten und Wünsche im Geheimen mittheilen.
Darauf sandte Karl seinen Sohn Karlmann,
Abt des Klosters des heiligen Medardus, nach Bituricä, um diese
Metropole dem Vulfad zu überliefern. Als sie hierhin kamen, nachdem,
wie oben berichtet, die Synode geschlossen und von dieser Synode durch
Erzbischof Egilo ein Schreiben an den Papst abgesendet worden war, wurde
Vulfad sofort im Monat September von einigen Bischöfen, die weniger
als nothwendig in den Gesetzen der Kirche bewandert, von der Partei des
genannten Vulfad durch Bitten gewonnen und durch Drohungen von
Karlmann im Namen und Auftrag des Vaters eingeschüchtert
waren, wider alle kirchlichen Gesetze anstatt der bischöflichen Ordination,
mit der Verwünschung wie mit einem Mantel bekleidet; Aldo aber, der
Lemovicensische Bischof, der jenen vielmehr exordinirt als ordinirt hatte,
wurde bei der Ordination selbst vom Fieber befallen und starb bald darauf.
Karls Sohn Karl, der König der Aquitaner, dem durch den Hieb, welchen er vor einigen Jahren in den Kopf erhalten hatte, das Gehirn erschüttert worden, starb, nachdem er längere Zeit an Epilepsie gelitten hatte, am 29. September auf einem Gut nahe bei Bosentiacä und wurde von seinem Bruder Karlmann und von Vulfad in der Kirche des heiligen Sulpicius zu Biturigum beigesetzt.
Karl ließ seinen Vetter Willelm, den Sohn des verstorbenen Grafen Odo von Aureliani, der von einigen der Seinigen in Burgundia gefangen genommen worden war, als einen Feind des Reichs bei der Stadt Silvanectum enthaupten.
Ungefähr vierhundert Normannen mit Britonen vermischt, zogen vom Fluß Liger mit Pferden aus und kamen nach der Stadt Cinomannis. Als sie nach Verwüstung dieser Stadt auf ihrem Heimzuge an einen Ort, welcher Brieserta heißt, gelangten, stellten sich ihnen die Grafen Rotbert und Ramnulf, sowie Gozfrid und Heriveus mit einer, wenn Gott bei ihnen gewesen wäre, starken Macht Bewaffneter entgegen. Und in dem Kampf, der sich entspann, wurde Rotbert getödtet, Ramnulf aber, schwer von einem Hiebe getroffen, an dessen Folgen er später starb, in die Flucht getrieben; und nachdem auch Heriveus verwundet, sowie manche andere getödtet worden waren, zerstreuten sich die Uebrigen, jeder nach seiner Heimath sich wendend. Und weil Ramnulf und Rotbert für ihre früheren Thaten, indem der eine wider das Recht die Abtei des heiligen Hilarius, der andere die des heiligen Martinus sich angemaßt hatte, sich nicht durch Buße hatten reinigen wollen, so verdienten sie, daß die Vergeltung über sie kam.
Hludowich, der Sohn
Hludowichs, des Königs von
Deutschland, erhob sich auf Antrieb Warnars und der Uebrigen, denen
der Vater wegen ihrer Untreue die Lehen genommen hatte, zum Kampf gegen
seinen Vater, indem er zugleich den Winider Restiz aufreizte, bis nach
Bajowarien hin plündernd vorzudringen, damit er selbst, während
der Vater oder seine Getreuen in jenen Gegenden beschäftigt wären,
desto ungehinderter sein Beginnen durchführen könnte. Da aber
Karlmann, dem der Vater eben jene Mark
gegeben hatte, sehr sorgsam wachte, so blieb Restiz in seinem Lande. Der
Vater Hludowich aber, durch Erfahrung
in diesen Dingen gewitzigt, eilte sofort nach der Pfalz Namens Frankonofurdh,
und hieß seinen Sohn unter gegenseitig geleisteter Bürgschaft
zu sich kommen, worauf sie beide persönlich einander versprachen,
bis zum 28. October Friede zu halten. Schnell begab sich nun Hludowich
zurück, um seine Mark gegen Restiz zu sichern, von wo er acht Tage
vor dem Fest des heiligen Martin zur Zusammenkunft mit seinem Bruder Karl
und seinem Neffen Hlothar in der Nähe
der Stadt der Mettenser zurückgekehrt sein wollte.
Karl kündigte den Seinigen an, daß er dahin mit einem
Heer ziehen wollte, so gut er es gerade zusammen bringen konnte, - es war
zum größten Theil von den Bischöfen aufgebracht, - und
sandte den Geistlichen Hugo, den Sohn seines Oheims Chonrad, indem er ihm
die Grafschaft von Turones und die Grafschaft von Andegavi mit der Abtei
des heiligen Martin und noch anderen Abteien verlieh, an Rotberts Stelle
nach Neustrien. Von der Abtei des heiligen Vedastus behielt er, wie er
schon früher bei der Abtei des heiligen Quintinus gethan, den Hauptsitz
mit den besten Klostergütern für sich; das Uebrige vertheilte
er unter die Seinigen, nicht so sehr zu ihrem Vortheil wie zum Schaden
seiner Seele. In Ausführung seines angekündigten Planes zog er
darauf, von seiner Gemahlin begleitet, mit dem Heere über die Stadt
Remi nach Mettis zu und gelangte bis Viridunum. Hier trafen ihn Gesandte
seines Bruders Hludowich, die ihm mittheilten,
daß er nicht mehr seinem Bruder mit dem Heer zu Hülfe zu kommen
brauche, weil dieser, wie seine Absicht gewesen, mit seinem Sohne sich
wieder versöhnt habe und der gegen ihn angestiftete Aufstand überall
beschwichtigt wäre; Hludowich selbst
aber war es nicht gelegen, nach Mettis zur Zusammenkunft mit seinem Bruder
zu kommen, weil er wegen verschiedener wichtiger Angelegenheiten des Reichs
nach Bajowarien eilte. Karl blieb ungefähr
zwanzig Tage zu Viridunum, die Stadt und die Umgegend wie ein Feind verwüstend,
und erwartete Hlothars Ankunft, der
zu Treveri mit den Bischöfen seines Reichs betrieb, daß Theodberga
wiederum sich eines erdichteten Verbrechens anklagen und den Schleier
nehmen sollte, was er jedoch nicht erreichen konnte. Schließlich
kam Karl auf dem Wege, welchen er vorher
gezogen war, indem die Seinigen die
Gegenden, durch welche der Rückweg führte,
verwüsteten, wiederum nach der Stadt Remi, und begab sich von hier
nach Compendium, wo er das Geburtsfest des Herrn feierte.
Der König der Bulgaren, der im vorigen Jahre, auf
Gottes Eingebung und durch Zeichen und Unglücksfälle unter dem
Volke seines Reichs gemahnt, den Plan gefaßt hatte, Christ zu werden,
empfing die heilige Taufe. Seine Großen aber, darüber aufgebracht,
riefen das Volk gegen ihn auf, daß es ihn tödten sollte. Und
alle Bewohner von zehn Grafschaften sammelten sich um seinen Palast; er
aber, nachdem er Christi Namen angerufen, zog mit nurachtundvierzig Begleitern,
die, für den christlichen Glauben erglühend, bei ihm geblieben
waren, gegen jene ganze Menge. Und alsbald nachdem er die Thore der Stadt
verlassen hatte, erschienen ihm und denen, die mit ihm waren, sieben Geistliche,
von denen jeder eine brennende Kerze in seiner Hand hielt, und schritten
so vor dem König und denen, die mit ihm waren, einher. Denjenigen
aber, welche gegen den König sich empört hatten, erschien es,
als ob eine große Stadt brennend über sie zusammenstürzte,
und die Pferde derer, welche mit dem Könige waren, schritten, wie
die Gegner zu sehen glaubten, aufrecht einher und schlugen sie mit den
Vorderfüßen nieder; und eine solche Furcht erfaßte sie,
daß sie weder Anstalten zur Flucht noch zur Vertheidigung machten,
sondern auf den Erdboden hingestreckt sich nicht zu bewegen vermochten.
Der König aber ließ von den Großen, welche zumeist das
Volk gegen ihn aufgereizt hatten, zweiundfünfzig tödten, das
übrige Volk jedoch ungestraft und unversehrt nach Hause ziehen. Und
er schickte an Hludowich, den König
von Deutschland, der mit ihm in Friedensbündniß stand, erbat
sich von ihm einen Bischof und mehrere Presbyter und empfing die von diesem
übersandten mit schuldiger Ehrerbietung. Hludowich
aber schickte an seinen Bruder Karl und
bat zum Dienst für die Geistlichen bei dem Bruder um heilige Gefäße,
Gewänder und Bücher; und Karl erhielt
darauf von den Bischöfen seines Reichs von jenen Sachen eine große
Menge, um sie jenem Könige zuzusenden. Der König der Bulgaren
sandte seinen Sohn und mehrere von den Großen seines Reiches nach
Rom und überschickte dem heiligen Petrus die Waffen, die er getragen
hatte, als er im Namen Christi über seine Gegner siegte, nebst anderen
Geschenken; auch richtete er mehrere Fragen über die Glaubenssakramente
an den Papst Nikolaus und ging ihn an, Bischöfe und Presbyter
nach Bulgarien zu senden, was er auch erlangte. Hludowich
aber, der Kaiser von Italien, schickte, als er dies hörte,
an den Papst Nikolaus und befahl demselben, daß er ihm die
Waffen und andere Geschenke, welche der König der Bulgaren dem heiligen
Petrus gesandt hatte, zustellen solle. Einige von diesen Geschenken überschickte
der Papst durch Arsenius dem Kaiser nach in die Gegend von Benevent, wo
er sich aufhielt, wegen anderer ließ er seine Entschuldigungen machen.
Das Jahr 867.
Im Jahre des Herrn 867 am 9. Januar, starb Hludowich, Abt des Klosters des heiligen Dionysius und Enkel Karls des Großen von seiner ältesten Tochter Rohtrud, und König Karl behielt die Abtei für sich, indem er bestimmte, daß nach seinem Befehl die Angelegenheiten des Klosters und die Güterverwaltung durch den Probst, Decan und Schatzmeister geführt, die Besorgung aber des Heerwesens von dem Hausmeier übernommen würde. Um die Mitte der Fasten zog er über den Fluß Liger nach einem Dorf, Bellus-Pauliacus genannt; hierhin berief er alle Großen des aquitanischen Reichs und gab ihnen seinen Sohn Hludowich zum König von Aquitanien, indem er ihm die nöthige Dienerschaft von seinem Hofstaat zuwies. Von da zurückgekehrt, feierte er das Osterfest im Kloster des heiligen Dionysius. Als er sich von hier nach Mettis zu einer Unterredung mit seinem Bruder Hludowich, dem König von Deutschland, begab, traf er unterwegs am 21. Mai in der Pfalz zu Salmuntiacus, Egilo, den Erzbischof von Sens, der Briefe des Papstes Nikolaus bezüglich der Wiedereinsetzung der Geistlichen der Remenser Diöcese, nämlich Vulfads und seiner Genossen, überbrachte. Der Papst, eifrig besorgt, daß dieselben als wieder in ihre Würden eingesetzt gelten sollten, legte in diesen Briefen dem Hinkmar, Erzbischof von Remi, vieles auf, was offenbar nicht als wahr erschien. Auch brachte der oben genannte Erzbischof dem König Karl Briefe des Papstes an Hlothar und die Bischöfe seines Reichs über die Angelegenheit seiner Frauen, der Theotberga und Waldrada, worin er befahl, daß Waldrada nach Rom geschickt werden sollte; diese Briefe übergab Karl im Namen des Papstes dem Hlothar, der zu ihm nach der Pfalz Attiniacus kam. Von hier begab er sich zur Zusammenkunft mit seinem Bruder und traf sich auf dem Rückweg wieder mit Hlothar, der im Arduenner Wald verweilte. Karl aber erließ in seinem ganzen Reich ein Heeresaufgebot und berief die Reichsversammlung zum 1. August nach der Stadt Carnutum, um von da aus nach Brittannien gegen Salomon, den Herzog der Brittonen, zu ziehen. Inzwischen wurden Gesandte hin und wieder geschickt, und es kam unter der Bedingung der Abschluß eines Friedensvertrags zu Stande, daß gegen Geiseln, die Karl stellen würde, Paswithen, der Schwiegersohn Salomons, dessen Rath er am meisten folgt, um den Anfang des Monats August zu Karl nach Compendium kommen und das gelten solle, was daselbst von beiden Seiten festgesetzt und versprochen werden würde; das zum Heerdienst aufgebotene Volk solle inzwischen ruhig zu Hause bleiben, sich bereit haltend, daß es, wenn es nothwendig wäre und der König es befehle, zum 25. August zu Carnutum sich in Waffen sammeln könnte.
Hludowich, der König von Deutschland, schickte seinen Sohn Hludowich mit den Sachsen und Thoringern zu einem Feldzug gegen die Abodriten und befahl dem übrigen Volk im Reich sich bereit zu halten, um, wenn er es befehle, alsbald gerüstet zu Felde ziehen zu können.
Hlothar, Mißtrauen
gegen Karl schöpfend, als er von
der Zusammenkunft mit Hludowich zurückkehrte,
begab sich von der Stadt Mettis nach Frankonofurd, versöhnte sich
mit letzterem, der ihm vorher sehr feindlich gesinnt gewesen war, und gab
seinem Sohn von der Waldrada, Hugo,
das Herzogthum Elisatium; er empfahl ihn dem Hludowich
und übergab diesem sein übriges Reich, weil er, Waldrada
vorausschickend, nach Rom ziehen wolle. Von Frankonofurd zurückgekehrt,
bot er zum
Schutz des Landes im ganzen Reich ein Heer auf gegen
die Nortmannen, indem er glaubte, daß Rorich, den aus Fresien die
Einwohner, welche mit dem neuen Namen Cokinger genannt werden, vertrieben
hatten, unterstützt von seinen dänischen Landsleuten wiederkehren
würde.
König Karl, nachdem er Geiseln gestellt, empfing Paswithen, den Abgesandten Salomons am 1. August zu Compendium und übergab ihm als Stellvertreter Salomons die Grafschaft von Constantinum mit allen Hofgütern, königlichen Landsitzen und Abteien in dieser Grafschaft, sowie allem was dazu irgend gehörte, mit Ausnahme des Bisthums, und bestätigte dies Geschenk durch einen Eid seiner Großen, wogegen er auch von Seiten Salomons durch seinen obengenannten Stellvertreter den Eid der Treue, des Friedens und der Hülfeleistung gegen seine Feinde entgegennahm, in der Art, daß Salomon und sein Sohn zu dem, was sie seither besessen, auch dies Geschenk besitzen und Karl und seinem Sohn treuergeben bleiben sollten. Nach Erledigung dieser Angelegenheit berief Karl im Namen und Auftrag des Papstes Nikolaus eine Synode nach Trecä zum 25. October und beschloß zum Jagen und zum Verbringen der Herbstzeit in der Abtei des heiligen Vedastus und auf dem Hofgut Audriaca und in der Umgegend seinen Aufenthalt zu nehmen. Die Synode der Provinzen von Remi, Rotomagus, Turones, Senones, Burdegala und Bituricä kam am 25. October zu Trecä zusammen. Hier unternahmen einige Bischöfe, um der Gnade des Königs Karl willen, wie es zu geschehen pflegt, Vulfad begünstigend, wider die Wahrheit und die heilige Autorität der Canones gegen Hinkmar mehreres vorzubringen; Hinkmar aber trat ihren Wühlereien mit Beweisen der Vernunft und der Autorität entgegen, und nach der Ansicht der überwiegenden Mehrzahl der Anwesenden verfaßten die versammelten Bischöfe eine Darstellung der Thatsachen, um die es sich handelte, und übersandten das mit allgemeiner Zustimmung verfaßte Schreiben durch Actard, den ehrwürdigen Bischof von Namnete, an den Papst Nikolaus. Und der Inhalt dieses Briefes war derselbe, wie der in dem Schreiben Hinkmars, Bischofs von Remi, welches dieser durch einige seiner Cleriker, die, um den Nachstellungen der Gegner zu entgehen, Pilgergewand angenommen hatten, im verflossenen Monat Juli nach Rom gesendet hatte. Actard aber übernahm zur Beförderung das Schreiben, welches in der erwähnten Synode verfaßt und mit den Siegeln der daselbst versammelten Erzbischöfe versehen war, und kehrte in Begleitung einiger Bischöfe zu Karl, wie dieser befohlen hatte, zurück. Karl aber, uneingedenk der Treue und der Mühen, welche für seine Ehre und die Erhaltung seines Reichs der oben erwähnte Hinkmar viele Jahre bestanden hatte, forderte von Actard die Aushändigung jenes Schreibens, zerbrach die Siegel der Erzbischöfe und durchlas den Bericht der Synode. Und weil nicht, wie er gewollt hatte, Hinkmar auf dieser Synode widerlegt worden war, so ließ er in seinem Namen an Papst Nikolaus einen Brief gegen Hinkmar schreiben, den er mit seinem Namenszuge siegelte und mit dem Synodalschreiben ebenfalls durch Actard nach Rom sandte. Die oben erwähnten Cleriker Hinkmars aber kamen im Monat August nach Rom und trafen den Papst Nikolaus schon sehr leidend und von dem Streit gegen die Kaiser der Griechen, Michael und Basilius, sowie auch gegen die orientalischen Bischöfe sehr ergriffen; deshalb blieben sie bis zum Oktober in Rom. Papst Nikolaus aber, alles, was Hinkmar geschrieben hatte, freundlichaufnehmend, erwiderte ihm, daß er in allen Punkten zufriedengestellt sei; zugleich aber übersandte er ihm und den übrigen Erzbischöfen im Reiche Karls einen zweiten Brief, worin er ihnen Kenntniß gab von den Verleumdungen der genannten griechischen Kaiser sowie der orientalischen Bischöfe gegen die heilige römische Kirche, ja gegen die gesammte Kirche, welche der lateinischen Sprache sich bediene, darum weil wir am Sabbat fasten, weil wir sagen, daß der heilige Geist vom Vater und vom Sohne ausgehe, weil wir den Priestern verbieten, sich zu verheirathen, und weil wir auch den Priestern untersagen, die Stirn der Getauften mit dem Chrisma zu berühren; ferner sagen die Griechen, daß die Lateiner das Chrisma aus Flußwasser bereiten, und sie tadeln uns Lateiner, daß wir uns nicht wie sie, die acht Wochen vor Ostern des Fleisches und sieben Wochen des Genusses von Käse und Eiern enthalten. Ferner sagen sie, daß wir Ostern nach Sitte der Juden über dem Altar zugleich mit dem Leib des Herrn ein Lamm segnen und opfern; auch zürnen sie uns, weil bei uns die Geistlichen die Bärte abscheeren, und behaupten, daß bei uns ein Diakon, ohne die Priesterwürde erhalten zu haben, zum Bischof ordinirt werde. Ueber alle diese Dinge trug der Papst in den verschiedenen Provinzen den Metropolitanen nebst ihren Suffraganbischöfen auf, ihm zu schreiben, indem er am Ende seines Briefes Hinkmar in folgender Weise anredete: "Wenn Du, geliebter Bruder Hinkmar, diesen Brief gelesen haben wirst, so trage eifrigst Sorge, daß derselbe auch baldigst an die übrigen Erzbischöfe im Reiche unseres Sohnes, des glorreichsten Königs Karl, gelange, und unterlaß nicht sie anzutreiben, daß dieselben hierüber in ihren eigenen Diözesen mit ihren Suffraganen, in wessen Reich sie auch sein mögen, gehörig verhandeln und uns über ihre Beschlüsse berichten mögen, so daß Du von allen Aufträgen, welche unser gegenwärtiger Brief enthält, dort als ein eifriger Vollstrecker Dich zeigest und bei uns in keinem Schreiben als wahrer und kluger Berichterstatter erfunden werdest. Gegeben den 23. Oktober in der ersten Indiction."
Nachdem Hinkmar diesen Brief am 13. Dezember in der ersten Indiction erhalten hatte, theilte er ihn in der Pfalz Corbonacus dem König Karl und vielen Bischöfen mit, und sorgte, wie er den Auftrag erhalten hatte, für Beförderung desselben an die anderen Erzbischöfe. Papst Nikolaus verschied am 13. November und Papst Adrian folgte ihm nach der Wahl der Geistlichkeit und mit Zustimmung des Kaisers Hludowich im Pontificat. Diesen fand Actard bereits auf dem apostolischen Stuhle eingesetzt, als er mit den oben erwähnten Briefen nach Rom kam. Arsenius aber, ein Mensch von großer Schlauheit und unmäßiger Geldgier, Teutgaud und Gunthar durch falsche Hoffnungen über ihre Wiedereinsetzung verlockend, um von ihnen Geldgeschenke zu erhalten, bewog dieselben nach Rom zu kommen; während sie hier längere Zeit verweilten, verloren sie fast alle die Ihrigen; schließlich starb auch Teutgaud daselbst, und Gunthar entging nur mit Mühe dem leiblichen Tod.
Hlothar schickte seine Gemahlin Theutberga nach Rom, um sich hier selbst anzuklagen, damit es ihm möglich werden könnte, von ihr geschieden zu werden. Papst Adrian aber und die Römer schenkten diesen Fabeln keinen Glauben, und sie erhielt den Befehl, zu ihrem Gemahl zurückzukehren.
Karl befahl, mit Zustimmung
seines Bruders Hludowich, einer Anzahl
von Bischöfen, sich zum künftigen ersten Februar in Autisiodorum
zu versammeln, um über die Angelegenheit Hlothars
einiges zu verhandeln. Karl aber,
von Acfrid, der schon die Abtei des heiligen Hilarius nebst vielen andern
bedeutenden Beneficien besaß, wie einige behaupteten, durch bedeutende
Geldgeschenke gewonnen, nahm die Grafschaft Bituricum dem Graf Gerard in
seiner Abwesenheit und ohne den mindesten Grund eines Vergehens, und gab
sie dem genannten Acfrid. Dieser Acfrid aber vermochte die Grafschaft dem
Gerard nicht zu entreißen; deshalb zog Karl
über die Stadt Remi nach Trecä und kam von hier nach Autisiodorum,
wo er das Geburtsfest des Herrn feierte.
Das Jahr 869.
"Im Jahre der Geburt des Herrn 869, in der zweiten Indiction,
am 9. September, in der Stadt Mettis, in der Kirche des heiligen Märtyrers
Stephanus verkündete Adventius, der Bischof dieser Stadt, die folgenden
Kapitel vor dem Könige und den anwesenden Bischöfen öffentlich
dem Volk durch Schrift und Wort:
"Ihr wißt und vielen in den meisten Ländern
ist kund, wie große und wie schwere Ereignisse wir zur Zeit unseres
Herrn, den wir bis jetzt gehabt, aus wohlbekannten Ursachen gemeinsam ertragen
haben, und mit welchem Schmerz und welcher Sorge kürzlich unsere Herzen
durch den unglücklichen Tod desselben erfüllt worden sind. In
dieser Lage, unseres Königs und Fürsten beraubt und verwaist,
haben wir für uns alle den einzigen Trost und den einzig heilbringenden
Rath darin gesehen, daß wir uns mit Fasten und Gebeten an den wandten,
der ein Helfer ist in schweren Zeiten, in der Bedrängniß, der
immer Rath hat und dessen das Reich ist, er, von dem geschrieben ist: Wem
er es geben will, dem wird er es geben, und in dessen Hand die Herzen der
Könige stehen und der sie einmüthig im Hause wohnen läßt,
indem er die trennende Mauer wegnimmt und aus zweien eines macht; und wir
haben seine Barmherzigkeit angerufen, daß er uns einen König
und Fürsten nach seinem Herzen gäbe, der uns nach Recht und Gesetz
in jedem Stand und Beruf regiere, bewahre und vertheidige nach seinem Willen,
und daß er unserer aller Herzen einmüthig zu dem hinwende und
auf den vereine, welchen er selbst zu unserem Heil und Gedeihen vor aller
Zeit erkannt, erwählt und vorher bestimmt hat nach seiner Barmherzigkeit.
Und weil wir den Willen Gottes, welcher den Willen derer macht, die ihn
fürchten, und die Gebete derselben erhört, in Einigkeit und Einmüthigkeit
darin erkennen, daß dieser der gesetzliche Erbe des Reichs sei, dem
wir uns freiwillig übergeben haben, nämlich unser hier anwesender
König und Fürst Karl, auf
daß er uns vorstehe zu unserm Nutz und Frommen: so erscheint uns
gut, wenn es Euch gefällt, daß, wie wir Euch später seine
Worte mittheilen werden, nur unsern Theils durch ein sicherstes Zeichen
darthun, daß wir denselben als den von Gott erwählten und uns
verliehenen Fürsten erachten. Und damit wir nicht undankbar gegen
Gott, den Spender solcher Wohlthaten sind, wollen wir uns mit Dankgebeten
zu ihm wenden und ihn anflehen, daß er uns jenen zum Heil und Schutz
seiner heiligen Kirche und zur Hülfe und zum Gedeihen für uns
alle, lange Zeit in Wohlsein, Friede und Ruhe erhalten und uns, indem wir
demselben in treuer Ergebenheit gehorchen und des erwünschten Wohlseins
uns erfreuen, unter jenes Regierung in seinem Dienst führen wolle.
Und wenn es jenem gefällt, erachten wir es seiner würdig und
für uns nothwendig, daß wir aus seinem eignen Munde das vernehmen,
was von seinem christlichen Könige dem treuen und in seinem Dienst
einmüthigen Volk, jedem in seinem Stand, zu hören und mit hingebendem
Gemüthe aufzunehmen zukommt."
Hierauf wandte sich der König Karl an die ganze in der Kirche anwesende Versammlung und theilte ihnen seinerseits Folgendes mit:
"Da ich, wie jene ehrwürdigen Bischöfe es durch den Mund eines von ihnen ausgesprochen und mit sicheren Zeugnissen aus Eurem einmüthigen Willen bewiesen haben, und Ihr dem beigestimmt habt, nach der Wahl Gottes zu Eurer Vertheidigung und Eurem Schutz Euch zu regieren und zu lenken gekommen bin, so wisset, daß ich die Ehre und den Dienst Gottes und der heiligen Kirchen mit Gottes Hülfe aufrecht erhalten und einen jeden von Euch der Würde seines Standes und seiner Person gemäß nach bestem Wissen und Vermögen ehren und schützen, und geehrt und geschützt wissen will, und daß ich einem jeden in seinem Stande nach den ihm zustehenden Gesetzen, geistlichenwie weltlichen, Gesetz und Gerechtigkeit bewahren will, je nach dem auch mir königliche Ehre und Gewalt und schuldiger Gehorsam, sowie der nöthige Beistand, um das mir von Gott gegebene Reich zusammenzuhalten und zu vertheidigen, von einem jeden von Euch nach seinem Stand, nach seiner Würde und nach seinen Kräften gewährt wird, so wie Eure Vorfahren getreulich, recht und geziemlich meinen Vorgängern gewährt haben."
Nach diesem las Hinkmar, der Bischof von Remi, auf Wunsch
und Verlangen des Adventius, Bischofs der genannten Stadt, und der übrigen
Bischöfe des Trierer Sprengels, nämlich Hattos, Bischof der Viridunenser
Kirche, Arnulf, Bischof der Stadt Tullum, mit Zustimmung der Bischöfe
des Remenser Sprengels, vor den andern Bischöfen und dem Könige
und allen, welche in der Kirche versammelt waren, öffentlich folgende
Kapitel vor:
"Damit es niemand für unziemlich und anmaßlich
von mir und den ehrwürdigen Mitbischöfen unseres Sprengels gethan
erachte, daß wir uns in die Regelung und in die Verhältnisse
einer andern Provinz einmischen, so möge man wissen, daß wir
hierin nicht gegen die heiligen Canones handeln, weil die Kirchen von Remi
und Treviri in diesem belgischen Lande mit den ihnen zugewiesenen Kirchen
als Schwestern und Comprovinzialen gelten, wie die kirchliche Autorität
und die Sitte seit ältesten Zeiten beweisen, und daß sie deswegen
mit allgemeiner Zustimmung sowohl die Synodalgerichte abhalten als gemeinsam
das behüten sollen, was von den heiligen Vätern festgesetzt worden,
unter Beobachtung des Privilegs, daß wer von den Bischöfen von
Remi und Treviri zuerst ordinirt worden, auch den Vorrang haben soll. Und
das von Gott eingegebene Gesetz schreibt vor: "Wenn Du in die Saat Deines
Nächsten gehst, so magst Du mit der Hand Aehren abrupfen, um sie zu
essen, aber mit der Sichel sollst Du nicht darinnen hin- und herfahren."
Die Saat nun ist das Volk, wie der Herr im Evangelium zeigt, indem er sagt:
"Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter. Darum bittet
den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende." Darum
müßt Ihr für uns, Eure Bischöfe beten, daß wir
Würdiges zu Euch reden können. Die Ernte des Nächsten aber
ist das Volk in der, einem andern Metropoliten anvertrauten Provinz; und
so können und sollen wir durch Ermahnung, indem wir so zu sagen, die
Hände zur Arbeit reiben, Euch nach Gottes Willen und zu Eurem Heil
zur Gemeinschaft der einigen Kirche führen; gegen die Angehörigen
aber von Provinzen, die andern Metropoliten übertragen sind, führen
wir nicht die Sichel des Gerichts, weil wir dazu weder Recht noch Verpflichtung
zu haben glauben. Es liegt aber noch der andere Grund vor, daß diese
ehrwürdigen Herren, unsere Brüder, die Bischöfe dieser Provinz,
weil sie keinen Metropolitan-Bischof besitzen, unsere geringe Person in
brüderlicher Liebe aufgefordert und ermahnt haben, daß wir in
ihren Angelegenheiten ebenso wie in unseren eigenen und besonderen handeln
sollen. Ist es nicht so, meine Herren Brüder?" Und die Bischöfe
erwiderten:
"Es ist so."
"Abgesehen von dem, was unser Bruder, der Herr Bischof
Adventius, in seinem Namen und in den Namen seiner, sowie unserer Brüder,
der ehrwürdigen Bischöfe, Euch gesagt hat, könnt Ihr auch
noch aus einem andern Umstande ersehen, wie es Gottes Wille ist, daß
unser gegenwärtiger Herr König, welcher in dem Reich, welches
er bisher besitzt und besessen,sowohl uns und unseren Kirchen als dem ihm
anvertrauten Volk mit Nutzen vorsteht und vorgestanden hat, und dafür
mit Erfolg wirkt und gewirkt hat, von da an diesen Ort unter Gottes Führung
gekommen ist, wo auch Ihr zusammengeströmt seid und Euch ihm freiwillig
übergeben habt auf Gottes Antrieb, wie auf seine Anweisung alles Lebendige
in der Arche Noa, welche die Einheit der Kirche darstellt, ohne irgend
welchen Zwang zusammenkam. Unseres König
Karls Vater nämlich, seligen Andenkens, Herr
Hludowich, der fromme und erhabene Kaiser aus dem Geschlecht
Hludowichs, des berühmten Königs
der Franken, der durch die katholische Predigt des seligen Remigius, des
Apostels der Franken, mit seinem ganzen Volk bekehrt, zusammen mit drei
tausend Franken, ungerechnet die Kinder und Weiber, an der Vigilie vor
dem heiligen Osterfeste in der Metropole Remi getauft und mit dem vom Himmel
entnommenen Oel, wovon wir noch besitzen, gesalbt und zum König geweiht
wurde, er, ein Abkömmling des seligen Arnulf, von welchem der genannte
fromme Kaiser Hludowich seinen leiblichen
Ursprung herleitete, wurde von Stephan, dem römischen Papst,
vor dem Altar der Mutter Gottes und ewigen Jungfrau Maria zu Remi zum Kaiser
gekrönt und späterhin, nachdem er durch einiger Anstiften der
irdischen Herrschaft entsetzt worden war, nach dem einstimmigen Willen
der Bischöfe und des getreuen Volks vor dem Grabe des heiligen Dionysius,
des erlauchten Märtyrers, der heiligen Kirche wiedergegeben und in
diesem Gebäude vor dem Altar des Erzmärtyrers Stephan, dessen
Name übersetzt der "Gekrönte" heißt, durch die Priester
des Herrn unter dem zustimmenden Ruf des getreuen Volks, wie wir, die wir
anwesend waren, es gesehen, ihm mit der königlichen Krone das Reich
wieder übertragen. Und weil, wie wir in den heiligen Geschichten lesen,
die Könige, wenn sie Reiche erlangten, sich die Krone der einzelnen
Reiche aufsetzten, so erscheint es den ehrwürdigen Bischöfen
nicht unpassend,
wenn es der anwesenden Versammlung gefällt, daß
König Karl zum Zeichen der Besitzergreifung
dieses Reiches, aus dem Ihr aus freien Stücken zu ihm gekommen seid
und Euch ihm übergeben habt, durch Priesterhand vor diesem Altar gekrönt
und mit der heiligen Salbung Gott geweiht werde. Wenn Euch dies genehm
ist, so erhebt einmüthig Eure Stimmen." Und da alle dem mit ihrem
Ruf zustimmten, sprach der Bischof: "Lasset uns nun einmüthig dem
Herrn Dank sagen, indem wir singen: Herr Gott Dich loben wir."
Hiernach wurde nun der König von den Bischöfen unter priesterlichem Segen gekrönt, worauf er nach Florikingä ging und daselbst alle ihm nöthig scheinenden Anordnungen traf. Von hier begab er sich nach dem Arduennawald, um der Herbstjagd obzuliegen. Hludowich aber, sein Bruder, suchte unter gewissen Bedingungen den Frieden mit den Winidern zu Stande zu bringen, zu dessen Bestätigumg er seine Söhne mit den Markgrafen jenes Gebiets entsendet hatte, während er selbst krank in der Stadt Ragenisburg zurückblieb. Und er schickte seine Gesandten an Karl mit einer Botschaft bezüglich der Bündnisse, welche zwischen ihnen geschlossen worden waren, und bezüglich der Theilung des Reichs des verstorbenen Hlothar, worauf Karl ihm die geeignete Erwiederung zugehen ließ.
Inzwischen hatte Basilius, den Michael, der griechische Kaiser, sich zum Mitregenten erwählt, eben diesen Michael hinterlistig umgebracht, und selbst den kaiserlichen Thron bestiegen. Dieser sandte seinen Patricier mit 400 Schiffen nach Barra, um Hludowich gegen die Sarracenen Hülfe zu leisten, sowie um die dem Basilius verlobte Tochter Hludowichs von diesem in Empfang zu nehmen und ihm zur Feier der Vermählung zuzuführen. Hludowich aber, durch inzwischen eingetretene Umstände umgestimmt, war nicht mehr geneigt, seine Tochter dem Patricier zu übergeben, worauf dieser, sehr aufgebracht, nach Korinth zurückkehrte. Als aber Hludowich, von der Belagerung der Sarracenen abstehend, ans dem Beneventanischen Gebiet fortzog, machten die Sarracenen aus der Stadt Barra einen Ausfall, und das Heer im Rücken verfolgend, raubten sie demselben mehr als zweitausend Pferde und theilten sich mit diesen Pferden in zwei Haufen, welche nach der Kirche des heiligen Michahel auf den Berg Garganus zogen, die Geistlichen dieser Kirche, sowie viele andere, welche dorthin gekommen waren, um ihr Gebet zu verrichten, plünderten und dann mit reicher Beute heimkehrten. Diese That beunruhigte sehr den Kaiser und den Papst, sowie auch die Römer.
Hludowich, der Sohn Hludowichs, des Königs von Deutschland, lieferte mit den Sachsen den Winidern, welche in den Gegenden der Sachsen wohnen, eine Schlacht; und unter großem Verlust von Menschen auf beiden Seiten trug er den Sieg davon und kehrte dann zurück.
Rotland, Erzbischof von Arelate, welcher die Abtei des
heiligen Cäsarius von Kaiser Hludowich
und Engelberga, nicht mit leerer Hand,
erlangt hatte, ließ auf der überaus reichen Insel Camaria, wo
die meisten Besitzthümer jener Abtei liegen, wo aber auch die Sarracenen
einen Hafenplatz zu haben pflegten, in größter Eile ein Castell
nur aus Erde aufbauen, und zog sich, als er von der Ankunft der Sarracenen
hörte, sehr unbedacht in dasselbe zurück. Die Sarracenen aber
landeten bei dem Castell und nachdem mehr als dreihundert von den Seinigen
getödtet worden, wurde er von den Sarracenen gefangen genommen, zu
ihren Schiffen gebracht, und gefesselt. Und während 150 Pfund Silber,
150 Mäntel, 150 Schwerter und 150 Sklaven, das nicht gerechnet, was
während der Verhandlung gegeben wurde, zur Auslösung desselben
bewilligt wurden, starb der Bischof inzwischen auf dem Schiff am 19. September.
Die Sarracenen aber drängten klüglich wegen der Auslösung,
wenn man den Bischof wieder bekommen wolle, indem sie sich stellten, als
ob sie an diesem Orte nicht länger verweilen könnten, und die
Auslösenden erklärten darauf, sie würden sich beeilen, die
Auslösung für ihn zu zahlen; was auch geschah. Und nachdem die
Sarracenen die ganze Auslösung in Empfang genommen, setzten sie den
Bischof, mit den Priestergewändern, in welchen er gefangen genommen
worden war, bekleidet, auf einen Stuhl und trugen ihn wie zur Ehrenbezeugung
vom Schiffe aufs Land. Da nun aber die Auslösenden mit ihm sprechen
und ihn beglückwünschen wollten, fanden sie, daß er todt
war; und in größter Trauer trugen sie ihn fort und begruben
ihn am 22. September in dem Grabe, welches er sich
selbst hatte bereiten lassen.