Während Rugger
III. die bilsteinische Restgrafschaft in der Germaramark,
hat seine (wohl ältere) Schwester, der wir uns nun zuwenden, die Hersfelder
Vogtei und die außerhalb der Germaramark liegenden Allodialgüter
Ruggers
II. geerbt. Allem Anschein nach war sie am 10. Juli 1096 noch unvermählt,
da andernfalls nicht ihr Verwandter Graf
Erf, sondern ihr Ehemann Graf Giso IV. (von Gudensberg)
für sie gehandelt haben würde. Andererseits muß ihre Ehe
vor dem 24. August 1099 geschlossen sein; denn an diesem Tage verfügte
Abt Friedrich von Hersfeld bereits per manum advocati sui Gisonis
(durch die Hand seines Vogtes Giso). Der Gudensberger Graf war
also zu diesem Zeitpunkt in den seiner Frau zugefallenen Teil der bilsteinischen
Erbschaft eingerückt. Er starb am 12. März 1122. An diesem Tage
wurde nach dem Calendarioum des Fritzlarer Petersstiftes sein Seelgedächtnis
begangen: Eodem die comes Giso, contulit territorium in Rorenvort
(An
demselben Tage Graf Giso; übertrug Gebiet in Röhrenfurt
(nordlich Melsungen). Nach dem Tode Gisos fiel der Hauptteil seines
Erbes wiederum nach der Spindelseite: seine Tochter Hedwig
und deren Gatten
Graf
Ludwig von Thüringen, den späteren Landgrafen Ludwig
I.
Die Urkunde ist von Erzbischof Arnold I. von Köln
ausgestellt, der zwischen dem 4. und dem 14. Februar 1138 den erzbischöflichen
Stuhl bestieg, und beurkundet eine Erklärung des Grafen Ludwig
von Thüringen, der am 12. Januar 1140 starb unnd gewiß nicht
in seinen letzten Lebenstagen am Rhein gewesen sein wird. Arnold I. von
Köln bekundet, daß comitissa quedam Cunigunda nomine de
Bilistein, que fuerat uxor Ginosis comitis (eine gewisse
Gräfin
namens Kunigunde von Bilstein, die die Gattin des Grafen Giso
war, zu Lebzeiten Erzbischof Friedrichs I. von Köln (11.11.1100-25.10.1131)
der Abtei Siegburg, in der sie begraben sein wolle, ein Gut bei Braubach
(predium apud Brubach) geschenkt habe. Aber weil deren Erben nicht
anwesend waren, verschoben die Ministerialen die Vollziehung der Schenkung
an den Altar bis zu deren Ankunft. Später kam Herr Ludwig Graf
von Thüringen mit seiner Gattin [Hedwig], der Tochter der
vorgenannten Kunigunde, und trug dem Altar St. Michaels das Gut
bei Braubach auf, das ebendieser vorgenannten Kunigunde gehört
hatte. Die Formulierung "Kunigunde von Bilstein, die die Gattin
des Grafen Giso war" könnte dahin mißverstanden werden,
daß Kunigunde die Seelstiftung zu Lebzeiten ihres Gatten gemacht
hätte und von diesem überlebt worden sei. Aber in diesem Falle
hätte ja Giso selbst die Schenkungsurkunde ausstellen müssen,
und er wäre der Erbe gewesen, dem die Vollziehung obgelegen hätte.
Kunigunde hat ihren Mann nicht nur überlebt,
sondern sie hat sogar nach seinem Tode eine zweite Ehe geschlossen, nämlich
mit Graf
Heinrich Raspe I. von Thüringen (dem jüngeren Bruder
ihres Schwiegersohns Graf Ludwig I. von Thüringen), wie uns
die Gosecker Chronik berichtet: Heinrich (Raspe), der der
jüngere (der Brüder) war, erhielt die Vogtei über die Kirche
Goseck). Er führte auch Hedwig, des Grafen Giso Witwe,
der Bruder (Ludwig) dagegen (führte) die Tochter gleichen Namens
als Gattin heim. Da Gisos Witwe nicht Hedwig, sondern
Kunigunde
hieß, hat man die Nachricht teils überhaupt bezweifelt, teils
sich auf den Ausweg zurückzuziehen versucht, Kunigunde
(die
Mutter der späteren Landgräfin) sei die erste Frau Gisos,
Hedwig
aber die zweite Frau Gisos (und also die Stiefmutter der späteren
Landgräfin) gewesen. Das ist eine haltlose Spekulation.
Es muß daher angenommen werden, daß Kunigunde
die Seelgerätstiftung kurz vor ihrem Tod erst machte, nachdem sie
durch die Ermordung Heinrich Raspes im Jahre 1130 zum zweiten Mal
Witwe geworden war. Erzbischof Friedrich I. von Köln, zu dessen Amtszeiten
die Stiftung erfolgte, ist, wie bereits erwähnt, am 25. Oktober 1131
gestorben. Dadurch wird sie einwandfrei auf 1130/31 datiert.
Daß Kunigunde in der Urkunde von 1138/39
lediglich als ehemalige Gattin Gisos, nicht aber als Witwe Heinrich
Raspes bezeichnet wird, hat nichts Auffälliges: Gräfin
Hedwig, für die ihr Gatte und Ehevogt Graf Ludwig handelte,
war eine Tochter Kunigundens und Gisos, nicht eine solche
Heinrich Raspes. Der Gosecker Chronist kann sich ohne weiteres über
den Vornamen von Heinrich Raspes Frau geirrt haben, zumal es sich
um eine Verwechslung mit dem seiner Schwägerin und Stieftochter handelte.
Eine völlig unabhängige Nachricht stellt sicher,
daß Heinrich Raspe tatsächlich mit Kunigunde verheiratet
gewesen ist. Der Annalista Saxo meldet seinen Tod zum Jahre 1130 in der
Fassung: Heinrich Raspe, der Bruder Graf Ludwigs von Thüringen,
Bannerträger des Königs. In den Annales Magdeburgenses heißt
er im gleichen Zusammenhang: Heinrich Graf und Bannerträger
des Königs. Dieses Amt des königlichen Bannerträgers kann
ihm, wie wir gleich sehen werden, nur durch die Ehe mit Kunigunde von
Bilstein, nicht durch eine Ehe mit einer fiktiven Hedwig, angeblich
Tochter des Grafen Meginfrid [7
Prinz Isenburg, Stammtafeln I, ²
1953/60, Tafel 44.] von Felsberg [8
May, a.a.O. Seite 315f. Anm.
7 (mit der Richtigstellung, daß
Heinrich Raspes Ehe nicht
am 12. März 1122, sondern nach diesem Datum, dem Todestag Gisos,
geschlossen ist).] vermittelt worden sein.
Da Kunigundens zweite Ehe kinderlos geblieben
war, wurde sie von ihrer mit Graf Ludwig I. von Thüringen
verheirateten Tochter Hedwig und von ihrem (offenbar noch nicht
mündigen) Sohne Giso V. von Gudensberg beerbt. Die Identität
des Letzeren ist allerdings von Landau [9 Hessische Ritterburgen
IV, 1839, Seite 190ff.; Beschreibung des Hessengaues, ²1866, Seite
41f.] bestritten worden; es handele sich nicht um einen Sohn Gisos IV.,
sondern um einen gleichnamigen Untergrafen, der in der Tat schon in einer
Urkunde Erzbischof Ruthards von Mainz für Fritzlar aus dem Jahre 1109
erscheint: Zeugen ... die (edel)freien Männer Giso Graf, Giso
Untergraf, Adalbert von Schauenburg und sein Bruder ... Einige der
bislang für den Sohn Gisos IV. in Anspruch genommenen Belege
könnten sich auf diesen Untergrafen, der wohl einn Seitenverwandter
Gisos
war, beziehen, insbesondere die Hersfelder Urkunde von 1106, in der eine
Tradition im Jahre der Fleichwerdung des Herrn 1106 unter der Regierung
Herrn HEINRICHS
IV., Kaisers, und zu Zeiten des verehrungswürdigen
Abtes Reginhard, als Giso der jüngere die Vogtei von Hersfeld
verwaltete,
verbrieft ist; denn auch vorher und nachher amtierte in Hersfeld ein Untervogt
edelfreien Standes. Wenn dagegen eine Hasunger Urkunde von 1122 ausgestelllt
ist, als (Graf) Ludwig Vogt, Giso zweiter Vogt war,
und wenn eben dieser Giso weiterhin stets als
Vogt (advocatus)
von Hasungen bezeichnet wird, neben dem ein Untervogt stand, so kann
es sich doch wohl nur um die gemeinschaftliche Ausübung der Vogtei
durch die beiden Schwäger Ludwig und
Giso handeln. Jeder
Zweifel sollte schwinden, wenn in der Zeugenreihe einer Urkunde Erzbischof
Adalberts I. von Mainz von 1135 Graf Giso von Gudensberg erscheint,
und ebenso eindeutig ist die vom Annalista Saxo überlieferte Todesnachricht
zum Jahre 1137: Bei Praeneste (ostw. Rom) schied aus dem Leben und wurde
begraben Giso Graf von Hessen. Als
Giso IV. von Gudensberg am
12. März 1122 starb, fiel also nur ein Teil seines Erbes an seine
mit Graf Ludwig I. von Thüringen verheiratete Tochter Hedwig.
Der andere Teil dagegen, insbesondere die Hessische Grafschaft Gudensberg
fiel an seinen unmündigen Sohn Giso V. und diente zunächst
als Wittum Kunigundes, deren zweiter Mann,
Graf Heinrich Raspe
I., es kraft ehelicher Vormundschaft bis zu seinem Tode im Jahre 1130
verwaltete. Es ist bezeichnend, daß Giso V. alsbald nach dem
Tode des Vaters im Mitbesitz der Vogtei Hasungen erscheint, daß
er jedoch erst 1135 (nach dem Tode Heinrich Raspes) als Graf
von Gudensberg bzw. als Graf von Hessen auftritt.
Ob Giso V. - wie höchstwahrscheinlich sein
Vater Giso IV. von 1121 bis 1122 und nachweislich sein Stiefvater
Heinrich
Raspe von ca. 1123-1130 - königlicher Bannerträger
gewesen ist und den Kaiser
LOTHAR auf dessen letztem Italien-Zug in ebendieser Eigenschaft
begleitet, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Man wird es
aber angesichts der Erblichkeit des Amtes für wahrscheinlich halten
dürfen.
Ein unmittelbarer Zusammenhang dürfte zwischen dem
Tod Gisos V. im Jahre 1137 und der Vollziehung der 1130/31 gemachten
Seelstiftung seiner Mutter Kunigunde im Jahre 1138/39 bestehen.
Nunmehr war das gesamte gisonisch-bilsteinische Erbe in der
Hand seiner Schwester Hedwig und ihres Gatten Ludwig I. vereinigt;
es gab keinen Vorwand mehr, die Erfüllung der Auflagen noch länger
hinauszuzögern.
Graf Giso IV. von Gudensberg wurde erst durch
seine Verheiratung mit Kunigunde von Bilstein zum Dienstherrn der
bilsteinischen
Ministerialen
wie zum Vogt von Hersfeld und von St. Florin in Koblenz.
Damit ist aber die zentrale Rolle, die die BILSTEINER
und insbesondere Kunigunde für die thüringisch-hessische
Geschichte gespielt haben, noch nicht erschöpft. Der außerordentliche
Machtzuwachs, den die thüringischen LUDOWINGERdirekt
oder indirekt durch die Verehelichung des späteren Landgrafen Ludwig
I. mit Kunigundens Tochter Hedwig (und die kinderlose
Ehe Kunigundens selbst mit Ludwigs Bruder Heinrich Raspe)
erzielten, beruht bekanntlich darauf, daß die Thüringer Grafen
mit einem Schlage ein dreifaches Erbe gewannen:
a) den genuin gisonischen Besitz nördlich
Marburg mit der Stiftsvogtei Wetter
b) den Erbanteil Kunigundes am bilsteinischen
Besitz südlich Marburg und die Vogtei über
Hersfeld
c) den gesamten hessischen Besitz der 1121 ausgestorbenen
und von Giso und Kunigunde beerbten
Grafen Werner, insbesondere
die Hessische Grafschaft Maden-Gudensberg mit den Vogteien
Fritzlar, Hasungen und Breitenau
(um nur das wichtigste zu nennen).
Völlig ungeklärt ist trotz vielfacher Erörterung
die Frage, wieso denn eigentlich Giso IV. das Erbe des am 22. Februar
1121 kinderlos gestorbenen Grafen
Werner IV. angetreten hat. Alle Versuche, die GISONEN agnatisch
oder kognatisch mit den Grafen Werner in Verbindung zu setzen, sind
gescheitert. Die richtige Lösung wurde verfehlt, weil niemand auf
den Gedanken gekommen ist, daß nicht Giso selbst, sondern
seine Frau Kunigunde die Erbin gewesen sein könnte (begreiflich
genug, solange ihre Zugehörigkeit zu den
BILSTEINERN der Germaramark
nicht erkannt war).
Zwischen den Grafen Werner und den BILSTEINERN
bestehen nicht weniger als drei Beziehungen von durchschlagender Beweiskraft:
1. Die von der Stengel-Schule so genannte Ohm-Lahn-Grafschaft
befand sich 1062 (Weilburg) und
1065 (Großlinden südwestlich
Gießen und Homberg an der Ohm) wenigstens zum Teil in des
Händen des 1066 zu Ingelheim
erschlagenen Grafen
Werner III. [der 1061 auch über die
Grafschaft Maden-Gudensberg, insbesondere
den Raum von Rotenburg, Spangenberg, Melsungen,
Fritzlar, Homberg an der Efze gebot].
Nach dem Tode Werners III. erhielten die GLEIBERGER
die südliche Hälfte der
Ohm-Lahn-Grafschaft; die nördliche Hälfte jedoch finden wir als
Grafschaft
Ruchesloh in den Händen der BILSTEINER
[während die Grafschaft Maden-Gudensberg und der
schwäbische Besitz der Grafen
Werner an Werners III. Sohn Werner IV. (von Grüningen)
fielen.]
2. Werner IV. schenkte zwischen 1111 und 1121
an Erzbischof Adalbert I. von Mainz: die Burgen
Holzhausen und Alstadt
und halb Braubach, die Abtei Breitenau samt allen Gütern, die er
zwischen Rhein, Main und Werra hatte,
mit Ministerialen und Hörigen. Die hessischen Experten
Landau und Gustav Schenk zu Schweinsberg
waren sich darüber einig, daß "Braubach zweifellos
der Ort am Rhein ist", und auch Reimer
hat es nicht in Hessen gesucht. Die gegenteilige Meinung
von Stimming, daß es sich um
die erstmalig im Jahre 1466 erwähnte Wüstung gleichen Namens
im
Amte Spangenberg (zwischen Elbersdorf
uund Kirchhof) handele, ist nicht ernstzunehmen. Was in
aller Welt hätte den Mainzer
Erzbischof veranlassen sollen, als wichtigste Stücke des ihm
übereigneten bzw. zu Lehn aufgetragenen
wernerschen Besitzes "zwischen Rhein, Main und
Werra" neben der Abtei Breitenau und
zwei Burgen ausgerechnet ein halbes kleines Dörfchen
aufzuführen, das weder eine Burg
noch ein Verwaltungsmittelpunkt, noch ein Erzpriestersitz war,
ja nicht einmal einen Pfarrsprengel
bildete! Es bleibt in der Tat nur Braubach am Rhein, und dann
ist es von höchstem Interesse,
daß 1138/39 Ludwig [I.] von Thüringen für
Gräfin Kunigunde, die
Mutter seiner Gattin [Hedwig]
ein Gut in Braubach an die Abtei Siegburg tradierte, wie ja bereits
eingehend besprochen. Es muß
entweder mit der anderen Hälfte von Braubach identisch sein oder
doch zu ihr gehört haben,
beweist also, daß auch hier eine Erbteilung zwischen den Grafen
Werner und den BILSTEINERN
erfolgt ist.
3. Es wurde bereits darauf hingeweisen, daß Graf
Heinrich Raspe, der zweite Mann der Kunigunde
von Bilstein, bis zu seinem
gewaltsamen Tode im Jahre 1130 Bannerträger des Königs (signifer
regis) war und daß ihm
in diesem Amte höchstwahrscheinlich Kunigundens erstehelicher
Sohn
Giso V. von Gudensberg (+
1137) gefolgt ist [47 Vgl. oben Seite 75 und Seite 77.]. Das
Amt des
königlichen Bannerträgers
war bei den Grafen Werner erblich. Werner
I. fiel als primericus et
signifer regis am 22. August
1040 im Böhmenkriege HEINRICHS
III. [48
May,
Stengel-Festschrift, 1952, Seite 304
mit Anm. 4.]. Werner
II. fand als Bannerträger am 18. Juni
1053 bei Civitate im Kampf gegen die
Normannen den Tod [49 May, ebenda Seite 305. Wichtige
Ergänzungen bei Paul Kläui,
Die schwäbische Herkunft der Grafen Werner (ZHG LXIX, 1958,
Seite 12), und Hochmittelalterlliche
Adelsherrschaften im Zürichgau (Mitteilungen der antiquar.
Gesellschaft in Zürich XL, 2,
1960, Seite 39f.]. Werner III. genoß bis zu seinem allzufrühen
Tode
im Jahre 1066 das besondere Vertrauen
König
HEINRICHS IV. [50
Lamperti Opera, Seite 88f.,
92f.;101; Jahrbücher des Lambert
von Hersfeld, Seite 62,65f.,76.], ist also ohne Zweifel auch in das
Bannerträgeramt eingerückt
[51 May, a.a.O. Seite 310ff.]. Daß ihm sein Sohn Werner
IV.,
nachdem er mündig geworden, darin
gefolgt ist, wird man annehmen dürfen [auch wenn man mit
Gustav Schenk zu Schweinsberg) aus
dem Necrologium Zwifaltense schließt, daß er sich nicht nach
Markgrönningen, sondern nach
Grüningen im Oberamt Riedlungen genannt hat. Immerhin muß
erwähnt werden, daß Lampert
von Hersfeld zum Jahre 1070 Rugger
II. von Bilstein als Urheber
und Bannerträger der Flucht bezeichnet,
was eine spöttische Anspielung auf dessen übel erfüllte
Funktion als signifer regis sein
könnte. Aber Lampert verwendete analoge Floskeln auch an
anderen Stellen seines Werkes, so
daß sich einn zeitweises Amtieren Ruggers II. in Vertretung
des
unmündigen Werner IV. nicht
beweisen läßt.
Kann nach alledem nicht bezweifelt werden, daß
die Grafen Werner und die BILSTEINER einander beerbt haben,
sowird man doch nicht übersehen dürfen, daß es sich um
zwei verschieden Erbfälle handelt, die gewiß letztlich auf ein
und dieselbe verwandtschaftliche Beziehung zurückgehen werden, aber
doch verschiedene Anlässe hatten. Der ältere Erbfall trat im
Laufe des 11. Jahrhunderts, spätestens 1066 ein und führte zu
einer Erbteilung zwischen den Grafen Werner und den BILSTEINERN,
wobei wir freilich noch nicht wissen, wer eigentlich wen beerbt hat; konkret
gesagt, ob ein Werner die BILSTEINER oder ein BILSTEINER
einen Werner oder beide gemeinsam eine dritte Familie beerbt haben.
Konsequenzen dieser Erbteilung des 11. Jahrhunderts waren, daß sich
die südliche Hälfte der Ohm-Lahn-Grafschaft und die halbe Burg
Braubach am Rhein in den Händen der Grafen Werner (bzw.
der Grafen von Gleiberg) findet, während die nördliche Hälfte
der Ohm-Lahn-Grafschaft, die Grafschaft Rucheslo, und ein anderer Teil
von Braubach als bilsteinisch
nachzuweisen sind. Der jüngere
Erbfall wurde durch den kinderlosen Tod Werners IV. am 21. Februar
1121 ausgelöst und brachte der
BILSTEINERIN Kunigunde (und
damit den letzten GISONEN und den LUDOWINGERN) weitere wernerische
Güter und Rechte ein, vor allem die Hessische Grafschaft Maden-Gudensberg
und das
Reichsbanneramt. Aber auch diesmal erbten die BILSTEINER
nicht allein; nicht an sie kamen der alt-wernerische Neckargau,
die Besitzungen um Achalm und im Thurgau, die auf Werners IV. Mutter
Willebirg
(Tochter Rudolfs von Achalm und der Adelheid von Wülflingen) zurückgingen,
und ebensowenig die Vogtei Worms, die bemerkenswerterweise an die Grafen
von Nassau fiel.