Sohn des Grafen
Hezelin I. zu Zülpich und der N.N. von Kärnten,
Tochter von Herzog Konrad I.; Enkel des Pfalzgrafen
Hermann I. von Lothringen
Heinrich I. der Rasende folgte 1033 seinem Vater in dessen Ämtern und Titeln und im April 1045 seinem Vetter Otto als Pfalzgraf von Lothringen, Vogt von Brauweiler und St. Sevatius in Maastricht. Er war eine treue SALIER-Stütze und mit ihnen durch die Mutter verwandt. Als HEINRICH III. im Herbst 1045 schwer erkrankte, wurde Heinrich von einer Fürstengruppe als möglicher Nachfolger ins Gespräch gebracht und galt bis zur Geburt von HEINRICH IV. als Thronkandidatvon Kaiser HEINRICH III. Er war Gegner des Erzbischofs Anno II. von Köln, versuchte die Gebietsverluste der Familie an das Erzstift rückgängig zu machen und belagerte mehrmals Köln. Er wurde zeitweise gebannt und inhaftiert und dankte 1059 resignierend ab. Er enthauptete 1060 auf der Burg Cochem im Wahnsinn seine geliebte Frau, derentwegen er das Kloster wieder verlassen hatte. Heinrich wurde ins Kloster Echternach gebracht, wo er zwangsweise in die Mönchskutte gekleidet wurde und noch einige Jahre lebte.
Schaab Meinrad: Seite 27-28
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"Geschichte der Kurpfalz."
Kunos Bruder Heinrich scheint sich auf Burg
Cochem samt den Positionen an der Mosel und die Vogteirechte über
Maastricht gestützt und um den Ausbau von Siegburg bemüht zu
haben. Dies war die letzte Burg, die dem Pfalzgrafen in der Nähe von
Köln verblieben war. Offensichtlicgh bildete sich unterhalb der Siegburg
bereits ein Markt als erster Ansatz einer Stadtentwicklung und brachte
Heinrich von Masstricht her den Kult des Heiligen Servatius in die
dortige Pfarrkirche. So mußte Siegburg natürlich ein besonderer
Stein des Anstoßes für den auf seine ungestörte Macht bedachten
Kölner Erzbischof Anno werden.
Über die folgenden Ereignisse sind wir nur durch
die aus vierzigjährigen Abstand und ganz aus der Kölner Sicht
schreibende Vita Annos unterrichtet. In ihr wird die Siegburg als besondere
Brutstätte von Raubgesindel gesehen, die durch die Kölner zur
Übergabe gezwungen wurde. Pfalzgraf Heinrich soll dabei in
Gefangenschaft geraten und nach Köln abgeführt worden sein. Nach
dem Verlust der Siegburg schloß Heinrich einen Ausgleich mit
Anno und verzichtete nicht nur auf Burg und Marktsiedlung, sondern auf
weitere Besitzungen und Rechte in ihrem Umkreis. Anno konnte 1059 am Platz
der Burg einen Benediktinekonvent einrichten, den er zunächst mit
Mönchen aus Brauweiler besiedelte.
Ob Pfalzgraf Heinrich nach diesem Verzicht noch
einmal und in für Köln höchst gefährlicher Weise zu
den Waffen gegriffen hat, wie die Lebensbeschreibung Annos dramatisch berichtet,
mag man bezweifeln. Gewiß ist, daß er von der damals im Adel
einsetzenden Weltflucht verhältnismäßig früh ergriffen
wurde. Er trat, vielleicht auch unter dem Eindruck seiner politischen Mißerfolge,
ins Kloster Gorze bei Metz ein. Den Abtstab führte dort ein nachgeborener
unebenbürtiger Sohn Pfalzgraf
Ezzos. Jedoch hielt es ihn nicht lange im geistlichen Stand. Nach
Cochem zurückgekehrt, machte er sich obendrein durch eine schwere
Bluttat schuldig. Er erstach seine Gemahlin und hieb ihr nachträglich
mit dem Beil den Kopf ab. Die Tat selbst ist bezeugt, über ihre Motive
tappen wir im dunkeln. Die Vita Annos sieht dahinter das Wiedererwachen
teuflischer Begierden. Eine neue Deutung möchte sie umgekehrt mit
dem Zorn über die mangelnde Zustimmung seiner Gemahlin zum Klostereintritt
erklären. Andere mittelalterliche Quellen sprechen vom Wahnsinn,
der Heinrich befallen habe. Sein lebensende mußte er als Gefangener
im Kloster Echternach verbringen.
Steinbach Franz: Seite 861-86
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"Die Ezzonen"
Pfalzgraf wurde Heinrich,
der Sohn Hezels.
Kaiser HEINRICH III.
hat bei diesem allem Anschein nach planmäßig herbeigeführten
Wechsel in der pfalzgräflichen Erbfolge Kaiserswerth und Duisburg
als Reichsgut wieder eingezogen. Heinrichhat
auch wesentliche Teile des bisherigen pfalzgräflichen Besitzes abgeben
müssen. Große Güter hat sein Onkel, der
Erzbischof
Hermann von Köln geerbt, andere die aus Polen vertriebene
Ex-Königin Richeza. Beide haben reiche Stiftungen an die Kölner
Kirche gemacht. Die Besitzveränderungen bedürfen näherer
Untersuchung, an der soeben gearbeitet wird. Fest steht jetzt schon, daß
Pfalzgraf
Heinrich weder das Familienkloster Brauweiler noch das Reichsgut
Flamersheim, noch die Burg Tomberg behalten hat. Seine wichtigsten
Stützpunkte waren die Siegburg und die Burg Kochem an der Mosel.
Am Beginn der Kämpfe war Pfalzgraf
Otto ihm ein tapferer Helfer gewesen. Hat der König ihn nur
nach Schwaben geschickt, um dort einen zuverlässigen Amtsherzog zu
haben? Hat der Kaiser den nächstberechtigten Erben der Pfalzgrafschaft,
Kuno,
1049 zum Herzog von Bayern ernannt, nur um ihn zu befördern? Oder
hatte er die Absicht, das im Entstehen begriffene Großterritorium
des Pfalzgrafen an der Rheinlinie ebenso einzuengen, wie er mit größtem
Kräfteaufwand das lothringische Herzogtum auf die obere Mosellande
beschränkt hat? Die Frage stellen heißt meines Erachtens sie
bejahen. Die Parallele ist augenfällig. Der Schwerpunkt der Pfalzgrafschaft
wurde schon von
Kaiser HEINRICH III.
vom Niederrhein nach der mittleren Mosel abgedrängt.
Der Pfalzgraf Heinrich
hat Widerstand geleistet. Nach dem Tod des Kaisers ist er zur Rückeroberung
der alten pfalzgräflichen Stellung in der Kölner Bucht angetreten.
Er stieß jedoch auf einen Gegner, der aus härterem Holz geschnitzt
war und stärkere Machtmittel hatte als er selber: Erzbischof Anno
II. von Köln. Die Vita Annonis berichtet ausführlich und natürlich
parteiisch über die Auseinandersetzungen. Pfalzgraf
Heinrich habe von der Siegburg her das ganze Erzstift unsicher
gemacht. Anno sei im Interesse der ihm anvertrauten Herde zum Einschreiten
gezwungen gewesen. Er habe den Pfalzgrafen gefangen genommen, ihm dann
aber großmütig verziehen. Pfalzgraf
Heinrich sei Mönch in Gorze bei Metz geworden. Er hat wohl
damit seine Freilassung aus der Gefangenschaft erkauft. Das ist um das
Jahr 1059 gewesen. Nicht lange danach - der Zeitpunkt steht nicht genau
fest - hat der Pfalzgraf das Kloster verlassen und ist von neuem in das
Erzstift eingebrochen. Die Siegburg war wieder sein Stützpunkt. Ein
Versöhnungsversuch, an dem der lothringische Herzog und mehrere Erzbischöfe
beteiligt gewesen sind, ist gescheitert. Heinrich
ist nach der Vita Annonis raubend und brennend bis vor die Mauern von Köln
vorgestoßen. Man habe ringsum die Bewohner flüchten, die Dörfer
brennen sehen. Angesichts der umfassenden Gegenmaßnahmen Annos sei
Heinrich
jedoch
an die Mosel zurückgezogen, um den Großangriff auf Köln
besser vorzubereiten. Anno ließ ihn verfolgen und auf der Burg
Kochem einschließen. Während die Krieger des Pfalzgrafen
sich zum Ausfall aufstellten, sei dieser wahnsinnig geworden, habe seine
Gemahlin enthauptet und sei dann gefesselt in das Kloster Echternach überbracht
worden. Sein Heer löste sich auf. Sein Sohn kam unter die Obhut Annos
und ist nach der Vita Annonis später mit Lehen ausgestattet worden.
Die Machtstellung des Pfalzgrafen am Niederrhein war zerschlagen. Des Pfalzgrafen
Bruder Kuno, der zunächst noch die Moselstellung hielt, wurde 1065
zum Herzog von Kärnten ernannt, ist jedoch bald darauf gestorben,
ohne das Herzogsamt angetreten zu haben.
Schieffer Rudolf: Band II Seite 8
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"Die Salier und das Reich"
Den entscheidenden Schlag führte Erzbischof Anno II. von Köln jedoch gegen den Pfalzgrafen Heinrich, dem er 1059/60 im Zuge eines gewaltsam ausgetragenen Rechtsstreits den befestigten Siegberg unweit der Mündung des Flusses in den Rhein abnahm. Kurz danach brach über das Pfalzgrafenhaus die Katastrophe herein, als Heinrich nach vorübergehendem Klosteraufenthalt auf seine Burg Cochem zurückkehrte und dort in einem Anfall von Wahn seine Gattin umbrachte (1060). Der Pfalzgraf verschwand für den Rest seiner Tage in Haft, während Anno eine Art Vormundschaft über den Sohn des unglücklichen Paares übernahm.
Lewald Ursula: Seite 153-164
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"Die Ezzonen. Das Schicksal eines rheinischen Fürstengeschlechtes"
Ganz ausgestorben war die Pfalzgrafenfamilie freilich
nicht. Es gab noch zwei Söhne von Ezzos
Bruder Hezelin, also Seitenverwandte, die nicht zum Hause Ezzos
im engeren Sinne angehörten. Beide starben zwar vor Richeza,
waren aber zur Zeit der Übertragung ihrer Güter an die Kirche
noch am Leben, ja, sie haben dabei sogar mitgewirkt. Der eine, Vetter Chuono,
vertrat Richeza als Muntwalt bei der
Übertragung von Salz an Würzburg, der andere,
Heinrich
fungierte im gleichen Amt bei der Schenkung von Klotten an Brauweiler.
Er erhielt für diesen Dienst von seiner Cousine das erbliche Amt eines
defensor und advocatus super ipsum predium Klotten und ferner zu persönlichem
Eigen die Burg Cochem mit Zubehör. Aber ein weitergehendes
Erbrecht an den ezzonischen Gütern
ist diesen Seitenverwandten nicht eingeräumt worden. Und doch konnte
sich auch dieser Zweig der Familie rühmen, mit dem Königshaus
verwandt zu sein. Die Mutter der Brüder, die Frau Hezelins,
muß daher aus vornehmsten Hause gestammt haben. Kimpen vermutet,
ohne es freilich schlüssig beweisen zu können, dass sie eine
in den Quellen sonst nicht erwähnte Schwester Konrads des Jüngeren
gewesen sei, aus der Ehe seines Vaters mit Mathilde von Schwaben. Kein
glücklicher Stern hat über dem Lebensweg dieser Brüder gestanden,
und ein Panegyriker hat ihnen anders als den EZZONEN
auch gefehlt.
Sie fanden keine Gelegenheit, ein Hauskloster zu gründen, in dem die
Insassen zur Ehre der Fundatio hätten zur Feder greifen können.
Während Chuono wenig ehrenvoll beim Versuch, seinen
Dukat zu erobern, gescheitert war, erfreute sich sein Bruder Heinrich
hohen
Ansehens bei den Fürsten. Ihm übertrug HEINRICH
III., nachdem er den Vetter Otto, wie oben ausgeführt,
zum Herzog von Schwaben erhoben hatte, 1045 die rheinische Pfalzgrafschaft.
Der König verfügte über dieses wichtige Amt also, was die
Person betraf, höchst eigenmächtig, hielt sich dabei aber doch
an die seit langer Zeit damit betraute Familie. Auch diese Ernennung war
für den Herrscher nicht ungefährlich. Als HEINRICH
III. im gleichen Jahr in Frankfurt so schwer erkrankte, daß
man um sein Leben fürchten mußte, hatte eine Verschwörung
weltlicher Fürsten und Bischöfe, darunter der Bayern-Herzog Heinrich
aus dem Hause LUXEMBURG und der eben
ernannte Herzog Otto von Schwaben, Heinrich,
den Sohn Hezelins, zum Nachfolger ausersehen. Da der König
genas, blieb der Plan unausgeführt, und auch dieser Sproß des
ersten lothringischen Pfalzgrafengeschlechtes gelangte ebensowenig auf
den Thron wie 10 Jahre später sein Neffe, Konrad von Bayern.
Hier im Westen hatte Pfalzgraf
Heinrich eine nicht minder mächtige Position als sein Vorgänger.
Er vereinigte den Zülpich- und Eifelgau und als Amtsnachfolger Ottos
den Bonn- und Auelgau in seiner Hand und beherrschte mit seiner Burg auf
dem Siegberg aus die Köln-Bonner Bucht. Die Veste Tomburg war freilich
an Köln verlorengegangen, dafür aber hatte Heinrich
Stützpunkte
weiter im Süden an der Mosel. Als Vogt der Brauweiler Güter in
Klotten besaß er die Burg Cochem und fungierte als Obervogt
über die reichen Besitzungen des Servatius-Stiftes in Maastricht an
Rhein und Mosel. Zusammen mit seinem Bruder, dem eben genannten Chuono,
hatte er sich widerrechtlich der Echternacher Güter in Kröv bemächtigt.
Kurz, er war ein ernst zu nehmender Gegner, nicht nur gefährlich für
eine schwache Zentralgewalt, sondern auch ein höchst unbequemer Konkurrent
auf territorialer Ebene. Mit den Bestrebungen Erzbischofs Anno von Köln
kollidierte er sowohl in Klotten, das Anno ja widerrechtlich Brauweiler
entzogen hatte, wie im Auelgau, wo die feste Burg auf dem Siegberg eine
ernste Bedrohung für das Erzstift darstellte. Der Verfasser der Vita
Annonis gibt denn auch freimütig zu, daß Anno von Anfang an
das Ziel verfolgte, den Berg zu gewinnen. Nur diese Quelle, keine andere
berichtet über die Auseinandersetzung zwischen dem Kölner Erzbischof
und dem Pfalzgrafen. Aber erst ca. 40 Jahre nach den Ereignissen hat der
Verfasser zur Feder gegriffen. Im Kapitel 19 der Vita Annonis wird erzählt,
wie der sehr mächtige Pfalzgraf durch Raub, Mord und Brandschatzung
von seiner Burg auf dem Siegberg aus das Erzstift zu vernichten suchte.
Anno schleudert daraufhin den Bann gegen Heinrich
und zwang ihn dadurch zur Wiedergutmachung. Das captivum der
Quelle ist wohl nicht wörtlich als Gefangennahme zu verstehen, denn
der Pfalzgraf kam selbst nach Köln, bat reumütig um Vergebung,
erhielt sie, wurde wieder in die Kirche aufgenommen und machte mehr oder
weniger freiwillig den Siegberg dem heiligen Petrus zum Geschenk. Hier
bricht die Erzählung zunächst ab, und der Autor berichtete über
andere, zum Teil sehr viel später liegende Ereignisse. Erst im Kapitel
32 nimmt er den Faden wieder auf. Er rekapituliert hier zunächst die
Übergabe des Siegberges an Köln und erzählt dann, wie dieser
Tyrann in Verwirrung des Geistes in das Kloster Gorze eingetreten sei,
den Gürtel weltlichen Prunkes habe er hier mit dem Gewand der Armut
vertauscht. Dies alles aber sei Teufelswerk gewesen, denn schon nach kurzer
Zeit habe er sein Gelübde gebrochen und sei zu seiner Frau und seinen
Gütern zurückgekehrt. Nun erst habe der Kampf
Heinrichs
zur Vernichtung Annos richtig begonnen. Heinrich
verwüstete die Umgebung von Köln und sein Angriff
auf die Stadt schien kurz bevorzustehen. Um Verstärkungen heranzuholen
und um seine Gegner zu täuschen, habe Heinrich
sich aber zunächst nach seiner Burg Cochem zurückgezogen.
Die Lage Annos wird als völlig aussichtslos geschildert; nimmt er
die Herausforderung an und wählt den Kampf mit dem Pfalzgrafen, so
entfesselt er einen blutigen Bürgerkrieg, läßt ihn aber
gewähren, so steht vor seinen Augen das Elend der eroberten Stadt,
Verwüstung von Kirchen, Schande für die Geistlichkeit und Not
und Elend für die übrige Bevölkerung. Wieder greift der
Erzbischof in seiner Not zu geistlichen Waffen, diesmal nicht zum Anathem,
sondern allein zu Gebet. In der Stadt Köln ordnet er Fasten- und Bittprozessionen
an, an denen er sich selbst beteiligt. Beim 8. Vers des 34. Psalmes - "ihn
fange die Schlinge, die er selbst nicht bemerkt" - erkennt Anno plötzlich,
dass in diesen Worten eine Vorhersage liegt, die seinen Gegner betrifft.
Und in der Tat fängt die Schlinge bereits nach wenigen Tagen seinen
Feind. Der Pfalzgraf, dessen Truppen schon vor der Burg Cochem zum
Kampf gegen Erzbischof bereitstehen, ersticht in einem plötzlichen
Wutanfall seine Frau und schlägt ihr noch mit dem Beil das Haupt ab.
Seine eigenen Leute nehmen ihn daraufhin gefangen. Ohnmütig und wahnsinnig
bleibt Heinrich bis zu seinem Tode.
Damit war der Kampf noch ehe er recht begonnen hatte beendete
Diese hier kurz wiedergegebene Darstellung der Vita Annos
ist in einigen Punkten wenig glaubwürdig. Richtig bemerkt Jenal: "Mit
dem Verlust des Siegberges war dem Pfalzgrafen offenbar die militärische
Operationsbasis gegen Köln genommen". Aber er zog daraus keine weiteren
Schlüsse. Und Steinbach konnte es sich als alter Offizier nicht vorstellen,
als daß
Heinrich auch beim zweiten
Angriff auf Köln den Siegberg als Stützpunkt wieder in der Hand.
Aber der Verfasser der Vita wiederholt im Kapitel 32 doch ausdrücklich,
daß der Berg vom Pfalzgrafen dem heiligen Petrus noch vor Beginn
der zweiten kriegerischen Auseinandersetzung übergeben worden war.
Eine ernstliche Gefährdung der ummauerten Stadt Köln und gar
ihre Eroberung war aber ohne den Rückhalt des Angreifers an einem
befestigten Sitz im weiteren Vorgelände der Stadt von Anfang an ohne
jede Aussicht auf Erfolg. Die dramatische Schilderung von der ausweglosen
Lage Annos, die uns der Verfasser der Vita auftischt, erscheint daher mehr
als unahrscheinlich.
Und noch ein weiteres kommt hinzu. Wenn der Kampf zwischen
dem Pfalzgrafen und dem Erzbischof wirklich in zwei zeitlich getrennte
Handlungen zerfallen ist, zwischen denen der Klostereintritt und Wiederaustritt
Heinrichs
liegen,
so war diese Ereignisse die zur Verfügung stehende Zeitspanne äußerst
knapp. Die Pfalzgräfin wurde am 17. Juli 1060 von ihrem Mann getötet,
aber noch 1059 saß Heinrich einträchtig
mit den Erzbischöfen Anno von Köln und Eberhard von Trier sowie
seinem Schwager Herzog Gottfried dem Bärtigen und anderen Großen
Lothringens im Fürstenrat von Andernach zusammen, um über das
Schicksal des Reiches zu beratschlagen. Es ist nicht anzunehmen, dass der
Pfalzgraf zu diesen Beratungen hinzugezogen worden wäre, hätte
er schon den ersten Zusammenstoß mit Anno gehabt, bei dem er unterlag.
Die neuere Literatur hat denn auch im Gegensatz zur älteren die ganze
Auseinandersetzung ungeachtet der kurzen Zeitspanne zwischen das Andernacher
Treffen von 1059 und den Sommer 1060 angesetzt. Die Schwierigkeit würde
sich lösen, wenn es überhaupt zu keiner zweiten Kriegshandlung
zwischen Anno und Heinrich gekommen
wäre. Ich möchte vermuten, daß bereits der erste Zusammenstoß,
der für Heinrich mit dem Verlust
des Siegberges endete, die endgültige Entscheidung gebracht hat. Aber
man darf unterstellen, daß sich Anno dabei nicht nur geistlicher
Waffen bedient hat, sondern daß es zu regelrechten und wahrscheinlich
sogar erbitterten Kriegshandlungen gekommen ist. Anno gründete nach
seinem Sieg auf dem heiß umstrittenen Berg 1064 ein Kloster. Das
bedeutete zu dieser Zeit noch keinen Verzicht auf eigene Territorialpolitik.
Nicht anders handelten zu dieser Zeit auch weltliche Herren am Ort einer
zerstörten Burg, zumal dann, wenn ein einst schwer umkämpfter
Platz durch Änderung der politischen Konstellation strategisch bedeutungslos
geworden war, wie die einst so wichtige Grenzfestung gegen Flandern, Eename.
Dort stiftete 1063 Balduin V. von Flandern ein Kloster. Da es aber einem
frommen Kirchenfürsten schlecht ansteht, wenn er, nicht anders als
weltliche Herren, den Klosterplatz erst mit dem Schwerte durch Blutvergießen
erobern muß, so ließ der Verfasser der Anno-Vita seinen Helden
nur mit Anathem, Gebet und unerschütterlichen Gottvertrauen kämpfen.
Durch die Zerlegung der Auseinandersetzung in zwei zeitlich getrennte
Akte konnten Geduld, Beharrlichkeit und Zuversicht Annos besonders unter
Beweis gestellt werden, und außerdem verschob sich damit der Hauptkriegsschauplatz
vom Siegberg weg ins Vorgelände von Köln. Wie dem auch sei, durch
den Verlust des Siegberges war die Verlagerung der pfalzgräflichen
Machtbasis nach dem Süden endgültig besiegelt.
Nur die Anno-Vita bringt die Mordtat des Pfalzgrafen
an seiner Frau mit dem Kampf zwischen dem Erzbischof und Heinrich
in den eben wiedergegebenen ursächlichen Zusammenhang. Aber zahlreiche
andere Quellen - Jenal hat sie übersichtlich zusammengestellt - berichten
von dem Klosterein- und -austritt des Pfalzgrafen, von seiner Mordtat und
von der darauf folgenden Klosterhaft des Delinquenten. An diesen Tatsachen
ist also nicht zu zweifeln, wohl aber an ihrer Deutung. Unter dem Eindruck
des schauerlichen Endes sind die Berichterstatter einmütig davon überzeugt,
dass entweder Teufelswerk - instinctu demonis - oder beginnender
Wahnsinn - permentis insania - den Pfalzgrafen zum Klostereintritt bewogen
haben müssen. Von einer beginnenden Krankheit Heinrichs,
freilich ohne sie näher zu charakterisieren, berichtet im Anschluß
an das Andernacher Treffen von 1059 auch Jocundus, eine Nachricht, die
bisher in diesem Zusammenhang übersehen worden ist. Trotzdem muß
der Pfalzgraf bei seinem Entschluß ins Kloster einzutreten durchaus
nicht wahnsinnig gewesen sein, und den Teufel braucht man zur Erklärung
dafür auch nicht zu bemühen. Freilich war im Jahre 1059/60 ein
solcher Schritt einer politischen Persönlichkeit von hohem Adel höchst
ungewöhnlich. Wenige Jahre später jedoch gibt es zahlreiche Beispiele
dafür. Der ins Kloster Gorze eingetretene Pfalzgraf
Heinrich steht also am Beginn einer asketischen Bewegung, die
gerade den hohen Adel Lothringens ergriffen hatte. Die deprimierende Niederlage
gegen Anno und vielleicht eine beginnende Krankheit mögen mit dazu
beigetragen haben, dass er sich dazu entschloß, der Welt zu entsagen.
In Gorze war zu dieser Zeit sein Vetter Heinrich der
Gute, vermutlich ein natürlicher Sohn Ezzos, Abt. Hier durfte der
Pfalzgraf also auf Verständnis für seinen damals noch ungewöhnlichen
Entschluß zählen. Warum aber trat er so bald wieder aus? Auch
dafür gibt es eine plausible Erklärung. Nach kirchlichem Recht
war und ist noch heute die gültig geschlossene und vollzogene Ehe
unauflöslich. Auch ein einseitiger Klostereintritt eines Eheteils
löst das Eheband nicht, die Zustimmung des Partners, der dann auch
seinerseits Enthaltsamkeit geloben muß, ist dafür erforderlich.
Schon Regino von Prüm in seinem Synodalhandbuch und Burchards von
Worms im Dekret bringen entsprechende canones. Am eindeutigsten kommt die
auf den Fall des Pfalzgrafen anzuwendende kirchliche Rechtsanschauung in
einem Passus aus der Regel des heiligen Basilius zum Ausdruck, der sich
nicht nur in den beiden genannten Kirchenrechtssammlungen, sondern auch
bei Gratian, freilich mit falscher Inscription findet. Dort heißt
es: "Wenn ein Verheirateter in ein Kloster eintreten will, so darf er aufgenommen
werden, wenn er nicht vorher von seiner Ehefrau entlassen wird, die ihrerseits
Keuschheit gelobt. Denn, wenn jene zu Lebzeiten des Mannes aus Unenthaltsamkeit
einen anderen heiratet, so wird sie ohne Zweifel zur Ehebrecherin und die
conversio ihres Mannes, die zum Ehebruch geführt hat, wird von Gott
nicht angenommen". Bei dem Pfalzgrafen scheint aber offensichtlich die
für diesen Schritt erforderliche Bereitschaft seiner Frau Mathilde,
nun auch ihrerseits Keuschheit zu geloben und wie die Kaiserin
Agnes oder die Königin Richeza
feierlich den Schleier zu nehmen, gefehlt zu haben. Hätte sie es getan,
unsere Quelle, die sämtlich dem Pfalzgrafen voll Abscheu gegenüberstehen,
hätten es nicht verschwiegen. Die Tötung einer gottgeweihten
Frau würde ja den Pfalzgrafen noch viel schwerer belastet haben, als
es ohnehin der Fall war. Abt Heinrich der Gute hat wahrscheinlich, als
er den gleichnamigen Vetter in seinem Kloster zur Profeß zuließ,
fest mit der Zustimmung der Pfalzgräfin gerechnet. Das lothringische
Herzogshaus, dem sie als Tochter Gozelos I. entstammte, stand ja der Kirchenreform
besonders nahe; Mathilde war die leibliche Schwester eines Papstes.
Als dann die von ihr erwartete Verpflichtung aus welchen Gründen auch
immer ausblieb, konnte der Abt nichts anderes tun, als Heinrich
wieder zu entlassen.
Dieser begab sich zu seiner Frau auf die Burg Cochem
und stellte sie vermutlich zur Rede. Er saß bei ihr im Schlafzimmer,
wo, wie es in der Vita Annonis heißt, ihre tödliche Süßigkeit
ihn betörte. Mag sein, dass er hinter ihrer Weigerung, der Welt zu
entsagen, einen Nebenbuhler vermutete. Jedenfalls packte ihn eine solche
ohnmächtige Wut, dass er seiner Frau, suae cupidinis sociam, nicht
nur grausam erstach, sondern ihr auch noch mit einem Beil das Haupt abschlug
und sich dieser Tat lachend rühmte. Noch bis zum Ende des 9. Jahrhunderts
war die Tötung der ehebrecherischen Frau durch ihren Mann nach weltlichem
Recht straffrei gewesen. Aber inzwischen hatte die Kirche längst Maßnahmen
dagegen ergriffen. Immerhin ist zu beachten, dass Pfalzgraf
Heinrich wegen seiner Untat nicht
vor ein weltliches Gericht gestellt wurde. Man übergab ihn für
den Rest seines Lebens dem Kloster Echternach in Gewahrsam. Gerade hier
konnte er wegen des Raubes von Kröv am wenigsten auf Sympathie rechnen.
Was er angerichtet hatte, war die Tat eines heftigen, leidenschaftlichen,
aber nicht notwendig wahnsinnigen Mannes. Freilich ist nicht auszuschließen,
dass Heinrich, als er sah, wozu er
sich im Zorn hatte hinreißen lassen, tatsächlich in geistige
Umnachtung verfallen ist.
oo Mathilde von Lothringen, Tochter des Herzogs
Gozelo II.
um 1025-17.7.1060
ermordet
Mathilde war die Schwester von Papst Stephan IX.
Kinder:
Hermann II.
um 1049- 1085
Literatur:
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Die Salier und das Reich, hg. Stefan Weinfurter,
Jan Thorbecke Verlag 1991, Band I Seite 237,449,531/Band II Seite 6,9,294/Band
III Seite 310 - Lewald Ursula: Die Ezzonen. Das Schicksal eines
rheinischen Fürstengeschlechtes. In: Rheinische Vierteljahresblätter
43, 1979, Seite 153-164 - Schaab Meinrad: Geschichte der Kurpfalz.
Verlag W. Kohlhammer 1988 Seite 27 - Steinbach, Franz: Die Ezzonen.
Ein Versuch territorialpolitischen Zusammenschlusses der französischen
Rheinlande, in "Das erste Jahrtausend " Düsseldorf 1964 Seite 861-86
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