Mathilde von Lothringen                            Pfalzgräfin bei Rhein
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um 1025-10.7.1060 ermordet
              Burg Ciochem
 

Tochter des Herzogs Gozelo II. von Lothringen (aus Zeitgründen vermutlich doch Tochter Gozelos I.)
Nach Ursula Lewald Tochter des Herzogs Gozelo I. von Lothringen und Schwester von Papst Stephan IX.
 

Lewald Ursula: Seite 160
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"Die Ezzonen. Das Schicksal eines rheinischen Fürstengeschlechtes"

Die Pfalzgräfin wurde am 17. Juli 1060 von ihrem Mann getötet, aber noch 1059 saß Heinrich einträchtig mit den Erzbischöfen Anno von Köln und Eberhard von Trier sowie seinem Schwager Herzog Gottfried dem Bärtigen und anderen Großen Lothringens im Fürstenrat von Andernach zusammen, um über das Schicksal des Reiches zu beratschlagen.
Bei dem Pfalzgrafen scheint aber offensichtlich die für diesen Schritt erforderliche Bereitschaft seiner Frau Mathilde, nun auch ihrerseits Keuschheit zu geloben und wie die Kaiserin Agnes oder die Königin Richeza feierlich den Schleier zu nehmen, gefehlt zu haben. Hätte sie es getan, unsere Quelle, die sämtlich dem Pfalzgrafen voll Abscheu gegenüberstehen, hätten es nicht verschwiegen. Die Tötung einer gottgeweihten Frau würde ja den Pfalzgrafen noch viel schwerer belastet haben, als es ohnehin der Fall war. Abt Heinrich der Gute hat wahrscheinlich, als er den gleichnamigen Vetter in seinem Kloster zur Profeß zuließ, fest mit der Zustimmung der Pfalzgräfin gerechnet. Das lothringische Herzogshaus, dem sie als Tochter Gozelos I. entstammte, stand ja der Kirchenreform besonders nahe; Mathilde war die leibliche Schwester eines Papstes. Als dann die von ihr erwartete Verpflichtung aus welchen Gründen auch immer ausblieb, konnte der Abt nichts anderes tun, als Heinrich wieder zu entlassen.
Dieser begab sich zu seiner Frau auf die Burg Cochem und stellte sie vermutlich zur Rede. Er saß bei ihr im Schlafzimmer, wo, wie es in der Vita Annonis heißt, ihre tödliche Süßigkeit ihn betörte. Mag sein, dass er hinter ihrer Weigerung, der Welt zu entsagen, einen Nebenbuhler vermutete. Jedenfalls packte ihn eine solche ohnmächtige Wut, dass er seiner Frau, suae cupidinis sociam, nicht nur grausam erstach, sondern ihr auch noch mit einem Beil das Haupt abschlug und sich dieser Tat lachend rühmte. Noch bis zum Ende des 9. Jahrhunderts war die Tötung der ehebrecherischen Frau durch ihren Mann nach weltlichem Recht straffrei gewesen. Aber inzwischen hatte die Kirche längst Maßnahmen dagegen ergriffen. Immerhin ist zu beachten, dass Pfalzgraf Heinrich wegen seiner Untat nicht vor ein weltliches Gericht gestellt wurde. Man übergab ihn für den Rest seines Lebens dem Kloster Echternach in Gewahrsam. Gerade hier konnte er wegen des Raubes von Kröv am wenigsten auf Sympathie rechnen. Was er angerichtet hatte, war die Tat eines heftigen, leidenschaftlichen, aber nicht notwendig wahnsinnigen Mannes. Freilich ist nicht auszuschließen, dass Heinrich, als er sah, wozu er sich im Zorn hatte hinreißen lassen, tatsächlich in geistige Umnachtung verfallen ist.
Warum die Pfalzgräfin durch ihre Weigerung verhinderte, dass ihr Mann sein Leben in Gorze ruhig beschließen konnte, darüber kann man nur Vermutungen anstellen. Trotz der ihr in der Anno-Vita bescheinigten mortifera dulcedo war sie keineswegs mehr so blutjung, als dass ein Keuschheitsgelübde für sie unzumutbar gewesen wäre. Sie muß zur Zeit ihres Tode mindestens 35 Jahre, wenn nicht älter gewesen sein, denn Pfalzgraf Heinrich war nicht ihr erster Mann. Eine ohne Eschatokoll und damit ohne Datierung in einem jungen Copiar des Stiftes Kerpen überlieferte Urkunde berichtet nämlich von der Schenkung eines Pfalzgrafen Hermann an dieses Stift, das von seiner Mutter Mathilde (Magdilidis) und ihrem compar Sigebodo zu Ehren des heiligen Martin gegründet worden sei. Die Stiftung erfolgt zu seinem Seelenheil und dem seiner Eltern. Dieser Pfalzgraf Hermann ist mit aller Wahrscheinlichkeit der Sohn der Mathilde aus ihrer 2. Ehe mit Pfalzgraf Heinrich. Objekt der Schenkung war unter anderem die Kirche von Eccheze, was wohl mit der villa Aecheze zu identifizieren ist, die schon der Großvater Hermanns, Hezelin, besessen hatte. Der Aussteller nennt in der zitierten Urkunde Sigibodo nicht seinen Vater, sondern den Mann, das heißt den ersten Mann seiner Mutter. Der Zeitpunkt der Stiftsgründung läßt sich annähernd errechnen. Hermann wird als Pfalzgraf zum ersten Mal 1064 genannt. Damals muß er mindestens 15 Jahre alt gewesen sein, denn das war in Ripuarien das früheste Mündigkeitsalter für einen vaterlosen Freien. Demnach müßte er spätestens 1049 geboren sein, was bedeutet, dass seine Mutter bereits im Jahre 1048 die Ehe mit ihrem späteren Mörder eingegangen wäre. Die Stiftsgründung und der vorzeitige Tod Sigebodos, der ihr ja erst die Möglichkeit bot, noch einmal zu heiraten, müssen demnach vorher liegen, also etwa in der Mitte der 40-er Jahre. Mathildewar eine Tochter Herzog Gozelos I. von Lothringen, nicht des zweiten dieses Namens, wie in der Literatur gelegentlich behauptet wird, denn dann wäre rein zeitlich eine erste Ehe der späteren Pfalzgräfin unmöglich gewesen. In den Zeitpunkt der Stiftsgründung von Kerpen fällt der schwere Konflikt ihres Bruders Gottfried des Bärtigen mit HEINRICH III. Möglicherweise besteht zwischen beiden Ereignissen ein ursächlicher Zusammenhang.
Bei der Gründung des Stiftes Kerpen handelt es sich also nicht um die Stiftung eines Adelsklosters, sondern um eine Anlage von Reichsgut. Formell hätte Sigebodo anstelle des Königs handeln sollen. Der Name Sigebodo weist in die Familie der Grafen von Are, wo er in mehreren Generationen vorkommt. Der in der zitierten Urkunde als erster Mann der späteren Pfalzgräfin Mathilde genannte Sigebodo könnte der Bruder des Grafen Richwin gewesen sein, des Vaters Bischof Udos von Toul. Die Grafschaft im Zülpichgau zu dem unweit westlich von Kerpen liegende Langenich gehörte, hatten die Grafen von Are inne. Es wäre denkbar, - ausdrücklich bezeugt ist es nicht - dass Sigebodo hier Graf gewesen ist und als solcher ihm auch die Aufsicht über das dort gelegene Königsgut oblag. Sollten nicht Sigebodo und Mathildebeabsichtigt haben durch Stiftsgründung und Burgenbau das Reichsgut Kerpen zu entfremden und es in den Jahren der Auseinandersetzung zwischen HEINRICH III. und Gottfried dem Bärtigen zu einem antikaiserlichen Stützpunkt für Bruder und Schwager zu machen? Der Erfolg dieses Unternehmens, wenn es wirklich so geplant gewesen ist, blieb aus. Sigebodo starb frühzeitig, anscheinend ohne Kinder zu hinterlassen.
Die offensichtlich erbärmliche Lage ihrer eigenen Gründung mag die Pfalzgräfin Mathilde bekümmert haben. Möglicherweise war sie gar nicht grundsätzlich gegen die Weltflucht ihres zweiten Mannes Heinrich, aber sie verweigerte dazu die Genehmigung, gönnte sie doch dem weit entfernten und dem Metzer Bischof gehörigen Kloster Gorze nicht die reichen Schenkungen, die ihr Mann, wäre er dort geblieben, dieser Abtei hätte machen müssen. Ihr mag daran gelegen haben, diese Güter der eigenen Stiftung zuzuwenden. Für Heinrich wiederum war dieses Stift Kerpen mit seinen herumvagabundierenden Kanonikern kein Ort, wo er Erfüllung seiner asketischen Neigungen hätte finden können. Das wäre immerhin eine zusätzliche Erklärung für den Konflikt zwischen dem pfalzgräflichen Ehepaar, der so blutig endete.
 
 
 
 

  1. oo Sigebodo Graf von Are
                 -

    1048
  2. oo Heinrich I. der Rasende Pfalzgraf bei Rhein
                 -   1061?
 
 
 
 

Kinder:

  Hermann II.
  um 1049-   1085
 
 
 

Literatur:
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Lewald Ursula: Die Ezzonen. Das Schicksal eines rheinischen Fürstengeschlechtes. In: Rheinische Vierteljahresblätter 43,1979, Seite 160 -
 
 
 
 
 
 


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