Ältester Sohn des Herzogs
Ludwig I. von Orleans und der
Valentine
Visconti von Mailand, Tochter von Signore Gian Galeazzo
Lexikon des Mittelalters: Band II Spalte 1728
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Charles d’Orleans (Karl von Orleans), Angehöriger
des frz. Königshauses und Dichter
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* 24. November 1394, + 5. Januar 1465
Ältester Sohn Ludwigs, Herzog von Orleans, und der Valentina Visconti; Neffe des französischen Königs Karl VII.
1. oo Isabelle, Tochter Karls VII., + 1409, Witwe Richards II. König von England
2. oo 1410 Bonne von Armagnac, + 1430/35
3. oo 1440 Maria von Kleve (Marie de Cleves)
aus dieser 3. Ehe gingen neben weiteren Kindern Ludwig XII., * 1462, hervor
Charles‘ Jugend war
von den Machtkämpfen zwischen seiner Familie und dem
Haus BURGUND überschattet. 1407 wurde sein Vater ermordet,
wohl auf Anstiftung des burgundischen Herzogs
Johann Ohnefurcht. 1408 verstarb seine Mutter, 1409 seine erste
Frau. Herzog Johann konnte sich mehrfach
durch Freisprüche vom Vorwurf der Anstiftung zum Mord befreien. Im
Zuge der weiteren Faktionsbildung schlossen die
ORLEANS Bündnisse mit verschiedenen Häusern, insbesondere
mit den ARMAGNAC; Charles d'Orleans
wurde 1410 mit Bonne
d’Armagnac, Tochter des Grafen und Heerführers Bernard VII.
von Armagnac, vermählt. Im folgenden Bürgerkrieg zwischen den
beiden Parteiungen errangen die Armagnacs/Orleans 1413/14 einen (vorläufigen)
Sieg und konnten das von den Bourguignons besetzte Paris wieder einnehmen.
Charles' Vater
Ludwig wurde
vollständig rehabilitiert. 1415 nutzte Heinrich
V., König von England,
die schwierige Lage in Frankreich aus, um das Königreich zu erobern
und errang bei Azincourt 1415 einen vollständigen Sieg.
Charles
d'Orleans entkam zwar dem Massaker, mußte aber als Gefangener
25 Jahre, bis 1440, in England verbringen. Die englische Gefangenschaft
bildete eine wichtige Zäsur in Charles'
Leben. Die führende Position in der Armagnac-Partei ging auf den Dauphin,
Karl
(VII.), über. Charles'
Frau starb 1430/35 in Frankreich.
1440 kam es zum Frieden. Im Laufe seiner Gefangenschaft
hatte Charles d'Orleans einerseits
Gelegenheit zu Studium, Meditation und engen Kontakten mit der englischen
Kultur, verlor jedoch andererseits immer stärker den Anschluß
an die aktuelle französische Politik, so daß er bei seiner Rückkehr
(1440) nicht mehr die führende Rolle spielen konnte, mit der er entsprechend
seiner Position unter Karl VI. gerechnet
hatte. Charles' politische Aktivitäten
mißfielen Karl VII., da sie diesen
an die schwache Stellung des Königtums unter seinem Vorgänger
Karl VI. inmitten mächtiger Lehensherren erinnerten. 1447
versuchte Charles d'Orleans durch einen
Italienzug seine von der Mutter Valentina Visconti erwerbten Rechte
auf Asti geltend zu machen. Nach dem Scheitern dieses Feldzuges beschränkte
sich sein Wirkungskreis in erster Linie auf seinen Hof in Blois, wo er
eine Rolle als ausgleichender Vermittler (zum Beispiel in der Spannung
zwischen Karl VII. und dem Dauphin,
oder mit dem Herzog von Burgund) spielte, ein intensives Familienleben
pflegte - 1440 hatte er sich mit Maria
von Kleve vermählt, von der er 1457 die erste Tochter und
in der Folge noch weitere Kinder hatte, unter ihnen 1462 den späteren
König von Frankreich, Ludwig (XII.) -
engere Kontakte mit den Personen seiner Umgebung knüpfte und sich
seinen Dichtungen widmete. Zum literarisch ambitionierten Kreis, mit dem
Charles d'Orleans sich umgab, zählten,
neben Gelegenheitspoeten, auch bedeutende Dichter, unter ihnen Francois
Villon, Rene d'Anjou, ferner Olivier
de la Marche und Jean Meschinot. Obwohl sein Hof keine eigentliche Schule
bildete, stellte er doch eines der bedeutendsten kulturellen Zentren des
dritten Viertels des 15. Jh. dar. Charles'
letzte
Lebensjahre unter Karls VII.
Nachfolger
Ludwig XI. (ab 1461) waren von einem Klima zunehmender Entfremdung
zwischen ihm und dem König gekennzeichnet, die im übrigen für
die Randposition, die Charles d'Orleans
im politischen Leben nunmehr einnahm, symptomatisch ist.
Treffer Gerd A.: Seite 20
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"Johanna von Valois begegen."
Sein Sohn Karl, Herzog von Orleans, ist ebenfalls in die politischen Intrigen und Kämpfe verwickelt, die das Land in jenen wirren Jahren beuteln. Die gegenerische Partei - die "Burgunder" - verbündet sich mit England. Mit 24 Jahren nimmt Karl 1415 an der berühmten Schlacht von Azincourt im "Hundertjährigen Krieg" gegen England teil. Die Franzosen werden vernichtend geschlagen, auf dem Schlachtfeld stirbt die "Blüte des französischen Adels". Der Herzog von Orleans wird gefangengenommen. Nach 25 Jahren Haft in England läßt er sich in Blois nieder und heiratet (seine ersten beiden Frauen waren verstorben) Maria von Kleve. Obwohl er schon 49 Jahre alt ist und sie erst 14, passen sie gut zusammen: sie lieben Poesie und Kunst, ziehen Literatur den garusamen Spielereien des Krieges vor. Das fürstliche Paar hat vier Kinder: darunter ein einziger Sohn, der so zum alleinigen Erben der Familie wird: Ludwig von Orleans.
Ehlers Joachim: Seite 298,333-335,345
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"Geschichte Frankreichs im Mittelalter."
Karl von Orleans jedoch,
der Sohn des Ermordeten, arbeitete seinerseits mit Rechtsgutachten gegen
das von den Bourguignons verbreitete Bild und konnte im Laufe der nächsten
Jahre eine Koalition bilden, der die Herzöge von Bourbon, Berry und
Bretagne angehörten, die Grafen von Clermont und Alencon; ihr Haupt
fanden sie in Karls Schwiegervater,
Graf Bernhard von Armagnac. Am 15. April versammelte sich die Partei, fortan
nach ihrem Führer Armagnacs genannt, auf Schloß
Gien an der Loire und beschloß, eine Armee gegen Burgund aufzustellen.
Zur Vorbereitung des Krieges bemühte sich Karl
von Orleans um die Neutralität des englischen Königs,
während Johann Ohnefurcht englische
Militärhilfe erbat und erhielt.
Im August 1340 wurde Herzog
Karl von Orleans aus seiner englischen Haft entlassen, aber
nicht der König, sondern Philipp der Gute
hatte
die entscheidenden Verhandlungen geführt und den Herzog damit auf
seine Seite gezogen.
1442 erhielt Karl von Orleans
Beihilfen zu seinen Lösegeldzahlungen.
1450 hatte sich der Condottiere Francesco Sforza gegen
die Ansprüche Karls von Orleans
auf das Erbe der VISCONTI als Herzog von Mailand durchgesetzt, und
Karl
VII. verpflichtete sich am 21. Februar 1452, ihn gemeinsam mit
Cosimo Medici von Florenz zu unterstützen.
Favier, Jean: Seite 383,385,388,407,409
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"Frankreich im Zeitalter der Landesherrschaft 1000-1515."
Auf der Gegenseite bildet sich um Königin
Isabeau, Herzog Johann von Berry,
den im Exil lebenden König von Neapel Ludwig
II. von Anjou, Herzog Ludwig von Bourbon
und den jungen Herzog Karl von Orleans
eine Partei, die im Konnetabel Karl von Albret ihren starken Mann fand
- bis Valentina Visconti auf ein besseres Mittel zur Verhütunng
einer erneuten Isolierung verfiel. Sie verheiratete ihren Sohn Karl
mit
der Tochter des Grafen Bernhard von Armagnac udn gab damit der ORLEANS-Partei
wieder ein Oberhaupt und einen Namen.
Wiewohl seit fünf Jahren Schritt für Schritt
verdrängt und seit vier Monaten Zielscheibe des Pariser Terrors, gelang
es den "Armagnacs", den Sieg der Gemäßigten für sich zu
reklamieren. So sah man Karl von Orleans
und seinen Schwiegervater Bernhard von Armagnac wieder öffentlich
in Erscheinung trreten, während Johann der
Unerschrockene sich klug beraten fühlte, Paris auf dem
schnellsten Wege zu verlassen.
Eine Zeitlang hatte Heinrich
IV. von England die Sache Johanns des
Unerschrockenen mit einer Handvoll Soldaten unterstützt,
1412 aber ohne weiteres das Lager gewechselt, als ihm Karl
von Orleans und dessen Großonkel Berry die Wiederherstellung
des Großherzogtums Aquitanien wie zur Zeit Eleonores
in Aussicht stellten. Der Vertrag von Altham vom 8. Mai 1412 hatte die
wiederaufgewärmte Freundschaft LANCASTERS
und der Partei ORLEANS besiegelt. Doch
die englische Armee ließ auf sich warten. Die Allianz um den Herzog
von Orleans löste sich auf. Und im Frieden von Auxerre vom 22. August
1412 verständigten sich die Fürsten darauf, den LANCASTER
aus ihrem Streit herauszuhalten. Nach der Landung der Engländer in
Frankreich verhandelte Karl von Orleans und
bot eine Entschädigung an. Ungerührt jedoch marschierten die
Engländer in Richtung Bordeaux.
Da sich die Engländer nicht mit Gefangenen belasten
konnten, wurde mit diesen kurzer Prozeß gemacht. Einzig die reichsten,
für die sich der König ein großes Lösegeld versprach,
wurden am Leben gelassen. Darunter auch Karl von
Orleans, der, außerstande, die unmäßige Summe
aufzubringen, fünfundzwanzig Jahre lang Gelegenheit fand, in der Poesie
Trost für sein verpfuschtes Leben zu suchen.
Philipp der Gute
beschloß die Gelegenheit (Praguerie, 1440) zu nutzen. Er zahlte das
Lösegeld für Herzog Karl von Orleans,
der sich seit Azincourt in seiner englischen Gefangenschaft langweilte,
und gewann in ihm dadurch einen Kampfgefährten in der Revolte.
Die von der Praguerie bewirkten Unruhen hatten sich gelegt.
Der verbitterte Karl von Orleans suchte
in Blois im Kreis von Künstern und Poeten Trost für ein durch
fünfundzwanzig Jahre Haft verpfuschtes Leben; nicht einmal seinen
1447 erhobenen Anspruch auf das mailändische Erbe seiner Mutter Valentina
Visconti hatte er durchsetzen können.
Jurewitz-Freischmidt Sylvia: Seite 129
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"Die Herrinnen der Loire-Schlösser. Königinnen
und Mätressen um den Lilienthron."
Annes Großmutter Marguerite war die Schwester von Charles d'Orleans, dem Vater Louis' XII., der bei Azincourt in Gefangenschaft geriet, 25 Jahre in England blieb und dann die 30 Jahre jüngere Maria von Kleve heiratete. Wissen diese Franzosen eigentlich nicht, daß solche Ehen für eine gesunde Nachkommenschaft nicht gerade förderlich sind? Aber vielleicht sind sie ja auch gar nicht verwandt, und der alte Poet und Schlawiner Charles d'Orleans hat Louis anerkannt, obwohl er wußte, daß nicht er, sondern ein Kammerherr namens Rabaudange der Vater war, einer der zahllosen Liebhaber seiner jungen Frau. Tat er es, um Louis XI. eins auszuwischen, der 1462 noch keinen Erben vorzuweisen hatte?
Pernoud Regine: Seite 120,132
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"Christine de Pizan. Das Leben einer außergewöhnlichen
Frau und Schriftstellerin im Mittelalter."
Eine Doppelhochzeit wird gefeiert: Karl
von Orleans, Ludwigs Sohn,
heiratet die ehemalige Königin von England, Isabella
von Frankreich, Tochter Karls VI.,
seine Kusine; und Johann von Touraine,
der älteste Sohn des Königs von Frankreich, heiratet Jakobäavon
Bayern, Tochter des Grafen von Osterbant, Wilhelm
II. von Bayern.
Isabella von Frankreich
weint sich fast die Augen aus trotz der sie umgebenden Pracht und all der
Anstrengungen, die gemacht werden, um dieser Doppelhochzeit den Anstrich
einer Versöhnung zwischen den beiden rivalisierenden Häusern
von Frankreich und Burgund zu geben: Ihr Gemahl, der künftige Dichterfürst,
ist erst elf Jahre alt, und sie selbst verlierte ihren Titel einer Königin
von England, auf den sie so großen Wert legt, obwohl dies eigentlich
lächerlich ist. Zu ihrer Entschuldigung sei jedoch gesagt, daß
sie selbst auch erst sechzehn Jahre zählte...
Karl von Orleans,
nach dem Tod Isabellas von Frankreich mit
achtzehn Jahren Witwer, heiratet 1409 Bonne d'Armagnac.
29.6.1406
1. oo 2. Isabella von Frankreich, Tochter des
Königs Karl VI.
9.11.1389-13.9.1409
1410
2. oo Bona von Armagnac, Tochter des Grafen Bernhard
VII.
um 1395- vor 11.1415 (oder 1430/35)
6.11.1440
3. oo Marie von Kleve, Tochter des Herzogs Adolf
I.
19.9.1426- 7.1486
Kinder:
1. Ehe
Johanna
13.9.1409-19.5.1432
Blois Abbaye de Sr-Aubin-d'Angers
1424
oo 1. Johann II. Herzog von Alencon
2.3.1409- 1476
3. Ehe
Marie
1457- 1493
1476
oo Johann IV. de Grailly Graf von Foix-Etampes
- nach 5.11.1500
Ludwig XII. König von Frankreich
27.6.1462-1.1.1515
Anna Äbtissin von Fontevrault (1477-1491)
um 1464-9.11.1491
Literatur:
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Calmette, Joseph: Die großen Herzöge
von Burgund. Eugen Diederichs Verlag München 1996 Seite 113,117,139,248
- Ehlers Joachim: Geschichte Frankreichs im Mittelalter. W. Kohlhammer
GmbH 1987 Seite 298,300,333-335,345 - Ehlers Joachim/Müller
Heribert/ Schneidmüller Bernd: Die französischen Könige
des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München
1996 Seite 303,315,321,346 - Favier, Jean: Frankreich im Zeitalter
der Landesherrschaft 1000-1515. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1989
Seite 383,385,388,393,407,409,420,453,455 - Jurewitz-Freischmidt
Sylvia: Die Herrinnen der Loire-Schlösser. Königinnen und Mätressen
um den Lilienthron. Casimir Katz Verlag, Gernsbach 1996 Seite 31,36,129,372,456
- Kendall Paul Murray: Ludwig XI. König von Frankreich 1423-1483.
Verlag Callway München 1979 Seite 34,40,71,112,425 - Pernoud
Regine: Christine de Pizan. Das Leben einer außergewöhnlichen
Frau und Schriftstellerin im Mittelalter. Deutscher Taschenbuch Verlag
1990 Seite 120,132,153,158 - Saller Martin: Königin Isabeau.
Die Wittelsbacherin auf dem Lilienthron. Nymphenburger Verlagshandlung
GmbH, München 1979 Seite 173 - Schelle, Klaus: Karl der Kühne.
Burgund zwischen Lilienbanner und Reichsadler. Magnus Verlag Essen Seite
37,50,54,62 - Tamussino Ursula: Margarete von Österreich. Diplomatin
der Renaissance. Verlag Styria Graz Wien Köln 1995 Seite 285,292 -
Tamussino
Ursula: Maria von Ungarn. Ein Leben im Dienst der Casa de Austria. Verlag
Styria Graz Wien Köln 1998 Seite 217,223,228,236 - Treffer
Gerd A.: Johanna von Valois begegen. Sankt Ulrich Verlag Augsburg 2000
Seite 20 - Veldtrup, Dieter: Zwischen Eherecht und Familienpolitik.
Studien zu den dynastischen Heiratsprojekten Karls IV., Studien zu den
Luxemburgern und ihrer Zeit Verlag Fahlbusch/Hölscher/Rieger Warendorf
1988 -
KARL HERZOG VON ORLEANS
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* 26.5.1391 (24.11.1394?), + 4.1.1465
Paris
Amboise
Sohn von Herzog Ludwig und der Valentina Visconti von
Mailand
1.) – Reims 31.3.1398
ELISABETH VON LUXEMBURG,
Herzogin von Görlitz
* 11.1390, + 3.8.1451
Horsewitz
Trier
Begraben: Franziskaner-Minoritenkirche Trier
Tochter von Johann von Luxemburg, Herzog von Görlitz
und der Catharina von Schweden aus dem Hause MECKLENBURG-SCHWERIN
2.) ~ ... 4.6.1404 1. oo Compiegne 29.6.1406
ISABELLA VON FRANKREICH
* 9.11.1389, + 13.9.1409
Paris
Blois
Begraben: Abtei Saint-Laurent zu Blois
Tochter von König Karl VI. dem Wahnsinnigen und der
Isabeau (Elisabeth) von Bayern-Ingolstadt aus dem Hause WITTELSBACH
3.) 2. oo 1410
BONA VON ARMAGNACC
* nach 1394, + vor 11.1415
Tochter von Graf Bernhard VII. und der Bona von Berry
4.) 3. Saint-Omer 26.11.1440
MARIA VON KLEVE
* 19.9.1426, + 23.8.1487
Begraben: zunächst Blois, später Coelestinerkirche zu Paris
2. oo Jean de Ribodanges
Tochter von Herzog Adolf I. und seiner 2. Frau Maria von
Burgund