Begraben: Saint-Denis bei Paris
2. Sohn des Königs Karl
V. der Weise von Frankreich und der Johanna
von Bourbon, Tochter von Herzog Peter
I.
Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 2197
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Ludwig, Herzog von Orleans
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* 13. März 1372, + 23. November 1407
Paris
Paris
Sohn von König Karl V. und der Jeanne de Bourbon
Einer seiner Taufpaten war Bertrand Du Guesclin. 1376
zum Grafen von Valois ernannt. Nach dem Tode des Königs wurde
Ludwig
der
Vormundschaft seiner Onkel (Herzöge von Anjou, Berry und Burgund sowie
Bourbon) unterstellt, die seine Vermählung mit Valentina
Visconti (+ 4. Dezember 1409) aushandelten. 1386 Herzog von
Touraine und durch seiner Frau Graf von Vertus, war Ludwig
reicher an Geld als an Territorialbesitz. Schon in frühen Jahren knüpfte
Ludwig an die polituischen Traditionen des Vaters an: Ausbau
des Staates, intellektuelle Annäherung an die monarchische Gewalt.
Als seine Bruder Karl VI. die Herrschaft
übernahm, sorgte Ludwig für
die Rückkehr der Räte des Vaters, der Marmousets,
an den Hof. Nach dem Ausbruch des Wahnsinns Karls
VI. (er hatte während seines ersten Anfalls versucht, den
Bruder zu töten) kursierten Gerüchte, nach denen Valentina
den König verhext habe und Ludwig der
Magie ergeben sei. Ludwig war auch
während der Regentschaft bestrebt, die politische Linie der wieder
entmachteten Marmousets fortzusetzen. Seit 1391 begann er mit der Bildung
eines Territorialfürstentums: Kauf der Grafschaften Blois und Dunois,
königliche Übertragung des Herzogtums Orleans (1392) sowie
der Grafschaften Angouleme (1394), Perigord (1400) und Dreux;
weitere Käufe (Herrschaften in der Champagne; Grafschaft Porcien,
1400; Herrschaft Coucy); Erwerb von Rechten am Herzogtum Luxemburg(1402).
In seiner Territorialpolitik wie seiner Bündnispolitik am Hofe sah
der Herzog von Burgund, Philipp der Kühne,
eine Bedrohung. Beide Fürsten rivalisierten auch um die Regierung
des Königreiches. Im Gegensatz zu seinen Onkeln strebte Ludwig
die
Modernsierung und Stärkung des Staatswesens an, Erhebung der Steuern
ohne Konsultation der Etats generaux, Territorialerweiterung des Königreiches
(aggressive Haltung gegenüber England und Deutschland).
Ludwig
war Anhänger des avignonesischen Papsttums, das ihn bei seinen italienischen
Ambitionen (Errichtung eines oberitalienischen Königreiches) unterstützte.
Seit 1401 mündete die Spannung mit Burgund in offene Feindschaft ein:
bewaffnete Auseinandersetzungen, Rivalität um die Steuereinnahmen,
die mögliche Regentschaft und die Vormundschaft über die Kinder
des Königs (1403). Nach dem Tode Philipps
des Kühnen (1404) war Ludwig
faktisch Beherrscher des Königreiches, vor allem auf dem Gebiet der
Finanzen. 1404-1405 stammten
Ludwigs
Einkünfte zu 90% aus königlichen Zuwendungen und Pensionen, während
er den neuen Herzog von Burgund,
Johann (Jean
sans peur), von dieser Einnahmequelle abdrängte. 1405 bekämpften
sich die Heere der beiden Fürsten in der Umgebung von Paris. Die von
Ludwig
inspirierte
Wiederaufnahme des Krieges gegen England (1406), mit Zielrichtung auf Calais
und Guyenne, erwies sich als Fehlschlag. Ludwig
zögerte die neue Entziehung der Obödienz an Benedikt XIII. hinaus.
Die Steuern, in Form der grandes tailles, lasteten schwer
auf der Bevölkerung, bei der Johann mit
seinem Reformprogramm (Wiederherstellung traditioneller Freiheiten und
der Kircheneinheit) große Popularität genoß. Johann
ließ
seinen Gegner am 23. November 1407 an einer Ecke der Rue Barbette
in Paris ermorden und dieses Attentat durch den Pariser Magister
Jean Petit als Tyrannenmord rechtfertigen. Ludwig
von Orleans, der Freund der Gelehrsamkeit und Künste, der
mit Philippe de Mezieres befreundet war und die frühen Humanisten
in Paris zu seinen Ratgebern zählte, war stets darauf bedacht, die
Wirksamkeit staatlicher Machtausübung zu steigern. Er hinterließ
drei legitime Söhne (Charles
d'Orleans, den Dichter, Herzog seit 1407; Philippe,
Graf
von Vertus, + 1420 ohne
Nachkommen; Jean,
Graf
von Angouleme) sowie den Batard
d'Orleans, Graf Jean von Dunois,
den Heerführer.
Ehlers Joachim: Seite 254,260,265-268,278,296-298
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"Geschichte Frankreichs im Mittelalter."
Das Herzogtum Orleans fiel zwar schon 1375 mit
dem Tod seines Inhabers Philippan die
Krone zurück, aber 1392 ging es an den zweiten Sohn
Karls
V., Ludwig, der 1394 noch
die Grafschaft Angouleme und 1397 die Grafschaft Blois dazu
erwerben konnte.
Neben Karl, der zum
Ritter heranwuchs, entwickelte sich sein jüngerer Bruder Ludwig,
Graf
von Valois und später Herzog von Orleans, mit seiner
zarten Konstitution und einem früh ausgeprägten Sinn für
dialektisches Argumentieren zum Liebling der gebildeten und intellektuellen
Welt.
Noch ertrug der König die Bevormundung, wurde aber
vor allem durch den Connetable Olivier de Clisson und durch seinen jüngeren
Bruder Ludwig immer stärker zur
eigenen Herrschaft gedrängt, so daß er schließlich gegen
Ende Oktober 1388 das Conseil in Reims zusammentreten ließ und dort
zugunsten eines persönlichen Regiments seine Onkel gegen deren Widerspruch
aus ihren Pflichten für das Reich entließ. Die alten Ratgeber
seines Vaters berief der König sogleich zurück. Die wichtigste
Stimme im Rat aber hatte Ludwig, Herzog
von Touraine.
Am 5. August 1392, zwei Monate, nachdem er seinen Bruder
Ludwig
zum Herzog von Orleans ernannt hatte, brach
Karl VI. unter dem ersten Anfall einer sich künftig periodisch
steigernden, schubweise auftretenden Geisteskrankheit zusammen. Sie machte
den König regierungsunfähig und beendete das Zwischenspiel der
marmousets zugunsten erneuter Regentschaft der Herzöge,
unter denen diesmal allerdings Ludwig von Orleans
die Hauptrolle spielte. Er hatte im Jahre 1389 Valentina
Visconti geheiratet, Tochter des Herzogs Giangaleazzo von Mailand,
besaß als Mitgift die italienische Grafschaft Asti und verfolgte
deshalb mit großer Energie eine Reihe von Projekten auf der Apenninhalbinsel,
die sich ihm nacheinander ergänzend anboten. Da Herzog
Ludwig von Anjou 1384 verstorben war, hatte Papst Clemens VII.
seine Hauptstütze verloren und richtete seine Hoffnungen nun auf den
künftigen Herzog von Orleans, der als Bruder des regierenden Königs
von Frankreich das Gewicht der Großmacht ins Spiel des Papstes bringen
sollte. Aus diesem Grunde wurden LudwigTeile
des Kirchenstaates als Lehen auf Lebenszeit angeboten; Rimini,
Pesaro,
Fossombrone und Faenza sollte er sogleich bekommen, die Anwartschaft
auf Imola, Forli, Bertinoro war fest zugesagt. Als Gegenleistung hätte
er Urban VI. stürzen müssen, ein Vorhaben, das Italien zumindest
auf mittlere Sicht eng an Frankreich binden mußte. Mit einem solchen
Engagement rechneten aber auch andere italienische Staaten: Florenz suchte
französische Hilfe und bot gemeinsame Aufteilung der mailändischen
Herrschaft; der Genueser Adel wollte die Stadt 1392
Karl
VI. unterstellen, wenn er die dort seit Jahren herrschende populare
Regierung beseitige. Ludwig von Orleans
sah jetzt eine gute Gelegenheit, mit dem Aufbau eines von Ost nach West
über die Halbinsel verlaufenden "Königereichs Adria" zu
beginnen, das unter seiner Regierung stehen sollte, aber
Philipp
von Burgund hintertrieb. Das sorgte 1396 für die dem ursprünglichen
Angebot entsprechenden Bindung Genuas an die französische Krone, darin
von Königin Isabeau unterstützt.
Seite 1396 wurde die französische Italienpolitik, bis dahin ohne Augenmaß
und mit wenig Sinn für macht- und geopolitische Tatsachen betrieben,
zum bloßen Anhängsel der Rivalität zwischen den Herzögen
von Orleans und von Burgund. Frankreich litt am Zwiespalt grundsätzlich
verschiedener außenpolitischer Konzepte.
Die seit 1401 offene Feindschaft zwischen den Herzögen
Philipp von Burgund und Ludwig von
Orleans muß in diesem Zusammenhang
gehesehen und bewertet werden; sie steigerte sich noch dadurch, daß
Philipp
im Bund mit Königin Isabeau den
Einfluß seines Neffen auf die Regentschaft immer weiter zurückdrängen
konnte.
Auf dem Felde der großen Politik hatte der Tod
Philipps des Kühnen am 27. April 1404 zu einer Wendung
geführt, denn noch bevor Johann Ohnefurcht
die
umfangreichen Nachlaßregelungen seines Vaters ausgeführt hatte,
war es Herzog Ludwig von Orleans gelungen,
als Bruder des kranken Königs die leitende Stellung am Hof einzunehmen.
Wichtige Staatsämter konnte er sogleich mit seinen Anhängern
besetzen; er veranlaßte Steuererhöhungen zur Finanzierung eigener
Projekte und ließ sich selbst zum Generalkapitän der Guyenne
ernennen,
bald darauf zum Königs-Stellvertreter in Picardie und Normandie.
Damit weckte er allerdings die Opposition jener starken französischen
Partei Burgunds, die ihren Schwerpunkt in Paris hatte. Ihrer Unterstützung
sicherm, zog Herzog Johann im August
1405 an der Spitze eines Heeres nach Paris, verhinderte die Entführung
des Dauphin durch Ludwig von Orleans
und brachte das Land damit an den Rand des Bürgerkrieges, weil der
Gegner nunmehr auch Truppen zur Eroberung der Hauptstadt sammelte und einen
Vermittlungsvorschlag der Universität ablehnte. Erst am 16. Oktober
kam es angesichts der unruhig gewordenen Pariser Bevölkerung zu einem
Friedensschluß.
Am 23. November 1407 wurde Ludwig
von Orleans auf offener Straße, der heutigen Rue Barbette
im 3. Arrondissement, von Bewaffneten angefallen, vom Pferd geschlagen
und grausam ermordet.
Saller Martin: Seite 8,70,84,86,88,96,104,111-115,126-131,138-141,145-151,157-164,166-179
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"Königin Isabeau. Die Wittelsbacherin auf dem Lilienthron."
Ständiger Begleiter ist ihm nun sein um vier Jahre
jüngerer Bruder Ludwig, der den
Titel eines Herzogs von Touraine
führt und der zu einem charmanten,
von Hofdamen umhegten Jüngling herangewachsen ist.
In vollen Zügen genießt auch König
Karls junger, charmanter Bruder, Herzog
Ludwig von Touraine. Spätere Skandalautoren behaupten,
daß es dem angehenden Frauenhelden während des Festtrubels in
St. Denis gelungen sei, in einer Fensternische die Gunst Margaretes
von Bayern zu gewinnen, der jungen Frau seines burgundischen
Vetters Johann, des späteren Herzogs
Johann 'Ohnefurcht' - angeblich Mitursache künftiger Todfeindschaft.
Vor dem Einzug der Königin in Paris gibt es noch
ein anderes rauschendes Hoffest im Schloß von Melun: am 17. August
1389 heiratet der siebzehnjährige Bruder König
Karls, Herzog Ludwig von Touraine,
die dreiundzwanzigjährige sanfte Valentine Visconti, die Tochter
des neuen mächtigen Herrschers über Mailand und die Lombardei,
Johann Galeazzo Visconti. Als Mitgift bringt die Italienerin eine große
Geldsumme sowie die Grafschaft Asti mit in die Ehe - eine Erbschaft,
die den jungen Herzog von Touraine alsbald zu ehrgeizigen italiensichen
Abenteuern verlockt. Eine entfernte Verwandtschaft verbindet Königin
Isabeau mit der Braut ihres Schwagers Ludwig,
den die Hofdamen umschwärmen und dessen galanten Umgang auch sie genießt.
Ende September 1389 verabschieden sich der König
und sein Bruder Ludwig von ihren Frauen
in Vincennes. Sie gehen auf große Besichtigungsfahrt durch die südlichen
Provinzen des Königreichs. Begleitet von seinem Bruder Ludwig
und den drei nun auch versammelten Onkeln, macht Karl
VI. sogleich Papst Klemens VII. seine Auswartungen. Anfang Januar
1390 bricht der König zur Rückkehr nach Paris auf. In Montpellier
verabredet er mit seinem Bruder Ludwig
in jugendhaftem Übermut einen Wettritt nach Paris. Der Verlierer hat
dem Gewinner die Riesensumme von 5.000 Gold-Francs zu zahlen. Am vierten
Tag nach dem Start meldet sich der Herzog von Touraine als erster bei der
Königin und seiner Frau Valentine.
Der junge ehrgeizige und verschwenderische Prinz
hat inzwischen besondere Gunst von seinem königlichen Bruder erfahren.
Karl
VI. nahm Ludwigs Herzogtum Touraine
in den Kronbesitz zurück und übertrug ihm dafür das unvergleichlich
reichere Herzogtum Orleans. So erhöht nannte sich also der
blendende Frauenheld des Hofes nunmehr 'Herzog von Orleans'.
Der junge, erst zwanzigjährige Herzog von Orleans,
dessen Leichtsinn das schrecklige Unglück verursacht hat, ist erschüttert.
Er bekennt seine alleinige Schuld und bittet um Verzeihung, während
die gräßlich zugerichteten Opfer aus dem von Brandgeruch erfüllten
Saal gebracht werden. Er begibt sich auch zu seinem königlichen Bruder,
um sich zu entschuldigen.
Ist Karl gesund und
führt er selbst die Staatsgeschäfte, so gewinnt an seiner Stelle
der Bruder, Herzog Ludwig von Orleans,
dominierenden Einfluß. Versinkt er wieder in der Nacht des Wahns,
so gibt der mächtige Herzog von Burgund den Ton an. Verordnungen,
die Ludwig von Orleans erläßt,
werden vom Burgunder wieder aufgehoben und umgekehrt. Der auf großem
Fuß lebende Bruder des Königs ist schnell zur Hand mit der Verfügung
immer neuer Steuerauflagen. Mit allen Mitteln drängt der ehrgeizige
Bruder des Königs an die Schalthebel der Macht. Im Kronrat prallen
die Meinungen der beiden Rivalen immer schärfer aufeinander.
Nun verfolgte aber Herzog Ludwig
von Orleans im Bunde mit Johann Galeazzo, seinem Schwiegervater,
auch ehrgeizige Italien-Pläne. So gerät die Königin in scharfen
Interessenkonflikt mit ihrem galanten Schwager, was indes das enge persönliche
Verhältnis nicht allzusehr belastet. Auf den Spuren der
ANJOU sucht jetzt auch Ludwig von Orleans
sein Glück auf der Halbinsel. Der Traum von einem adriatischen Reich
und stolzer Königswürde beflügelt ihn. In Avignon gewinnt
er die recht unverbindliche Unterstützung von Papst Klemens VII.,
der ihm, um den römischen Papst Urban VI. zu treffen, Teile des
Kirchenstaates verspricht, die er gar nicht kontrolliert. In der Grafschaft
Asti, die Valentine als Mitgift in die Ehe brachte, setzt Ludwig
den
Hebel an. Frankreichs Königsmacht gebietet Mailand und dem Herzog
von Orleans Halt! Ludwig von Orleans
kapituliert; er gibt seine italienischen Pläne auf. Der König
entschädigt ihn fürstlich mit 300.000 Gold-Francs. Ludwig
geht
nun im Norden daran, seine Macht herausfordernd an den Flanken der burgundischen
Besitzungen zu entfalten.
Der Bruder des Königs macht Front gegen den 'Königsmörder'
Heinrich;
Herzog Philipp hingegen arrangiert
sich mit Rücksicht auf die flandrischen Handelsinteressen mit dem
neuen Herrscher. Die beiden verfeindeten Herzöge geraten abermals
hart aneinander, als es bald nach dem englischen Umsturz auch im Deutschen
Reich zu einem Machtwechsel kommt. Ludwig von
Orleans ergreift drohend Partei für seinen deutschen Partner
WENZEL. Er fürchtet auch für
seine rheinischen Bündnisse. Nach dem italienischen Fiasko ist der
Bruder des Königs darangegangen, rings um die Besitzungen des burgundischen
Rivalen eigene Machtpositionen aufzubauen. Von der Rheinmündung bis
zur Saar knüpft er im Rücken Philipps
ein Netz von Verträgen mit deutschen Landesherren, deren Vasallenschaft
er zum Teil erkauft. So werden der Herzog von Geldern, der Graf von Kleve,
der Erzbischof von Köln und Herzog Karl von Lothringen seine Bundesgenossen.
So hat auch die Wahl RUPRECHTS VON DER PFALZ
zum deutschen König eine Spitze gegen Ludwig
von Orleans, der seinerseits
für eine militärische Intervention in Deutschland rüstet.
Nach einem Besuch von Herzog Stephan,
Vater der Königin Isabeau, in
Paris verzichtet der Herzog von Orleans auf bewaffnetes Eingreifen für
WENZEL.
Mit begehrlichem Blick auf die nördlich von Paris
gelegene Baronie Coucy bemüht sich Isabeaus
Vater um die Hand der vermeintlichen Erbin, Isabella von Lothringen, der
verwitweten zweiten Frau des Burgherrn Enguerrand de Coucy, der im Dienst
Ludwigs
von Orleans war. In Wirklichkeit ist die älteste Tochter
aus Enguerrands erster Ehe, Marie, die Erbin. Den Träumen Stephans
von fernem Besitz und Reichtum bereitet der Herzog von Orleans
ein jähes Ende: er kauft die Baronie, deren gewaltige Burgfeste mit
dem 60 m hohen Donjon seine militärische Macht in der Flanke Burgunds
weiter verstärkt.
Vor allem versteht es Herzog
Ludwig von Orleans, die üppigen Bankette in seiner Residenz
mit 'anmutigen' Fragespielen zu würzen. Der Herzog von Orleans beherrscht
die galante Szene. Wie ein Renaissance-Fürst späterer Zeiten
genießt er alle Freuden zwischen Himmel und Hölle; er pflückt
Blumen, wo er sie findet. Der Bruder des Königs ist nun Ende der Zwanzig,
hochbegabt,
belesen und wortgewandt. Er lebt in verschwenderischem Luxus;
er genießt die Freuden der Jagd mit Falken und Meuten, und er eilt
von Ball zu Ball, von Festlichkeit zu Festlichkeit. Eine stolze Erscheinung
von blendender Eleganz schäumt er über vor Lebenskraft, Ehrgeiz
und dunklen Passionen. Er kann bestrickenden Charme entfalten und gleich
wieder mit ätzendem Sarkasmus veretzen. Bei seinem immensen Geldbedarf
ist er zwar raffgierig, doch auch verschwenderisch großzügig,
wenn er schenkt. Die Damen umschwärnmen den Herzog, der stolz bekundet,
daß sich in der Liebe noch keine über ihn habe beklagen müssen.
Es gehen Gerüchte, daß er einen Ring besitze, dessen Berührung
den tugendsamen Widerstand jeder Frau breche. Der Bruder des Königs
macht auch kein Hehl daraus, daß er sich in Hexerei, in schwarzer
Kunst und Teufelsverschwörungen versucht, worauf der Feuertod steht.
Der Herzog übt sich aber auch in religiöser Versenkung. Er hat
eine eigene Zelle im Pariser Kloster der Cölestiner, das er mit großzügigen
Zuwendungen fördert. Die Kapelle des strengen Ordens strahlt schließlich
in Gold und Edelsteinen. Er nimmt am klösterlichen Leben teil er kann
inbrünstig beten und hört zuweilen mehrere Messen am Tag. Ein
rätselhaftes Nebeneinander von ernsthafter Frömmigkeit und zynischer
Genußsucht, die keine Grenzen kennt.
Im Volk ist Ludwig von Orleans
verhaßt wegen seiner kalten Arroganz und seiner harten Steuererlasse.
In Adelskreisen bewundert man seine Brillanz; man hofiert ihn und fürchtet
zugleich seinen Stachel. Auch Königin Isabeau
ist im Bann der ungewöhnlichen Persönlichkeit des Herzogs, der
selbst den Kampf um die Macht wie ein erregendes, frivoles Spiel zu betreiben
scheint. Sie ist nun Ende der Zwanzig; nach neuen Schwangerschaften beginnt
sie füllig zu werden. So ist auch der galante Lebemann Ludwig
von Orleans nicht unempfänglich für die besondere
Attraktivität ihrer reifen Weiblichkeit. Er ist häufig ihr Gast
und so kann es nicht ausbleiben, daß alsbald getuschelt wird.
Schon im April 1402 erreicht Ludwig
von Orleans von seinem alles gewährenden Bruder die Ernennung
zum obersten Steuerverwalter, dem auch das Recht zur Ernennung von
Beamten für die Einziehung außerordentlicher Steuerauflagen
zusteht. Der verschwenderische Prinz ist damit an der Geldquelle des Staates.
Um diese Zeit steht der Herzog von Orleans, der freilich seinem Bruder
besonders üppige Geldgeschenke und Übereignungen abringt, nur
mit 60.000 Gold-Francs zu Buche. Neuer Zündstoff häuft sich,
als es Ludwig von Orleans gelingt,
vom Grafen JOBST VON MÄHREN für
100.000 Gold-Francs die Pfandherrschaft über das Herzogtum Luxemburg
zu kaufen.
Am 26. April 1403 wird durch Beschluß des Staatrats
(Coeur d'Etats) Königin Isabeau
als
Präsidentin des Staatsrats eingesetzt und Herzog
Ludwig aus der Regentschaft gedrängt.
Während Herzog Johann
im Norden festgehalten wird, greift in Paris Ludwig
von Orleans wieder nach der Macht. Königin
Isabeau, die sich ohne stützenden starken Arm nicht an
der Spitze der Regierung behaupten kann, ergibt sich dem übermächtigen
Zwang der Umstände. Wenn schon nicht der politische Verstand, so sprechen
die Gefühle der vitalen Frau, die in der Ehe nur Qual erduldet, für
den charmanten Bruder des kranken Gemahls. Sie vereinbart mit ihm die Regierung
und folgt seinem Stern. Die Königin deckt mit der Autorität ihrer
formellen Vollmachten und ihres Ranges den Machtanspruch des galanten Schwagers,
mit dem sie nun häufig bei Festlichkeiten und auch privat zusammen
ist.
Am Hof und in Paris mehren sich die Gerüchte über
'besondere Beziehungen' des Herzogs von Orleans zu Königin
Isabeau. Geschenke, die sie tauschen, fallen durch besondere
Kostbarkeit auf. Er ist häufig Gast in ihrem privaten Stadt-Palais,
dem Hotel Barbette.
Der Bruder des Königs hat im übrigen seit geraumer
Zeit - ungeachtet sonstiger beiläufiger Affaire - eine Geliebte, die
er sehr verehrt: Mariette d'Enghien. Sie gebar ihm schon 1403 in
Paris einen Sohn, der unter den Namen Louis Dunois,
'Bastard
von Orleans', ein Weggefährte der Jungfrau von Orleans
wird.
Seite 175-177
Der Mord
Am Abend des 23. November 1407 weilt der Herzog
von Orleans bei der Königin im Hotel Barbette. Er ist häufig
ihr Gast in diesen Wochen und die Verschwörer wissen es. Zwei Wochen
zuvor, am 10. November, hat Isabeau ihr
letztes, ihr zwölftes Kind zu Welt gebracht, das aber nach der offiziellen
Überleiferung schon wenige Stunden nach der Geburt starb, Philipp
benannt. Am Hofe tuschelt man Vermutungen über die Vaterschaft. Es
liegt auch der Schleier einer merkwürdigen Diskretion über der
Wochenstube, was später - und schließlich wieder in unseren
Tagen - Anlaß ist für bohrende Fragen und interessante Schlußfolgerungen.
Gegen acht Uhr erscheint der Kammerherr des Königs,
Thomas Courteheuse, mit angeblich dringender königlicher Botschaft
für den Herzog von Orleans. Angemeldet und vorgelassen meldet er:
"Monseigneur, der König bittet Sie, gleich zu ihm zu kommen; er will
mit Ihnen eilig eine Angelegenheit besprechen, die ihn und Sie sehr betrifft."
Isabeau ist irritieret.
Die späte Stunde ist höchst ungewöhnlich für eine Vorladung
zum König Der Herzog verabschiedet sich arglos, besteigt sein Pferd
und macht sich auf den Weg zur nahen Residenz. Zwei berittene Knappen und
einige Fackelträger begleiten ihn. Es ist tiefe Nacht und ziemlich
neblig. Ludwig hat nur einen schwarzen
Damast-Mantel über die Schulter geworfen; sorglos singt er vor sich
hin. Da springen plötzlich Männer aus der Dunkelheit und dringen
auf die kleie Gruppe ein. "Ich bin der Herzog von Orleans", ruft ihnen
Ludwig
warnend zu. "Den suchen wir gerade!", tönt es höhnisch
zurück, und schon wird auf ihn eingeschlagen. Schwer getroffen fällt
Ludwig
vom Pferd. Die Mörder fahren
fort, mit Schwertern und Streitäxten seinen Körper zu zerfleischen.
Auch ein deutscher Knappe und zwei Diener werden neidergemacht; die anderen
fliehen. Anwohner hören noch ein kurzes Kommando: "Löscht die
Fackeln! Fort nun! Er ist tot!" Dann verschluckt die Nacht die Meuchelmörder.
Die Anwohner stürzen auf die Straße und geben
Alarm. Furchtbar zugerichtet liegt der Herzog im Schmutz. Die linke Hand
ist abgeschlagen; aus dem zerschmetterten Kopf fließt das Gehirn.
Neben ihm röchelt noch der deutsche Knappe. Man bringt die Toten in
das nebenan liegende Stadthaus Hotel de Rieux, wo der herbeigerufene Stadtvorsteher
Tignonville erste Erhebungen macht. Später werden die Opfer in einer
benachbarten Kirche aufgebahrt.
Der Anschlag war von langer Hand geplant. Das verdächtige
Haus hat Herzog Johann von Burgund
schon am 17. November in aller Diskretion auf den Namen eines Mittelmanns
anmieten lassen. Die Mörder warteten dort auf das Zeichen des mitverschworenen
Kammerherrn des Königs, der Ludwig von Orleans
die
falsche Botschaft brachte. Ihr Chef war jener Raoul d'Anquetonville, gegen
den 1401 die Königin wegen Unterschlagung geklagt und den Ludwig
von Orleans dann 1405 auch aus seinem neuen Posten im Schatzamt
entlassen hatte ...
Hoensch, Jörg K.: Seite 172,204,214,221
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"Die Luxemburger. Eine spätmittelalterliche Dynastie
gesamteuropäischer Bedeutung 1308-1437."
Entgegen früheren Absprachen mit KARL
IV. hatte König Ludwig
seiner Tochter Katharina 1374 von Vertretern
des polnischen Adels und der Städte huldigen lassen und seine somit
offensichtlich für die Nachfolge in Polen bestimmte Erstgeborene Ludwig
von Orleans, dem zweiten Sohn Karls
V., zur Ehe versprochen. Da in den Heiratskontrakt nicht nur
eine Huldigung durch die ungarischen Stände vereinbart, sondern den
Verlobten auch französische Unterstützung bei der Nachfolgeregelung
in Neapel nach dem Tode Königin Johannas
I. zugesichert worden war, hatte der Kaiser für SIGISMUND
noch keinefalls den angestrebten Thron gewonnen. Als Katharina
von Ungarn im Sommer 1378 starb, wurde danach der Plan einer
neapolitanisch-ungarischen Personalunion fallengelassen.
Die Gefahr, daß das von Kaiser
KARL IV. so geschickt geknüpfte Netz der dynastischen Verbindungen
zugunsten der LUXEMBURGER an einer
entscheidenden Stelle reißen könnte, wurde offenkundig, als
die Königin-Witwe Elisabeth im
Spätjahr 1384 mit der Annäherung Ungarns an Frankreich
Ludwig von Orleans, der angesichts der zeitweiligen Regierungsunfähigkeit
seines Bruders meist die Geschäfte führte [Richtigstellung:
Karl
VI. fiel erst im Jahre 1392 in Wahnsinn, so daß der zwölf-
oder dreizehnjährige Ludwig von Orleans 1384
nicht die Regentschaft für seinen Bruder führen konte!], die
Ehe mit Königin Maria anbot und
Anfang 1385 deren Verlobung mit SIGISMUND
löste. Im September 1385 landete Karl von
Durazzo in Dalmatien und beanspruchte als nächster männlicher
Verwandter König Ludwigs I. die
Nachfolge. SIGISMUND gelang es nur,
im Herbst die Eheschließung und den Vollzug des Beilagers zu erzwingen,
bevor er fluchtartig das Land verlassen mußte.
Da Karl VI. wegen
einer seine geistigen Fähigkeiten zeitweilig beeinträchtigenden
Krankheit als Verhandlungspartner ausfiel, vereinbarte WENZEL
im März 1398 in Reims mit dem Regenten Ludwig
von Orleans aber bloß die Erneuerung des Freundschaftsbundes
zwischen den Häusern VALOIS und
LUXEMBURG
sowie eine Heirat des Herzogs-Sohns Karl mit
seiner Nichte Elisabeth vonGörlitz.
Um Geld zu bekommen, hatte der Markgraf seine Pfandrechte
an dem strategisch wichtigen Herzogtum Luxemburg an den mächtigen
Herzog
Ludwig von Orleans veräußert.
Hoensch, Jörg K.: Seite 41,54
***************
"Kaiser Sigismund. Herrscher an der Schwelle zur Neuzeit
1368-1437."
Während jetzt erst KARL
IV. die Verlobung SIGISMUNDS
mit Katharina von Zollern auflöste, dafür aber seine Tochter
Margarethe
dem Burggrafen-Sohn Johann III. zur Frau versprach, hatte bereits
am 17. September 1374 in Kaschau
Ludwig I.
seiner Tochter Katharina von Vertretern
des polnischen Adels und der Städte huldigen lassen und die somit
offensichtlich für die Nachfolge in Polen bestimmte Erstgeborene Ludwig
von Orleans, dem zweiten Sohn Karls
V. von Frankreich, zur Ehe versprochen.
Wahrscheinlich war es der Initiative des Palatins Garai
zuzuschreiben, daß der mit dem Tod Katharinas
1378 aufgegebene Plan, durch eine Ehe mit Ludwig
von Orleans die Verbindung zum französischen Hof zu intensivieren,
im Spätherbst 1384 und jetzt mit Maria als
möglicher Gattin reaktiviert wurde. Die Verhandlungen mit dem angesichts
der offenkundigen Regierungsunfähigkeit seines Bruders Karl
VI. die politischen Geschäfte steuernden Ludwig
kamen so zufriedenstellend voran, daß Anfang 1385 die in Ungarn unpopuläre
Verlobung aufgelöst und im April Maria
mit dem durch einen Gesandten vertretenen Ludwig
von Orleans per procurationem getraut wurde. Eine hochrangige,
vom siebenbürgischen Wojewoden Laszlo Losonci geführte ungarische
Delegation, der 150 Ritter angehörten, machte sich danach auf den
Weg
nach Paris, um den neuen Prinzgemahl nach Ungarn zu geleiten.
17.8.1389
oo Valentine Visconti von Mailand, Tochter
des Herzos Gian Galeazzo
1366-4.12.1408
8 Kinder: 5 S, 3T
Tochter
1390- 1390
Karl I. Herzog von Orleans
26.5.1391-4.1.1465
Johann
- vor
31.10.1393
Karl
11.1394- vor 27.9.1395
Philipp Graf von Vertus
7.1396-1.9.1420
Margarete Gräfin von Vertus seit 1420
1406-24.4.1466
1423
oo Richard von Bretagne Graf zu Etampes
1395-2.6.1438
Johann Graf von Angouleme
26.6.1404-30.4.1467
Illegitim
von Mariette d'Enghien
Jean Graf von Dunois
23.11.1402-24.11.1468
Literatur:
-----------
Calmette, Joseph: Die großen Herzöge
von Burgund. Eugen Diederichs Verlag München 1996 Seite 70,77,88-92,95-99,103,112,129,149,
238 - Ehlers Joachim: Geschichte Frankreichs im Mittelalter. W.
Kohlhammer GmbH 1987 Seite 254,260,265-268,278,287,290,294, 296-298,303,306,328
- Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller
Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis
Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 285,299,303,308-311,313,318,323
- Favier, Jean: Frankreich im Zeitalter der Landesherrschaft 1000-1515.
Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1989 Seite 363-366,368,371,373,375,378-382,451
- Hoensch, Jörg K.: Die Luxemburger. Eine spätmittelalterliche
Dynastie gesamteuropäischer Bedeutung 1308-1437. Verlag W. Kohlhammer
2000 Seite 172,204,214,221,224,227,253,317 - Hoensch, Jörg
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Verlag C.H. Beck München 1996 Seite 18,41,54,56,75,167,177,228,239
- Jurewitz-Freischmidt Sylvia: Die Herrinnen der Loire-Schlösser.
Königinnen und Mätressen um den Lilienthron. Casimir Katz Verlag,
Gernsbach 1996 Seite 13,17,20-22,24-30,40,58,114,129,456 - Kendall
Paul Murray: Ludwig XI. König von Frankreich 1423-1483 Verlag Callway
München 1979 Seite 39,425,459,558 - Markale, Jean: Isabeau
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Isabeau. Die Wittelsbacherin auf dem Lilienthron. Nymphenburger Verlagshandlung
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202,250,260,267,269,308,318-322- Schaab Meinrad: Geschichte der
Kurpfalz. Verlag W. Kohlhammer 1988 Seite 132,135- Schelle, Klaus:
Karl der Kühne. Burgund zwischen Lilienbanner und Reichsadler. Magnus
Verlag Essen Seite 21,25 - Veldtrup, Dieter: Zwischen Eherecht und
Familienpolitik. Studien zu den dynastischen Heiratsprojekten Karls IV.,
Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit Verlag Fahlbusch/Hölscher/Rieger
Warendorf 1988 -
LUDWIG VON ORLEANS
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* 13.3.1372, + 23.11.1407
Paris
Paris
Begraben: Saint-Denis bei Paris
Sohn von König Karl V. dem Weisen und der Johanna
von Bourbon
1.) – Paris 10.8.1374
CATHARINA VON UNGARN
* 7.1370, + nach 8.5.,
wohl Ende 1378
Tochter von König Ludwig I. dem Großen von
Ungarn und Polen und seiner 2. Frau Elisabeth von Bosnien
2.) - ... 6.7.1385
MARIA VON UNGARN
* 1371? (April 1371/April
1373), + 17.5.1395
bei Ofen
Begraben: Großwardein
Tochter von König Ludwig I. dem Großen von
Ungarn und Polen und seiner 2. Frau Elisabeth von Bosnien
3.) - ... 1385/86
CATHARINA VON LANCASTER
* 1374, + 2.6.1418
Bayonne Valladolid
Tochter von Johann von Gaunt, Herzog von Lancaster und
seiner 2. Frau Konstanze von Kastilien
4.) ~ Pavia 27.1.1387 nach Dispens Avignon 25.11.1386, oo Melun 17.8.1389
VALENTINA VISCONTI VON
MAILAND
1370, + 4.12.1408
Tochter von Herzog Gian Galeazzo und seiner 1. Frau Isabella
von Frankreich