Begraben: Saint-Denis zu Paris
Tochter des Signore Gian Galeazzo Visconti von Mailand
und
der
Isabella von Frankreich, Tochter
von
König Johann II.
Lexikon des Mittelalters: Band VIII Spalte 1726
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Visconti, Valentina (Valentine)
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* 1370, + 4. Dezember 1408
Tochter von Gian Galeazzo Visconti und der Isabella von Frankreich, Tochter König Johanns II.
Die Vermählung ihrer Eltern wurde 1360, zum Zeitpunkt
des Vertrags von Bretigny, geschlossen, primär um mit Hilfe des Mailänder
Geldes das Lösegeld für Johann den Guten
aufzubringen. Die Ehe zwischen Valentina Visconti und Ludwig,
dem Bruder König Karls VI. und
künftigen Herzog von Orleans, der damals Herzog von Tourraine war,
wurde 1387 vertraglich geschlossen und am 17. August 1389 zu Melun gefeiert.
Die Dos umfaßte die Grafschaft Asti und 450.000
Goldgulden, ergänzt durch weitere Summen. Insgesamt erhielt Ludwig
649.000 Goldgulden, die ihm den Kauf mehrerer großer Seigneurien
(Grafschaften Dunois und Porcien) ermöglichten. Nach dem Tode Gian
Galezzos nahm Ludwig 1402 die Grafschaft
Vertus in Besitz. - Valentina hielt ihren Einzug in Paris am 22.-25.
August 1389, anläßlich der Krönung der
Königin
Isabella. De Erkrankung Karls VI.
zwang Valentina 1396, den Hof zu verlassen, da sie von den Gegnern
ihres Mannes beschuldigt wurde, den König vergiftet oder behext zu
haben. Sie residierte fortan auf den Schlössern ihres Gemahls. Als
Herzog
Ludwig am 23. November 1407 dem vom Herzog von Burgund angestifteten
Assassinat zum Opfer fiel, weilte Valentina Visconti auf Chateau-Thierry,
von wo aus sie unverzüglich nach Paris reiste, um vor dem König
Klage zu führen, doch erreichte sie nur die Einsetzung in die Vormundschaft
ihrer Kinder, darunter auch des ‚Bastards von Orleans‘ (Dunois), und das
Recht, in die Lehen des Herzogs einzutreten. Schließlich zog sie
sich nach Blois zurück. Ihr letztes Leebnsjahr stand ganz im Zeichen
des Kampfes um die Rehabilitation ihres ermordeten Gemahls. Als Führerin
der Orleans-Partei erreichte sie (nach der öffentlichen Rechtfertigung
des Assassinats als Tyrannenmord durch Jan Petit), dass ihr Anhänger
Thomas du Bourg, Abt von Cerisy, vor dem versammelten Hof im großen
Saal des Louvre eine Verteidigungsrede zugunsten Ludwigs
halten konnte.
Die Herzogin hinterließ bei ihrem frühen Tod
8 Kinder,unter ihnen
Charles d’Orleans, Herzog und Dichter (*
1394)
Philippe (* 1396)
Jean (* 1400), Vorfahr von Franz I.
Marguerite, Vorfahrin von Anna von Bretagne.
Valentina Visconti stand im Ruf hoher Weisheit
und Tugend; die bereits von humanistischem Geist geprägten Dichter
haben ihr Lob gesungen: Eustache Deschamps und Honore Bouvet, besonders
aber die größte Autorin der Zeit, Christine de Pisan, die Valentina
als gute, in vorbildlicher Weise um die Erziehung ihrer Kinder besorgte
Mutter rühmt.
Markale Jean: Seite 74,91/92,101/02,181/82,183,200,201,207/08
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„Isabeau de Baviere“
Hatte man behauptet, Ludwig von
Orleans umgebe sich mit Hexenkünstlern und habe ein offenes
Ohr für sie? Und vor allem stammte Valentina Visconti, seine
Gemahlin, aus der Lombardei, einem Land, das berühmt war für
seine Gifte und für die Verfluchungen, die seine Hexen auszusprechen
pflegten. Weshalb also nicht die Vermutung nahe legen, Valentina Visconti,
von der man wusste, dass sie stolz und von maßlosem Ehrgeiz
erfüllt war, habe Königin von Frankreich werden wollen, indem
sie ihren Gemahl an die Macht brachte?
Kurioserweise war seine Schwägerin Valentina
Visconti die einzige Frau bei Hofe, die noch einigen lindernden Einfluss
auf den König hatte. Sie brauchte nur zu erscheinen und ein paar Stunden
an der Seite des Königs zu verbringen, und schon beruhigte sich seine
Raserei. Er plauderte mit ihr. Er spielte mit ihr Karten. Er verlangte
häufig nach ihr. Von da an bedurfte es nur noch eines Schrittes
bis zu der Vorstellung, es habe eine Liebesaffäre zwischen dem König
und Valentina gegeben. Die Tatsachen sprechen jedoch dagegen. Die
Gegenwart Valentinas wirkte wie Medizin auf den König, und
man muss sagen, dass die Herzogin von Orleans dieser Funktion, so
gut sie konnte, gerecht wurde. Natürlich erregte sich die öffentliche
Meinung über die Frage, welchen Einfluss die Herzogin wohl auf den
Verstand des Königs hatte. Dies ging sogar soweit, dass Ludwig
seiner Gemahlin raten musste, den Hof und die Umgebung des Königs
zu verlassen und ihre Domänen aufzusuchen, damit sich die erregten
Gemüter beruhigten. Der Herzog von Mailand war höchst empört
über den vom Herzog von Burgund geschürten Affront gegen seine
Tochter.
Es wurde aber noch ein anderes Motiv für Valentinas
Entfernung vom Hof angeführt, und dieses könnte das wahre gewesen
sein, während die Genueser Affäre vielleicht nur ein Vorwand
war: die Eifersucht der Isabeau de Baviere,
die sich durch den Umstand verletzt fühlte, dass ihr Gemahl Valentina
den Vorzug gab. Immerhin ist zu erwähnen, dass man ganz offen
darüber munkelte Valentina hege zärtliche Gefühle
für den König, und dies war keineswegs dazu angetan, den Groll
der Königin gegen ihre Schwägerin zu besänftigen.
Valentina Visconti, die Herzogin von Orleans,
wohnte der Beisetzung ihres Gatten nicht bei - man hatte sie von dem Drama
noch nicht informiert. Am übernächsten Tag traf Valentina Visconti
ein. Sie residierte in Chateau-Thierry, als sie die Nachricht von der Ermordung
ihres Gemahls erhielt. Die Herzogin von Orleans verlor keine Zeit: Sofort
schickte sie ihre drei Kinder, Charles,
den neuen Herzog von Orleans, sowie Philippe,
Graf von Vertus, Jean,
Graf von Angouleme, und
Jean le Bastard (Graf von Dunois), den sie mit viel Liebe selbst
aufzog, in die befestigte Stadt Blois, denn sie wusste, dass sie dort vor
allem, was der Herzog von Burgund versuchen könnte, sicher sein würden.
Dann begab sie sich in tiefer Trauer, doch mit einem gnadenlosen Zorn im
Herzen, nach Paris, um Gerechtigkeit zu fordern.
Natürlich könnten Schmerz und Zorn der Valentina
Visconti nach der Ermordung eines Gemahls verwundern, der solange vor
aller Augen mit allen Frauen des Hofes und allen Schönheiten, die
in seine Reichweite kamen, betrogen hatte. Doch eins ist sicher: Die Herzogin
liebte Ludwig abgöttisch, und
dieser liebte allem Anschein zum Trotz seine Gemahlin nicht weniger. So
paradox es klingen mag, bildeten Valentina und Ludwig
aufgrund ihrer Gefühle, ihrer Begeisterung für Freisinn und Raffinement,
ihrer Liebe zu Dichtung und Kunst sowie aufgrund ihrer gemeinsamen Liebe
zu ihren Kindern ein fest vereintes Paar.
Im Jahre 1408 kam es zum Frieden zwischen der Königin
Isabeau und dem Herzog von Burgund. Darüber war Valentina
Visconti alles andere als glücklich. Sie sah voraus, dass die
Verhandlungen im wesentlichen auf eine Begnadigung wenn nicht gar auf einen
Freispruch des Mörders von Louis d’Orleans
hinauslaufen könnten. Sie versuchte mit all ihrer Autorität auf
die Verhandlungen einzuwirken und den Beschluss des Abkommens hinauszuzögern.
Doch es half nichts. Die Herzogin von Orleans wurde aufs Krankenlager geworfen
und konnte sich nicht wieder erholen. Manche behaupten, der Kummer und
der Schmerz sowie der Umstand, dass sie keinerlei Macht hatte, ihren Gemahl
zu rächen, wären die Ursache ihrer Krankheit gewesen. Andere
behaupten, auch in der Entourage des Herzogs von Burgund habe man mit Gift
umzugehen gewusst. Tatsächlich kam das Verschwinden der Person, die
ihn mit einem solchen Hass verfolgte, Johann Ohnefurcht
höchst gelegen, doch wir haben keinerlei Beweise. Auf alle Fälle
war Valentina Visconti vom Tode gezeichnet. Sie ließ ihre
Kinder zu sich kommen. Und sie, deren Devise, seitdem sie zur Witwe
geworden war, nur noch lautete: „Nichts habe ich mehr, denn mehr habe ich
nicht“ starb im Alter von 35 Jahren (+ 14. Dezember 1408) an „Groll
und Missfallen“, wie Monstrelet schreibt, an „Groll und Trauer“,
wie Juvenal des Ursins berichtet. Mit ihr verschwand eine der bemerkenswertesten
Frauen des Jahrhunderts, in der sich unbestreitbar bereits der Geist der
Renaissance ankündigte.
Saller Martin: Seite 114-115
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"Königin Isabeau. Die Wittelsbacherin auf dem Lilienthron."
Auf dem Höhepunkt der Italien-Kriese wurde die liebenswürdige, sanfte Frau des Herzogs von Orleans, Valentine, das Opfer einer bösen Kabale. Sie hatte den König während eines neuen Anfalls, der Anfang Juni 1395 begann und erst im Februar de folgenden Jahres ausklang, noch geduldig gepflegt. Zur allgemeinen Verwunderung erkannte er aber diesmal seine engen Vertrauten und Diener - nur nicht die Königin und seine Kinder, die er feindselig zurückwies. Allein Valentines Gesellschaft und Betreuung duldete er. Der Herzog von Burgund und die irritierte Königin beargwöhnten den suggestiven Einfluß der scharmanten Italienerin auf Karl. Sie befürchteten, daß sie den König für die Italien-Pläne ihres Mannes gewinnen könnte. So schürten burgundische Vertrauensleute in den Tavernen und auf den Märkten von Paris die schon lange umlaufenden Gerüchte, daß Valentine mit schwarzen Teufelskünsten den Geist des Königs verwirre; daß sie mit tückischen Giften hantiere und sogar plane, den König und den Dauphin zu beseitigen, um ihrem Mann den Weg zum Thron freizunmachen. Die sanfte Italienerin war alles andere als eine Giftmischerin und jedermann am Hofe wußte es. Es bemühten sich auch aufgeklärte Theologen und Ärzte, dem Gerede Einhalt zu gebieten. Aber Massenwahn pflegt schenll zu wuchern und Herzog Philipps Vertrauensmänner verstanden es, die 'öffentliche Meinung' zu kneten. Die üblen Gerüchte fanden im abergläubischen Volk fruchtbaren Boden, da Valentienes Gemahl wegen seiner Verschwendungssucht und Arroganz zutiefst verhaßt war. Die Unruhe brodelte schließlich so bedrohlich, daß Ludwig von Orleans dem Rat des Marschalls Louis de Sancerre folgte und seine Frau aus Paris entfernte. Anfang April verließ Valentine mit großem Gefolge und Pomp die Hauptstadt. Sie lebte fortan mit ihren Kindern weitab an der Loire, im Schloß von Blois. Da sie dort politische Kreisenicht mehr stören konnte, nahm Isabeau bald Briefkontakt mit ihr auf und schickte ihr auch Geschenke.
Veldtrup Dieter:
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„Zwischen Eherecht und Familienpolitik“
VALENTINA VISCONTI VON MAILAND
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* 1370, + 4.12.1408
Blois
Begraben: Saint-Denis zu Paris
Tochter von Herzog Gian Galeazzo Visconti und der Isabella von Frankreich
1.) ~ ... 26.8.1379 Dispens 2.6.1380
CARLO VISCONTI VON MAILAND
* , + 1391
Sohn von Barnabo und der Beatrix della Scala von Verona
2.) - ... 1383-Mitte 1385
JOHANN VON LUXEMBURG, Herzog von Görlitz
* 22.6.1370, + 1.3.1396
Prag Kloster Neuzelle/Lausitz
3.) - ... 14.7.1385
LUDWIG II. HERZOG VON ANJOU, Titular-König von Neapel
* 5.10.1377,
+ 29.4.1417
Toulon
Angers
4.) - ... 1386
LADISLAUS VON DURAZZO, König von Neapel
* 15.2.1377, + 6.8.1414
Neapel Neapel
Sohn von König Karl III. von Neapel und der Margaretha von Durazzo
5.) ~ Pavia 27.1.1387 nach Dispens Avignon 25.11.1386, oo Melun 17.8.1389
LUDWIG HERZOG VON ORLEANS
* 13.3.1372, + 23.11.1407
Paris Paris
8 Kinder: 5 S, 3T
Tochter
1390- 1390
Karl I. Herzog von Orleans
26.5.1391-4.1.1465
Johann
- vor 31.10.1393
Karl
11.1394- vor 27.9.1395
Philipp Graf von Vertus
7.1396-1.9.1420
Margarete Gräfin von Vertus seit 1420
1406-24.4.1466
1423
oo Richard von Bretagne Graf zu Etampes
1395-2.6.1438
Johann Graf von Angouleme
26.6.1404-30.4.1467
Literatur:
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Calmette, Joseph: Die großen Herzöge
von Burgund. Eugen Diederichs Verlag München 1996 Seite 71,89,98,105,109
- Ehlers Joachim: Geschichte Frankreichs im Mittelalter. W. Kohlhammer
GmbH 1987 Seite 266 - Jurewitz-Freischmidt Sylvia: Die Herrinnen
der Loire-Schlösser. Königinnen und Mätressen um den Lilienthron.
Casimir Katz Verlag, Gernsbach 1996 Seite 22,30,129,163,456 - Markale,
Jean: Isabeau de Bavarie. Eugen Diederichs Verlag München 1994 Seite
74,91/92,101/02,181/82,183,200,201,207/08 - Pernoud Regine: Christine
de Pizan. Das Leben einer außergewöhnlichen Frau und Schriftstellerin
im Mittelalter. Deutscher Taschenbuch Verlag 1990 Seite 43,66,86,101,123,130
- Saller Martin: Königin Isabeau. Die Wittelsbacherin auf dem
Lilienthron. Nymphenburger Verlagshandlung GmbH, München 1979 Seite
71,73,75,79,83,88,92,105,108,111,113-115,120,179,183,187 - Schelle,
Klaus: Karl der Kühne. Burgund zwischen Lilienbanner und Reichsadler.
Magnus Verlag Essen Seite 26 - Schnith Karl: Frauen des Mittelalters
in Lebensbildern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1997 Seite 361 - Tuchmann
Barbara: Der ferne Spiegel. Deutscher Taschenbuch Verlag München 1995
Seite 410,439,494 - Veldtrup, Dieter: Zwischen Eherecht und Familienpolitik.
Studien zu den dynastischen Heiratsprojekten Karls IV., Studien zu den
Luxemburgern und ihrer Zeit Verlag Fahlbusch/Hölscher/Rieger Warendorf
1988 -