Illegitime Tochter des Grafen
Siegfried III. von Boyneburg; Schwester von Abt
Heinrich von Corvey und Graf
Siegfried IV. von Boyneburg
Nach Lange Tochter von Siegfrieds III. von Boyneburg
Witwe
Adelheid
aus deren 2. Ehe
Lange Karl-Heinz: Seite 128-131
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"Die Grafen von Northeim 950-1144" 1958
In der einschlägigen Literatur findet sich durchweg
die Ansicht vertreten, dass Graf Siegfried III. von Boyneburg zwei
weitere Kinder, Heinrich und Judith, gehabt habe. Diese Annahme
stützt sich in der Hauptsache auf Quellen Korveier Herkunft, in denen
beide als Geschwister untereinander und eines Grafen Siegfried bezeichnet
werden, der, wie sich aus dem jeweiligen Zusammenhang ergibt, nur Siegfried
IV. von Boyneburg, der Sohn Siegfrieds III., sein kann. Nach
dem Tode Abt Adalberos von Korvei wurde Heinrich,
der bis dahin Mönch im Kloster gewesen war, dem Konvent am
1. Juni 1143 durch einen Gewaltakt des Korveier Edelvogtes, Siegfrieds
IV. von Boyneburg, als neuer Abt aufgezwungen, am 21. März 1146
jedoch durch einen Spruch des Kardinallegaten Thomas seiner Würde
entsetzt. Alle seine Bemühungen, in Korvei oder Oldisleben seine Stellung
zurückzugewinnen, waren in der Folgezeit zum Scheitern verurteilt.
Im Februar 1152 tritt er uns zum letzten Male in der Briefsammlung Abt
Wibalds von Korvei (1146-1158), die für seine Geschichte unsere vorzüglichste
Quelle ist, entgegen.
Heinrichs Schwester
Judith,
über deren Person Wibalds Briefe gleichfalls nähere Aufschlüsse
geben, wurde zu unbekannter Zeit, möglicherweise durch die Mitwirkung
Siegfrieds IV. von Boyneburg, Äbtissin des Stifts St. Cyriacus
von Eschwege und der Reichsabtei Kemnade. In Kemnade traf sie etwa
zur gleichen Zeit wie ihren Bruder Heinrich das
Absetzungsurteil des Kardinallegaten Thomas. Am 15. Juni 1146 wurde sie
mit Gewalt aus Kemnade vertrieben und begegnet seit dem Jahre 1148 als
Äbtissin
des Kölner Stifts Geseke, wo sie noch im April 1150 nachzuweisen
ist.
Es ist in diesem Zusammenhang nicht unsere Absicht, die
Geschichte
Heinrichs und Judiths
im
einzelnen zu behandeln, zumal wir über diesen Gegenstand die ausführlichen
Darstellungen Lübecks besitzen. Es kommt uns vielmehr hier in erster
Linie darauf an, das verwandtschaftliche Verhältnis
Heinrichs
und Judiths zu den
Grafen
von Boyneburg einer genaueren Prüfung zu unterziehen, als es bisher
der Fall gewesen ist. Sollten beide als Geschwister Siegfrieds IV.,
wie bisher allgemein angenommen, Kinder Siegfrieds III. sein, so
hätte man ihre Geburt spätestens in die Jahre 1107 und 1108 zu
setzen, da Siegfried III. im Jahre 1107 starb. Aber bereits an diesem
Punkte ergeben sich Schwierigkeiten. Schon Dürre war es aufgefallen,
dass Judith im Jahre 1147 "femina et conversatione et etate iuvencula"
genannt wird, eine Bemerkung, die für eine mindestens 40 Jahre alte
Frau keineswegs angebracht sein kann. Dürre war daher geneigt, den
Tod Siegfrieds III. um das Jahr 1126 und die Geburt Judiths
zwischen 1122 und 1126 anzusetzen. In Weiterverfolgung dieses Problems
hat Bernhardi auf zwei andere Korveier Briefstellen hingewiesen, wo von
Judiths Bruder
Heinrich im Jahre
1143 gesagt wird, dass er "apud nos adhuc in annis adolescentiae et
nuper absolutes de subiugio claustralis ccustodiae und ..... " quod
infra annos (das heißt hinsichtlich seiner Wählbarkeit)....
esset."
Auch diese Bemerkungen über Heinrich
sind gänzlich unangebracht, hätte dieser doch damals mindestens
35 Jahre zählen müssen. Benrhardi, der die Geschwisterschaft
Judiths
und
Heinrichs
mit Siegfried IV. trotz allem gelten lassen möchte, läßt
daher offen, ob die oben zitierten Angeben der Korveier Quellen für
unwahr zu erklären seien oder Graf Siegfried III., der Vater
Heinrichs
und
Judiths,
wesentlich später als 1107 (oder 1108) gestorben sein müsse,
wodurch die angedeuteten zeitlichen Schwierigkeiten fallen würden.
Wir können uns jedoch nicht entschließen eine
dieser Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen. Es erscheint als
völlig ausgeschlossen, dass die zwei gänzlich voneinander unabhängigen
Quellen entstammenden Angaben über das Alter der beiden Geschwister
Siegfrieds
IV. nicht der Wahrheit entsprechen. Andererseits ist das Jahr 1107
als Todesjahr Siegfrieds III. quellenmäßig gesichert,
so dass es nicht ohne weiteres gestattet sein kann, seinen Tod in die 20-er
Jahre des 12. Jahrhunderts zu verlegen und annehmen zu wollen, dass er
noch im Alter von etwa 70 Jahren Vater zweier Kinder geworden sei. Man
muß nun aber am Todesjahr Siegfrieds III. und den Angaben
der Korveier Quellen über das Alter der vermeintlichen Geschwister
Siegfrieds
IV. von Boyneburg festhalten, so bleibt nur die Möglichkeit, dass
man, um die zeitlichen Schwierigkeiten zu umgehen, Heinrich
und
Judith
für Halbgeschwister Siegfrieds erklärt. Sie hätten
dann zusammen nur die Mutter, die unbekannte Gemahlin Siegfrieds III.,
gemeinsam gehabt. Da sich aber Siegfried IV. und seine Schwester
Richenza
unzweifelhaft als Kinder Siegfrieds III. nachweisen lassen, so können
Heinrich
nd Judith
nur aus einer 2. Ehe der Gemahlin Siegfrieds III.
stammen,
die diese dann nach dem Tode Siegfrieds III. (+ 1107) geschlossen
haben muß. Die zeitlichen Verhältnisse sind für eine derartige
Ansetzung keineswegs ungünstig. Da Siegfrieds IV. Schwester
Richenza
etwa um 1100 geboren sein wird, könnte man Siegfrieds Geburt
um 1095 ansetzen. Siegfried wäre somit das älteste Kind
seines gleichnamigen Vaters und hätte nach dessen Tod den väterlichen
Herrschaftsbereich in sehr jungen Jahren übernehmen können. Siegfried
III. selbst hätte mit 30-40 Jahren eine sehr junge Frau geheiratet,
die nach seinem Tode in einer 2. Ehe, etwa zwischen 1117 und 1120, im Alter
von 35 bis 40 Jahren die Mutter der jüngeren Halbgeschwister Siegfrieds
IV., Heinrichs und Judiths,
wurde. Beide wären dann im Jahre 1143 beziehungsweise 1147 etwa 23
bis 27 Jahre alt gewesen, was zu den Korveier Quellen über ihr Alter
durchaus stimmen würde. Andererseits wird Judith 1147 kaum
mehr als ca. 27 Jahre gezählt haben, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits
die vermutlichen Altersverhältnisse ihrer Mutter die Ansetzung ihrer
Geburt nach 1120 nicht gestatten würden.
Wenn es uns auch nicht möglich ist, die vorgebrachte
These aus Mangel an Quellen im einzelnen zu belegen, so lassen sich, soweit
wir sehen, von keiner Seite Gegenargumente gegen die anführen. Es
bleibt vielmehr festzuhalten, dass Heinrich
und Judith als Halbgeschwister Siegfrieds IV. in keiner Quelle
als Kinder
Siegfrieds III. bezeichnet werden. Ebensowenig läßt
sich erweisen, dass sie, wie man bisher angenommen hat, nach dem Tode Siegfrieds
IV. (1144) als Erben ihres Bruders dessen Allode an Hermann
II. von Winzenburg verkauft haben. Als Halbgeschwister Siegfrieds
IV., das heißt auf Grund ihrer nicht-northeimischen
Abkunft, waren sie dazu gar nicht legitimiert. Das Erbe Siegfrieds IV.
ist
auf einem anderen Wege an die Grafen
von Winzenburg gelangt.
Parisse Michael: Band II Seite 490,499
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"Die Frauenstifte und Frauenklöster in Sachsen"
in: DIE SALIER UND DAS REICH.
Kemnade und Fischbeck waren demgegenüber existenzieller
gefährdet. Das Leben, das die Frauen dort führten, und das Verhalten
seitens der Äbtissin konnten nicht zufriedenstellend sein. Judith,
Äbtissin von Kemnade, befand sich inmitten der Auseinandersetzungen.
Sie hatte zwei mächtige Brüder, Siegfried IV., Graf
von Boyneburg, und Heinrich, Abt von Corvey. Sie verdankte
ihre Wahl der Aktivität des Grafen und leitete zur gleichen Zeit in
Personalunion Eschwege und Geseke. Wenn man den Briefen Wibalds von Stablo
und Corvey Glauben schenken darf, der aufgerufen war, den Platz von Heinrich
einzunehmen, den man als unwürdig erachtete, so führte Judith
ein ausschweifendes Leben und verteilte die Güter ihres Klosters an
ihre Getreuen und Liebhaber [103 Der Vorgang ist in den Briefen
Wibalds überliefert. Vgl. hierzu K. Ortmann, Das Bistum Minden in
seinen Beziehungen zu König, Papst und Herzog bis zum Ende des 12.
Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Germania Pontificia, Diss. phil. Köln
1971, Bensberg 1972, Seite 64-80 und ebd., Seite 147ff. den Regesten-Anhang
zu Kemnade.]. Siegfried starb 1144, und 1147 wurde gegen die Äbtissin
energisch eingeschritten. KONRAD
III. ließ sich überzeugen und entschied, die
beiden Stifte Fischbeck und Kemnade an Corvey zu geben. Er bat Wibald,
sie zu leiten. Papst
Eugen III. hatte den Herrscher persönlich gebeten, sie zu
reformieren. Judith wurde abgesetzt, und der Propst Helmburg wurde
durch die Schwestern zum Nachfolger gewählt.
Wie bereits erwähnt, hat Judith, die Schwester
des Grafen Siegfried IV von Boyneburg, durch Intervention ihres
Bruders die Äbtissinnenwürde von Kemnade, Eschwege und Geseke
erhalten.
Literatur:
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DIE SALIER UND DAS REICH. Gesellschaftlicher und
ideengeschichtlicher Wandel im Reich der Salier. (Hg.) Stefan Weinfurter.
Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1991 Band II Seite 490,499 -
Lange, Karl-Heinz: Die Grafen von Northeim (950-1144).
Politische Stellung, Genealogie und Herrschaftsbereich. Beiträge zur
Geschichte des sächsischen Adels im Hochmittelalter Dissertation Kiel
1958 Seite 128-131 -