Begraben: St. Quentin
Sohn des Grafen
Heribert I. von Vermandois und der Adela von Meaux, Erb-Tochter
von Graf Theudbert
Als Urenkel Bernhards von Italien
von karolingischer Herkunft.
Lexikon des Mittelalters: Band IV Spalte 2154
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Heribert II., Graf von Vermandois
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+ 23. Februar 943
Begraben: St. Quentin
Die vom Vater begründete Vormacht in der Francia
sicherte Heribert II. einen besonderen
Rang in den Auseinandersetzungen um das westfränkische Königtum.
Bezeugt als Graf von Meaux, Vermandois und Soissons (später
verloren) wie als Laienabt von St-Crepin und St-Medard, vielleicht
auch in anderen Grafschaften Erbe des Vaters, sicherte
Heribert
II. seine Macht durch ein doppeltes Ehebündnis mit den
ROBERTINERN.
Deren Kampf mit den KAROLINGERN prägte
die wechselhafte Geschichte Heriberts II.
nach 923: Sein „Verrat“ führte zur Gefangennahme und Einkerkerung
Karls III., aber auch zur Nutzung des abgesetzten Königs
als Faustpfand gegen König Rudolf von Burgund
(923-936). Nach Auseinandersetzungen mit Flandern im Norden
verlagerte
Heribert II. seine Expansion
nach Osten auf Kosten des Erzbistums Reims: Hier ließ er 925 seinen
5-jährigen Sohn Hugo
zum Erzbischof erheben und sich Reimser Kirchenlehen ausliefern (der Streit
um Hugo wurde erst 946 durch Absetzung
beigelegt). Damit hatte Heribert II.
sein Ziel, in der Francia die erster Stelle nach dem König einzunehmen,
fast erreicht, zusätzlich gesichert durch Kommendationen an die ostfränkischen
Könige HEINRICH I. und OTTO I.
Erst Heriberts Ausgriff auf Laon, die
letzte Bastion des Königtums in der Francia, führte zu wechselvollen
Kämpfen. Die Furcht vor Heriberts
Vormacht bewegte 936 den ROBERTINER Hugo den Großen
zur Königserhebung des KAROLINGERS Ludwig
IV., der sich bald in Laon wie in Reims durchsetzen sollte und
damit die alten Rivalen Heribert II.
und Hugo einte und in ein Bündnis
mit OTTO I. trieb (Kommendation 940
in Attigny). Trotz einer vereitelten Königskandidatur von 936 hatte
Heribert
II. sein Haus als dritte, eigenständige Kraft im westfränkischen
Reich erwiesen, die durch seinen Tod 943 und durch Erbstreitigkeiten
der Söhne, die erst 946 die Nachfolge regelten, an Bedeutung verlor.
VI. Generation
3.
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Heribert II, Graf von Vermandois
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* ca. 880/90, + 943
Gemahlin: N. (wohl Tochter des Gegen-Königs Robert I. von Frankreich)
Anmerkungen: Seite 116
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Heribert II.
kommt urkundlich zuerst 30.V.914 vor, Mabille, Chron.
d'Anjou XCVIII; er erhielt außer Vermandois die Grafschaft
Troyes (Champagne), wahrscheinlich 937 (Lot, Hugues Capet 328) und
starb wohl
Anfang des Jahres 943; vgl. die Zusammenstellung der
verschiedenen Berichte über seinen Tod bei Lauer, Louis de Outremer
Seite 292f.
Die Geburtszeit ist nur ganz ungefähr zu vermuten.
Seine Gemahlin, deren Name unbekannt ist (der
Name Hildebrande erscheint erst in ganz späten Nachrichten),
war doch mit größter Wahrscheinlichkeit eine Tochter des
Königs Robert I. von Frankreich
und Schwester Hugos des Großen von Francien.
Zusammenstellung der Zeugnisse bei Arbois de Jubainville, Comtes de Champ.
I, 76f.; vgl. Manteyer, Orig. de la maison de Savoye 456. Am wichtigsten:
Folcvini cartul. Sithieux n. 70 (ed. Guerard): "Hugonem jamdicti Rotberti
regis filium, illinc Heribertum
ejusdem generum"; Flodoard S. S. 446 nennt
Hugo
den
avunculus Heriberts, und Witger, Gen.
S. Arnulphi S. S. 5, 302f. nennt Heriberts II.Tochter
"duorum Francorum regum, Odonis scilicet et Roberti neptem". Da auch das
Erscheinen der capetingischen Namen
Eudes (Odo), Hugo und Robert in Heriberts
Deszendenz diese Angaben bekräftigt, scheint mir zu einem Zweifel
kein Grund vorhanden. Dagegen taucht die Angabe, daß auch König
Robert I. mit einer Schwester Heriberts
II. oder I. (angeblich Beatrix
genant) vermählt gewesen sein soll, die sich vielfach in neueren Werken
findet (zum Beispiel von Behr, Geneal. der in Europa regierenden Fürstenhäuser,
Tafel 179), erst zwei Jahrhunderte später auf und ist schon deshalb
zu verwerfen, weil sonst Heribert II.
die Tochter seiner Schwester oder Tante geheiratet haben würde, was
nach den kirchlichen Vorschriften völlig ausgeschlossen war. [VI 3]
* Ergänzung (Werner): + 23.II.943, 900/07 Graf von Meaux, Soissons, Vermandois, Abt von St. Crepin und St. Medard
Gemahlin: vor 907 Adela, Tochter des Herzogs
Robert von Neustrien (siehe VI 3 a).
VI. Generation
3
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Zu Heribert II. Werner
Untersuchung 100,106ff (ebd. Anm. 82 zum Todestag, der bei Brandenburg
fehlt), mit dem Nachweis, daß er die Grafschaft Troyes noch nicht
besaß - sie wurde erst von seinem Sohn Robert
erworben. Über die von Heribert I. ererbten
Grafschaften ebd. 94ff. Brandenburg, der die erste urkundliche Erwähnung
Heriberts als Laienabt von S-Medard
de Soissons, der alten KAROLINGER-Abtei,
nicht kannte (907 XI 6, Receuil des actes de Charles III le Simple, ed.
Ph. Lauer, nr. 58), bejaht mit Recht die Ehe Heriberts
mit
einer ROBERTINERIN, einer Schwester
Hugos
des Großen, und nennt dazu entsprechende Belege. Ihr Name
war ihm unbekannt, zu Recht wies er die spätere Tradition einer "Hildebrande"
zurück. Ich glaube jene
ROBERTINERIN
zu erkennen in Adela
comitissa, die im Diplom Karls III.
von 907 V 21 (ed. Lauer, nr. 57) unmittelbar zusammen mit ihrem Vater,
Robert,
dem späteren König, genannt wird, vor dann folgenden anderen
Grafen! (Die Intervenientenliste nennt zunächst die Königin,
Frederun,
und eine andere Angehörige der karolingischen
Familie, die Äbtissin Gisla, dann
... venerandi comitis Rotberti et
Adele
comitisse, dann die anderen Grafen). Diese Annhame ist um
so berechtigter, als der Rechtsakt, um den es geht, die Schenkung der Abtei
Rebais in der Grafschaft Meaux (deren Graf Heribert
war) an die Pariser Kirche, eben den Grafen Heribert
II. angeht, in dessen Abwesenheit für ihn seine Gattin,
die Tochter Roberts, auftritt. Durch
die von uns erschlossene Gattin Heriberts II.
kam
der Name Adela in das Haus VERMANDOIS.
Schon in der nächsten Generation kommt er über
Heriberts
II. Tochter Adela
ins Haus FLANDERN. Vgl. auch Werner, Unters. 96, Anm. 35.
Heribert II. folgte seinem Vater um 907 und baute seine Macht weiter aus; er wurde unter anderem Lehensherr der Grafen von Montdidier, der Herren von Breteuil und Le Puiset. Jahrelang kämpfte er gemeinsam mit den ROBERTINERN gegen die Normannen, die letztlich in der Normandie als Vasallen anerkannt wurden. 923 nahm er König Karl III. den Einfältigen gefangen. Heribert, der in jenen Jahren im Gebiet zwischen Seine und Maas ein großes Lehnsfürstentum in seiner Hand vereinigte, war vorübergehend einer der mächtigsten Feudalherren N-Frankreichs. 925 erzwang er die Einsetzung seines 5-jährigen Sohnes Hugo zum Erzbischof von Reims und durch die Verfügung über das außerordentlich reiche Gebiet von Reims bedeutete eine deutliche Ausweitung seiner Macht. 926 kam es zum Bruch mit König Rudolf und 927 erkannte er wieder Karl den Einfältigen als König an, ohne ihn aus seinen Händen zu entlassen. 931 in Bedrängnis geraten, leistete er dem deutschen König HEINRICH I. eine vasallische Huldigung, die er 940 OTTO I. erneuerte. 934 kam unter Vermittlung HEINRICHS I. ein Waffenstillstand mit König Rudolf zustande. Durch die Rivalität zwischen Heribert und Hugo dem Großen von Franzien konnte 936 ein KAROLINGER auf den Thron zurückkehren. Nach seinem Tode zerfiel sein Herrschaftsbereich rasch.
Diwald Helmut:
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"Heinrich der Erste"
Heribert II. und Hugo
von Franzien besetzten nach der Schlacht bei Soissons (15.6.923)
mit frischen Truppen das Schlachtfeld und zwangen so König
Karl, ohne Beute abzuziehen.
König Karl wurde
kurz nach der Wahl Rudolfs von Burgund
zum König das Opfer einer typischen Infamie. Graf
Heribert von Vermandois sandte eine Abordnung zu Karl,
beteuerte ihm, dass er mit der Wahl nicht einverstanden sei. Er habe sich
heftig widersetzt, sei aber von den Verschworenen überstimmt worden.
Jetzt wisse er einen Rat, wie sich dieses schändliche Gegenkönigtum
beseitigen ließe. Er schlug dem König ein Gespräch vor;
beide Seiten sollten freilich nur mit kleinstem Gefolge kommen, damit wegen
der langjährigen Verfeindung nicht unversehens blutiger Kampf ausbreche.
Damit der König sich aber durch ein verständliches Mißtrauen
nicht von der Zusammenkunft abhalten lasse, solle er sich von den Überbringern
der Botschaft durch feierliche Eide seine Sicherheit garantieren lassen.
Karl
stimmte zu, nahm die Eidschwüre der Gesandten entgegen und stellte
sich in den ersten Augusttagen in Saint-Quentin ein, der Hauptstadt der
Grafschaft Vermandois. Graf Heribert empfing
den König überaus zuvorkommend, sie umarmten und küßten
sich und führten ein langes vertrauliches Gespräch. Auf ein Zeichen
brach eine Rotte Schwerbewaffneter aus einem Versteck. Karl
wurde
umzingelt und mit einigen seiner Begleiter gefangengenommen. Bei der Gegenwehr
verloren etliche seiner Gefolgschaft das Leben, die übrigen konnten
entfliehen.
Karl wurde zunächst
nach Peronne gebracht, der zweiten großen Stadt der Grafschaft. Wenig
später brachte man ihn in den Kerker auf der alten fränkischen
Festung
Chateau-Thierry, die zu Beginn des 8. Jahrhunderts auf einer Bergkuppe
hoch über der Marne errichtet worden war.
Schwager Helmut:
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„Heribert II.“
Erbe der Machtstellung seines Vaters, wurde Graf Heribert II., eine für den Untergang der westfränkischen KAROLINGER entscheidende Gestalt. Besonders Graf Heribert II. versuchte durch eine expansive Politik, welche nach W (unter anderem Beauvais, Amiens), nach S (unter anderem Troyes), vor allem aber nach O (unter anderem Reims, Laon, Perthois) gerichtet war und welche in erster Linie zu Lasten der karolingischen Herrscher ging, die heribertinische Machtsphäre in der Francia auszudehnen, wobei er zweitweise großen Erfolg aufzuweisen hatte, unter anderem eroberte er 931 für eine gewisse Zeit die Grafschaft Artois, gewann 928 kurzzeitig die Grafschaft Vienne im südlichen Gallien, besaß seit 918 Güter im Merezais und Vexin, besetzte 926 Laon und Pierrepont und verwaltete vor allem seit 925 zeitweise die temporalia des Reimser Erzstiftes, wenn auch nie unangefochten. Darunter befanden sich Coucy, Vitry-en-Perthois, Omont, Epernay, Chatillon-sur-Marne, dazu Mouzon und Douzy im lothringischen Dormois. Doch verlor Graf Heribert II. in den heftigen Kämpfen mit den westfränkischen Königen Rudolf und Ludwig IV. sowie seinem robertinischen Schwager Herzog Hugo der Große von Franzien einiges an Boden, so etwa 932/33 die Grafschaft Soissons. Graf von Troyes ist der HERIBERTINER allerdings niemals gewesen, obwohl dies öfters behauptet wurde.
II. Die Herrschaft Graf Heriberts II. von Soissons, Omois, Meaux und Vermandois (900/06-943)
Im folgenden soll versucht werden, die Beziehungen Graf Heriberts II. zu seinen Nachbarn darzustellen. Insbesondere wird dabei das Hauptaugenmerk auf das westfränkische Königtum mit dem KAROLINGER Karl III. dem Einfältigen, dem BOSONIDEN Rudolf und dem KAROLINGER Ludwig IV. dem Überseeischen zu richten sein. Ähnlich bedeutsam erwies sich für den HERIBERTINER jedoch auch die Politik der verwandten, gleichwohl rivalisierenden ROBERTINER/ KAPETINGER Markgraf Robert von Neustrien - kurzzeitig westfränkischer Gegenkönig als Robert I. (922/23) - und Herzog Hugo der Große von Franzien sowie die Haltung der im O benachbarten ostfränkisch-deutschen Könige aus der Dynastie der LIUDOLFINGER/OTTONEN HEINRICH I. und OTTO I. DER GROSSE, weswegen ihnen ebenso unsere Aufmerksamkeit gelten muß. Eine besondere Untersuchung soll sodann den Beziehungen Graf Heriberts II. zur westfränkisch-französischen Kirche gelten, wobei vor allem Heriberts II. Rolle als Administrator des Erzbistums Reims und seine Funktion als Laienabt mehrerer heribertinischer Klöster gewürdigt werden soll. Danach wird das politisch-geographische Umfeld der heribertinischen Machtkonzentration im NO des W-Fränkischen Reiches abgetastet werden. Der östliche Nachbar, das ostfränkisch-deutsche Herzogtum Lothringen mit seinen Herzögen Giselbert (915/28-939) und Otto von Verdun (940-944), wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Auch der N der Gallia mit den Normannen-Fürsten Graf Rollo/Robert I. von Rouen (911-928/31) und Wilhelm I. Langschwert (928/31-942) sowie Graf Arnulf I. (dem Großen/dem Alten) von Flandern (918-965) muß sodann in die Untersuchung einbezogen werden. Schließlich werden die Beziehungen Graf Heriberts II. zum S der einstigen Gallia, vor allem zum Herzogtum Burgund, zu den Königreichen Hoch-Burgund und Nieder-Burgund/Provence sowie zum Herzogtum Aquitanien, zu behandeln sein. Einige kurze Bemerkungen zum Verhältnis Graf Heriberts II. zu den robertinischen Vasallen der westlichen Francia (= das ehemalige merowingische Neustrien), wie zum Beispiel den Grafen von Anjou oder Chartres-Tours, werden das Bild der Herrschaft Graf Heriberts II. machtmäßig abrunden.
1. Graf Heribert und das westfränkisch-französische Königtum
Das Verhältnis Heriberts II. zum westfränkischen Königtum stellte jahrelang den Hauptkristallisationspunkt der Politik der engeren Francia (= westfränkisches Gebiet zwischen der Seine und der Schelde) dar. Besonders galt dies für Könige aus dem westfränkischen Zweig der KAROLINGER-Dynastie, deren verbliebene Restbesitzungen sich hauptsächlich in dieser Gegend befanden. Doch auch für einen westfränkischen König aus dem im Herzogtum Burgund herrschenden BOSONIDEN war, wenn er tatsächlich König des gesamten W-Fränkischen Reiches bleiben wollte, das Behaupten der restlichen Krondomäne in der engeren Francia ein unbedingtes Muß! Da aber Graf Heribert II. gerade in diesem Gebiet von seinen Familienbesitzungen aus die Expansion nach S und besonders O vorantrieb, mußte es unweigerlich zum Zusammenstoß mit dem westfränkischen Königtum - gleich welchen Hauses - kommen.
a) Der Karolinger König Karl III. der Einfältige (893/98-923)
Die Beziehungen Heriberts II.
zu dem westfränkischen König, der in der ersten Hälfte der
heribertinischen Herrschaft, das heißt den mindestens
15 Jahren von 900/06 bis 921, das Reich regierte, nämlich dem KAROLINGER
Karl III. dem Einfältigen, sind für diese Zeit bis
heute weitgehend im Dunkel der Geschichte geschrieben! Der schon mehrfach
beklagte bedauerliche Mangel an erzählenden Quellen sowie Urkunden
aus dieser Zeit läßt uns praktisch nur Raum für Spekulationen!
Als frühestes Zeugnis sowohl der Existenz Graf
Heriberts II. als auch seiner Erwähnung im Zusammenhang
mit dem westfränkischen König kann erst die Urkunde
Karls III. vom 6. November 907 angesehen werden, in der der
KAROLINGER
die Schenkung eines gewissen Odilo aus Brugny in der Grafschaft Omois für
das Kloster Saint-Medard bei Soissons bestätigte. Dabei wurde ein
"comes
Heribertus" als Abt von Saint-Medard genannt, wobei es sich
hier - betrachtet man die Jahreszahl - meines Erachtens eindeutig um
Graf Heribert II. handeln muß, der die Abtei von seinem
ermordeten Vater Graf Heribert I. geerbt
hatte. Jedoch dürfte dies kaum etwas konkret über die heribertinisch-karolingischen
Beziehungen aussagen, da der Heribertiner in dieser Urkunde anscheinend
lediglich als zuständiger Graf von Omois und Laien-Abt von Saint-Medard
erwähnt wurde. Viel wichtiger erscheint mir, dass um diese Zeit, ca.
907/10, Graf Heribert II. die ROBERTINERIN
NN (+ nach 931), eine Tochter Markgraf Roberts
von Neustrien, heiratete. Diese Ehe des HERIBERTINERS
bedeutete aber eine politische Option für die
ROBERTINER, die schon damals wiederholt mit dem karolingischen
König zerstritten waren. Daher erstaunt es nicht, wenn von freundschaftlichen
Kontakten zwischen dem König und dem HERIBERTINER
in den folgenden Jahren nicht die Rede ist. Zwar erschien Graf
Heribert II. in einer Urkunde König
Karls III. vom 14. März 918 für die Abtei Saint-Germain-des-Pres,
die auf Veranlassung Markgraf Roberts von Neustrien
ausgestellt wurde. Doch figurierten Roberts heribertinischer
Schwiegersohn
und Bischof Abbo von Soissons (+ 937) hierbei als zeugen in der Grafschaft
des ROBERTINERS!
Als schließlich Anfang des Jahres 920 der langerwartete
Krieg zwischen König Karl III.
und der westfränkischen Aristokratie, die sich an der überragenden
Stellung des lothringischen Emporkömmlings Hagano ( + nach 922) bei
Hofe stieß, losbrach, befand sich Graf Heribert
II. natürlich im Lager des westfränkischen Hochadels
an der Seite Markgraf Roberts! Der
bedrängte westfränkische König geriet kurzfristig sogar
in Gefangenschaft seiner Großen, aus der ihn nur der Einsatz des
Erzbischofs Heriveus von Reims (+ 922) rettete, der ihn 7 Monate lang in
seiner Bischofsstadt Reims beherbergte. Währenddessen tobten in der
engeren Francia die Kämpfe beider Parteien, wobei angeblich
Graf
Heribert II. das Kloster Corbie geplündert haben soll;
erst nach langen Verhandlungen führte der Reimser Erzbischof ein "Versöhnung"
beider Gruppen herbei, die jedoch brüchig blieb.
Dies zeigte sich bereits im Jahr 922, als der westfränkische
Adel, nachdem König Karl III. am
17. März 922 den königlichen Kanzler Gauzlin (+ 962) zum Bischof
von Tours gemacht und das vakante Kanzleramt an den lothringischen Kleriker
Hagano, wahrscheinlich einen Verwandten seines Günstlings Hagano,
gegeben hatte, erneut unruhig wurde.
Die Konfiskation des karolingischen
Hausklosters Chelles bei Paris durch den westfränkischen König
nach dem 21. April 922 ( = Ostern), der die Abtei seiner Tante
Rothilde (+ 928) [Rothilde war
die Tochter Kaiser KARLS II. DES KAHLEN
und der Kaiserin Richilde (+ 910/14)
sowie Gattin Graf Rotgers I. von Maine (+ vor 900), von dem sie die Tochter
NN (+ vor 926) hatte, welche Graf Hugo der Große
ehelichte.], der Schwiegermutter des ROBERTINERS
Graf Hugo, nahm und sie an Graf Hagano übergab, löste
erneut einen verheerenden Aufstand aus!
Die Großen Franziens verschworen sich mit den ROBERTINERN
an der Spitze, wobei sie den Sturz Graf Haganos verlangten. An diesem gefährlichen
Aufstand beteiligten sich neben den ROBERTINERN
auch Roberts Schwiegersohn Herzog
Rudolf von Burgund und dessen Bruder Graf
Hugo der Schwarze von Varais (+ 952), ja offensichtlich selbst
der bereits damals todkranke Erzbischof Herveus von Reims, wie später
die feindselige Reaktion des KAROLINGERS
gegen Reimser Kirchengut zeigen sollte. Eigenartigerweise ist hierbei von
Roberts
zweitem Schwiegersohn Graf Heribert II.
nirgends die Rede. Stattdessen meldet der Reimser Geschichtsschreiber Flodoard
(+ 966) überraschenderweise, dass sich der HERIBERTINER
mit König Karl III. und dessen
Günstling Hagano in Laon an der Aisne befunden hätte, von wo
aus sie im April 922 beim Anmarsch der aufständischen Großen
gemeinsam über die Maas nach Lothringen geflohen wären, um dort
neue Truppen auszuheben. Dieses Verhalten Graf
Heriberts II. widerspricht nun aber meines Erachtens vollständig
seiner Politik sowohl vor dem Jahre 922 als auch danach, und so könnte
man Zweifel an dieser Nachricht hegen, noch dazu, nachdem Flodoard die
einzige Quelle hierfür ist! Andererseits ist der Reimser Kleriker
die zuverlässigste Quelle für die Geschichte des W-Fränkischen
Reiches im 10. Jahrhundert, und zudem spricht das Verhalten König
Karls III. im Jahre 923, als sich der KAROLINGER
bedenkenlos zu einer Unterredung mit Graf Heribert
II., der ihm einen Seitenwechsel angedeutet hatte, bereitfand,
dafür, dass vorher zumindest zeitweise schon bessere Beziehungen zwischen
beiden Fürsten bestanden haben müssen! So ist anzunehmen, dass
der HERIBERTINER die Auseinandersetzung
nach dem Osterfest 922 entweder für eine rein karolingisch-robertinische
"Familien"-Angelegenheit gehalten hat, in die er sich zunächst nicht
einmischte, oder wahrscheinlicher, dass ein heribertinisch-robertinischer
Zwist aus Rivalitätsgründen den Grafen kurzfristig an die Seite
des Königs gebracht hat. Jedenfalls fielen der KAROLINGER
und seine Anhänger - darunter Graf Heribert
II. und Graf Theoderich I. von Holland (+ ca. 940) - mit einem
neuen lothringischen Heer in die Güter der Reimser Kirche ein und
brannten sie nieder; schließlich eroberten sie die Burg Omont
südlich von Mezieres. Plünderungen und Brandschatzungen beider
Seiten verwüsteten nun das Remois, Laonnais und Soissonnais. Kurz
nach dem 31. Mai 922 tauchten die Lothringer schließlich an der Marne
auf, wobei Epernay von den Leuten Graf Haganos geplündert wurde. Das
königliche Heer lagerte nahe der Stadt Tours-sur-Marne, oberhalb von
Epernay, während die aufständischen Großen unter Führung
Markgraf
Roberts von Neustrien und
Herzog Rudolfs
von Burgund drei Meilen vom königlichen Lager entfernt
unterhalb von Epernay ihr Lager augschlugen. Eine Woche lang wurde dann
in Abwesenheit des Königs und Graf Hagano verhandelt. Auf Seiten des
KAROLINGERS
standen damals noch sein gewesener Schwager Bischof Bovo II. von Chalons-sur-Marne
(+ 947), der Erzkanzler Erzbischof Rotger von Trier, Bischof Stephan
von Cambrai (+ 934), Bischof Balderich von Utrecht (+ 977); unter den weltlichen
Großen dürften sich noch Graf Heribert
II., Graf Theoderich I. von Holland, Graf Erchanger von Boulogne,
Graf Walcher von Friesland, Graf Isaak von Cambrai (+ 947), Graf Adalhelm
von Artois (+ 932) und der brabantische Graf Rudolf von Gouy (+ 926) befunden
haben.
Nach dem Scheitern der Verhandlungen griff König
Karl III. am 9. Juni 922, einem Pfingstsonntag, die Stadt Reims
an, wurde aber zurückgeschlagen.
Da traf die Nachricht vom Verlust der wichtigen
karolingischen Feste Laon ein - Graf Hagano verlor dabei seinen
Bruder und seine Schätze -, worauf beide Parteien ihre Heere dorthin
verlagerten. Hier begann aber ein Teil der Lothringer den KAROLINGER
zu verlassen, so dass sich König Karl III.
immer weiter vor den nachstoßenden westfränkischen Großen
zurückziehen mußte. Beim Flüßchen Ailette in der
Grafschaft Laon wechselten Mitte Juni 922 erneut viele Große, darunter
anscheinend auch Graf Heribert II.,
ins Lager Markgraf Roberts. So blieb
dem westfränkischen König zuletzt nichts anderes übrig,
als mit seinem getreuen Grafen Hagano zum zweitenmal über die Maas
zu ziehen, wahrscheinlich zu seinem Anhänger, dem MATFRIDINGER Bischof
Richer von Lüttich (920-945); jedenfalls hielt er sich am 15. Juni
im holländischen Bladel auf. Diese Abwesenheit des KAROLINGERS
in Lothringen benutzten nun die westfränkischen Aristokraten zum entscheidenden
Schlag gegen ihn: Am 29./30. Juni 922 wählten die Großen der
Francia und der Burgundia, darunter auch Graf
Heribert II., den ROBERTINER Markgraf
Robert von Neustrien im Kloster Saint-Remi bei Reims zum westfränkischen
König, was eine Herrscherverlassung gegenüber dem KAROLINGER
bedeutete. 3 Tage später, am 2. Juli 922, starb der schwerkranke Erzbischof
Heriveus von Reims, dessen Nachfolger Seulf (+ 925) durch König
Robert I. (922/23) bestimmt wurde
907
oo Adela von Neustrien, Tochter des Herzogs Robert
887- nach 3.931
Kinder:
Odo Graf von Vienne und Amiens
910- nach 19.6.946
Adela Erbin von Artois
910/15- 960
934
oo Arnulf I. Graf von Flandern
895/900-27.3.964
Heribert III. der Alte
910/15-29.1.993
Robert Graf von Meaux und Troyes
910/15-19./29.8.967
Adalbert I. Graf von Vermandois
ca. 915-8.9.987
Ledgard
915/20-27.5.978
940
1. oo Wilhelm I. Herzog der Normandie
um 900-17.12.942
943/45
2. oo Theobald I. Graf von Blois
-16.1.975
Hugo Erzbischof von Reims (925-946)
920- 962
Meaux
Literatur:
-----------
Althoff Gerd: Die Ottonen. Königsherrschaft
ohne Staat. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000 Seite 50,65,89
- Barth Rüdiger E: Der Herzog in Lothringen im 10. Jahrhundert,
Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1990, Seite 54-103 - Ehlers Joachim:
Die Kapetinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000 Seite
22,48 - Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller
Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis
Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 23,26,34,36,40-45,47,
49-54,58 - Ehlers Joachim: Geschichte Frankreichs im Mittelalter.
W. Kohlhammer GmbH 1987 Seite 23,27-29,32,38,42 - Glocker Winfrid:
Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik. Böhlau
Verlag Köln Wien 1989 Seite 34-37,65 -
Holtzmann Robert: Geschichte
der sächsischen Kaiserzeit. Deutscher Taschenbuch Verlag München
1971 Seite 77,96,101, 120,124-128,139 - Riche Pierre: Die Karolinger.
Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.
KG, München 1991 Seite 293,299,305, 321 - Schieffer Rudolf:
Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992 Seite
203,206-210 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in
Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz
Wien Köln 1990 Seite 116,119, 128,130 - Schwager, Helmut: Graf
Heribert II. von Soissons. Verlag Michael Lassleben Kallmünz/Opf.
1994 Seite 5-409 - Werner Karl Ferdinand: Die Nachkommen Karls des
Großen bis um das Jahr 1000 (1.-8. Generation) Band IV in: Braunfels
Wolfgang: Karl der Große Lebenswerk und Nachleben. Verlag L. Schwann
Düsseldorf Seite 458 - Werner Karl Ferdinand: Die Ursprünge
Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH &
Co. KG, München 1995 Seite 483,488,493-496,516,526 -
Wies,
Ernst W.: Otto der Große, Bechtle Esslingen 1989, Seite 50,64,104,114,121,123
-