Wilhelm I. der Fromme                              Herzog von Aquitanien (886-918)
-----------------------------                             Laienabt von St-Julien de Brioude
    -6.7.918
 

Begraben: Abtei St-Julien de Brioude
 

Sohn des Grafen Bernhard Plantevelue von Septimanien und der Ermengard von Auvergne, Tochter von Graf Guerin
 

Lexikon des Mittelalters: Band IX Spalte 135
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Wilhelm I. der Fromme, Herzog von Aquitanien
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     + 6. Juli 918

Nachkomme des heiligen Wilhelm von Gellone und Bernhards von Septimanien, Markgraf von Gothien

Wilhelm I. der Fromme folgte 886 seinem Vater Bernhard Plantapilosa (oo Ermengarde von Auvergne) nach, der seine Herrschaft auf ein weiträumiges Territorialensemble ausgedehnt hatte. 888-893 schaltete Wilhelm I. Eudo aus, der mit Waffengewalt im Süden des westfränkischen Regnums Aquitanien die königliche Herrschaftsgewalt wiederherzustellen versucht hatte. Wilhelm I. der Fromme, der den Titel eines ‚dux Aquitanorum‘ annahm, war Herr über ein Fürstentum, das die Autorität des W-Fränkischen Reiches nur mehr nominell anerkannte und das (neben dem engeren aquitanischen Bereich in SW-Frankreich) die Zentralregion der Auvergne mit ihren Randzonen, Berry, Limousin, Gothien, Lyonnais und Maconnais umfaßte, aber gegenüber Angriffen der benachbarten Fürstentümer (W-Fränkisches Reich, RAIMUNDINER von Toulouse, Herzöge und Könige von Burgund) verwundbar blieb Der Herzog mußte  mit der machtbewußten örtlichen Aristokratie häufig Kompromisse schließen. Der bedeutendste Vertreter des Regionaladels, Geraldus von Aurillac, lehnte trotz enger Bindung an Wilhelm eine Kommendation an den Herzog ab. Das spirituelle  Machtzentrum Wilhelms war die auvergnatische Abtei St-Julien de Brioude, die der Herzog als Laienabt lenkte und die er sich zur Grabstätte wählte; die berühmteste Handlung Wilhelms war jedoch die Grüdung von Cluny (11. September 909). Indem er sein 'dominium' über die neue Abtei dem Heiligen Stuhl übertrug, folgte er der papstfreundlichen Tradition seines von den KAROLINGERN abstamenden Geschlechts. Wilhelm I. der Fromme war vermählt mit Engelberga, einer Tochter des Königs Boso von der Provence. Nach dem Tode Wilhelms nahmen seine beiden Neffen Wilhelm II. der Jüngere (918-926) und Acfredus (926-927) den Herzogstitel an, der danach seinem Geschlecht verlorenging [Persönlicher Einwurf: Mit dem Tod des kinderlosen Acfred war das Geschlecht erloschen.].


Wilhelm I. der Fromme war Graf von Auvergne, Markgraf von Burgund, Graf von Macon und von Bourges und Laienabt von Brioude und herrschte über den weitaus größten Teil Aquitaniens und nannte sich 909 erstmals selbst "Dux Aquitanorum". Er besaß größte moralische und politische Autorität in ganz Frankreich. Er besiegte 913 König Rudolf II. von Hoch-Burgund und schlug mehrmals plündernde Normannen zurück. 910 gründete er das Kloster Cluny.

Kienast Walter: Seite 168
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Der Herzogstitel in Deutschland und Frankreich (9. bis 12. Jahrhundert). R. Oldenbourg Verlag München - Wien 1968 -

Dieser Sohn Wilhelm (+ 918 Juli 6), zubenannt der Fromme, in der Geschichte eingegangen als Gründer Clunys, war das Gegenbild seines Vaters. Zwar ein tapferer Krieger, der den gegen ihn vom König eingesetzten Grafen von Bourges mit eigener Hand tötete, war er doch keine Eroberernatur und schritt nicht weiter auf dem Wege zur Herrschaft über ganz Aquitanien, konnte vielmehr das riesige Erbe nicht einmal vollständig bewahren: das Toulousain und Carcasses, vielleicht auch das Rouergue, trat er ab an Odo, dem Bruder des 872 ermordeten Bernhard von Toulouse. Er behielt Auvergne, Limousin, Gotien, Berry, in Burgund das Maconnais und Lyonnais und behauptete damit durchaus das Übergewicht in Aquitanien. Den Titel dux führt er in fünf Urkunden, darunter einem Original, der berühmten Gründungsurkunde von Cluny (910), in dieser als comes et dux. Der "Herzog", schon für Plantevelue durch die Nachzeichnung fast zweifelsfrei bezeugt, steht jetzt also fest.
Wilhelm der Fromme ist kinderlos gestorben. Ihm folgen nacheinander seine beiden Schwestersöhne Wilhelm der Jüngere (+ 926) und Acfred (+ 927).

Hlawitschka Eduard: Seite 96,118,133,148,241-244,247-249
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"Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte"

Das gleiche Bild ergibt ein Gedenkeintrag des Klosters Remiremont, der offenbar die Großen nennt, die 890 mit Irmengard und LUDWIG bei König ARNULF in Forchheim waren. Der Eintrag zeigt neben LUDWIG DEM BLINDEN und seiner Mutter Irmingard wiederum den Grafen Richard von Autun, und zwar mit seiner Gemahlin Adelheid, den Grafen Manasse von Dijon mit seiner Frau Irmingard, den Grafen Hugo von Langres, den Grafen Wilhelm den Frommen von Macon und der Auvergne sowie einen offenbar mit den Bassignygrafen verwandten Wiiricus.
Nach Ostern (8. April) 893 brachen Erzbischof Fulco und Graf Heribert unter Mitnahme des jungen Königs mit ihrem Heeresaufgebot gegen Odo auf. Dabei versuchten sie zuerst, sich mit dem stattlichen Aufgebot der Grafen Richard von Autun, Wilhelm von Macon und der Auvergne und Hademar vom Poitou zu vereinen, die beiden letzteren waren Odo ja schon im Sommer 892 in Aquitanien feindlich entgegengetreten.
Auf dem Rückweg nach Aquitanien verweilte Odo längere Zeit in Poitiers, wobei sich die Verbindung zu Graf Hademar eingespielt haben dürfte. Wilhelm von Macon und der Auvergne erscheint insofern unbeteiligt am weiteren Geschehen, als gerade seine Schwester, Äbtissin Ava, im November 893 für Wilhelm eine Urkunde ausstellen ließ und hierbei weder Karl noch Odo in der Urkundendatierung eigens als König nennen das heißt als Regenten anerkennen wollte..
W-Burgund (Bourgogne) mit seinen Großen, den schon 893 einmal gegen Odo aktiv gewordenen Grafen Richard von Autun, Wilhelm von Macon, Manasse von Dijon, war in jenen Monaten insofern noch ein letztes mögliches Zufluchtsgebiet innerhalb des W-Reiches für Karl und Fulco geworden, als dort seit dem Jahresende 893 die sichtbare Bindung an Odo aufgehört hatte.
[Denn Leotalds Herr, Markgraf Wilhelm von Macon und Aquitanien, lehnte sich in jener Zeit nicht, wie andere Große der Bourgogne, an Karl den Einfältigen an, sondern scheint unter Anerkennung Odos eine recht eigenständige Politik betrieben zu haben (vgl. J. Wollasch, Königtum, Adel und Klöster im Berry während des 10. Jahrhunderts, in: Neue Forschungen über Cluny und die Cluniazenser, hrsg. von G. Tellenbach (1959) Seite 763f, 71ff.) Erst nach Odos Tode unterwarf er sich der Herrschaft Karls.].
Und wir wissen, daß LUDWIGS von der Provence Schwester Engelberga mit dem Markgrafen Wilhelm von Aquitanien vermählt war. Dagegen stimmt indessen die Überlegung bedenklich, daß Wilhelm von Aquitanien - wenn wir diesen in dem hier genannten Uuilelmus wiedererkennen wollen - erst zu einer Zeit heiratete und sich mit der Familie LUDWIGS verband [Da die Gemahlin Wilhelms von Aquitanien und Tochter Irmengardas und Bosos, Engelberga, scheint ca. 877/78 geboren zu sein (vgl. E. Brandenburg, Die Nachkommen Karls d. Gr. (1935) Seite 3 und C. v. Kalckstein, Gesch. d. franz. Königtums I (1877) Seite 100 Anmerkung1). Eine Urkunde vom Mai 898 (Bouquet, Receuil des historiens des Gaules et de la France IX (1757) Seite 708) zeigt Engelberga zum ersten Mal als Gemahlin Wilhelms. Da dieser Ehe damals noch keine Kinder entsprossen waren, wird angenommen, daß die Ehe frühestens 897 zustande kam.], als LUDWIGS Mutter, die hier mitaufgeführte Irmengarda, wohl bereits verstorben war. Wenn Wilhelm als Verwandter eingetragen wurde, müßte also Irmengarda genauso wie der nicht genannte Boso schon verstorben gewesen sein.

Schwager, Helmut: Seite 41,43
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"Graf Heribert II. von Soissons"

Das aquitanische Herzogtum selbst war zwischen circa 880 und 960 umstritten unter den drei bedeutendsten Territorien der Aquitania, den Grafschaften Poitou, Auvergne und Toulouse! Ende des 9. Jahrhunderts rivalisierten besonders zwei Fürsten um den Herzogstitel, nämlich Graf Ramnulf II. von Poitou (866/68,878-890), der seit 888 den Herzogstitel trug und zudem den unmündigen KAROLINGER Karl III. hütete, und Graf Wilhelm I. der Fromme von der Auvergne (886-918), der auch Markgraf von Gothien war, und der sich nach 890 gegen Graf Ebalus Manzer von Poitou durchsetzen konnte.
Die WILHELMINER/Haus AUVERGNE blieben von nun an bis zu ihrem Aussterben 927 die Vormacht in Aquitanien, da Herzog Wilhelm I. neben der Grafschaft Auvergne, dem Limousin und der Markgrafschaft Gothien noch als Erbe seines Vaters Graf Bernhard Plantapilosa von Autun (+ 885/86) die Grafschaft Berry und vor allem in der Burgundia das Lyonnais und das Maconnais besaß, in dem er auch 909/10 das Kloster Cluny stiftete. Schon der westfränkische König Karl III. mußte 919 spätestens den Herzogstitel der WILHELMINER anerkennen.

Riche Pierre: Seite 273,289,346
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"Die Karolinger. Eine Familie formt Europa."

Sein Sohn, Wilhelm I. der Fromme, der den Namen seines Vorfahren Wilhelm von Gellone trug, konnte den größten Teil des Erbes bewahren. Nur das Toulousain und Gothien gingen an das Haus RAIMUND. Wilhelm, den man als "Herzog der Aquitanier" bezeichnete, war während 20 Jahren der Oberherr fast aller aquitanischen Adligen. Einer der wenigen, die es vorzogen, dem König anzuhängen, war Gerald von Aurillac, Sohn eines bedeutenden Grundherrn aus der Auvergne. Odo von Cluny, sein Biograph, berichtet: "Wilhelm, unbestrittener Herzog der Aquitanier,  ein vortrefflicher Mann, bestand dringend, aber ohne Drohungen, sondern mit Bitten darauf, daß Gerald den Königsdienst verlasse und sich ihm unterstelle. Aber Gerald, der kürzlich die Grafenwürde erlangt hatte, stimmte in keiner Weise zu. Statt dessen gab er seinen Neffen Rainald zusammen mit einer sehr großen Anzahl von Berittenen in den Dienst des Herzogs." Graf Ramnulf II. von Poitiers, verwandt mit den KAROLINGERN und ein Vetter Wilhelms, hätte ein ernsthafter Rivale werden können, aber er starb schon 890 und hinterließ nur einen Sohn im Kindesalter, Ebalus Manzer. Ramnulfs Bruder Ebalus und Wilhelm der Fromme verteidigten die Rechte des unmündigen Erben gegen die Eingriffe König Odos. Wilhelm hatte keine Kinder und hinterließ seine Besitzungen im Jahre 918 seinem Neffen Wilhelm II., der mit ihm zusammen die Gründungsurkunde von Cluny (909) unterzeichnet hatte.
In den übrigen Gebieten Aquitaniens wurde Karl von kirchlichen Würdenträgern um sein Eingreifen gebeten, die dem übermächtigen Einfluß Wilhelms des Frommen entgegentreten wolltzn.Doch ist zu beachten, daß Markgraf Wilhelm bis zu seinem Tod im Jahre 918 den KAROLINGERN die Treue hielt.
Markgraf Wilhelm I. von Aquitanien beschloß im Jahr 909, seine Klostergründung Cluny dem heiligen Petrus und heiligen Paulus anzuvertrauen, obwohl die römische Kirche damals von dem schwachen Papst Sergius III. geleiteet wurde, dem Liebhaber der Marozia. In der Gründungsurkunde erinnerte Wilhelm zunächst daran, daß er die Regel des heiligen Benedikt erneuern wolle. Dann flehte er zu den Aposteln und wandte sich an "den Bischof der Bischöfe auf dem apostolischen Stuhl", den er bat: "Durch eure apostolische und kanonische Autorität, von Gott empfangen, mögt ihr alle ausschließen von der teilhabe an der heiligen Kirche Gottes und von der Teilhabe am ewigen Leben, die etwas stehlen oder an sich bringen von den Gütern des Klosters, die ich euch anvertraue. Und ich bitte euch, schützt und verteidigt Cluny und die Diener Gottes, die dort wohnen."
 
 
 
 

  1. oo Ingelberga
      x         -

    894
  2. oo Ermengard, Tochter des Königs Boso von Vienne
     x    877-   917
 
 
 
 

Kinder:

  Tochter
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  oo Rotald I. Graf von Agel
            -

  Stammeltern des Hauses PROVENCE-FORCALQUIER
 
 
 
 

Literatur:
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Dümmler Ernst: Geschichte des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und Humblot Berlin 1865 Seite 317,383 - Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 29,37 - Hlawitschka Eduard: Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte. Anton Hiersemann Stuttgart 1968 Seite 96,118,133,148,241-244,247-249 - Kienast Walter: Der Herzogstitel in Deutschland und Frankreich (9. bis 12. Jahrhundert). R. Oldenbourg Verlag München - Wien 1968 Seite 168 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991 Seite 273,278,289, 346,407 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992 Seite 199 - Schwager, Helmut: Graf Heribert II. von Soissons. Verlag Michael Lassleben Kallmünz/Opf. 1994 Seite 41,43 -
 
 
 
 
 
 
 
 


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