Merowech                                      Unter-König in Aquitanien
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um 551/52 577 ermordet
 

Begraben: St. Germain-des-Pres, Paris
 

2. Sohn des Franken-Königs Chilperich I. von Neustrien aus seiner 1. Ehe mit der Audovera
 

Thiele, Andreas: Tafel 2
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"Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1"

MEROWECH
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     577

Unter-König

Merowech wurde auf Anstiften der Fredegunde ermordet.

  oo BRUNICHILDE
              613

Witwe König Sigiberts I.



Schneider Reinhard: Seite 96-97
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„Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter“

Chilperichs Sohn Merowech aus der früheren Ehe mit Audovera tat dann das, was schon vorher bei Nachfolgeansprüchen gelegentlich zu beobachten war. Von einem Feldzug nach Poitierts, auf dem er bereits eigene Interessen verfolgte, zog er überraschend nach Rouen und heiratete die Königin-Witwe Brunhilde. Kein Zweifel, daß Merowech mit dieser Heirat politische Pläne zu realsieren hoffte, der Besitz beziehungsweise die Ehe mit der verwitweten Königin sollten ihm den Schlüssel zur Herrschaft in Sigiberts ehemaligem Reich geben. Chilperichs blitzschnelle Gegenaktion stützt diese These mehr als dessen zornige Äußerung. Merowechs Ehe mit der eigenen Tante verstoße contra fas legemque canonicam. Gregor selbst drückt es klar aus, wenn er berichtet, König Chilperich propter coniugatione Brunichildis suspectum habere coepit Merowechum, filium suum; er bringt Merowech sogar in einen deutlichen Zusammenhang mit Aufständen in der Champagne gegen Chilperich. Merowech konnte dem zürnenden Vater indes nicht entgehen, mußte sich unterwerfen und wurde von seiner Frau Brunichild getrennt. Bei all seinen späteren Versuchen, das alte Ziel einer selbständigen Königsherrschaft und gegebenenfalls des Vaters alleinige Nachfolge unter Ausschluß der Brüder zu erreichen, ist als bestimmender Zug zu erkennen, daß Merowech zur von ihm getrennten Brunhilde zu stoßen versuchte, als sei der Weg nur mit ihr an der Seite zu gehen.
Was Merowech veranlaßte, schon zu Lebzeiten des Vaters nach selbständiger Königsherrschaft zu streben, verraten die Quellen nicht. Doch kann darauf hingewiesen werden, daß er nach Theudeberts Tod ( 575) Chilperichs ältester Sohn war und daß er sicherlich befürchten mußte, von seiner Stiefmutter Fredegund zugunsten von deren eigenen Söhnen als Erbe ausgeschaltete zu werden. Daher bot sich eine rechtzeitige Erhebung, zumal im benachbarten Reich des Oheims, geradezu an. Merowechs wichtigster Verbündeter neben Guntram Boso war vor allem Bischof Praetextatus von Rouen, der Merowech aus der Taufe gehoben, mit der Königin Brunhilde getraut hatte und sich später dafür verantworten mußte, das Volk von Rouen gegen Chilperich für Merowech aufgewiegelt zu haben. Entscheidend für das Mißlingen von Merowechs Usurpationsversuch scheint die teils zögernde, teils übervorsichtige und auch ablehnende Haltung der Austrasier gegenüber Merowech gewesen zu sein, obwohl diese Haltung gegenüber Brunhilde zunächst nicht zu spüren war. Wenn hinzugefügt werden muß, daß auch Chilperich gegenüber Brunhilde nur sehr vorsichtig taktierte, da er ihren Sohn, den als Minderjährigen erhobenene König Childebert II., fürchtete, so ist mit dessen Existenz der zweite entscheidende Faktor genannt, der Merowechs Pläne entgegenwirken mußte.

Ewig Eugen: Seite 96
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Die Merowinger und das Frankenreich"

König Gunthram ließ 585 die sterblichen Reste seiner Neffen Merowech und Chlodowech, die als Rebellen gegen ihren Vater Chilperich 577 und 580 formlos bei Landpfalzen beigesetzt worden waren, nach Paris bringen und in feierlicher Prozession mit Bischof, Klerus und Volk nach St. Vinzenz (St. Germain-des-Pres) überführen.

Offergeld Thilo: Seite 201
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"Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter."

Nicht ohne Grund schätzten zahlreiche Große Childeberts Chancen als ungünstig ein und gingen zu Chilperich über, der Witwe und Hort des ermordeten Sigibert in seine Gewalt gebacht hatte. Doch das Sohnesrecht des Königskindes und die Machtposition Gundowalds und der Seinen waren stark genug, um die Herrschaft zu behaupten, zumal Chilperich durch die Rebellion seines Sohnes Merowech von weiteren Aktionen gegen Childebert abgehalten wurde [513 Zur Rebellion Merowechs, der von Chilperich zunächst gegen Childeberts aquitanische Städte entsandt worden war, vgl. Kasten, Königssöhne Seite 45-49; Schneider, Königswahl Seite 96-98; Grahn-Hoek, Oberschicht Seite 203-211.].

Hartmann Martina: Seite 61,101,123,140,165
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"Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger."

Von Audovera hatte er ein oder zwei Töchter und drei Söhne, die die Kämpfe des Vaters unterstützten. So fiel der älteste, Theudebert, 575 im Kampf gegen duces Sigiberts. Den zweiten Sohn Merowech entsandte Chilperich nach der Ermordung Sigiberts (575) nach Poitiers. Doch Merowech verfolgte eigene Ziele, mit denen er seine Position zu stärken hoffte: Eigenmächtig zog er nach Tours und heiratete bald darauf mit Billigung seines Taufpaten, des Bischofs Praetextatus von Rouen (556/58-577), die Witwe seines Onkels, die Königin Brunichild ( 613), die Chilperich dorthin verbannt hatte.
Chilperich duldete dies nicht, ließ Merowech gefangen nehmen und zum Priester weihen.
Hintergrund der Kampagne gegen den Bischof von Tours war offenbar die Furcht Chilperichs, Gregor sowie der Metropolit von Rouen könnten seine Söhne aus der Ehe mit Audovera unter Zuhilfenahme der Austrier gegen den Vater unterstützen, denn Gregor hatte Merowech auf der Flucht vor seinem Vater 576/77 in Saint-Martin Kirchenasyl gewährt. Merowech entkam schließlich aus dem Kloster, in das sein Vater ihn eingewiesen hatte, ließ sich dann aber 577 von einem Vertrauten töten, als er den Leuten des Vaters in die Hände zu fallen drohte (siehe auch unten Seite 165).
Wie schnell die Karriere eines solchen dux beendet sein konnte, zeigt Gregor von Tours am Fall des dux von Burgund, Erpo, der Merowech, den aufständischen Sohn König Chilperichs I. (561-584) im Jahre 577 festnahm, aber wieder entkommen ließ:

   Als er (Merowech) ... seinen Weg durch das Gebiet
   von Auxerre nahm, wurde er von Erpo, dem dux
   König Gunthrams, gefangen genommen. Er entwischte
   aus der Haft desselben durch irgendeinen
   Zufall und entkam nach der Kirche des heiligen
   Germanus. Als König Gunthram dies hörte, wurde er
   sehr erzürnt, verdammte Erpo zu einer Strafe von
   700 Goldstücken und entsetzte ihn seines Amtes:
   "Du hast", sprach er zu ihm, "wie mein Bruder
   sagt, seinen Feind in deine Gewalt gebracht. Wenn
   du dies mit Vorbedacht tatest, so hättest du ihn erst
   zu mir bringen müssen: wenn nicht, hättest du ihn
   gar nicht anrühren sollen, da du ihn nicht festhalten
   wolltest."
          (Gregor von Tours, Historien V, 14 = I Seite 307)

Ganz klar sagt Gregor, dass die Ehe der verwitweten Königin Brunichild († 613) mit ihrem Neffen Merowech ( 577), dem Sohn Chilperichs I. (561-584), im Jahre 576 gegen Recht und kirchliches Gebot war (Historien V, 2 = 1, Seite 281).
Bei Mitgliedern des Königshauses und des Adels kam es aber immer wieder zu Zwangseinweisungen, so ja auch auf Betreiben der Königin Fredegunde beim Chilperich-Sohn Merowech und der Chilperich-Tochter Basina (siehe unten Seite 60f.).
Von Chilperichs aufständischem und glücklosen Sohn Merowech (551/52-577) berichtet Gregor, er habe, als er auf der Flucht vor seinem Vater in Tours weilte, seine Zukunft vom heiligen Martin erfahren wollen:

   Merowech ... legte ... drei Bücher auf das Grab des
   Heiligen, den Psalter, die Bücher der Könige und die
   Evangelien; er wachte eine ganze Nacht und betete,
   der heilige Bekenner möge ihm die Zukunft enthüllen
   und er durch einen Wink des Herrn erfahren, ob er
   das Reich gewinnen könne oder nicht. Als er darauf
   drei Tage ganz in Fasten, Wachen und Beten zugebracht
   hatte, ging er wiederum zum heiligen Grab und
   schlug das Buch der Könige auf. Der erste Vers der
   Seite, welche er aufschlug, war aber folgender:
   "Darum dass sie den Herrn, ihren Gott, verlassen
   haben und haben angenommen andere Götter und sie
   angebetet und ihnen gedient, deshalb hat auch der
   Herr alles dieses Übel über sie gebracht."
   (1. Könige, 9,9)
   Im Psalter aber fand er den Vers: "Aber du
   setztest sie auf das Schlüpfrige und stürzest sie
   zu Boden. Wie werden sie so plötzlich zunichte!
   Sie gehen unter und nehmen  ein Ende mit Schrecken."
   (Psalm 73, 18 und 19)
   In den Evangelien endlich fand er dies: "Ihr wisset,
   dass nach zwei tagen Ostern wird, und des Menschen
   Sohn wird überantwortet werden, dass er gekreuzigt wurde."
   (Matthäus 26, 2)
   Über diese Antworten wurde er sehr bestürzt und
   weinte lange am Grab des heiligen Bischofs.
    (Gregor von Tours, Historien V, 14 = I Seite 305 und 307)
 
 
 
 

 576
  oo 2. Brunhilde
  x       555 613
 
 
 
 

Literatur:
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Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899 - Dahn, Felix: Die Völkerwanderung. Kaiser Verlag Klagenfurth 1997, Seite 393 - Ewig, Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1993, Seite 96 - Hartmann Martina: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger. Primus Verlag 2003 Seite 60,70,101,123,140,148,152,165,202 - Hlawitschka, Eduard: Adoptionen im mittelalterlichen Königshaus, in: Schulz Knut: Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters, Festschrift für Herbert Helbig zum 65. Geburtstag, Köln Seite 1-32 - Offergeld Thilo: Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter. Hahnsche Buchhandlung Hannover 2001 Seite 201,215 - Schneider, Reinhard: Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter. Anton Hirsemann Stuttgart 1972, Seite 96,111,248 - Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1, R. G. Fischer Verlag Frankfurt/Main 1993 Tafel 2 -