Begraben: St. Germain-des-Pres, Paris
2. Sohn des Franken-Königs Chilperich
I. von Neustrien aus seiner 1. Ehe mit der Audovera
Thiele, Andreas: Tafel 2
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"Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen
Geschichte Band I, Teilband 1"
MEROWECH
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†
577
Unter-König
Merowech wurde auf Anstiften der Fredegunde ermordet.
oo BRUNICHILDE
† 613
Witwe König Sigiberts I.
Chilperichs Sohn Merowech
aus der früheren Ehe mit Audovera
tat dann das, was schon vorher bei Nachfolgeansprüchen gelegentlich
zu beobachten war. Von einem Feldzug nach Poitierts, auf dem er bereits
eigene Interessen verfolgte, zog er überraschend nach Rouen und heiratete
die Königin-Witwe Brunhilde.
Kein Zweifel, daß Merowech mit
dieser Heirat politische Pläne zu realsieren hoffte, der Besitz beziehungsweise
die Ehe mit der verwitweten Königin sollten ihm den Schlüssel
zur Herrschaft in Sigiberts
ehemaligem Reich geben. Chilperichs
blitzschnelle Gegenaktion stützt diese These mehr als dessen zornige
Äußerung.
Merowechs Ehe
mit der eigenen Tante verstoße contra fas legemque canonicam.
Gregor selbst drückt es klar aus, wenn er berichtet, König
Chilperich propter coniugatione
Brunichildis suspectum habere coepit
Merowechum,
filium suum; er bringt
Merowech sogar
in einen deutlichen Zusammenhang mit Aufständen in der Champagne gegen
Chilperich.
Merowech
konnte dem zürnenden Vater indes nicht entgehen, mußte sich
unterwerfen und wurde von seiner Frau Brunichild
getrennt. Bei all seinen späteren Versuchen, das alte Ziel einer
selbständigen Königsherrschaft und gegebenenfalls des
Vaters alleinige Nachfolge unter Ausschluß der Brüder zu erreichen,
ist als bestimmender Zug zu erkennen, daß Merowech
zur
von ihm getrennten Brunhilde zu stoßen
versuchte, als sei der Weg nur mit ihr an der Seite zu gehen.
Was Merowech veranlaßte,
schon zu Lebzeiten des Vaters nach selbständiger Königsherrschaft
zu streben, verraten die Quellen nicht. Doch kann darauf hingewiesen werden,
daß er nach Theudeberts Tod (†
575) Chilperichs ältester Sohn
war und daß er sicherlich befürchten mußte, von seiner
Stiefmutter
Fredegund zugunsten von deren eigenen
Söhnen als Erbe ausgeschaltete zu werden. Daher bot sich eine rechtzeitige
Erhebung, zumal im benachbarten Reich des Oheims, geradezu an. Merowechs
wichtigster Verbündeter neben Guntram Boso war vor
allem Bischof Praetextatus von Rouen, der Merowech
aus der Taufe gehoben, mit der Königin
Brunhilde getraut hatte und sich
später dafür verantworten mußte, das Volk von Rouen gegen
Chilperich
für
Merowech aufgewiegelt zu haben.
Entscheidend für das Mißlingen von Merowechs
Usurpationsversuch scheint die teils zögernde, teils übervorsichtige
und auch ablehnende Haltung der Austrasier gegenüber Merowech
gewesen zu sein, obwohl diese Haltung gegenüber Brunhilde
zunächst nicht zu spüren war. Wenn hinzugefügt werden muß,
daß auch Chilperich gegenüber
Brunhilde
nur sehr vorsichtig taktierte, da er ihren Sohn, den als Minderjährigen
erhobenene König Childebert
II., fürchtete, so ist mit dessen Existenz der zweite
entscheidende Faktor genannt, der Merowechs
Pläne entgegenwirken mußte.
Ewig Eugen: Seite 96
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Die Merowinger und das Frankenreich"
König Gunthram ließ 585 die sterblichen Reste seiner Neffen Merowech und Chlodowech, die als Rebellen gegen ihren Vater Chilperich 577 und 580 formlos bei Landpfalzen beigesetzt worden waren, nach Paris bringen und in feierlicher Prozession mit Bischof, Klerus und Volk nach St. Vinzenz (St. Germain-des-Pres) überführen.
Offergeld Thilo: Seite 201
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"Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im
frühen Mittelalter."
Nicht ohne Grund schätzten zahlreiche Große Childeberts Chancen als ungünstig ein und gingen zu Chilperich über, der Witwe und Hort des ermordeten Sigibert in seine Gewalt gebacht hatte. Doch das Sohnesrecht des Königskindes und die Machtposition Gundowalds und der Seinen waren stark genug, um die Herrschaft zu behaupten, zumal Chilperich durch die Rebellion seines Sohnes Merowech von weiteren Aktionen gegen Childebert abgehalten wurde [513 Zur Rebellion Merowechs, der von Chilperich zunächst gegen Childeberts aquitanische Städte entsandt worden war, vgl. Kasten, Königssöhne Seite 45-49; Schneider, Königswahl Seite 96-98; Grahn-Hoek, Oberschicht Seite 203-211.].
Hartmann Martina: Seite 61,101,123,140,165
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"Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger."
Von Audovera hatte
er ein oder zwei Töchter und drei Söhne, die die Kämpfe
des Vaters unterstützten. So fiel der älteste, Theudebert,
575 im Kampf gegen duces Sigiberts.
Den zweiten Sohn Merowech entsandte
Chilperich
nach der Ermordung Sigiberts
(575)
nach Poitiers. Doch Merowech verfolgte
eigene Ziele, mit denen er seine Position zu stärken hoffte: Eigenmächtig
zog er nach Tours und heiratete bald darauf mit Billigung seines Taufpaten,
des Bischofs Praetextatus von Rouen (556/58-577), die Witwe
seines Onkels, die Königin Brunichild
(† 613), die Chilperich dorthin
verbannt hatte.
Chilperich duldete
dies nicht, ließ Merowech gefangen
nehmen und zum Priester weihen.
Hintergrund der Kampagne gegen den Bischof von Tours
war offenbar die Furcht Chilperichs,
Gregor sowie der Metropolit von Rouen könnten seine Söhne aus
der Ehe mit Audovera unter Zuhilfenahme
der Austrier gegen den Vater unterstützen, denn Gregor hatte Merowech
auf der Flucht vor seinem Vater 576/77 in Saint-Martin Kirchenasyl
gewährt. Merowech entkam schließlich
aus dem Kloster, in das sein Vater ihn eingewiesen hatte, ließ sich
dann aber 577 von einem Vertrauten töten, als er den Leuten des Vaters
in die Hände zu fallen drohte (siehe auch unten Seite 165).
Wie schnell die Karriere eines solchen dux beendet
sein konnte, zeigt Gregor von Tours am Fall des dux von Burgund,
Erpo,
der Merowech, den aufständischen
Sohn König Chilperichs I.
(561-584) im Jahre 577 festnahm, aber wieder entkommen ließ:
Als er (Merowech)
... seinen Weg durch das Gebiet
von Auxerre nahm, wurde er von Erpo,
dem dux
König Gunthrams,
gefangen genommen. Er entwischte
aus der Haft desselben durch irgendeinen
Zufall und entkam nach der Kirche des
heiligen
Germanus. Als König Gunthram
dies hörte, wurde er
sehr erzürnt, verdammte Erpo
zu
einer Strafe von
700 Goldstücken und entsetzte ihn
seines Amtes:
"Du hast", sprach er zu ihm, "wie mein
Bruder
sagt, seinen Feind in deine Gewalt gebracht.
Wenn
du dies mit Vorbedacht tatest, so hättest
du ihn erst
zu mir bringen müssen: wenn nicht,
hättest du ihn
gar nicht anrühren sollen, da du
ihn nicht festhalten
wolltest."
(Gregor von Tours, Historien V, 14 = I Seite 307)
Ganz klar sagt Gregor, dass die Ehe der verwitweten Königin
Brunichild
(† 613) mit ihrem Neffen Merowech
(† 577), dem Sohn Chilperichs
I. (561-584), im Jahre 576 gegen Recht und kirchliches
Gebot war (Historien V, 2 = 1, Seite 281).
Bei Mitgliedern des Königshauses und des Adels kam
es aber immer wieder zu Zwangseinweisungen, so ja auch auf Betreiben der
Königin
Fredegunde beim Chilperich-Sohn
Merowech
und der Chilperich-Tochter
Basina
(siehe unten Seite 60f.).
Von Chilperichs aufständischem
und glücklosen Sohn Merowech (551/52-577)
berichtet Gregor, er habe, als er auf der Flucht vor seinem Vater in Tours
weilte, seine Zukunft vom heiligen Martin erfahren wollen:
Merowech
... legte ... drei Bücher auf das Grab des
Heiligen, den Psalter, die Bücher
der Könige und die
Evangelien; er wachte eine ganze Nacht
und betete,
der heilige Bekenner möge ihm die
Zukunft enthüllen
und er durch einen Wink des Herrn erfahren,
ob er
das Reich gewinnen könne oder nicht.
Als er darauf
drei Tage ganz in Fasten, Wachen und
Beten zugebracht
hatte, ging er wiederum zum heiligen
Grab und
schlug das Buch der Könige auf.
Der erste Vers der
Seite, welche er aufschlug, war aber
folgender:
"Darum dass sie den Herrn, ihren Gott,
verlassen
haben und haben angenommen andere Götter
und sie
angebetet und ihnen gedient, deshalb
hat auch der
Herr alles dieses Übel über
sie gebracht."
(1. Könige, 9,9)
Im Psalter aber fand er den Vers: "Aber
du
setztest sie auf das Schlüpfrige
und stürzest sie
zu Boden. Wie werden sie so plötzlich
zunichte!
Sie gehen unter und nehmen ein
Ende mit Schrecken."
(Psalm 73, 18 und 19)
In den Evangelien endlich fand er dies:
"Ihr wisset,
dass nach zwei tagen Ostern wird, und
des Menschen
Sohn wird überantwortet werden,
dass er gekreuzigt wurde."
(Matthäus 26, 2)
Über diese Antworten wurde er sehr
bestürzt und
weinte lange am Grab des heiligen Bischofs.
(Gregor von Tours, Historien
V, 14 = I Seite 305 und 307)
576
oo 2. Brunhilde
x 555
† 613
Literatur:
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Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899
- Dahn, Felix: Die Völkerwanderung. Kaiser Verlag Klagenfurth
1997, Seite 393 - Ewig, Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich.
Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1993, Seite 96 - Hartmann
Martina: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger. Primus Verlag
2003 Seite 60,70,101,123,140,148,152,165,202 - Hlawitschka, Eduard:
Adoptionen im mittelalterlichen Königshaus, in: Schulz Knut: Beiträge
zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters, Festschrift für
Herbert Helbig zum 65. Geburtstag, Köln Seite 1-32 - Offergeld
Thilo: Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen
Mittelalter. Hahnsche Buchhandlung Hannover 2001 Seite 201,215 - Schneider,
Reinhard: Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter.
Anton Hirsemann Stuttgart 1972, Seite 96,111,248 - Thiele, Andreas:
Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte
Band I, Teilband 1, R. G. Fischer Verlag Frankfurt/Main 1993 Tafel 2 -