Begraben: Ravenna, S. Maria Rotonda, Grabmal Theoderichs
Jüngerer Sohn Hartwig I. aus dem Geschlecht der ERNSTE (Grafen von Hirschberg) und der Beliza, Tochter oder Schwester des Eichstätter Vogtes Gotabold; Bruder des Grafen Hartwig II. an der unteren Amper
eigentlich Gebhard, Graf von Hirschberg
Lexikon des Mittelalters: Band VIII Spalte 1665
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Viktor II., Papst seit 13. April 1055
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+ 28. Juli 1057
Arezzo
eigentlich Gerhard
Begraben: Ravenna, S. Maria Rotonda, Grabmal Theoderichs
Aus edelfreiem schwäbischen Geschlecht, wohl von Vorfahren der Grafen von Calw abstammend, dem salischen Königshaus weitläufig verwandt; offenbar in der Regensburger Domschule erzogen, hier Domkanoniker unter seinem Verwandten Bischof Gebhard III., auf dessen Vorschlag König HEINRICH III. ihn 'sehr jung' 1042 zum Bischof von Eichstätt ernannte; seit ca. 1050 maßgeblicher Berater Kaiser HEINRICHS III., Gegner der Normannenpolitik Papst Leos IX. Nach Leos Tod bestimmte der Kaiser nach Verhandlungen mit einer römischen Gesandtschaft unter Führung Hildebrands (Gregor VII.) den heftig widerstrebenden Bischof Gebhard zum Nachfolger erst Anfang März 1055 (Reichstag zu Regensburg) willigte dieser ein, als ihm Beibehaltung seines Bistums und Rückgabe von Gütern an die römische Kirche zugesichert wurden. Viktor II. wurde am 13. April 1055 (Gründonnerstag) in St. Peter inthronisiert und setzte die Kirchenreform in enger Verbindung mit dem Kaiser fort. Zur Sicherung der Reichsinteressen übertrug ihm der Kaiser die Verwaltung des Herzogtums Spoleto und der Markgrafschaft Fermo. Viktor II. traf sich im September 1056 in Goslar mit dem Kaiser, um die Bereinigung der süditalienischen Probleme vorzubereiten, stand aber am 5. Oktober zu Bodfeld an HEINRICHS Sterbelager, der seinen unmündigen Sohn HEINRICH IV. dem besonderen Schutz des Papstes empfahl. Viktor II. setzte den Kaiser in Speyer bei, sicherte die Regentschaft der Kaiserin Agnes, krönte HEINRICH IV. in Aachen, veranlaßte den Treueid ihrer Fürsten und vermittelte (Kölner Hoftag, Dezember) den Frieden mit den bisherigen Hauptgegnern, Balduin V. von Flandern und Gottfried III. von Ober-Lothringen. Im Februar 1057 kehrte er nach Italien zurück, hielt Synoden im Lateran und in Arezzo, wo er starb.
Quellen:
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Anonymus Haserensis de episcopis Eichstetensibus (MGH
SS VII), 263-266 - Watterich I, 177-188 - Mansi XIX, 833-862 - LP III,
390 - Jaffe I, 549-553; II, 710f., 750
Literatur:
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LThK X, 769 - Spindler I, 318, 505 - N. Gussone, Thron
und Inthronisation des Papstes von den Anfängen bis zum 12. Jh., 1978,
215f. - Frk. Lebensbilder, IX, 1980, 11-21 - St. Weinfurter, Die Gesch.
der Eichstätter Bf.e des Anonymus Harensis, 1987, bes. 177-182, 193-200
- G. Martin, Die sal. Herrscher als 'Patricius Romanorum', FMASt 28, 1994,
257-295.
Gewählt auf Verlangen Kaiser
HEINRICHS III. und auf den Rat von Hildebrand, regierte
der ehemalige kaiserliche Kanzler ganz im Sinne der Reformen Leos
IX. Mit der Erhebung des Papstes zum Herzog erhoffte der Kaiser sich
ein Gewicht gegen Herzog und Markgraf Gottfried den Bärtigen von Lothringen
und Tuszien, den mächtigsten Teilfürsten Italiens. Nach dem Tode
des Kaisers und damit dem Ende des kaiserlichen Einflusses auf das Papsttum,
mußte der Papst sich mit Gottfried dem Bärtigen verständigen.
Obwohl zum Reichsvikar in Italien erhoben, konnte er den weiteren
Aufstieg des machtvollen Hauses LOTHRINGEN-TUSZIEN nicht verhindern.
Bischof von Eichstätt 1042-1057: H. Regg. 182-218
(passim)
Papst Viktor II.1055-1057
(+).
1053. Mai 17. Goslar. Kaiser
HEINRICH III. verleiht Bischof Gebhard
wegen seines wertvollen Dienstes gewisse Gebiete: H. Reg. 196.
1053. Juni 6. Goslar Kaiser
HEINRICH III. schenkt wegen treuer Dienste des Bischofs den
Markt in den Orten Beilngries und Waltkirchen im Nordgau in der Grafschaft
Heinrichs: H. Reg. 197.
1053. Bischof Gebhard wurde
dem 3-jährigen Sohn König HEINRICHS
III. (HEINRICH IV.) zur Führung der Regierungsgeschäfte
zur Seite gegeben. H. Reg. 198.
1054. Bischof Gebhard
zwingt, während er in Bayern die Regierung führt, die Grafen
von Scheyern, welche sich als Anhänger Herzogs Konrad arge Landfriedenstörungen
zu Schulden kommen lassen, von ihrem Unwesen abzustehen: M. G. SS. III.
S. 269, H. Reg. 199.
1057. Juli 28. Papst
Viktor II. stirbt zu Arezzo: H. Reg. 217.
Note:
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Dass Gebhard, ungefähr
im gleichen Alter als König HEINRICH III.,
so jung die Bischofswürde erhielt, verdankte er nebst seinen großen
geistigen Gaben der Tatsache, dass er ein Stiefverwandter des Königs
und Neffe des Bischofs Gebhard von Regensburg G. 24. war.
Aus den königlichen Gunstbeweisen erwuchs in den
älteren, seinem Bruder Hartwig entstammenden Linien eine stets steigende
Machtstellung in der Diözese Eichstätt, wo seine Vorfahren schon
früher als Grundbesitzer und Gaugrafen im Sualafeld eine Rolle spielten.
Der Nachfolger Leos IX. war wiederum ein Deutscher
und vom Kaiser designiert. Der Kandidat hieß bürgerlich Gebhard,
leitete sein Geschlecht von alemannischen Vorfahren her und brachte schon
in seiner Jugend einen besonderen Einsatz auf. Sein Vater hieß Hartwich,
seine Mutter Beliza. Auch Gebhard war
ein Verwandter des Kaisers, und zwar über dessen Stiefonkel, Bischof
Gebhard III. von Regensburg, der dann auch den jüngeren Gebhard,
den der Kaiser bereits in den Kreis seiner Ratgeber geholt hatte, dem Kaiser
zum Bischof von Eichstätt vorschlug. Obwohl HEINRICH
den
Kandidaten noch für sehr jung hielt, ernannte er ihn zu Weihnachten
1042 zum Bischof. Das Alter Gebhards
zu dieser Zeit kann auf 30 Jahre geschätzt werden. Er war hochgebildet
und politisch versiert, kannte bestens die Rechtsansprüche des Reiches
auf Güter der Kirche.
Ein Jahr lang blieb der Stuhl Petri vakant. Der Kaiser
benötigte diesmal längere Bedenkzeit um einen würdigen Nachfolger
für
Leo IX. zu finden. Unter Hildebrands Einfluß,
der im November 1054 mit einer Gesandtschaft nach Mainz gekommen war, fiel
die Wahl auf Bischof Gebhard von Eichstätt,
als Kanzler des Kaisers der rechte Diener Gottes mit außergewöhnlichem
Ansehen und besonderem Einfluß bei Hof, Reich an Kenntnis und Erfahrung.
Es ist überliefert, dass der Kaiser von diesem Vorschlag des Subdiakons
zuerst nicht besonders angetan war: Er wollte nicht auf einen seiner besten
Männer verzichten. Es ist ferner überliefert, dass auch Gebhard
zuerst nicht viel an dieser Nominierung lag. Er soll Männer nach Rom
gesandt haben, die dort die Umgebung des päpstlichen Stuhles überzeugen
sollten, dass er nicht der richtige Mann für die Papsttiara sei. Gleichzeitig
ließ er ein "kanonisches Bedenken" ausarbeiten, das den Beweis erbringen
sollte, dass er gar nicht gewählt werden dürfe. Erst im Frühjahr
1055 fügte er sich dem Willen des Kaisers, der inzwischen von der
Notwendigkeit Gebhards als Nachfolger
Leos
überzeugt
war.
Am 16. April fand in Rom die Weihe statt. Viktor
II. nannte sich der neue Papst,
damit deutete er an, dass er das Werk seiner Vorgänger fortsetzen
wollte. Als Bischof war er auf der Seite der päpstlichen Opposition
gestanden, vor allem was den Feldzug in Unteritalien gegen die Normannen
anlangte; in dem Anliegen der Reformen stand er ganz auf der Seite seines
großen Vorgängers. Er mischte sich noch mehr als dieser in die
Bistümer ein. Er setzte schon bald den Erzbischof von Narbonne ab,
hob die Vermögensverwaltung in Ferrara auf, legte in der Provence
zwei Bistümer zusammen, bestimmte den Erzbischof von Embrun, zudem
beauftragte er mehrere Legaten, dass sie in seinem Namen Synoden abhielten,
leiteten und gegen Simonie und für Ehelosigkeit der Priester auftraten.
Der neue Papst erwies sich von Anfang an als neuer Lichtblick
für die römische Kirche. Mit einem unaufschiebbaren Arbeitseifer
ging er an die Probleme heran. Auf einer Synode in Florenz bestätigte
er in Anwesenheit von 120 Bischöfen und des Kaisers alle Dekrete Leos
gegen Simonie und verheiratete Priester.
Viktor verbot bei
Strafe der Exkommunikation allen Bischöfen und Äbten, Adelige
oder Ritter, also weltliche Großen oder Fürsten, mit Würden
und/oder mit kirchlichen Gütern zu belehnen, also Kirchengüter
zu verkaufen. Dem spanischen König, Ferdinand
von Leon und Kastilien, der den Titel eines Kaisers gebrauchte
und HEINRICH III. die Anerkennung versagte,
drohte der Papst mit dem Bann. Dies mag Viktor gerade recht gekommen
sein, denn Ferdinand erstrebte darüber
hinaus für die spanische Kirche eine weitgehende Unabhängigkeit
von Rom.
Allgemein suchte der Papst für die Kirche verlorengegangene
Besitzungen wiederzugewinnen. Vom Kaiser erhielt er das Herzogtum Spoleto
und die Markgrafschaft Fermo, ebenso gewann er für die Kirche jene
Burgen wieder, die ihr entzogen worden waren.
Da sich Viktor in
der Angelegenheit bei Gottfried dem Bärtigen für Kaiser und Reich
ausgesprochen hatte, erhielt er als Dank und Anerkennung Hilfe für
Unteritalien in Aussicht gestellt. Zu einer systematischen Aktion kam es
aber nicht mehr, denn auch dem Pontifikat Viktors
waren zeitlich enge Grenzen gesetzt.
Im Herbst 1056 weilte Viktor
in Deutschland, nicht zuletzt deshalb, um eine Lösung der
Normannenfrage zu finden. Am 8. September traf er mit dem Kaiser in Goslar
zusammen. Der schriftlichen Überlieferung zufolge wurde dem Papst
ein ungewöhnlich herzlicher Empfang bereitet, wobei "alle Fürsten
des Reiches, geistliche wie weltliche", zugegen waren. Der Papst war der
Einladung HEINRICHS gefolgt, der ihn
als seinen politischen Ratgeber begehrte. Es lag dem Kaiser viel daran,
die Persönlichkeit Viktors in
Deutschland, in seiner Umgebung zu wissen; es sollte dem Pontifex gelingen,
die Eintracht zwischen den Fürsten und dem Kaiser wiederherzustellen.
Dem Reich stand keine rosige Zukunft bevor: im Inneren
zerstritten, angefeindet von den Ungarn im Osten, mißgünstig
beneidet vom Widersacher Frankreich im Westen.
Von der Reichsversammlung in Goslar zogen Kaiser und
Papst weiter nach Bodfeld. Hier traf die Nachricht von der Niederlage des
sächsischen Heeres durch die slawischen Liutizen ein. Wie die Chronik
berichtet, soll der ohnehin durch Krankheit geschwächte Kaiser, der
zu dieser Zeit dem Jagdvergnügen nachging, einen gesundheitlichen
Rückschlag erlitten haben und von einem starken Fieber befallen worden
sein, worauf er nach wenigen Tagen am 5. Oktober im Alter von 39 Jahren
starb. Durch den unerwarteten Tod war eine politisch ungünstige Lücke
aufgerissen. Das zentrale Anliegen dieses Jahrhunderts, die Reform der
Kirche, war noch keineswegs abgeschlossen; im Gegenteil: Die kirchliche
Erneuerungsbewegung stand noch am Anfang ihrer folgenschweren Wirkung.
Politisch war es HEINRICH
gelungen,
das ottonische Werk zu vollenden. Er
führte und lenkte das Reich auf einen Scheitelpunkt seiner Bestimmung.
In Bodfeld fehlten die Erzbischöfe von Mainz und
Köln. Dafür fand sich unter den Anwesenden der kaisertreue Viktor,
der stets gegenüber Kaiser und ein Reich ein ergebener Diener gewesen
war, wenn er auch in der Vertretung kirchlicher Ansprüche durchaus
nicht nachgiebig auftrat. Es ist naheliegend, dass der Papst im Einvernehmen
mit dem sterbenskrank darniederliegenden Kaiser bezüglich der bevorstehenden
Wahl des Nachfolgers mit den anwesenden Fürsten verhandelte und ihnen
den Sohn des Kaisers, HEINRICH IV.,
empfahl und nach Erhalt der Zustimmung die förmliche electio des knapp
6-jährigen Kaisersohnes vornahm.
So wurde der Knabe, der schon mit knapp drei Jahren gewählt
und gekrönt worden war, mit knapp sechs Jahren Herr über drei
Königtümer: Deutschland, Burgund und Italien. Der sterbende Vater
hatte den Sohn und die Mutter Agnes
unter den Schutz Papst
Viktors gestellt und ihm den Jungen anvertraut, vor allem, was
die Wahl betraf; ihre Wiederholung unterstreicht die Notwendigkeit dieses
Aktes, an dem der Papst, sei es als Wähler, sei es als Organisator,
entscheidend mitwirkte. Viktor zeigte
sich in der Folge erneut als ein feinfühliger Politiker, als ein Mann,
dem das Reich ein echtes Anliegen bedeutete. Mit politischem Gespür
sprach er dem unzufriedenen Gottfried Nieder-Lothringen zu und akzeptierte
seine Herrschaft in der Markgrafschaft Toskana. Diese Aussöhnung zwischen
der kaiserlichen Familie und Gottfried stellte einen sichtlichen Erfolg
für die Reichspolitik dar.
Im Februar kehrte Viktor
nach Italien zurück, reiste durch Piemont, durch die Toskana und hielt
in Rom eine Synode ab. Freilich hätte es in Deutschland weiterhin
seiner Anwesenheit bedurft, denn hier brachen erneut ernste Unruhen aus.
Von Italien aus verfolgte er die Entwicklung im Norden und wartete auf
den Tag, wieder über die Alpen zu reisen. All diese Aufgaben, die
den Papst belasteten, über den ein Biograph schrieb: Noch nie habe
ein Nachfolger Petri eine so außerordentliche Macht in sich vereinigt
wie Viktor II. bei dem Tod seines kaiserlichen
Freundes, drückten zu schwer auf ihn. Es heißt, ein heftiges
Fieber habe ihn in Arezzo heimgesucht, dem er am 28. Juli 1057 in
der Blüte seiner Schaffenskraft erlag. Wieder kursierte das Gerücht
der Vergiftung. Es ist überliefert, dass auch Viktor
Morddrohungen
erhielt, dass ein Subdiakon Gift in seinen Meßwein mischte, der Papst
sei aber der tödlichen Gefahr durch wunderbare Rettung entgangen.
Gleich wie schon bei Clemens
II. sollte auch der Leichnam Viktors
im Dom seines Eichstätter Bistums die letzte Ruhe finden. Seine deutschen
Ratgeber veranlaßten den Transport über die Alpen. In Ravenna
wurde der Körper geraubt und vor den Mauern der Stadt in der Kirche
der heiligen Maria beigesetzt.
Rückblickend sei nochmals hervorgehoben, dass Viktor
II. der politischste deutsche Papst war. Schon als Bischof
von Eichstätt trat er als Kenner der Realpolitik hervor. Unter
anderem leitete er eine Zeitlang anstelle des Sohnes Kaiser
HEINRICHS das Herzogtum Bayern. Er blieb als Papst ein Vermittler
zwischen der geistlichen und weltlichen Macht. Hierin erwies er sich als
Friedenssucher. Als solcher unterbrach er nicht die eingeleitete Reform
Leos,
ließ dessen Mitarbeiter weiterhin in diesem Anliegen wirksam sein,
wenn ihm selbst daran auch nicht vorrangig gelegen haben mag.
Literatur:
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Cawthorne Nigel: Das Sexleben der Päpste.
Die Skandalchronik des Vatikans. Benedikt Taschen Verlag 1999 Seite 98
- Goez Elke: Beatrix von Canossa und Tuszien. Eine Untersuchung
zur Geschichte des 11. Jahrhunderts, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1995
Seite 10,24-26,46,131,141, 143,148-153,179,198 - Golinello, Paolo:
Mathilde und der Gang nach Canossa, Artemis und Winkler Düsseldorf
1998 Seite 121,123,162 - SCHWABEN UND ITALIEN IM HOCHMITTELALTER.
Vorträge und Forschungen Band LII Jan Thorbecke Verlag Stuttgart 2001
Seite 145 -