Ab etwa 900 tritt neben Theophylakt seine Frau
Theodora
hervor und übt in Rom großen Einfluß aus, und in den Jahren
von 926 bis 932 scheint seine Tochter Marozia
mit dem Titel einer Senatrix die Stadt Rom vollständig beherrscht
zu haben, Rom und den Papst
Johannes X., den sie, als er Widerstand zu leisten versuchte, zunächst
einkerkern und dann ermorden ließ. Wie es zu solchen Zuständen
kommen konnte, wird nur in einer einzigen Quelle geschildert, sie ist darum
auch sehr umstritten: Es ist Liudprands erklärtermaßen gegen
seine Freunde gerichtetes autobiographisches Buch Liudprandi antapodosis.
"In dieser Zeit saß auf dem verehrungswürdigen
römischen Stuhl Johannes von Ravenna. Er aber hatte das höchste
Bischofsamt durch ein gottloses Verbrechen wider göttliches und menschliches
Recht auf folgende Art erlangt: Die schamlose Hure Theodora, Großmutter
des kürzlich verstorbenen Patricius Alberich, herrschte
nicht unmännlich über die Stadt Rom. Sie hatte von dem Konsul
und Senator Theophylakt zwei Töchter namens Marozia
und Theodora, die ihr nicht nur gleich, sondern im Venusdienst sogar
noch eifriger waren.
Marozia
brachte
in ruchlosem Ehebruch von dem Papst
Sergius III. (897/98 und 904/11) den Johannes zur
Welt, der nach dem Tod des Johannes von Ravenna die höchste Würde
der römischen Kirche erlangte (Johannes
XI., 931-935); von dem Markgrafen Alberich von Spoleto aber
empfing sie einen Sohn namens Alberich, der später, zu unserer
Zeit, die Herrschaft über die Stadt Rom an sich riß." Wenige
Zeilen später beschuldigt Liudprand auch den Papst Johannes X.
des intimen Umgangs mit Theodora, der Schwester der Marozia,
und schreibt es dem Einfluß der Frauen zu, dass der in Ravenna allzuweit
von Rom entfernte, gut aussehende Johannes auf den Stuhl Petri nach
Rom geholt wurde.
Natürlich war jene Marozia,
die zur Zeit Johannes' X. lebte, inzwischen längst Großmutter
geworden - aber zu einer Großmutter der Päpste. Für den
Klan der Grafen von Tusculum schien kein Zölibat zu existieren, und
die Anklage, die der Kaiser gegen Johannes
XII. formulierte, läßt ja auch erkennen, dass es selbst
Blutschande und Inzest gegeben haben muß. Ein in seiner Herkunft
unklares, aber offenbar mächtiges Geschlecht der kleinen alten Etruskerstadt
wirft sich mit allen Mittel zur Herrschaft über Rom auf, wobei die
Schönheit und die Intelligenz dieser Frauen durch sieben Jahrzehnte
zum eigentlichen Motor aller kriminellen, ja gotteslästerlichen Handlungen
wird.
"In der allgemeinen Verdorbenheit, welche die römische
Gesellschaft kennzeichnete, wäre Marozias
Moral
überhaupt nicht aufgefallen. Was in die Augen fiel, war ihre Fähigkeit,
Menschen nach ihren Willen zu formen... Die Eltern
Marozias
hatten bloß Bündnisse zwischen der Familie und dem Papsttum
geschlossen. Ihre Tochter führte dieses Prinzip kühn bis zur
letzten Konsequenz durch: das Papsttum und die Familie sollten identisch
sein. Offenbar war sie völlig gleichgültig gegen die universalen
Ansprüche dieses Amtes und betrachtete es einfach... als ein Mittel,
die reichen Einkünfte des Stuhles Petri direkt in die theophylaktischen
Schatzkammern zu leiten." (Chamberlain).
In Verflechtungen, die zu entwirren nur noch den Spezialforscher
interessiert, beherrschten die Geschöpfe und die Kinder der drei Frauen
aus dem
Hause Theophylakt das 10. Jahrhundert in Rom. Seit Marozia
die Mätresse
Papst Sergius' III. gewesen war, seit
Papst Johann X. ein 5-jähriges Kind zum Erzbischof von Reims
gemacht hatte, seit Johann X., Leo
VI. und Stephan
VII., also drei aufeinanderfolgende Päpste, ermordet wurden,
hatte die Gewalt, hatte aber auch die Willkür in Rom geherrscht.
Johannes XI. (931-935) war ein Sohn Papst Sergius' III.
mit der Marozia
gewesen,
und nur die Jahre, in denen Alberich II. von Tuszien als "Fürst
und Senator aller Römer" ein wenig antiken Glanz und altrömische
Rechtschaffenheit erkennen ließ, dürfen wir als eine Pause in
diesem düsteren Zeitalter ansehen.
Mit Alberich II. endet die kurze Phase der Frauenherrschaft
in Rom, nicht aber die Vormacht der weltlichen Fürstentums über
das geistliche. Nach vielen Jahrhunderte, in denen in Rom die Kleriker
regiert und die Frauen somit keine Stimme gehabt hatten, war im Zusammenbruch
der Papstmacht zunächst der Machtzuwachs für die Frauen gekommen,
für Theodora die Ältere und die Jüngere und
für
Marozia, die bedeutendste,
sichtbarste, rücksichtsloseste von allen. Aber ihr Sohn verdammte
sie zur Untätigkeit, ja er soll sie eingekerkert haben, ihr Sohn,
dem sie als einzigem nicht mißtraut hatte. Und es dürfte sie
kaum getröstet haben, dass auch Alberich II. mit seinem Sohn,
Marozias
Enkel, die tiefste Enttäuschung
erleben mußte. Noch als Knabe und unter dem Namen Oktavian
war dieser Sohn des Alberich den Römern vorgestellt worden,
und sie hatten jubelnd geschworen, dass er ihr Fürst und Papst sein
sollte. Alberich starb am 31. August 954 eben rechtzeitig, um nicht
mehr erleben zu müssen, was für ein Papst sein 955 gekrönter
Sohn wurde.