Das Jahr 862.
Nach diesem Versprechen nahmen unter solcher Bedingung Karl und die Bischöfe, welche mit ihm waren, den Hlothar in ihre Gemeinschaft auf; nachdem aber die Erklärungen, welche sie über ihre Zusammenkunft dem Volke geben sollten, niedergeschrieben und den Rathgebern vorgelesen waren, verwarfen Hludowich und Hlothar dieselben vollständig, damit nicht dem Volke die Dinge bekannt würden, die Karl dem Hlothar vorwarf, indem sie dabei insbesondere dem Rathe des Chunrad, ihres Rathgebers und Oheims von Karl folgten, der wie gewöhnlich auf ein hochmüthiges und doch eitles, weder ihm noch andern nützliches Wissen sich stützte; Karl aber ließ gegen den Willen derselben alle vollständig wissen, daß er, weil Hlothar seine Gemahlin wider die Autorität des Evangeliums und der Apostel verlassen und eine andere sich genommen habe, und weil sie mit der Frau des Boso und mit Balduin, welcher seine Tochter entführt und zur Frau genommen hatte, Verkehr gepflogen, obgleich jene excommunicirt worden waren, mit Hlothar vor gedachter Erklärung nicht habe Gemeinschaft haben wollen. Und nachdem sie für eine neue Zusammenkunft einen Reichstag im künftigen Monat October auf der Grenze der Mosomagensischen und Vonzensischen Grafschaft festgesetzt hatten, schieden sie von einander.
Hludowich zog nach Baiern, um seinen Sohn Karlmann, der mit Hülfe des Restiz, des Häuptlings der Winider, gegen den Vater sich empört hatte, in Güte zu gewinnen oder ihm mit Gewalt entgegenzutreten. Karl kehrte vom Tullensischen Gebiet über Pontigo und dann längs dem Fluß Matrona seinen Weg nehmend nach Carisiacus zurück und beging daselbst aufs festlichste den Tag der Geburt des Herrn.
Kapitel 2.
Die Absetzung der Erzbischöfe Theotgaud und Gunthar.
Nachdem Theotgaud, Bischof von Treviri, Primas der Belgischen
Kirchenprovinz, und Gunthar, Bischof der Colonia Agrippina, jetzt vor uns
und der heiligen Synode unter Vorlegung der Acten zur Rechenschaft gezogen
worden, wie sie die Sache König Hlothars
und seiner beiden Frauen, der Theotberga
und Waldrada untersucht und entschieden haben, und überdies eine eigenhändig
unterzeichnete Schrift überreichten und in vieler Gegenwart
mit eigenem Munde erklärten, nichts mehr oder weniger oder anders
gehandelt zu haben, und endlich auch öffentlich und laut den Urtheilsspruch
verletzt zu haben bekannten, den gegen Ingildrud,
die Frau des Boso, unser heiliger
Bruder, der Erzbischof von Mediolanum, Tado, und unsere
übrigen Genossen in der bischöflichen Würde vom apostolischen
Stuhl erbeten, und den wir, vom heiligen Zorn entbrannt, unter Androhung
des Bannes kanonisch gefällt hatten: so haben wir in allem diesem
gesunden, daß sie die apostolischen und kanonischen Vorschriften
mehrfach überschritten, und das Gebot der Gerechtigkeit freventlich
verletzt haben, und erkennen dahin, daß sie jeder priesterlichen
Amtshandlung sich unbedingt zu enthalten haben, indem wir nach der Entscheidung
des heiligen Geistes und der Macht des heiligen Petrus, die bei uns ist,
bestimmen, daß sie der Leitung des Bisthums völlig enthoben
bleiben sollen. Wenn sie aber nach ihrer bisherigen Gewohnheit als Bischöfe
wagen würden, irgend wie heilige Diensthandlungen zu verrichten, so
sei ihnen in keiner Weise mehr gestattet, auf ihre Wiedereinsetzung in
einer anderen Synode oder auf eine Gelegenheit zu einer Genugthuung zu
hoffen; die aber, welche mit ihnen verkehren, sollen aus der Kirche gestoßen
werden, vor allem, wenn sie wagen sollten, dies zu thun, nachdem sie erfahren
haben, daß gegen die Vorgenannten das Urtheil gefällt ist.
Kapitel 4.
Von der Ingildruda.
Ingildrud, die Tochter des verstorbenen Grafen Mactifred, welche, nachdem sie ihren Mann Boso verlassen, nun schon ungefähr sieben Jahre lang hier und da unstät umherzieht, haben wir vor kurzem nebst ihren Gönnern der Regel gemäß in den Bann gethan, haben aber ihrer Hartnäckigkeit wegen für nöthig gehalten, sie von neuem und wiederholt in die Fesseln des Bannfluches zu schlagen. Sie sei daher vom Vater und vom Sohne und vom heiligen Geiste, dem einen und wahren Gott, und von allen heiligen Vätern, und von der gesammten heiligen katholischen und apostolischen Kirche Gottes und von uns vollständig verflucht, nebst allen ihren Mitschuldigen, Genossen und Helfershelfern, so daß, wie wir bereits verordnet haben, wenn irgend jemand mit ihr zu verkehren, oder sie irgendwie zu begünstigen sich unterfinge, er, falls es ein Geistlicher ist, von denselben Banden umfangen, das geistliche Amt verlieren, Mönche und Laien aber, wenn sie dem gegenwärtigen Befehl ungehorsam sind, gleicherweise verflucht sein sollen. Wenn indeß jene Frau zu ihrem Manne zurückkehren würde oder nach Rom zum apostolischen Stuhl des heiligen Petrus käme, würden wir ihr nach genügender Buße Verzeihung sicherlich nicht versagen; inzwischen aber soll sie mit dem früheren Bannfluch, den wir vorher und jetzt über sie verhängt haben, belastet bleiben. Wenn aber jemand der Ingildrud gerade auf dem Wege nach Rom zum apostolischen Stuhl begegnen und ohne sie zu kennen, mit ihr verkehren, oder wenn er sie kennt, ihrzu dieser Reise Unterstützung gewähren würde, so soll er dafür nicht als vom Bannfluch getroffen gelten.
Das Jahr 865.
An demselben Tage übergab Arsenius, der Bischof und Abgesandte des apostolischen Stuhls, mit den sämmtlichen obengenannten Erzbischöfen und Bischöfen die Königin Theodberga in die Hände des Königs Hlothar, nicht nur unter derselben Betheuerung, wie sie oben mitgetheilt, sondern auch unter der Drohung der Excommunication, daß wenn er nicht alles, wie es oben zu lesen ist, halte und erfülle, er nicht allein in dem gegenwärtigen Leben, sondern auch vor dem ewigen furchtbaren Gericht Gottes und dem heiligen Petrus, dem Apostelfürsten, Rechenschaft werde ablegen müssen und von demselben auf ewig in diesem Gerichte werde verdammt und durch ewiges Feuer verbrannt werden.
Inzwischen schickte Hlothar
Gesandte an Karl mit dem Wunsche und
der Bitte, daß sie sich durch neubekräftigtes Freundschaftsbündniß
verbänden. Und auf Verwendung der Königin
Irmentrud gewährte Karl
die Bitte, worauf Hlothar nach Attiniacus
kam, von Karl freundlich und ehrenvoll
empfangen und in das gewünschte Freundschaftsbündniß aufgenommen
wurde. Hierhin kam auch Arsenius zurück und brachte einen Brief des
Papstes
Nikolaus mit, voll von schrecklichen und der Mäßigung des
römischen Stuhls früher unbekannten Verwünschungen gegen
diejenigen, welche vor einigen Jahren dem Arsenius eine große Summe
Geldes geraubt hatten, wenn sie nicht Sorge tragen würden, durch Wiedererstattung
dessen, was sie genommen, Genugthuung zu leisten. Nachdem Bischof Arsenius
diesen Brief und einen andern bezüglich der Excommunication der Ingiltrud
verlesen
hatte, welche ihren Mann Boso verlassen hatte und mit einem Ehebrecher
in das Reich Hlothars entflohen war,
sowie nachdem er unter Karls Schutz
ein Dorf, Namens Vendopera, in Empfang genommen hatte, welches Kaiser
Hludowich seligen Andenkens dem heiligen Petrus übergeben
und ein gewisser Graf Wido längere Jahre besessen hatte, begab er
sich, da er alles von Karl erreicht
hatte, um deswillen er zu ihm gekommen war, mit Hlothar
nach Gundulsivilla, wohin Theodberga
schon vorausgegangen war. Während er hier um der Waldrada willen,
die hierher zu ihm gebracht und dann von ihm nach Italien geführt
werden sollte, mehrere Tage verweilte, feierte er in Gegenwart des
Hlothar und der Theodberga,
die in vollem Königsschmuck und mit der Krone auf dem Haupte erschienen,
am Tage der Himmelfahrt der heiligen Maria die Messe, und begab sich dann
von diesem Orte mit der genannten Waldrada nach Urba, bis wohin, wie es
hieß, Hludowich, der Kaiser
von Italien, Hlothar entgegenkommen
wollte; von hier kehrte Arsenius durch Alamannien und Baiern, um in diesen
Ländern gelegene Erbgüter der Kirche des heiligen Petrus in Empfang
zu nehmen, nach Rom zurück.