Jahrbücher von St. Bertin: Seite 116,122,124,150
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in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte Band VI

Das Jahr 862.

Nach diesem Versprechen nahmen unter solcher Bedingung Karl und die Bischöfe, welche mit ihm waren, den Hlothar in ihre Gemeinschaft auf; nachdem aber die Erklärungen, welche sie über ihre Zusammenkunft dem Volke geben sollten, niedergeschrieben und den Rathgebern vorgelesen waren, verwarfen Hludowich und Hlothar dieselben vollständig, damit nicht dem Volke die Dinge bekannt würden, die Karl dem Hlothar vorwarf, indem sie dabei insbesondere dem Rathe des Chunrad, ihres Rathgebers und Oheims von Karl folgten, der wie gewöhnlich auf ein hochmüthiges und doch eitles, weder ihm noch  andern nützliches Wissen sich stützte; Karl aber ließ gegen den Willen derselben alle vollständig wissen, daß er, weil Hlothar seine Gemahlin wider die Autorität des Evangeliums und der Apostel verlassen und eine andere sich genommen habe, und weil sie mit der Frau des Boso und mit Balduin, welcher seine Tochter entführt und zur Frau genommen hatte, Verkehr gepflogen, obgleich jene excommunicirt worden waren, mit Hlothar vor gedachter Erklärung nicht habe Gemeinschaft haben wollen. Und nachdem sie für eine neue Zusammenkunft einen Reichstag im künftigen Monat October auf der Grenze der Mosomagensischen und Vonzensischen Grafschaft festgesetzt  hatten, schieden sie von einander.

Hludowich zog nach Baiern, um seinen Sohn Karlmann,  der mit Hülfe des Restiz, des Häuptlings der Winider, gegen den Vater sich empört hatte, in Güte zu gewinnen oder ihm  mit Gewalt entgegenzutreten. Karl kehrte vom Tullensischen Gebiet über Pontigo und dann längs dem Fluß Matrona seinen Weg nehmend nach Carisiacus zurück und beging daselbst aufs festlichste den Tag der Geburt des Herrn.

Kapitel 2.
 

Die Absetzung der Erzbischöfe Theotgaud und Gunthar.

Nachdem Theotgaud, Bischof von Treviri, Primas der Belgischen Kirchenprovinz, und Gunthar, Bischof der Colonia Agrippina, jetzt vor uns und der heiligen Synode unter Vorlegung der Acten zur Rechenschaft gezogen worden, wie sie die Sache König Hlothars und seiner beiden Frauen, der Theotberga und Waldrada untersucht und entschieden haben, und überdies eine eigenhändig unterzeichnete Schrift überreichten und in vieler  Gegenwart mit eigenem Munde erklärten, nichts mehr oder weniger oder anders gehandelt zu haben, und endlich auch öffentlich und laut den Urtheilsspruch verletzt zu haben bekannten, den gegen Ingildrud, die Frau des Boso, unser heiliger
Bruder, der Erzbischof von Mediolanum, Tado, und unsere übrigen Genossen in der bischöflichen Würde vom apostolischen Stuhl erbeten, und den wir, vom heiligen Zorn entbrannt, unter Androhung des Bannes kanonisch gefällt hatten: so haben wir in allem diesem gesunden, daß sie die apostolischen und kanonischen Vorschriften mehrfach überschritten, und das Gebot der Gerechtigkeit freventlich verletzt haben, und erkennen dahin, daß sie jeder priesterlichen Amtshandlung sich unbedingt zu enthalten haben, indem wir nach der Entscheidung des heiligen Geistes und der Macht des heiligen Petrus, die bei uns ist, bestimmen, daß sie der Leitung des Bisthums völlig enthoben bleiben sollen. Wenn sie aber nach ihrer bisherigen Gewohnheit als Bischöfe wagen würden, irgend wie heilige Diensthandlungen zu verrichten, so sei ihnen in keiner Weise mehr gestattet, auf ihre Wiedereinsetzung in einer anderen Synode oder auf eine Gelegenheit zu einer Genugthuung zu hoffen; die aber, welche mit ihnen verkehren, sollen aus der Kirche gestoßen werden, vor allem, wenn sie wagen sollten, dies zu thun, nachdem sie erfahren haben, daß gegen die Vorgenannten das Urtheil gefällt ist.

Kapitel 4.
 

Von der Ingildruda.
 

Ingildrud, die Tochter des verstorbenen Grafen Mactifred, welche, nachdem sie ihren Mann Boso verlassen, nun schon ungefähr sieben Jahre lang hier und da unstät umherzieht, haben wir vor kurzem nebst ihren Gönnern der Regel gemäß in den Bann gethan, haben aber ihrer Hartnäckigkeit wegen für nöthig gehalten, sie von neuem und wiederholt in die Fesseln des Bannfluches zu schlagen. Sie sei daher vom Vater und vom Sohne und vom heiligen Geiste, dem einen und wahren Gott, und von allen heiligen Vätern, und von der gesammten heiligen katholischen und apostolischen Kirche Gottes und von uns vollständig verflucht, nebst allen ihren Mitschuldigen, Genossen und Helfershelfern, so daß, wie wir bereits verordnet haben, wenn irgend jemand mit ihr zu verkehren, oder sie irgendwie zu begünstigen sich unterfinge, er, falls es ein Geistlicher ist, von denselben Banden umfangen, das geistliche Amt verlieren, Mönche und Laien aber, wenn sie dem gegenwärtigen Befehl ungehorsam sind, gleicherweise verflucht sein sollen. Wenn indeß jene Frau zu ihrem Manne zurückkehren würde oder nach Rom zum apostolischen Stuhl des heiligen Petrus käme, würden wir ihr nach genügender Buße Verzeihung sicherlich nicht versagen; inzwischen aber soll sie mit dem früheren Bannfluch, den wir vorher und jetzt über sie verhängt haben, belastet bleiben. Wenn aber jemand der Ingildrud gerade auf dem Wege nach Rom zum apostolischen Stuhl begegnen und ohne sie zu kennen, mit ihr verkehren, oder wenn er sie kennt, ihrzu dieser Reise Unterstützung gewähren würde, so soll er dafür nicht als vom Bannfluch getroffen gelten.

Das Jahr 865.

An demselben Tage übergab Arsenius, der Bischof und Abgesandte des apostolischen Stuhls, mit den sämmtlichen obengenannten Erzbischöfen und Bischöfen die Königin Theodberga in die Hände des Königs Hlothar, nicht nur unter derselben Betheuerung, wie sie oben mitgetheilt, sondern auch unter der Drohung der Excommunication, daß wenn er nicht alles, wie es oben zu lesen ist, halte und erfülle, er nicht allein in dem gegenwärtigen Leben, sondern auch vor dem ewigen furchtbaren Gericht Gottes und dem heiligen Petrus, dem Apostelfürsten, Rechenschaft werde ablegen müssen und von demselben auf ewig in diesem Gerichte werde verdammt und durch ewiges Feuer verbrannt werden.

Inzwischen schickte Hlothar Gesandte an Karl mit dem Wunsche und der Bitte, daß sie sich durch neubekräftigtes Freundschaftsbündniß verbänden. Und auf Verwendung der Königin Irmentrud gewährte Karl die Bitte, worauf Hlothar nach Attiniacus kam, von Karl freundlich und ehrenvoll empfangen und in das gewünschte Freundschaftsbündniß aufgenommen wurde. Hierhin kam auch Arsenius zurück und brachte einen Brief des Papstes Nikolaus mit, voll von schrecklichen und der Mäßigung des römischen Stuhls früher unbekannten Verwünschungen gegen diejenigen, welche vor einigen Jahren dem Arsenius eine große Summe Geldes geraubt hatten, wenn sie nicht Sorge tragen würden, durch Wiedererstattung dessen, was sie genommen, Genugthuung zu leisten. Nachdem Bischof Arsenius diesen Brief und einen andern bezüglich der Excommunication der Ingiltrud verlesen hatte, welche ihren Mann Boso verlassen hatte und mit einem Ehebrecher in das Reich Hlothars entflohen war, sowie nachdem er unter Karls Schutz ein Dorf, Namens Vendopera, in Empfang genommen hatte, welches Kaiser Hludowich seligen Andenkens dem heiligen Petrus übergeben und ein gewisser Graf Wido längere Jahre besessen hatte, begab er sich, da er alles von Karl erreicht hatte, um deswillen er zu ihm gekommen war, mit Hlothar nach Gundulsivilla, wohin Theodberga schon vorausgegangen war. Während er hier um der Waldrada willen, die hierher zu ihm gebracht und dann von ihm nach Italien geführt werden sollte, mehrere Tage verweilte, feierte er in Gegenwart des Hlothar und der Theodberga, die in vollem Königsschmuck und mit der Krone auf dem Haupte erschienen, am Tage der Himmelfahrt der heiligen Maria die Messe, und begab sich dann von diesem Orte mit der genannten Waldrada nach Urba, bis wohin, wie es hieß, Hludowich, der Kaiser von Italien, Hlothar entgegenkommen wollte; von hier kehrte Arsenius durch Alamannien und Baiern, um in diesen Ländern gelegene Erbgüter der Kirche des heiligen Petrus in Empfang zu nehmen, nach Rom zurück.