Begraben: Kloster Vangadizza
Einziger Sohn des Markgrafen
Adalbert Azzo I. von Mailand und der Adele
Lexikon des Mittelalters: Band I Seite 283
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Albert Azzo
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vor 997- 1097
Sohn des Markgrafen Albert Azzo I. aus dem Geschlecht der OTBERTINER, dem er in der Herrschaft über die Grafschaften Luni, Genua und Tortona nachfolgte (seit 1026?). Unter HEINRICH III. konnte er seinem Herrschaftsgebiet noch die Grafschaft Lunigiana und zeitweilig auch Mailand hinzufügen.
1. oo (1034/36) Chuniza, Schwester Herzog Welfs
III. von Kärnten und Markgraf von Verona (seit 1047).
Ihr Sohn Welf IV. setzte 1055 nach dem Tod Welfs
III. als Erbe die WELFEN-Linie fort
(1070-1077 als Herzog von Baiern).
2. oo (1049-1051) Garsenda, Tochter des Grafen
Hugo von Maine.
3. oo (vor dem 17.3.1074) Mathilde, Schwester
Bischof Wilhelms von Pavia.
Anders als sein Vater, der wegen der Beteiligung am Aufstand gegen HEINRICH II. (1014) vorübergehend seiner Titel verlustig gegangen war, verfolgte Albert Azzo von Beginn an auf der Basis eines guten Einvernehmens mit den deutschen Herrschern und mit ihrer Unterstützung eine expansive Hausmachtpolitik, die ihm bis gegen Ende seines Lebens ein ausgedehntes Herrschaftsgebiet in Oberitalien einbrachte. 1069/70 versuchte er ohne Erfolg, gegen die Normannen in der Grafschaft Maine zu intervenieren. 1078 heiratete sein Sohn Hugo Eria, die Tochter Robert Guiskards. Gute Beziehungen unterhielt Albert Azzo auch zu Papst Gregor VII., obwohl dieser seine 3. Ehe wegen zu naher Verwandtschaft scharf verurteilte. Im Streit zwischen Kaiser und Papst suchte er zunächst zu vermitteln (Canossa). Nach der zweiten Exkommunikation HEINRICHS trat er jedoch aus Eigeninteresse auf die päpstliche Seite über. Etwa 1073 erwählte Adalbert Azzo als ständige Residenz Este (Provinz Padua), das der von ihm ausgehenden und über seinen Sohn Fulco (aus 2. Ehe) fortgesetzten Familie (ESTE) den Namen gab.
Literatur:
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DBI I, 753-758 - JDG, Konrad II., I, 1879, 414ff.
Sohn des OTBERTINERS Albert Azzo I.
Markgraf im östlichen Ligurien, Graf von Mailand, Helfer Kaiser KONRADS II. und HEINRICHS III. Er war seit um 1035 mit Welfs II. Tochter Kuniza verheiratet und war der Vater Welfs IV. Azzo II., der die Familiengüter im östlichen Oberitalien zum Herrschaftsmittelpunkt machte, nahm 1074 an der römischen Fastensynode teil, zählte jedoch erst nach 1080 zur päpstlichen Partei, in Canossa war er 1077 einer der Bürgen HEINRICHS IV. Aus der zweiten Ehe Azzos mit einer Tochter des Grafen von Maine stammen Hugo, der zeitweilig als Graf in Le Mans auftrat und eine Tochter Robert Guiscards heiratete und Fulco, der Stammvater der ESTE.
Literatur:
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DBI I, 753-758 - K. Schmid, Welf. Selbstverständnis
(Adel und Kirche. Fschr. G. Tellenbach, 1968), 412 - H. Schwarzmeier, Lucca
und das Reich bis zum Ende des 11. Jh., 1972, 247ff.
Adalbert Azzo II. nahm jahrzehntelang in Nord- und Mittelitalien eine überragende Machtposition ein, war Markgraf von Mailand und Ligurien, Graf von Padua, Rovigo, Herr von Monfelice und Montagrane. Er erwarb Este, das namensgebend für seine Familie wurde, beherrschte den Großteil der Lombardei, Ligurien und der Emilia und versuchte im Investiturstreit zwischen Kaiser und Papst zu vermitteln. Er rivalisierte besonders mit den Häusern CANOSSA und AURIATE-SAVOYEN und führte noch 1096 eine Versöhnung zwischen HEINRICH IV. und seinem Sohn KONRAD herbei.
Baaken Katrin: Seite 17
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"Herzog Welf VI. und seine Zeit"
Bekanntlich hatten ja Welf II. und seine Gemahlin Irmgard ihre Tochter Kunigunde mit dem Markgrafen Azzo aus der Familie der OBERTENGHI verheiratet und ihr eine sehr große Mitgift, nämlich die - soweit ich sehe - noch immer geheimnisumwitterte riesige curtis Elisina gegeben; geheimnisumwittert insofern, als wir wohl wissen, dass Elisina als Reichsgut durch Irmgard, also die eben genannte Gemahlin Welfs II., die eine Nichte der Kaiserin Kunigunde war, an das WELFEN-Haus gelangt ist, nicht aber, wo es genau gelegen hat. Diese italienische dos der Imiza erhielt dann ihre Tochter Kunigunde oder Kuniza wiederum als Heiratsgut. Der bekannte WELFEN-Stammbaum bezeichnet den Gemahl Kunizas bloß mit dem Namen Azzo; in der Literatur erscheint er öfter als Azzo von Este, was eigentlich unrichtig ist, da ein Zweig der OBERTENGHI sich erst Jahrzehnte später nach ihrem neuen Sitz Este nannte. Keinesfalls vermittelt jedoch der einfache Namenseintrag eine angemessene Vorstellung von der Macht und dem Einfluß dieses Mannes, der der Vater Welfs IV. gewesen ist. Um das Jahr 1077 läßt sich für seine Familie Besitz in 25 italienischen Grafschaften nachweisen, der sich von Ligurien bis an die Adria erstreckt. Bald nach der Geburt Welfs IV. ist Kuniza gestorben, und nach ihrem Tod hat Azzo wieder geheiratet. Bei den Streitigkeiten Welfs IV. mit seinen Halbbrüdern, den Kindern aus dieser zweiten Ehe seines Vaters Azzo, hatte er jene Güter, die seine Mutter mit in die Ehe gebracht hatte, zugeteilt erhalten. Der Hof Elisina, der mit 1.100 Mansen wirklich riesig war, dürfte also am ehesten in dem Besitzkomplex südlich von Padua zu sehen sein, in dem Este liegt und wo die Rechte der WELFEN nach Azzos Tod zu belegen sind. Hier ist Welf IV., der Begründer der jüngeren süddeutschen WELFEN-Linie, später mit den Söhnen Welf V. und Heinrich dem Schwarzen in der Burg Este zu finden. Dieser einem Zweig der OBERTENGHI den Namen gebende Sitz liegt nahe der Scodosia, die als Gütereinheit im Besitz der ESTE nachzuweisen ist, aber sicher nicht der curtis Elisina entspricht.
Bresslau Harry: Band I Seite 421
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"Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Konrad II."
Verhältnismäßig am bestimmtesten trifft
noch Albert Azzo II. hervor. Ob er
oder sein Oheim Adalbert IV. der
Adalbertus
marchio ist, den Wipo cap. 12 als Widersacher KONRADS
II. nennt, läßt sich allerdings nicht entscheiden.
Wenn uns die Urkunde über ein Placitum erhalten ist, das 1044 in presentia
domnorum Alberti et item Alberti qui et Azo marchionibus zu Rapallo stattfand
(unterschrieben ist es nur von einem Albertus marchio), so dürfen
wir in dem letztgenannten der beiden Markgrafen wohl unseren Albert
Azzo erkennen; sein Mitvorsitzender war am ersten sein Vetter
Adalbert
V. Mit Bestimmtheit haben wir dann Albert
Azzo II. als den Vorsitzenden mehrerer 1045 in Mailand gehaltenen
Placita und - hier mit seinem Schwager Anselm II. dem ALEDRAMIDEN, zusammen
- als den Beisitzenden in einem Placitum des Königsboten zu Broni
von 1047 zu betrachten. 1050 schenkt er Güter an das Kloster S. Maria
di S. Venerio und bezeichnet sich bei dieser Gelegenheit als marchio et
comes istus Lunensis comitato. Zum Jahr 1055 berichtet Arnulf von Mailand
(III, 5) Kaiser HEINRICH III. habe
in Roncaglia marchionem Adalbertum, de quo nimia fuerat proclamatio, mit
anderen Missetätern, wie sie es verdienten, in eiserne Ketten legen
lassen. Daß hier ein OTBERTINER
gemeint
sei, dürfen wir allerdings mit fast allen Neueren vermuten, aber an
Azzo
II. darf dabei nicht gedacht werden; der Tag von Roncaglia gehört
in den Mai, und noch im Juni 1055 erscheint
Azzo
auf
einem Gerichtstage, den HEINRICH III.
bei Borgo San Genesio abhielt (St. 2475). Urkundliche Erwähnungen
Azzos
II. fehlen aus den nächsten Jahren; die Rolle, die er unter
HEINRICH
IV. gespielt hat, ist hinlänglich bekannt und bedarf keiner
näheren Erörterung; sein Todesjahr ist schon erwähnt. Wir
gehen nur noch kurz auf seine Nachkommen ein.
Seine erste Gemahlin muß nach der bekannten Stelle
des Weingartener Mönches die Tochter des Grafen Welf II. gewesen sein.
Über diese Ehe heißt es in der Hist. Welfor. Weingartensis cap.
10: hic (Guelf) genuit filiam, Chunizam nomine, quam
Azzo ditissimus marchio Italiaecum
curte Elisina dotatam in uxorem duxit et ex ea Guelfum totius terrae nostrae
futurum heredem et dominum progenuit. Von großem Interesse würde
es sein, wenn es gelänge, den Zeitpunkt dieser Heirat zu fixieren.
Hebt Muratori hervor, daß das Chron. Ursperg. 1126 von Welf II. sage:
hic de praefata uxore sua Imiza genuit filiam Chunizam nomine, quam
Azzoni
ditissimo
marchioni Itaiae dedit in uxorem, so darf freilich auf diese Veränderung
der Worte seiner Quelle, die der Ursperger Chronist vorgenommen hat, kein
Gewicht gelegt, darf insbesondere nicht gefolgert werden, daß wirklich
noch der 1030 verstorbene Welf II. selbst die Vermählung seiner Tochter
mit Azzo
vollzogen habe. Allein daß dieselbe noch in die Zeit KONRADS
II. fällt, ist aus anderen Gründen wahrscheinlich.
Man weiß aus Hist. Welfor. Weingartens. cap. 12, daß 1055 nach
dem Tode Welfs III. dessen Tochter "sciens se heredem habere ex filia,
missis in Italiam legatis, jussit eum adduci. Als der junge Welf IV. kommt,
tritt er sogleich selbständig auf, indem er die letztwillige Schenkung
seines Oheims an Altdorf annulliert: et veniens penitus donationem interdixit,
et se certum et verum esse heredem proclamavit. Dies Auftreten scheint
doch die Mündigkeit des jungen Lombarden, also ein Alter von etwa
18 Jahren, bestimmt vorauszusetzen, rückt also die Geburt Welfs IV.
in 1037, die Ehe seines Vaters
Azzo
etwa in 1036. Damit steht es in Übereinstimmung, daß Welf IV.
1071 (siehe Lambert 1071), also im Alter von mindestens 35 Jahren, schon
zum zweiten Male vermählt ist, daß er 1101, als er seinen Kreuzzug
unternahm schon ad senilem actatem gelangt war (Hist. Welfor. Weingart.
cap. 13). Später als 1036 - früher wohl - darf die erste Ehe
Azzos
auch schon darum nicht gesetzt werden, weil derselbe, wie wir sahen,
997 schon geboren war. Unter diesen Umständen gewinnt sie nun aber
erhöhte Bedeutung. Es ist gewiß kein Zufall, daß in den
letzten 10 Jahren von
KONRADS II. Herrschaft
nicht weniger als vier eheliche Verbindungen zwischen Mitgliedern vornehmer
italienischer und deutscher Fürstenhäuser geschlossen sind: Bonifaz
von Canossa und Beatrix von Ober-Lothringen, Hermann von Schwaben und Adelheid
von Turin, Otto von Schweinfurt und Immilla von Turin, endlich Azzo
und Chuniza. Bei den beiden ersterwähnten dieser Ehen ist das
direkte Eingreifen des Kaisers mit Sicherheit anzunehmen, und schwerlich
werden dann die beiden anderen ohne sein Zutun erfolgt sein. Daß
dieser Verschwägerung der Häuser von Turin, Canossa,
ESTE
mit deutschen Fürstengeschlechtern Gründe der allgemeinen Reichspolitik
nicht fern standen, wird man kaum in Abrede stellen können.
Über Azzos zweite
Ehe mit Garsenda,
einer Tochter des Grafen Hugo von Maine, und die daraus entsprossenen zwei
Söhne, Hugo und Fulko, sind wir unterrichtet durch Ordericus Vitalis
IV, 12 (ed. Le Prevost II, 252: Hugo filius Herberti [comes Cenomannorum]
.... Bertham in conjugium accepit, quae filium nomine Herbertum et tres
filias ei peperit. Una eorum data est Azoni marchiso Liguriae) und durch
eine Urkunde von 1115 mit folgender Unterschrift: ego Fulcho marchio (oben
Fulco marchio filius ... Azonis) dedi
pro ordinatione testamenti Garsendae gentricis meae terram in qua
suprascripta cartula legitur et Garsenda comitissa genitrice mea
et Ugo germano meo. In diesen beiden Söhnen pflanzte sich die
italienische Linie des Hauses ESTE
fort.
Von einer dritten, in hohem Alter geschlossenen und wahrscheinlich
kinderlos gebliebenen Ehe Azzos mit
Mathilde,
der Schwester des Bischofs Wilhelm von Pavia, erfahren wir aus dem Jahre
1074 durch mehrere Briefe Gregors VII. Der Papst schritt gegen dieselbe
ein, weil Mathilde die Witwe eines mit Azzo
verwandten Markgrafen Guido war, und weil ihre Verwandtschaft mit
Azzo noch in den vierten Grad fiel; er schreibt der Mathilde,
es sei bewiesen "te habuisse virum consanguineum
Azzonis, te etiam et Azzonem
marchionem in quarta propinquitatis linea consanguineos esse"
und ihrem Bruder ähnlich: "licet enim clarissimus sit ... eam Guidonem
marchionem consanguineum Azonis marchionis
maritum habuisse, illud etiam ... probatum sit, eandem sororem tuam atque
Azonem quartam
propinquitatis lineam nondam excedere". Muratori hat mit großer Wahrscheinlichkeit
angenommen, daß Mathildens erster Gemahl ein Markgraf Wido,
der Sohn Alberts, gewesen sei, der von 1052-1060 urkundlich nachweisbar
ist, und der nach einer Urkunde von 1085 zur Linie des Albertus Rufus und
des Wilhelm Franz gehört zu haben scheint. Daß aber, wie Muratori
weiter meint, auch Mathilde selbst unserem Hause angehört habe,
folgt aus dem Wortlaut der Urkunden wenigstens mit zwingender Notwendigkeit
nicht; möglich ist es doch, daß ihre Verwandtschaft mit Azzo
II. nur durch ihre erste Ehe entstanden war.
Heine, Alexander: Seite 26,42
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"Geschichte der Welfen"
Genealogie der Welfen
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8.
Dieser zeugte eine Tochter Cuniza, welche der Markgraf Ezzo mit dem Hof Elisina als Mitgift zur Gemahlin erhielt und mit der er Welf erzeugte; und nachdem ihr Vater ohne einen Sohn als Erben gestorben und die ganze Erbschaft an den heiligen Martin nach Weingarten bestimmt war, kam er herbei, erlangte die Herrschaft und wurde der erste Herzog dieses Namens in Baien.
Geschichte der Welfen
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10.
Er zeugte auch eine Tochter namens Kuniza, welche Azzo, ein sehr reicher Markgraf von Italien, mit der Mitgabe des Hofes Elisina zur Gemahlin nahm, und mit welcher er denselben Welf zeugte, den zukünftigen Erben und herrn unseres ganzes Landes, von welchem an geeigneter Stelle die Rede sein wird.
Schneidmüller Bernd: Seite 123,128,135-137,145
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"Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung."
Kuniza, die Tochter Welfs II. und Irmentruds/Imizas,
wurde mit dem Markgrafen Albert Azzo II.
aus der berühmtem Linie der OTBERTINER
vermählt; die später gebräuchliche Namengebung "von
Este"
stellten erst seine Enkel her. Sein Besitz erstreckte sich über
ganz Oberitalien und reichte bis in die Toskana. Beide Ehen unterstreichen
den Rang und die weiten Kontakte der welfischen
Eltern, aber auch die Bandbreite adliger Erbfolge in der Mitte des
11. Jahrhunderts. Frauen wurden ein ums andere Mal zu Gestalterinnen welfischer
Geschichte.
Vom Ende Welfs III., der Anfechtung seines Testaments
und vom unverhofften welfischen Neuanfang
erzählt die Historia Welforum: "Bald nach der Beisetzung wollten die
Beauftragten die Schenkung vollziehen, wurden aber gehindert. Denn seine
Mutter wußte, daß sie einen Erben von ihrer Tochter hatte.
Sie schickte Boten nach Italien, um ihn zu holen. Er kam, untersagte die
Schenkung und erklärte sich zum sicheren und wahrhaftigen Erben."
Die Genealogia Welforum konstruierte den Fall einfacher
als Besitzübergang von Welf II. über Kuniza auf Welf IV.;
die Weingartener Klosterüberlieferung wußte von der Ungültigkeitserklärung
der testamentarischen Verfügung des Herzogs durch die noch lebende
Mutter (nach dem ius gentium). In der Tat blieb die LUXEMBURGERIN
Irmentrud/Imiza als einzige Erbin ihres Sohnes übrig; erneut wurden
die reichsweiten Verbindungen ihres Verwandtenkreises nützlich. Aus
späterer Rückschau rettete ihr Handeln die
WELFEN
für die Geschichte, denn der aufgespürte italienische Enkel wurde
zum Garanten der Kontinuität. Indem er sich zum sicheren und wahrhaftigen
Erben (certus et verus heres) erklärte, gewann die welfische
Sache im Reich eine Zukunft.
An dieser erstaunlichen Geschichte bleibt das meiste
unlar. Warum ließ Albert Azzo II.
den Sohn aus seiner Ehe mit Kunizanach Norden ziehen?
Warum setzte sich die otbertinische
Herrschaft später mit den Söhnen aus der zweiten Ehe fort? Welche
Familienkenntnisse besaßen Welf III. und seine Mutter Irmengard/Imiza
1055 wirklich? Warum definierte sich schließlich Welfs III. Schwestersohn
"welfisch", obgleich die väterliche
Herrschaft hinter der mütterlichen kaum zurückgestanden haben
wird? Und bedeutet die Entscheidung jenes Fortsetzers
welfischer
Geschichte, den man in scheinbar ungebrochener Familientradition
Welf
IV. nannte, tatsächlich eine politische Option zugunsten einer
süddeutschen Landesherrschaft gegen eine oberitalienische Zukunft?
Spätere Quellen des 12. Jahrhunderts, welche vom anhaltenden genealogischen
Gemeinschaftswissen zwischen den WELFEN
und den OTBERTINERN
künden,
mahnen zur Vorsicht, Irmentruds/Imizas Enkel "Welf" in die vielen
welfischen
Volkswechsel des früheren Mittelalters einzubauen.
Mediator dürfte auch der italienische Vater Welfs
IV. gewesen sein, der 1069/70 in die westeuropäische Politik eingriff.
Das verwirrend erscheinende genealogische Netz muß zur Erklärung
des welfischen Handlungs- und Bewußtseinshorizonts
bedacht werden. Albert Azzo
II. hatte
nach dem Tod seiner welfischen Gemahlin
Kuniza (um 1050) in zweiter Ehe Garsenda geheiratet, die
Schwester des Grafen Hugo IV. von Maine. Aus dieser Verbindung gingen die
beiden Halbbrüder Welfs IV. hervor, Fulco und Hugo, auch sie nach
mütterlichen Vorfahren benannt. Beim Tod Hugos IV. und seines Sohnes
geriet die Grafschaft Maine in den 60-er Jahren in den Bannkreis der benachbarten
normannischen Herzogsherrschaft. Doch bei einer Revolte in der Stadt Le
Mans rief eine oppositionelle Partei die Grafen-Tochter Garsenda
als Erbin und ihren Mann Albert Azzo
an die Loire. Im Frühjahr 1069 setzte sich der OTBERTINER
tatsächlich durch und ließ mit der Gattin auch seinen Sohn Hugo
in Maine zurück. Letztlich war seiner Herrschaft kein Erfolg beschieden,
so daß er 1070 zum Vater nach Italien zurückkehrte. Freilich
erhielt sich bis in die 90-er Jahre des 11. Jahrhunderts der erberechtlich
begründete Anspruch Hugos auf die Grafschaft Maine.
Gerade in dieser Zeit wurde die Ehe Welfs IV. mit Judith
verabredet, der flandrischen Grafentochter und englischen Adelswitwe. Die
westeuropäischen Verbindungen der OTBERTINER
erklären die Brautwahl und rücken den WELFEN
auch wieder deutlicher in den väterlichen Familienverband. Der neue
bayerische Herzog bildete also ein Glied im weiten europäischen Adelsgeflecht,
das sich nicht auf das Reich oder gar auf S-Deutschland reduzieren läßt.
1055/56 war Welf IV. kaum vom Italiener zum Schwaben geworden. Dafür
sprechen anhaltenden Verbindungen zum Vater und seiner italienischen Herrschaft.
1073 beschenkte er mit väterlichem Konsens das Hauskloster
Vangadizza, die Grablege seiner Mutter, welche 1097 auch die Gebeine des
Vaters Albert Azzo II. aufnehmen sollte
Beim Tod des Vaters stritt Welf mit den Halbbrüdern Fulco und Hugo
um das väterliche Erbe. 1097 setzte sich Welf IV. gewaltsam durch
und befestigte seine Herrschaft nördlich wie südlich der Alpen.
Darum wird man neben dem großmütterlich-welfischen
auch die aktuellen väterlichen Erfahrungspotentiale für das Selbstverständnis
Welfs
IV. in Rechnung stellen und das dauerhafte Festhalten an der Kirchenreform
besser erklären können. Albert Azzo
II. nahm schon 1074 an der ersten Fastensynode Papst Gregors
VII. teil. Wie sehr er innerlich von den gregorianischen Reformidealen
erfüllt war, bleibt dahingestellt. Jedenfalls vollzog sich sein Leben
im Bannkreis der neuen kurialen Forderungen an Kirche und Welt. Der Papst,
der bald zum Widersacher des salischen Königs
HEINRICH IV. werden sollte, nannte den otbertinischen
Markgrafen "unseren liebsten Getreuen" (carissimus fidelis noster),
bereit zum Dienst am Apostolischen Stuhl. Gewiß waren dies Ehrentitel,
doch im kurialen Denkhorizont sollte sich der OTBERTINER
ihrer würdig erweisen. In der welthistorischen Krise des Jahres 1077
- nach gegenseitiger Bannung und Absetzung von Papst und König, im
Angesicht des büßenden Herrschers vor der Burg Canossa
und der abfallenden Fürsten nördlich der Alpen - vermittelte
der erfahrene Markgraf und brachte mit anderen in zugespitzter Lage den
Ausgleich zustande. HEINRICH IV. dankte
es seinen beiden Söhnen aus zweiter Ehe in einer ftreilich diplomatisch
merkwürdigen Urkunde: Grafschaft für Grafschaft, Besitz für
Besitz wurden den beiden Brüdern Hugo und Fulco in Italien bestätigt.
Welf IV. ist hier nicht genannt. Doch der älteste Sohn Albert
Azzos II. war keineswegs aus der italiensichen Besitzgemeinschaft
ausgeschieden. Vielmehr stand seine Absetzung als bayerischer Herzog unmittelbar
bevor, so daß ihn der König nicht bedenken wollte; zudem läßt
die schwierige und später italienische Überlieferung des Diploms
nichts anderes als gezieltes Vergessen erwarten.
Der Markgraf, der 1078 seinen Sohn Hugo in Troia mit
einer Tochter Robert Guiskards vermählen konnte, schwenkte 1080 nach
der zweiten päpstlichen Bannung HEINRICHS
IV. eindeutig ins anti-salische Lager
der päpstlichen Reformpartei. Die Kategorien des Urteilens standen
jetzt fest: Rechtgläubig war, wer mit der römischen Kirche übereinstimmte;
ihr Gegner blieb "unfromm" (impius).
Bald nach der Trennung von 1095 jedenfalls söhnten
sich der SALIER und der WELFE
aus. Als Vermittler diente noch einmal Welfs Vater Albert
Azzo II., der sich als "etwa Hundertjähriger" im Februar
1096 in Pavia beim Kaiser einfand. 1096/97 erhielt Welf IV. das Herzogtum
Bayern zurück, um das er seit 1077 gekämpft hatte.
um 1035
1. oo Kunigunde (Chuniza) von Altdorf, Tochter
des Grafen Welf II.
-31.3. vor 1055
2. oo 2. Garsende von Maine, Erb-Tochter des Grafen
Heribert I.
-
3. oo 2. Mathilde, Schwester Wilhelms von Pavia
-
Kinder:
1. Ehe
Welf IV. (I.)
1030/40-9.11.1101
2. Ehe
Fulco I.
um 1060-15.12.1128
Hugo V. Graf von Maine
- wohl 1131
Literatur:
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Boshof Egon: Die Salier. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart
Berlin Köln 1987 Seite 79,150 - Bühnemann, Richard: Robert
Guiskard 1015-1085. Ein Normanne erobert Süditalien. Böhlau Verlag
GmbH & Cie, Köln 1997 Seite 252,256 - Die Salier und das
Reich. Jan Thorbecke Verlag Siogmaringen 1991, Band I Seite 516 - Ennen,
Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München 1994, Seite
72 - Heine, Alexander: Geschichte der Welfen. Phaidon Verlag GmbH
Essen - Hlawitschka Eduard: Untersuchungen zu den Thronwechseln
der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts und zur Adelsgeschichte Süddeutschlands.
Zugleich klärende Forschungen um „Kuno von Öhningen“, Jan Thorbecke
Verlag Sigmaringen 1987, Seite 166,169 - Jehl, Rainer: Welf VI.,
Wissenschaftliches Kolloquium zum 800. Todesjahr vom 5. bis 8. Oktober
1991 im Schwäbischen Bildungszentrum Irse, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen
1995, Seite 17,18,119 - Jordan, Karl: Heinrich der Löwe,
Deutscher Taschenbuch Verlag München, Seite 4,54 - Schneidmüller
Bernd: Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart
Berlin Köln 2000 Seite 30,123,125,128,131,135-137,145,151 -