Begraben: Benediktinerkloster Scheyern
Einziger Sohn des Herzogs
Otto I. von Wittelsbach-Bayern und der Agnes
von Loon, Tochter von Graf Ludwig II.
Lexikon des Mittelalters: Band V Seite 2192
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Ludwig I. der Kelheimer, Herzog von Bayern seit 1183
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* 23. Dezember 1174, + 15. September 1231
oo Ludmilla, Nichte König Ottokars von Böhmen
Vor einem Aufstand des bayerischen Adels rettete ihn 1192 Kaiser HEINRICH VI., zu dessen engem Gefolge Ludwig in den nächsten Jahren gehörte. Nach HEINRICHS Tod unterstützte er König PHILIPP von Schwaben, der 1208 von LudwigsVetter, Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, ermordet wurde. Als erster Reichsfürst erkannte Ludwig I.jetzt den bisherigen Gegen-König OTTO IV. an, der ihm zum Dank die Erblichkeit des bayerischen Herzogtums bestätigte und ihm die Reichslehen des Mörders (außer dem Pfalzgrafenamt) übertrug sowie die des in die Bluttat verwickelten Markgrafen Heinrich von Istrien aus dem Hause der ANDECHS-MERANIER. Ludwig I. der Kelheimer ging energisch daran, "das Herzogtum Bayern in einen wittelsbachischen Territorialstaat umzuwandeln" (W. Störmer. Mittel dazu waren auch die Ausnutzung des Heimfallrechts, das auf Allodialgüter ausgedehnt wurde, und die Gründung von Städten (Straubing, Landshut). 1211 schloss Ludwig sich FRIEDRICH II. an. Er nahm am 4. Kreuzzug teil, auf dem er in ägyptische Gefangenschaft geriet. 1225 wurde er nach der Ermordung Erzbischof Engelberts von Köln Vormund König HEINRICHS (VII.), der ihn 1228 des Verrats bezichtigte und ihn 1229 militärisch niederzwang. Ob die STAUFER bei seiner Ermordung auf der Donaubrücke bei Kelheim die Hand im Spiel hatten, ist indes fraglich.
Literatur:
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ADB XV, 355-357 - Spindler II, 21-36 - Wittelsbach und
Bayern I, 1, 1980, 165-200, 201-222.
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Bosl‘s Bayerische Biographie: Seite 495
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Ludwig I., „Kelheimer“, Herzog von Bayern, Reichsverweser
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* 23.12.1174, + 15.9.1231
Kelheim
Kelheim
Vater:
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Herzog Otto I. (um 1118-1183)
Mutter:
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Agnes von Loon (+ 1191)
oo Ludmilla von Bogen (+ 1240)
Parteigänger des Königs.
Leitete die großen territorialen Gewinne der WITTELSBACHERein.
Erwerb der Grafschaft Bogen und der Pfalz vorbereitet.
1226 Reichsverweser. Verstrickte sich in politischen
Alltagskampf, so dass er in Verdacht geriet, gegen die STAUFER
zu agieren.
1231
in Kelheim ermordet.
Seine Gattin stiftete darauf das Kloster Seligenthal
in Landshut, in dem die meisten bayerischen Herzöge bestattet wurden.
Literatur:
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ACD 19; W. Schreiber, Otto d. Erlauchte, 1861: Riezler.
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Ludwig I. der Kelheimerfolgte
unter der Vormundschaft der energischen Mutter und seiner drei Oheime,
trat 1187 die Regierung in Bayern selbst an und erhielt 1192 die Schwertleihe.
1194 begleitete er Kaiser HEINRICH VI.
auf seinem Zug nach Apulien und Sizilien, blieb bis 1197 vorwiegend in
Italien und wählte 1198 König PHILIPP
von Schwaben mit und stand ihm gegen
OTTO IV. treu zur Seite. Nach dessen Tode wurde er dadurch auf
die welfische Seite gezogen, dass ihm OTTO IV.
die
Güter und Lehen des Mörders Otto
von Wittelsbach übergab und die Erblichkeit seiner Lehen anerkannte.
Als angesehenster Reichsfürst verhinderte er damit eine neue, drohende
Doppelwahl. Er gewann vorübergehend auch die Gebiete der ANDECHSER
Vettern, die geächtet wurden und verlor sie nach jahrelangem Streit
wieder. Er war 1209/10 mit Kaiser OTTO IV. in
Italien, fiel von ihm ab und wurde Promotor für FRIEDRICHS
II. Wahl 1211/12, der ihn dafür 1214 zusammen mit dem Sohn
mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein belehnte, die er kraftvoll arrondierte.
Er gewann unter anderem Heidelberg von den Bischöfen von Worms, stritt
viel mit den großen Vasallen, gewann nach und nach Vohburg, Scheyern,
Kufstein, Stefling, Cham, Velberg, Landsberg, Straubing und Beilenstein
mit dazugehörigen Vogteien und Grafenrechten, erreichte auch Sitz
und Stimme im Regensburger Domkapital und kehrte so das Verhältnis
Herzog-Vasallen-Kirche zugunsten der herzoglichen Familie um. Die mächtigste
Familie neben der Herzogsfamilie waren die Grafen von Bogen (seine Stiefsöhne)
und das Haus ANDECHS, mit denen er viel Streit hatte. Auf dem Zug nach
Brabant 1214 geriet er in Gefangenschaft, wurde aber gegen die Zahlung
eines Lösegeldes freigelassen. Ludwig
war 1220/22 in Ägypten, vom 7.11.1125 an Reichsverweser für HEINRICH
(VII.) und er übernahm auf dem Reichstag zu Augsburg (Juli
1226) das Amt des Gubernators für Deutschland. Er scheiterte mit dem
Versuch, Braunschweig 1227 zu erobern und zerstritt sich mit König
HEINRICH (VII.). Weil er 1229 auf die Seite des Papstes getreten
war, so sagte man, dass der unbekannte Mörder, der Ludwig auf der
Brücke zu Kelheim tötete, im Auftrage
FRIEDRICHS II. handelte.
Rall Hans und Marga: Seite 27-32
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"Die Wittelsbacher"
Herzog Ludwig I. der Kelheimer
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* 23.12.1173 (1174), + 15.9.1231 (ermordet)
Kelheim
in Kelheim
Grabstätte: Benediktinerkloster Scheyern
oo Ende Oktober 1204 in Kelheim
Ludmilla, Witwe des Grafen Albert III. von Bogen
* um 1170, + 5.8.1240
Olmütz Landshut
Grabstätte: Zisterzienserinnenkloster Seligenthal bei Landshut
Eltern: Friedrich, Herzog von Böhmen aus dem Hause der PREMYSLIDEN und Elisabeth, Tochter des Königs Geisa II. von Ungarn
Den BABENBERGER Herzögen der Ostmark war 1156 die
Erblichkeit der Herrschaft über ihr Territorium zugestanden worden.
Als der erste WITTELSBACHER Bayern-Herzog
bei seinem Tode am 11. Juli 1183 in seinem Sohn Ludwig
nur einen Knaben als Erben zurückließ, kam diesem das Beispiel
des Herzogtums Österreich sehr zustatten. Niemand bestritt seine Nachfolge.
Die Arbeit, die der Regentschaftsrat übernahm, war freilich außerordentlich
schwierig. Er bestand aus dem Pfalzgrafen
Otto VII. dem Jüngeren, dem WITTELSBACHER
Friedrich,
der allerdings 10 Jahre vorher nach dem Tod seiner Gattin Laienmönch
im Kloster Indersdorf geworden war, und Ludwigs
Onkel Konrad,
den der Kaiser infolge des Todes des Erzbischofs Christian von Mainz am
25. August 1183 von seinem erzbischöflichen Sitz in Salzburg weggeholt
und in Mainz zum Oberhirten und Kanzler gemacht hatte. Eine Reise von Mainz
nach Bayern erforderte im 12. Jahrhundert natürlich weit mehr Zeit
als in unseren Tagen eine Reise von Bonn nach München. Auch von Friedrich,
dem Laienmönch in Indersdorf, der zwar den Rang eines Pfalzgrafen
in Bayern hatte und erst 1198 starb, ließ sich keine erhebliche Hilfe
erwarten. Die Arbeit der Regierung wurde im Regentschaftsrat tatsächlich
vor allem durch die starke Persönlichkeit der Herzogin-Witwe
Agnes getan. Sie hielt die Regentschaft zusammen. In den Urkunden
wird sie neben den anderen Vormündern als "Domina Agnes Ducissa"
(Frau Herzogin
Agnes) bezeichnet. Der noch unmündige Herzog machte durch
die Hand seiner Mutter Schenkungen an die Kirche. Als Agnes
1191
starb, hatte Ludwiggerade die Volljährigkeit
erreicht, seine Stellung im Herzogtum war aber wegen der Macht und der
Rechte der Grafen keineswegs eindeutig.
Das Verhältnis Bayerns zum Reich brachte es günstiger
Weise mit sich, dass Herzog Ludwigden
neuen
STAUFER-Herrscher
HEINRICH
VI. auf seiner zweiten Heerfahrt durch ganz Italien begleitete.
An seiner Seite zog er 1194 in Palermo ein. 1196 reiste er zusammen mit
ihm nach Würzburg und Mainz, wo HEINRICH
ein erbliches Kaiserreich mit erblichen weltlichen Fürsten unter der
Ausschaltung von Geistlichen als Fürsten schaffen wollte. Der Plan
scheiterte an dem weltlichen Ehrgeiz der Geistlichen. Der Kaiser aber deckte
den Bayern-Herzog in einer im Bereich des bisherigen Herzogtums wichtigen
Frage, in der es um das Lehensrecht und Hausgut ging. Die letzten Stefflinger
Landgrafen, deren Mutter eine Schwester des Bayern-Herzogs Otto
war,
starben aus. Der Kaiser übertrug die Landgrafschaft offenbar an Herzog
Ludwig, dieser aber verlieh sie
als Lehensherr an die Leuchtenberger weiter und zog nur das Hausgut der
STEFFLINGER ein. Er vermied dadurch, sich Neider unter den Großen
seines Landes zu schaffen. Bald war er auch im Besitz von Burg und Herrschaft
Regenstauf.
Zwischen 1195 und 1197 nahm der Kaiser den Böhmen-Herzog
Ottokar und den Grafen Albert III. von Bogen, mit denen er und der WITTELSBACHER
verfeindet
gewesen waren, wieder in Gnaden auf. 1197 starb Kaiser
HEINRICH VI., das Jahr darauf der Graf von Bogen. Der neue STAUFER-König
PHILIPP gab die langjährige Territorialpolitik seiner Familie
in Bayern auf. Jetzt ergriff HerzogLudwig
die Initiative im Kampf um Regensburg, als ihm der Bischof die Lehen vorenthielt,
die dieser an die STEFFLINGER verlehnt gehabt hatte. Doch stellte sich
Ludwig
auf
die Seite eines anderen Bischofs, nämlich des Bischofs von Passau,
als dieser die Grafen von Ortenburg bekämpfte. Ludwig
unterstützte von Anfang an seine politische Arbeit durch hausrechtliche
Schritte. Seine Schwester Elisabeth
war schon um 1190 wohl unter Mitwirkung von LudwigsMutter
mit dem Grafen Berthold von Vohburg, Markgrafen von Cham, verheiratet worden.
Den nördlichen und westlichen Grenzen seines Herzogtums trug Ludwig
Rechnung,
als er 1196 seine älteste Schwester Sophie
mit
dem Markgrafen Hermann von Thüringen, eine andere mit dem Grafen Adalbert
von Dillingen verheiratete. 1204 gelangen aber Ludwigweittragende
Entscheidungen: Er selbst vermählte sich mit
Ludmilla,
einer geborenen Herzogstochter von Böhmen, der Witwe seines verstorbenen
Feindes, des Grafen von Bogen. Die Phantasie des Volkes beschäftigte
sich alsbald mit diesem familienpolitischen Ereignis: Der Herzog habe die
Witwe verführen wolle, sie aber habe vor Zeugen ein Eheversprechen
gewünscht. Deshalb habe sie in ihrem Schlafgemach drei Ritter auf
einen Vorhang malen lassen, hinter dem drei wirkliche Ritter verborgen
waren. Der Herzog habe angesichts der Ritterbilder der schönen Witwe
sein Eheversprechen gegeben, nach der Liebesnacht seien die wirklichen
Ritter als Zeugen hervorgetreten, als Ludmilla
das
Eheversprechen zur Sprache brachte. Ludmilla
und Ludwig heirateten Ende 1204 in
Kelheim. Die Gräfin-Witwe brachte zwei noch unmündige Söhne
mit in die Ehe, um die sich der Stiefvater sehr annahm. Er sorgte auch
rechtzeitig für ihre spätere Rechtsstellung als Grafen von Bogen.
Als Gatte der PREMYSLIDIN Ludmilla
gewann Ludwig den
nunmehrigen König Böhmens zum Freund und damit auch ein Gegengewicht
gegen die von Wien aus um sich greifenden BABENBERGER.
Die bis in den Chiemgau hinein mächtigen ORTENBURGER,
von denen Rapoto II. damals mit einer Böhmin verheiratet war, zwang
der Herzog durch seine Ehe gleichfalls auf seine Linie. Da in eben diesem
Jahr 1204 Ludwigs
kinderloser Schwager, der Markgraf von Cham-Vohburg, starb, erhieltLudwig
die Mark Cham und damit einer weitere Position im Osten Bayerns.
Mit der bisherigen bayerischen Hauptstadt Regensburg hatte er trotz dieser
Erfolge kein leichtes Spiel. Er konnte zwar die Regensburger Festung Teisbach
bei Dingolfing zerstören und Burg sowie Stadt
Landshut
an der Isar als seinen Herrschersitz aufbauen. Aber die hochstiftischen
Lehen im Bereich von Kufstein, Rattenberg und Kitzbühl erreichte er
vom Bischof von Regensburg nur durch großzügige Versprechen
an diesen, für den Fall, dass er bei seinem Tod keine männlichen
Nachkommen hinterlassen werde. Von einer Überordnung des Herzogs über
den Bischof war in beider Vertrag von 1205 nichts mehr zu lesen. Ungeschmälert
behauptete Ludwig im wesentlichen nur
seine Rechte als Burggraf in dem bald nicht mehr als Bayerns Hauptstadt
anzusprechenden Regensburg. Denn 1230 erhielt die Stadt vom Kaiser das
Recht, dass ihre Bürger von niemandem mehr - also auch nicht mehr
vom Herzog von Bayern - vor dessen Gericht gezogen werden dürften.
Ein Drama mit familienpolitischen Seiten, das auch als
Andechser Staatsstreich gedeutet wird, spielte sich 1208 ab. Ludwigs
Vetter, Pfalzgraf
Otto VII., fühlte sich in seiner Ehre gekränkt, weil
der STAUFER-König PHILIPP sein
Versprechen nicht verwirklichen konnte, ihm eine seiner Töchter als
Gemahlin zu geben, und sogar den Herzog von Schlesien vor Ottos Werbung
um eine seiner Töchter, wie die Slawenchronik Arnolds erzählt,
warnte. Erbittert ermordete der wütende Pfalzgraf den König in
Bamberg, wo dieser bei der Hochzeit seiner Nichte, der Erbin von Burgund,
weilte. Da deren Schwäger, zwei Grafen von Andechs, einmütig
beschuldigt wurden, Mitwisser der Tat zu sein, wurde über den Mörder
und über sie die Reichsacht verhängt. Weil PHILIPP
aus
einer Doppelwahl hervorgegangen war, entstand zugleich die Frage, ob der
gegen ihn gewählte welfische König OTTO
IV. nun allgemein anerkannt oder ein neuer STAUFER
gegen ihn gewählt werden sollte. Herzog Ludwig
nützte die sich ihm bietende Chance, verließ die bis dahin in
der Familie üblich gewesene staufische Gefolgschaft
und erkannte als erster der deutschen Fürsten sofort den WELFEN-König
an.
Dieser sprach dem Bayernherzog darauf am 15. November 1208 auf dem Reichstag
zu Frankfurt die zahlreichen Reichslehen zu, die der geächtete ANDECHSER
Markgraf von Istrien und der unselige WITTELSBACHER
Pfalzgraf
Otto innehatten. Zugleich bestätigte König
OTTO Ludwig für den Sohn die
Erblichkeit seines Herzogtums und verzichtete damit auf welfische Ansprüche
auf Bayern. Da die Aufgaben eines Pfalzgrafen nun dem Grafen Rapoto II.
von Ortenburg übertragen wurden, vermählte der Herzog im nächsten
Jahr seine Schwester Mechthild mit dem verwitweten Grafen.
Herzog Ludwighatte
von seiner Gattin nur einen einzigen Sohn, den 1206 geborenen
Otto.
Dieser Knabe wurde am Pfingstfest 1212 auf einem Hoftag zu Nürnberg
mit Agnes,
der Nichte des WELFEN-Königs,
verlobt, der dadurch die abbröckelnde Beziehung zum Bayernherzog retten
wollte. Das Familienereignis von 1212 hatte noch weit größere
Folgen als das von 1204 oder von 1208. Denn der junge STAUFER
FRIEDRICH erschien noch im Herbst 1212 am Oberrhein und gewann
in einem förmlichen Triumphzug Oberdeutschland. Da sprang Ludwig
von dem WELFEN-König ab und wählte
mit anderen Fürsten im Dezember dieses Jahre nun den STAUFER
FRIEDRICH zum Römischen König. Der Kampf des unglücklichen
WELFEN-Königs
nahm schon 1214 ein Ende, als er als Bundesgenosse der Engländer bei
Bouvines den Franzosen unterlag. Der Bayernherzog zog mit König
FRIEDRICH II. gegen die niederrheinisch-welfische
Fürstenopposition
in den Kampf, wurde aber gefangengenommen. Der zeitgenössische Geschichtsschreier
Abt Konrad von Scheyern erzählt dazu: "Mit ihm (Ludwig)
geriet ganz Bayern in Gefangenschaft; Arm und Reich, Edle und Nicht-Edle
leisteten eine Abgabe und lösten ihn aus." Noch im Oktober 1214 belehnte
der STAUFER-König FRIEDRICH II. den
Bayernherzog und dessen Sohn mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein. Ludwig
wurde Lehensvormund des erst 8-jährigen Knaben. Durch diese reichslehensrechtliche
Verbindung wurden Bayern und die Pfalzgrafschaft bei Rhein bis in unser
Jahrhundert verknüpft. Das Herzogtum Bayern, dem 1156 eine weitere
Entwicklung im Osten abgeschnitten worden war, wurde 1214 im Reichsinteresse
damals der STAUFER wie in Eröffnung
fruchtbarer Perspektiven für eine Entwicklung Bayerns nach Westen
gebunden. Seit 1214 führen alle WITTELSBACHER
bis ins 20. Jahrhundert den Titel eines Pfalzgrafen bei Rhein wie den eines
Herzogs von Bayern. Auch in der Zeit, da die Pfälzer Lande unter eigenen
WITTELSBACHER
Fürsten standen, bezeichneten sich alle WITTELSBACHERmit
diesem doppelten Rang, sogar noch als die WITTELSBACHERSchweden-Könige
wurden. Es lässt sich in Urkunden erweisen, dass einzelne Teilfürsten
etwa der Linie Bayern-München auch vom Kaiser formell sowohl
mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein wie mit den Herzogtum Bayern belehnt
wurden, wiewohl sie nur einen Teil des Herzogtums tatsächlich regierten.
Bei der Verbindung von Pfalz und Bayern wirkten das Reichslehensrecht
sowie das Haus- und Staatsrecht zusammen. Auch das Reichsrecht und die
Stellung des den König wählenden Herzogs wurden 1214 kombiniert.
Der Pfalzgraf bei Rhein war nicht nur mit der Wahrnehmung kaiserlicher
Gerichtsgewalt im Reich beauftragt, sondern auch der Reichsverweser, wenn
der Kaiser an der Amtsausübung seiner Gewalt etwa durch Abwesenheit
verhindert oder überhaupt noch nicht einmal ein Römischer König
gewählt worden war. Ohne dass König
FRIEDRICH einen Reichstag einberief, gab ihmLudwig
noch im Oktober 1214 sein Einverständnis für gewisse
Abtretungen an den Papst. Schwieriger sollte die Vertretung auf einem Kreuzzug
werden.
FRIEDRICH II., seit 1220 Kaiser,
ernannte den Pfalzgrafen und Herzog Ludwig,
der schon auf einem Hoftag des Königs 1215 das Kreuz genommen hatte,
zu seinem Stellvertreter auf dem Kreuzzug, der schließlich 1221 nach
Ägypten unternommen wurde. Ludwigerwies
sich als wachsam und sehr tätig, doch verlief der Kreuzzug infolge
des Draufgängertums des päpstlichen Legaten trotzdem unglücklich.
Damiette wurde erobert, musste aber aufgegeben werden. Ludwig
war unter den Geiseln, die der Sultan für die Gewährung des freien
Abzugs der Christen verlangte. Er empfing sie auf seiner Burg Mansurah
aber
ritterlich und ließ sie bald wieder frei.
Im Hinblick auf Bayerns Ostinteresse schlug Herzog
Ludwig, durch seine Gattin Ludmilla
mit der böhmischen Herrscherfamilie verwandt, 1225 vor, dass der knapp
15-jährige Sohn des Kaisers, König HEINRICH
(VII.), mit Agnes, der Tochter
des Böhmen-Königs Ottokar,
vermählt werde. Der Vater vertraute die Tochter der Obhut des Herzogs
Leopold VI. von Österreich an. Der junge STAUFER
schlug aber die Heirat aus und ging im November 1225 eine Ehe mit Margarete,
der Tochter Leopolds, ein. Der junge Römische König trug mit
seinem unerwarteten Schritt zwar dem Interesse seines kaiserlichen Vaters
Rechnung, der die WITTELSBACHER in
Bayern und die BABENBERGER in Österreich auf seiner Seite haben wollte.
Herzog
Ludwig und der enttäuschte König Ottokar verbündeten
sich aber mit den Ungarn und gingen mit Waffen gegen Herzog Leopold vor.
- Als der Erzbischof Engelbert von Köln 1226 ermordet wurde, bestellte
der Kaiser im Juli den Pfalzgrafen und Bayern-Herzog
Ludwig zum Reichsgubernator und Vormund für seinen
Sohn HEINRICH. Die Aufgabe, die Ludwig
für den abwesenden Kaiser übernahm, war ebenso ehrenvoll wie
reich an Schwierigkeiten. Der junge STAUFER stellte
sich gegen
Ludwigund beschuldigte ihn
heimlicher Machenschaften mit der Kurie, die sich aus eigener Initiative
dem WITTELSBACHER näherte. 1229
griff König HEINRICH im Bunde
mit dem für Ludwiggefährlichen
Otto von Andechs-Meranien seinen Vormund mit militärischem Erfolg
an. Als der Kaiser vom Kreuzzug heimkehrte, stellte er sich auf Ludwigs
Seite.
Der Bayernherzog hatte schon als Reichsverweser die Freundschaft
Englands gesucht. Sie war ihm aber auch als Landesherrn am Rhein und im
Reich überhaupt notwendig. In seiner Eigenschaft als Pfalzgraf hatteLudwig1225
den Bischof von Worms veranlasst, ein Lehen des Hochstifts, das Schloss
und Stadt Heidelberg sowie den Landstrich am Stahlbochel an der Bergstraße
umfasste, an ihn und seine Schwiegertochter als Lehen zu geben. Er knüpfte
daran an, dass ein früherer Bischof von Worms dieses Gebiet bereits
an den
STAUFER Konrad, den Halbbruder
BARBAROSSAS, als Lehen gegeben hatte, als er Pfalzgraf bei Rhein
war. Ludwig
stützte durch Zollmaßnahmen
am Niederrhein seine Politik und gewann so sehr an Ansehen, dass 1227 der
Herzog von Limburg entgegen dem Brauch des Reichslehensrecht, keine Lehen
von einem weltlichen ranggleichen Fürsten zu empfangen, Pfälzer
Lehen von ihm nahm.
Am 14. Mai 1227 machte Ludwig
die Schwertleite seines Sohnes zu einem glänzenden Fest. Als der letzte
der welfischen Pfalzgrafen bei Rhein
gestorben war, ließ Ludwig seinen
Sohn bereits 1228 die Regierung am Rhein selbst übernehmen. Bei dieser
Gelegenheit übernahm Otto
II. den staufischen Löwen,
den auch die späteren welfischen
Pfalzgrafen geführt hatten, in sein Wappen. Der Zackenbalken, den
Ludwig
I. nachweislich noch 1230 führte, verschwand mit seinem
Tod 1231 aus dem WittelsbacherWappen.
Die 1238 erlöschende WITTELSBACHERSeitenlinie
der Grafen von Valley hatte im Wappen einen nach rechts steigenden
Hirschen geführt.
In der Pfalzgrafschaft wie im Herzogtum hatte Ludwigdurch
drei Notare ein gleichmäßig ausgeprägtes Verfahren organisiert,
um Regierungsakte schriftlich festzulegen. In Bayern hatte er wohl spätestens
1209 eine Kanzlei zur Ausstellung der Herzogsurkunden eingerichtet.Ludwig
I.war es auch, der anstelle der Einteilung des Herzogtums in
Grafschaften eine solche in Ämter in den Teilen des Herzogtums begann,
die unmittelbar unter seiner Gerichtsgewalt standen. Aus dieser Ämtereinteilung
entwickelten sich seit der Mitte des 13. Jahrhunderts die Herzoglichen
Landgerichte. Das älteste WITTELSBACHER
Herzogsurbar,
das uns in der Niederschrift von vor 1237 erhalten ist, lässt bereits
den unmittelbaren Besitz des Herzogs und seine Einteilung in Ämter
und Schergenämter erkennen.
Im Herzogtum gelang es Ludwig, Reichenhall zu
behaupten und die Saline wieder fest in die Hand zu nehmen. Der Salzburger
Erzbischof versuchte nämlich, ein eigenes Landesfürstentum aus
dem bisherigen bayerischen Stammesherzogtum herauszuschälen und kämpfte
vor allem um Reichenhall und seine Saline. Da war es für
Ludwig I.
wichtig, dass er erreichte, dass ihn der
STAUFER-König FRIEDRICH II. 1219 formell mit dem Bergregal
auf seinen Erbgütern und Lehen ausstattete. Seine Nachfolger hielten
daran fest und machten daraus später ein landesherrliches Obereigentum
an Bodenschätzen.
Zu Ludwigs nachwirkenden
Taten gehört, dass er 1223 die Stadt Landau an der Isar gründete.
Auf kirchlichem Gebiet setzte er sich 1228 durch die Einrichtung des Kollegiatsstiftes
ein Denkmal.
Durch die sich wandelnden staatsrechtlichen Verhältnisse
und die politische Entwicklung konnten die bisher dem Stammesherzog nachgeordneten
Grafen und Bischöfe im Herzogtum mit Erfolg danach streben, selbst
Landesfürstentümer aus ihren bisherigen Jurisdiktionsbereichen
im Herzogtum zu machen. Das war natürlich für Ludwigals
Herzog von Bayern eine Aufforderung zum politischen Existenzkampf. In dieser
Krise des bisherigen Stammesherzogtums hätte Herzog
Ludwig beinahe einen außerordentlichen Erfolg errungen,
wenn er durchgesetzt hätte, dass seine Belehnung durch den Bischof
Gerold von Freising mit der Stadt gleichen Namens unangefochten geblieben
wäre. Das Freisinger Domkapitel aber widersprach heftig. Dasselbe
taten der in der Territorialpolitik weit ausgreifende Erzbischof von Salzburg
und andere Bischöfe, die auf Kosten des Stammesherzogtums eigene Fürstentümer
aufbauten.
Papst Gregor IX. beauftragte im Juni 1230 den Salzburger
und den Regensburger, "unerlaubte" Veräußerungen von Gütern
- notfalls unter Verhängung kirchlicher Strafen - rückgängig
zu machen. Die vom Freisinger Bischof an den Herzog zu Lehen gegebenen
Stadtgebiete von Freising wurden als unerlaubt veräußert bezeichnet.
Dar Kaiser kassierte darauf die Belehnung des Herzogs durch den Bischof
im September 1230.
Mitten aus diesem Leben vieler Erfolge, von denen einige
als Grundtatsachen eines bayerischen Landesstaates durch die Jahrhunderte
nachwirkten, wurde Ludwig 1231 auf
der Donaubrücke von Kelheim durch die Hand eines unbekannten Mörders
herausgerissen. Die Motive der dunklen Tat sind umstritten. In Kelheim
geboren und in Kelheim gestorben, erhielt Ludwig
später den Beinamen
"der Kelheimer".
Ein Jahr nach seinem Tod gründete seine Witwe
Ludmilla den berühmt gewordenen Zisterzienserinnen-Konvent
und die WITTELSBACHER Familiengrablege
in Seligenthal bei der von Ludwig gegründeten
Residenzstadt Landshut. In der Kirche erinnern noch heute die wohl erst
zu Anfang des 14. Jahrhunderts geschaffenen farbigen Holzfiguren an das
Herzogspaar.
1204
oo 2. Ludmilla von Böhmen, Tochter des Herzogs
Friedrich
um 1170-5.8.1240
Olmütz Landshut
1. oo Adalbert IV. Graf von Bogen
11.7.1165-20.12.1197
Kinder:
Otto II. der Erlauchte
7.4.1206-29.11.1253
Literatur:
----------
Csendes, Peter: Heinrich VI., Wissenschaftliche
Buchgemeinschaft Wiesbaden 1993, Seite 131,138,148 - Horst, Eberhard:
Friedrich der Staufer, Claassen Verlag Düsseldorf 1989, Seite 221,229,232
- Rall, Hans und Marga: Die Wittelsbacher. Von Otto I. bis Elisabeth
I., Verlag Styria Graz/Wien/Köln 1986 - Spindler Max: Handbuch
der bayerischen Geschichte Erster Band Das alte Bayern. Das Stammesherzogtum
bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts. C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung
München - Stürner, Wolfgang: Friedrich II. Teil 1: Die
Königsherrschaft in Sizilien und Deutschland 1194-1220, Primus-Verlag
Darmstadt 1997, Seite 151,157,169, 177,218,250 - Stürner, Wolfgang:
Friedrich II. Teil 2: Der Kaiser 1220-1250, Primus-Verlag Darmstadt 2000,
Seite 29,85-87,127,275, 277,286,300,538 - Thorau, Peter: Jahrbücher
des Deutschen Reichs unter König Heinrich (VII.) Teil I, Duncker &
Humblot Berlin 1998, Seite 3 A,4,36,54 A,67,96 ;141,173 A,174-179, 183
A,188,191-193,195,205,217,241,255,272,277-284,294,295 A,298-302,315A, 321-328,333-336,341-348,
351,359-361 - Wies, Ernst W.: Friedrich II. von Hohenstaufen. Messias
oder Antichrist, Bechtle Esslingen 1998, Seite 71,81,92,98,135,170 - Winkelmann,
Eduard: Jahrbücher der Deutschen Geschichte, Philipp von Schwaben
und Otto IV. von Braunschweig 1. Buch Verlag von Duncker & Humblot
Leipzig 1873, Seite 68,135,138,145,165,171,190,211,288,295,301,310,314,323,
361,370,385,398,421,425,429,462,466,475-477,479, 500,514,536 - Winkelmann,
Eduard: Jahrbücher der Deutschen Geschichte, Philipp von Schwaben
und Otto IV. von Braunschweig 2. Buch Verlag von Duncker & Humblot
Leipzig 1873, Seite I 322 II 120-122,126,130, 134,135,156,161,164,212,237,273,279,300,323,333,344,380,382,384,385,388,
391,393,432,445,446,458,462,463,501,510-512 - Winkelmann Eduard:
Kaiser Friedrich II. 1. Band, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt
1963, Seite 12,16,22,32,33,39,48,51, 58,108,112,118, 145,146,153,159,351,358,392,393,425,432,437,454,456,459,460,468,478,483,486-518,524,535,536
- Winkelmann Eduard: Kaiser Friedrich II. 2. Band, Wissenschaftliche
Buchgesellschaft Darmstadt 1963, Seite 67,69,71,82,99,181,214,219,232,233,
237,242,250,254-257,259,260,359,362,365,487 -
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Spindler Max:
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"Geschichte Bayerns"
Ottos
einziger
Sohn Ludwig,
später nach dem Ort seines Todes der Kelheimer genannt, war
beim Tode seines Vaters erst etwa 10 Jahre alt. Es war ein Glück für
ihn, dass das Gefolge seines Vaters ihm die Treue hielt und vor allem,
dass er eine tüchtige Mutter besaß, Agnes,
Tochter des Grafen Ludwig II. von Loon (Looz, nördlich Lüttichs),
mit dem der Name Ludwigin die Familie
kam, eine energische, politisch begabte und literarisch interessierte Frau,
die nach dem Tod ihres Gatten mit ihrem unmündigen Sohn von Burg zu
Burg reiste und unermüdlich für ihn warb. Die Vormundschaft führten
neben der Mutter die Oheime. Eine Adelsverschwörung, die sich bildete,
kam nicht zur Wirkung. Der schwere Schlag, denLudwig
erlitt, als er den Rückhalt an seinem Oheim Erzbischof
Konrad verlor, der 1183 von Salzburg nach Mainz zurückkehrte,
konnte wettgemacht und die erste Gefahr gebannt werden. Aber die Zukunft
des Landes war dunkel. Die Familie der WITTELSBACHER
war
zwar mit dem Land verwachsen, reich und mächtig, aber eine überlegene
Stellung besaß sie nicht. Die weltlichen Großen des Landes
hatten sich mit der Gesamtmasse ihrer Rechte und Güter längst
eingeordnet in den staatlichen Wandlungsprozess der Zeit; sie waren wie
die WITTELSBACHER selbst in der Herrschaftsverdichtung
und Schließung von Räumen erheblich weit gekommen und auf dem
besten Weg, selbst Territorien auszubilden, wofür die politische Karte
Bayerns um 1200 ein überraschendes und anschauliches Bild bietet.
Das Ziel aller Dynasten, nicht bloß der OTAKARE oder der ANDECHSER,
war Aufstieg in den Reichsfürstenstand und Lösung aus dem landrechtlichen
Verband des Herzogtums. Ihre Mittel waren die gleichen wie die der STAUFER
oder
WELFEN oder
WITTELSBACHER.
Fast noch gefährlichere Widersacher als die Dynasten waren die Bischöfe.
Der gefährlichste Gegner war das staufische
Königtum. Die Übertragung des Herzogtums an Pfalzgraf
Otto war von BARBAROSSA wohl
eine Dankes- und Gunstbezeugung, gleichzeitig jedoch ein Akt sehr kühler
Berechnung. Ein mächtiges bayerisches Herzogtum fügte sich nicht
in seine Politik. Von drei Seiten bedrängten die STAUFER
den
bayerischen Block. Im Osten trennten sie 1156 und 1180 die Marken ab, um
sie zunächst weiter zu verleihen und später kaiserlichen Verwaltern
zu unterstellen, im Norden griffen sie selbst zu. In Fortführung der
Politik KONRADS III. ließ sich
im Jahre 1174 BARBAROSSA vom Bischof
von Bamberg die Anwartschaft auf die hochstiftischen Lehen der Grafen von
Sulzbach für seine beiden Söhne übertragen, was sich beim
Tod des letzten SULZBACHERS 1188 vorteilhaft auswirken sollte. Die staufischen
Güter
zogen sich quer durch den bayerischen Nordgau. Sie wurden der Verwaltung
des Butiglers in Nürnberg unterstellt, die militärischen Befugnisse
übte der Nürnberger Burggraf. Das Reichsland Eger erhielt gleichfalls
eine Verwaltungsorganisation. Nürnberg und Eger wurden Eckpfeiler
staufischer
Herrschaft in einem Bereich, der einst zum bayerischen Herzogtum gehört
hatte und ihm durch die
STAUFER entfremdet
wurde. Auch im Südwesten drangen sie gegen Bayern vor. Seit 1168 besaß
BARBAROSSA
in der Augsburger Hochstiftsvogtei eine feste Position am Lech, die er
nach dem Aussterben der Herren von Schwabegg erworben hatte. Gegen 1179
vermachte ihm Welf VI. die reichen welfischen
Besitzungen am Lechrain und im Gebirge . Bei Welfs erbenlosen Tod 1191
ging dessen ganze, durchgebildete, weithin geschlossene Herzogsherrschaft
in Oberschwaben und an der bayerischen W-Grenze an die STAUFER
über, die damit auf einer breiten territorialen Front am Lech, der
bayerischen Grenze, in Bayern vorrückten, wo sie die durch den Tod
Herzog
Ottos gegebenen neuen Möglichkeiten nutzen konnten. Der junge
Herzog war auf die Gunst und Gnade des Königtums angewiesen. Das an
die Tradition des Stammesherzog anknüpfende, von dessen Rechtsinhalten
sich nährende wittelsbachische
Herzogtum war in Gefahr, auf die Stufe einer Herzogsherrschaft herabgedrückt
zu werden, wie sie Otakar oder Welf VI. ausgebildet hatten und eben Berthold
von Andechs aufzubauen im Begriff war. Mit dem frühen Tod HEINRICHS
VI. 1197 schieden jedoch die STAUFER
zunächst aus dem Ringen in und um Bayern aus.
Noch ein zweiter Umstand kam im weiteren Verlauf der
Territorienbildung dem gefährdeten Herzogtum zugute.
Als Pfalzgraf
Otto mit Bayern belehnt wurde, stand ihm der bayerische Hochadel
im ganzen noch trotzig und ungebrochen gegenüber als ein hervorragender
Teil jener stolzen Dynastenaristokratie, die durch mehrere Jahrhunderte
die Geschicke des Reiches mitbestimmt und dem Imperium Glanz und Ansehen
gegeben hatte. 100 Jahre später war er zersetzt und aufgerieben, Geschlecht
um Geschlecht erlosch. Diese Tatsache ist es vornehmlich, die dem Jahrhundert
in Bayern in seiner 1. Hälfte einen revolutionären Charakter
verleiht, da sie mit einem Zusammenbruch der großen bayerischen Adelsherrschaften
und damit alter politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ordnungen ohnegleichen
verbunden war. Sie kann nur verzeichnet, nicht restlos erklärt werden;
sie ist nicht auf Bayern beschränkt, tritt hier aber wegen der großen
Zahl der adligen Geschlechter besonders eindrucksvoll in Erscheinung. Als
Ursachen lassen sich anführen: die großen Verluste durch Italienfahrten,
Kreuzzüge und Fehden, die zahlreichen Eintritte von Familienmitgliedern
in den geistlichen Stand, die geringe Ehefreudigkeit aus Sorge um Erhaltung
des Besitzes und wegen der Gefahr von Erbteilungen, die wachsenden Schwierigkeiten
bei der Gattenwahl, schließlich wohl auch biologische Erschöpfung.
Ein Baum, der lange Frucht getragen hatte, starb ab. Reihenweise wurden
kleinere staatliche Keimzellen im Land und große Herrschaften frei,
und der Herzog konnte zugreifen.
Die entscheidenden territorialpolitischen Erfolge Herzog Ludwigs I.
Den Kern des werdenden Territoriums bildete die Gütermasse, die das Haus WITTELSBACH in seinen verschiedenen Zweigen besaß und in seiner Hauptlinie zwischen 1182 und 1238 vereinigte. Dazu kam, was von Heinrich dem Löwen übernommen wurde: die Herzogspfalz in Regensburg mit ihrer Besitzausstattung, die Hallgrafschaft mit Herrschaftsrechten in Reichenhall, die Vogteien über Polling und Wessobrunn, die Grafschaft im tirolischen Unterinntal, weiter Burg und Grafschaft Burghausen mit der Vogtei über die alten herzoglichen Pfalzen und späteren Reichsgutbezirke Ötting und Ranshofen samt dem Weilhartforst, ein Herrschaftskomplex, der bereits im frühen 13. Jahrhundert in 2 große herzogliche Ämter, Burghausen und Ötting, geteilt erscheint und eine der wichtigsten Positionen im Herzogtum darstellte; schließlich ein in seinem Kern nachweislich agilolfingischer, durch Rodungen erweiterter Güterbezirk zwischen der Steyr und Krems um Bad Hall (einst Herzogenhall) als Mittelpunkt, mit ähnlicher Geschichte wie das alte Herzogtum am unteren Inn und, am Anfang des 13. Jahrhunderts, gleichfalls in Ämter eingeteilt. Er konnte gegen die BABENBERGER, gegen OTAKARE und die HABSBURGER trotz aller Anstrengungen nicht gehalten werden. Mit Ötting und Burghausen fassten die WITTELSBACHER an Inn und Salzach Fuß und gewannen sie Zölle und Kontrollmöglichkeiten der Flussschifffahrt zwischen Salzburg und Passau sowie ein breites Ausfalltor nach dem Osten. Sie wurden damit die südlichen Nachbarn der ANDECHSER und ORTENBURGER, die beide die FORMBACHER am unteren Inn und im Rottal beerbt hatten. Am Unterlauf des Inn hatte mit der Salzach bis zur Abtrennung der Ostmark 1156 die "Schlagader und Achse des alten Stammesherzogtums" (DIEPOLDINGER) dargestellt.
a) Der Kampf um Regensburg und den Donauraum
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Kaum mündig geworden, wurde Herzog
Ludwigvor eine schwere Bewährungsprobe gestellt, es ging
sofort um den höchsten Einsatz und Zeitpunkt des bayerischen Zentralraums,
um das Gebiet von Regensburg bis Passau und um Regensburg selbst, seit
alters die Hauptstadt Bayerns. Den Auftakt bildete das Aussterben des alten
und bedeutenden Geschlechts der PAPONEN (BABONEN) in der Zeit der Vorbereitungen
zum Kreuzzug, der im April 1189 unter Beteiligung einer stattlichen Schar
bayerischer Ritter und unter der Führung des Kaisers selbst von Regensburg
seinen Ausgang nahm. Die PAPONEN verwalteten als Nachfolger der LUITPOLDINGER
die Grafschaft im westlichen Donaugau. Der jeweilige Graf war zugleich
Burggraf von Regensburg. 1143 hatten die Söhne des Burggrafen Otto
das väterliche Erbe geteilt, der ältere hatte die Burggrafschaft,
der jüngere, der eine Schwester Ottos zur Frau hatte, als Landgraf
von Stefling die Grafenrechte um den Regen übernommen. Beide Linien
starben aus, die burggräfliche mit den Brüdern Friedrich, Heinrich,
Otto, die ohne männliche Nachkommen waren, zwischen 1184 und 1189,
die landgräfliche 1196. Ab 1185 erscheint kein Burggraf von Regensburg
mehr. Um dieselbe Zeit im Jahre 1188 erlosch das Geschlecht der nicht minder
angesehenen SULZBACHER mit dem Tod des Grafen Gebhard. Ihnen gehörten
die bambergischen Lehen auf dem Nordgau und im Donaugau . Gebhard war zugleich
Domvogt der Regensburger Kirche, Vogt von Niedermünster in Regensburg
und von Niedernburg in Passau. Mit seinem Tod und mit dem Aussterben der
PAPONEN wurde eine gewaltige Gütermasse frei, die zu einer neuen Kräfteverteilung
im Donauraum führte. An ihr waren neben Herzog und Bischof interessiert
die Stadt Regensburg und die ersten Geschlechter des Landes, die benachbarten
BOGENER als Grafen im östlichen Donaugau, die mit den SULZBACHERN
nah verwandten ORTENBURGER, die ANDECHSER als ihre Nachbarn und die mit
den Burggrafen verwandten BABENBERGER, nicht zuletzt der Kaiser.
Noch ehe er ins Heilige Land aufbrach, griff er ein. Als mit dem Tod des
Bischofs Konrad auch der Regensburger Bischofsstuhl frei wurde, versuchte
er sofort einem seiner Getreuen die Bischofswürde zuzuwenden, was
ihm zwar nicht glückte, aber er erreichte, dass der neue Bischof ihn
1187 mit den stiftischen Lehen des Burggrafen Heinrich belehnte. Die bambergischen
Lehen der SULZBACHER auf dem Nordgau und im Donaugau erhielten seine Söhne
. Die Burggrafschaft wurde eingezogen und einem Burghauptmann als königlichen
Beamten übertragen. Vermutlich erst damals, nicht schon 1180, wie
Aventin überlieferte, führte BARBAROSSA
auch eine Neuordnung der Stadtverfassung durch, indem er das bürgerliche
Element stärkte und der Stadt Rechte gewährte, die ihre Entwicklung
zur Reichsfreiheit einleiteten. Als Domvögte erschienen nach dem Aussterben
der SULZBACHER die Herren von Lengenbach in Nieder-Österreich, die
auch im Lungau an deren Stelle traten. Der junge WITTELSBACHER
war
übergangen, das Herzogsrecht in Regensburg vom Kaiser geschmälert
worden.
BARBAROSSAS Werk
hatte nur zum Teil Bestand. Nach seinem Tod (1190) begann der zweite Abschnitt
der Auseinandersetzungen, in deren Verlauf Herzog
Ludwig an den Rand des Verderbens geriet. Jetzt trat der Adel
in den Kampf ein, voran der ungebärdigste der damaligen Dynasten,
Graf Albert III. von Bogen, der in Verbindung mit König Ottokar von
Böhmen stand, dessen Nichte Ludmilla,
die Tochter des 1189 verstorbenen böhmischen Herzogs Friedrich, er
zur Frau hatte. Der Kampf des Adels richtete sich nicht bloß gegen
die bayerische Herzogsgewalt, mehr noch gegen die erfolgreiche staufische
Territorialpolitik im Donauraum, er muss auch im Rahmen des umfassenden
Fürstenbundes wider HEINRICH VI.
von 1192 gesehen werden, dem Ottokar beitrat, während die Herzöge
von Bayern und Österreich sich fernhielten. Eine durch zahlreiche
Große besuchte, eindrucksvolle, die alte Stammesversammlung widerspiegelnde
Versammlung zu Laufen am 20. April 1192 brachte keine Klärung. Graf
Albert eignete sich widerrechtlich die bambergischen Lehen der SULZBACHER
im Donauraum an und weigerte sich, sie herauszugeben, überzog im August
1192 den Herzog mit Krieg, besiegte ihn mit Hilfe der Böhmen und drängte
ihn bis Mühldorf zurück. Im Oktober wandte sich Herzog Leopold
von Österreich, unterstützt von Berthold IV. von Andechs und
anderen bayerischen Großen, gegen die ORTENBURGER und zwang sie nieder.
Die Quellen berichten von furchtbarer Kriegsnot. Der Herzog war aufgerufen
zur Wahrung von Friede und Recht. Er vermochte sich nicht durchzusetzen.
Er wäre unterlegen, hätte er sich nicht dem Schutz Kaiser
HEINRICHS unterworfen, der eingriff und Waffenstillstand gebot.
Auf den Reichstagen zu Regensburg und Worms im Januar 1193 erging ein scharfes
Urteil, Ottokar wurde seines Herzogtums entsetzt und Graf Albert, weil
er das "barbarische und wilde Volk der Böhmen" nach Bayern gerufen,
als Reichsfeind erklärt .
Hatte BARBAROSSA
dem Vater Ludwigs das bayerische Herzogtum übertragen, so hatte sein
Nachfolger es dem Sohn gerettet. Ludwig
trat fortan wie sein Vater häufig an des Kaisers Seite auf, begleitete
HEINRICH
1193/94
nach Apulien und Sizilien, 1196 nach Würzburg und Mainz, wo über
den vielberufenen Erbreichplan verhandelt wurde, 1197 erneut nach Sizilien,
wohl in der Absicht, gleich anderen bayerischen Großen die Fahrt
ins Heilige Land anzutreten. Die Bindung seines Hauses an die
STAUFER
war durch den Schutz, den er erfahren hatte, auch bei ihm nun fest begründet.
Sie schlug ihm erneut zum Vorteil aus. Als 1196, nach dem Aussterben der
Landgrafen, die Gegensätze im Donauraum wieder aufbrachen und der
Endabschnitt der Auseinandersetzungen um die alte bayerische Stammesmetropole
begann, nahm er als Verwandter, ohne dass Widerspruch laut wurde, sichtlich
durch den Kaiser gedeckt, die landgräflichen Allodien an sich. Nach
1196 erscheint er im Besitz von Burg und Herrschaft Regenstauf, er gewann
auch die Landgrafschaft, die ihm der Kaiser übertragen zu haben scheint.
Er verlieh sie an die Leuchtenberger weiter. Der Tod
HEINRICHS 1197 war ein schwerer Verlust für ihn, er gab
ihm aber gleichzeitig die Bahn frei und wurde für ihn wie für
Bayern ein Ereignis von großer Tragweite. Gezwungen durch die Lage
im Reich musste HEINRICHS
Nachfolger,
König
PHILIPP, die jahrzehntelangen territorialpolitischen Bemühungen
seines Hauses in Bayern aufgeben. Jetzt endlich rückte allenthalben
im Land der Herzog in den Vordergrund, und beschränkte sich der Kampf
um Regensburg auf die beiden Mächte, die dort von jeher konkurrierten,
auf Herzog und Bischof. Jetzt hatte Herzog Ludwigdie
Führung. Als ihm der Bischof die hochstiftischen Lehen der Landgrafen
vorenthielt, wagte er schließlich den Kampf. Mit ihm, der um mehr
als um die Lehen, der um die Beherrschung der Stadt ging. Die ORTENBURGER
vermochte er fernzuhalten, indem er auf der Seite des Passauer Bischofs
gegen sie kämpfte und 1199 die ortenburgische Kraiburg zerstörte.
Das Haus BOGEN band er an sich durch eine hochpolitische eheliche Verbindung,
indem er 1204 die Witwe des 1198 verstorbenen Grafen Albert heiratete.
Als im selben Jahr sein Schwager Markgraf Berthold von Cham-Vohburg ohne
Hinterlassung männlicher Erben starb, gewann er die Mark Cham, mit
ihr den nördlichen Anschluss an das bogensche Territorium und eine
wichtige Grenzposition gegen Böhmen. Dies waren große Erfolge.
Er setzte sich im Donauraum außerhalb Regensburgs durch, des Bischofs
und der Stadt vermochte er jedoch nicht Herr zu werden. Bischof Konrad
verband sich mit dem mächtigsten kirchlichen Herrn im Land, dem Erzbischof
Eberhard von Salzburg, der vom Süden her in die herzogliche Machtsphäre
einbrach. Es gelang Ludwig zwar, die
regensburgische Feste Teisbach (bei Dingolfing) zu zerstören und sich
durch Gründung und Ausbau von Burg und Stadt Landshut 1204
einen wichtigen Isarübergang zu sichern. Aber er blieb im Anlauf stecken
und musste sich schließlich mit dem Bischof vergleichen. Der Vertrag
von 1205 offenbart die neue Lage. Er war eine Abmachung zwischen Gleichberechtigten,
die ihre gegenseitige Macht- und Rechtsphäre absteckten. Die stammesherzogliche
Überordnung war preisgegeben. Der Herzog konnte wohl verhüten,
dass Regensburg eine geistliche Stadt wurde. Durch verlockende und ungewöhnliche
Versprechungen, die er für den Fall seines Todes ohne eheliche Nachkommen
dem Bischof machte, erreichte er, dass ihn der Bischof mit den erledigten
hochstiftischen Lehen der Landgrafen "im Gebirg" belehnte. Auch gingen
die burggräflichen Befugnisse fast im gleichen Umfang, wie sie die
PAPONEN geübt hatten, auf ihn über. Er ließ sie durch einen
von ihm bestellten Beamten wahrnehmen. Aber er konnte weder verhindern,
dass der Bischof aus dem Landesverband ausschied - der Bischof behauptete
die Herrschaften Donaustauf und Wörth, unweit der Stadt stromabwärts,
linksseitig gelegen, Forstgebiete, in denen er die Landeshoheit übte,
- noch konnte der Herzog verhüten, dass Regensburg auf seinem Weg
zur Reichsfreiheit voranschritt, die 1245 erreicht war. Im Dualismus zwischen
herzoglich-burggräflicher und bischöflicher Gewalt war ein dritter
Machtfaktor, das Bürgertum, erstarkt, dessen staufische
Privilegien von beiden anerkannt werden mussten. Bis 1244 war der Ausbau
der Ratsverfassung abgeschlossen. Ausgangspunkt war nicht die Gerichtshoheit,
sondern das Recht, den Hansgrafen zu wählen, die Wehrhoheit und die
1207 erworbene Steuerhoheit. Bereits 1230 erhielt die Stadt das Privilegium
de non evocando, war also fortan keinem fremden Gericht, auch nicht dem
des Herzogs unterworfen. Regensburg wurde exterritorial. Durch und seit
BARBAROSSA
verlor die Stadt ihren Charakter als Mittelpunkt des bayerischen Herzogtums
und Sitz der Herzöge, was sie unter den WELFEN
und früher gewesen war. Der Gewinn, den Regensburg durch seine Erhebung
zur Reichsstadt davontrug, wog, wie die Zukunft erweisen sollte, nicht
so schwer wie der Verlust, den es erlitt. Es entsprach dem Wandel der Zeit,
dass mit dem Stammesherzogtum auch die Geschichte Regensburgs als dessen
Hauptstadt endete, nach rund 700-jähriger Dauer. Rings umschlossen
vom wittelsbachischen Territorium, waren seiner Entwicklung Grenzen gesetzt.
b) Der Kampf um Reichenhall
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Reichenhall, das wichtigste wirtschaftliche Produktionszentrum
des Landes, der uralte, von vorgeschichtlicher Zeit her bedeutende Salzort,
war ursprünglich Fiskalgut, das von den Herzögen und Königen
zum größten Teil vergabt wurde und zu einem unentwirrbaren Knäuel
von Herrschaftsrechten und Besitzanteilen an Salzbrunnen, Pfannen und Hofstättten
entartet war. Die Rechtsverhältnisse waren ständig in Fluss,
und des Streitens war kein Ende. Hatte den Hauptanteil der benachbarte
Erzbischof von Salzburg, so besaß der Herzog als Nachfolger Heinrichs
des Löwen die Grafschaftsrechte; mochte sie ihm auch der Erzbischof
streitig machen, er hielt sie fest und kräftigte seine Beziehungen
zu den Bürgern, deren Oberschicht, die Sudherren, eine selbständige
Stellung neben den zahlreichen Herrschaftsträgern sich zu erringen
bemühten, und wich nicht zurück, auch als 1196 Erzbischof Adalbert
die Stadt brandschatzte und auf dem Guttenstein unmittelbar über den
Salzbrunnen die Hallburg errichtete. Die Entscheidung fiel unter Adalberts
Nachfolger Eberhard II., einem der bedeutendsten damaligen Reichsfürsten,
von hervorragenden politischen und Verwaltungsfähigkeiten, dem einzigen
unter den bayerischen Bischöfen, der dem Herzog die Waage zu halten
imstande war, die durch die Lage Salzburgs gegebenen politischen Möglichkeiten
zwischen den WITTELSBACHERN und BABENBERGERN,
den PREMYSLIDEN und ARPADEN zu nützen
verstand und in seiner langen Regierungszeit von 1200 bis 1246 den Grundstein
zum salzburgischen weltlichen Staat legte. Der Stein kam ins Rollen, als
1218/19 die Grafen von Peilstein ausstarben, die als Hauptvögte des
Erzstifts auch die salzburgische Vogtei "ze Halle" besaßen. Herzog
und Erzbischof erhoben Anspruch auf das Erbe, ohne auf die mit den PEILSTEINERN
verwandten PLAINER Rücksicht zu nehmen. Um seine Forderungen zu unterstreichen
und den Punkt zu bezeichnen, in welchem er unnachgiebig zu bleiben gewillt
war, schuf sich Ludwig
eine feste Stellung
in Reichenhall, indem er die salzburgische Hallburg eroberte und eine Grenzfestung
zu bauen begann. Eberhard trat jedoch nicht in kriegerische Auseinandersetzungen
ein, er vertraute auf die natürliche Beschaffenheit des Landes. Der
Herzog konnte, wie auch sein Nachfolger, mit kriegerischen Mitteln die
Begründung eines salzburgischen Territoriums im Gebirge nicht hemmen.
Beide mussten ihre Kräfte darauf konzentrieren, dem Erzstift den Weg
ins Inntal auf breiter Front zu verlegen und ein weites Ausgreifen ins
Flachland zu verhindern, was nur mit halbem Erfolg gelang, wie die Auseinandersetzungen
um das Erbe der LEBENAUER und der PLAINER, die 1229 bzw. 1249/60 ausstarben,
beweisen, deren Machtzonen, soweit sie im herzoglichen Interessengebiet
lagen, Salzburg westlich und nördlich vorgelagert waren. Sie zogen
sich etappenweise aus dem Gebirg zurück. Herzog Ludwig machte
den Anfang, indem er im Streit mit Eberhard die Konsequenzen zog und sich
mit ihm 1219 verglich und 10 Jahre später, 1228, den Pinzgau preisgab.
Aber den wichtigsten Teil des peilsteinischen Erbes behauptete er, voran
Reichenhall. Das Erzstift musste seine territoriale Hoffnungen auf ein
Gebiet begraben, in welchem seine ältesten Einkünfte lagen. Der
Erfolg war um so größer, als die WITTELSBACHER,
wie ihre Vorgänger, die WELFEN,
in Reichenhall nur mäßig begütert waren und erst seit dem
Aussterben der Grafen von Burghausen 1168, von Schala 1192 und von Peilstein
dort hatten um sich greifen können. Reichenhall blieb bayerisch. Die
landesfürstliche Wirtschaftspolitik konnte daran gehen, die privaten
Salinenberechtigungen nach und nach einzulösen, das Salinenwesen zu
verstaatlichen und sich eine Einnahmequelle zu eröffnen, die später
zu den bedeutendsten des bayerischen Territorialstaates zählen sollte.
Die Grenze gegen Salzburg im Chiemgau wurde erst in den 70-er Jahres des
13. Jahrhunderts gefunden. Die Auseinandersetzungen um die dortige Landeshoheit
kamen jedoch nicht zur Ruhe. Den Erzbischöfen glückte es nicht,
sich ihren reichen Besitz am Inn mit dem Vogtgericht Mühldorf als
Mittelpunkt auch staatlich anzugliedern.
c) Die Verdrängung des Hauses Andechs
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Den stärksten Hemmschuh in der Ausbildung eines
geschlossenen Staatsgebietes bildete das Haus ANDECHS, zumal zwei seiner
Mitglieder Reichsfürsten und dem Herzog gleichgeordnet waren, Otto
VII. Herzog von Andechs-Meranien, seit 1208 auch Pfalzgraf von Burgund,
und Ekbert, seit 1203 Bischof von Bamberg. Eine friedliche Beilegung der
Gegensätze wäre nur durch schwächlichen Verzicht auf beiden
Seiten möglich gewesen. So kam es zu schweren, mit der Reichsgeschichte
verketteten Wirren und Kämpfen, die sich durch 40 Jahre hinzogen und
mit dem Untergang des Hauses endeten. Ihr Beginn wurde nicht durch die
herrschenden Spannungen ausgelöst, sondern durch eine in blindem Jähzorn
begangene Untat des Pfalzgrafen
Otto, eines Vetters des bayerischen Herzogs. Am 21. Juni 1208 wurde
König
PHILIPP zu Bamberg bei der Feier der Hochzeit seiner Nichte
Beatrix,
der Erbin von Burgund, mit Herzog Otto durch den Pfalzgrafen ermordet.
Der Täter fühlte sich in seiner Ehre tief verletzt, weil der
König von seinem Versprechen Abstand genommen hatte, ihm eine seine
Töchter zur Ehe zu geben. Nach einer Nachricht in der Slavenchronik
Arnolds soll ihm PHILIPP noch eine
weitere schwere Kränkung zugefügt haben. Als Pfalzgraf
Otto sich an den schlesischen Hof begab, um die Hand einer Herzogs-Tochter
anzuhalten, soll er dort vor ihm gewarnt worden haben. Die beiden Brüder
des Neuvermählten, Bischof Ekbert und Markgraf Heinrich von Istrien,
wurden einmütig der Mitwisserschaft geziehen. Die Tat war so ungeheuerlich,
dass sie die schwersten Folgen nach sich ziehen musste. Der Täter
und die beiden andechsischen Brüder Ekbert und Heinrich verfielen
der Reichsacht. Mit sicherem Instinkt erkannte Ludwig
die große Chance, die sich ihm bot. Seit dem Tod PHILIPPS
war das Doppelkönigtum beseitigt und war der WELFE
OTTO IV., der neu und einmütig gewählt wurde, allein
deutscher König. Vornehmlich Ludwig war es zu verdanken, dass
eine zweite Doppelwahl vermieden wurde. Als erster unter den deutschen
Fürsten erkannte er den WELFEN
an. OTTO sprach ihm hierfür auf
dem Reichstag zu Frankfurt am 15. November 1208 unter gleichzeitiger Bestätigung
der Erblichkeit des bayerischen Herzogtums die Reichslehen des Pfalzgrafen
und des Markgrafen zu. Das Haus ANDECHS war an der Wurzel getroffen. Die
beiden Brüder Ekbert und Heinrich flohen nach Ungarn an den Hof ihrer
Schwester Gertrud, der ungarischen
Königin, Heinrich auf dem Umweg über Rom, wo er beim Papst eine
Intervention durchsetzte. Bis jedoch der Prozess durchgeführt, Bischof
Ekbert im Jahre 1211 wieder in sein Amt eingesetzt und er selbst am Königshof
in Gnaden aufgenommen war, hatte Ludwig
längst gehandelt und seinen Vorteil wahrgenommen. Es winkten ihm Aussichten
wie nie zuvor, selbst Anteil am südlichen Meer. Er brach den Widerstand
seines Vetters, zusammen mit dem Nachbarn der pfalzgräflichen Güter,
dem Reichsmarschall Heinrich von Kalden, der im März 1209 den Geächteten
bei Regensburg, wo er sich verborgen hielt, aufgriff und tötete, und
verdrängte Heinrich aus seinem Besitz in Bayern. Auf die Markgrafschaften
Krain und Istrien musste er zwar noch im Jahre 1209 zugunsten des Patriarchen
Wolfger von Aquileja verzichten, auch in die Stellung der ANDECHSER in
Tirol konnte er infolge der Gegenwirkungen des Grafen Albert von Tirol
nicht einrücken, aber sein Land- und Herrschaftsgewinn in Bayern war
außerordentlich. Er schob seine Herrschaft südlich der von der
mittleren Isar zum mittleren Lech laufenden Linie bis ins Gebirge vor,
indem er in den andechsischen Kernlandschaften, in den Räumen der
späteren Landgerichte Weilheim, Wolfratshausen, Starnberg und Landsberg
sich den andechsischen Besitz sicherte, und erweiterte außerdem in
den wittelsbachischen Stammlanden seine
Herrschaftsgrundlagen um den Besitz seines Vetters nördlich der genannten
Linie. Das westliche Bayern war jetzt in seine Hand gegeben, wenn auch
seine Herrschaft dort noch nicht geschlossen und der Gewinn noch auf Jahrzehnte
nicht gesichert war. Auch am unteren Inn gewann er gegen Passau zu an Boden,
indem er auch hier in die andechsische Position einrückte, zunächst
jedoch ohne sie halten zu können.
d) Die Gewinnung der Pfalz
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Herzog Ludwig harrte
bei König OTTO aus, nahm am Krönungszug
nach Rom teil und ließ sich auch nicht irre machen, als der WELFE,
in die Bahnen der STAUFER einlenkend,
seinen päpstlichen Gönner herausforderte, indem er Sizilien gewinnen
wollte, was ihm den Bann eintrug. Als dann aber Papst Innocenz in der Zwangslage,
in der er sich befand, das Steuer herumwarf und den jungen STAUFER
FRIEDRICH gegen den WELFEN
ausspielte, trat Ludwig im September
1211 mit anderen Fürsten für FRIEDRICHS
Wahl ein. Im März 1212 bekannte er sich trotzdem nochmals zu OTTO.
Wie brüchig aber die Freundschaft unterdessen geworden war, verraten
die schweren Sicherungen, mit denen das damals gegebene eidliche Versprechen,
niemals abfallen zu wollen, umhegt wurde und die verwandtschaftliche Verbindung,
mit der man sie zu befestigen glaubte. Ludwigs
einziger Sohn, wurde mit einer Nichte des Kaisers, mit Agnes,
einer Tochter des älteren Bruders des WELFEN,
des Pfalzgrafen Heinrich des Langen zu Pfingsten 1212 auf einem Hoftag
zu Nürnberg verlobt, ein folgenschweres Geschehnis.
Da trat im Herbst des gleichen Jahres ein Ereignis ein,
das alle Abmachungen über den Haufen warf und alle Eide vergessen
ließ. Der junge
STAUFER erschien
am Oberrhein und trat seinen Triumphzug durch Oberdeutschland an, das ihm
der WELFE kampflos preisgeben musste.
Wie wenn die ihm geschworene Treue lediglich an seine
staufische
Gattin, eine Tochter PHILIPPS, gebunden
gewesen wäre, verließen auf die Nachricht von ihrem Tod mit
den Schwaben die Bayern sein Kriegslager in Thüringen, wohin sie mit
ihm gezogen waren. Und als Herzog Ludwig
seiner Eide ungeachtet im Dezember 1212 auf dem Fürstentag zu Frankfurt
FRIEDRICH
mitwählte, rührte sich in Bayern wie seinerseits für Heinrich
den Löwen so auch jetzt für seinen Sohn OTTO
keine Hand. FRIEDRICH konnte in Regensburg
im Februar 1213 die bayerischen Großen, selbst jene, die sich zum
Widerstand gegen ihren Herrn, falls er von OTTO
abfiele, eidlich verbürgt hatten, um sich versammeln und ihre Huldigung
entgegennehmen. Auch der Primas der bayerischen Kirche, Erzbischof Eberhard
von Salzburg, trat auf seine Seite, um dafür großzügig
belohnt zu werden, obwohl er dem WELFEN
Treue selbst gegen den Papst versprochen hatte. Er erhielt von FRIEDRICH
den ganzen Reichsbesitz im Lungau geschenkt und die Erlaubnis zur Errichtung
des Bistums Chiemsee. Wie die Gründung des Bistums Seckau 1218 gegen
die BABENBERGER gerichtet war, so bezog Salzburg mit dem Bistum Chiemsee
eine feste kirchliche und territorialpolitische Position gegen daswittelsbachische
Herzogtum.
Der Gewinn, den Ludwig bei
diesem zweiten deutschen Thronstreit einheimste, überstieg alle Erwartungen.
Dabei waren die Opfer, die er bringen musste, begrenzt, denn die Entscheidung
zwischen dem STAUFER und dem WELFEN
fiel nicht in einem Waffengang zwischen beiden allein, sondern in der Schlacht
bei Bouvines im Juli 1214, mit der der englisch-französische Krieg
ohne Beteiligung FRIEDRICHS beendet
wurde und in der das englische Heer, auf dessen Seite OTTO
kämpfte, unterlag. Ludwig zog
lediglich mit FRIEDRICH gegen die niederrheinisch-welfische
Fürstenopposition zu Feld, er geriet dabei in Gefangenschaft und wurde
mehrere Monate festgehalten, bis man in der Heimat das Lösegeld für
ihn aufgebracht hatte. Noch im gleichen Jahr 1214, wahrscheinlich anfangs
Oktober, wurden er und sein Sohn Otto
nach dem kinderlosen Tod des Pfalzgrafen Heinrich II., des Sohnes Heinrichs
des Langen, mit der erledigten Pfalzgrafschaft bei Rhein belehnt, Ludwig
als Lehensvormund des unmündigen Otto.
Das war der Anfang der Verbindung Bayerns mit der Pfalz. Der Gewinn war
für den bayerischen Herzog deshalb so bedeutend, weil die rheinischen
Pfalzgrafen die angesehensten unter ihren Amtsgenossen waren und weil es
ihnen gelang, ihrem Amt eine territoriale Grundlage zu geben, die auszubauen
und zu erweitern sich lohnte, bestehend aus Reichs- und Kirchenlehen, Vogteien
und Burgbezirken in einem wirtschaftlich und kulturell fortgeschrittensten
Gebiete des Reichs, am Mittelrhein, an der Bergstraße, am Odenwald
und an der Nahe, was den auch später nie behobenen Mangel räumlicher
Geschlossenheit weitgehend aufwog. Ludwig
setzte die Erwerbspolitik seiner Vorgänger fort. Im Jahre 1225 gewann
er das bischöflich-wormsische Kirchenlehen, das Heidelberg als Mittelpunkt
hatte, wo sein Sohn nach der Übernahme der Regierung häufig residierte.
So bedeutsam für Bayern das Ereignis war, in den bayerischen Quellen
wird es nur in einer Aufzeichnung aus dem Kloster St. Emmeran erwähnt,
die um so bemerkenswerter ist; Bayern sei dem Land am Rhein gleichsam unterworfen
worden, heißt es da. Man fürchtete zurückgesetzt zu werden.
Durch die Gewinnung der Pfalz wurde in einem Augenblick, in dem stärkste
Konzentration das Gebot der Stunde war, das politische Interesse und die
politische Aufgabe der jungen Dynastie zweigeteilt.
Reichspolitik Ludwigs I. und Ausklang seiner Regierung
a) Teilnahme am Kreuzzug
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Die Vereinigung der bayerischen Herzogswürde mit
dem Pfalzgrafenamt führte Ludwigan
die Spitze der deutschen weltlichen Fürsten und an die Seite des Kaisers,
der auf seine unmittelbare Unterstützung rechnete.
FRIEDRICHS
Spannungen mit der Kurie setzten nach Innocenz' Tod im Sommer 1216 ein,
als der Kaiser überraschenderweise seinen kleinen, bereits zum sizilianischen
König gekrönten Sohn
HEINRICH nach
Deutschland bringen und zum König wählen ließ, während
er selbst nach Bereinigung der welfischen
Frage nach Italien zurückkehrte, dem widerstrebenden Papst die Krönung
abrang und daranging, seinen sizilianischen Staat auf- und auszubauen,
um von da aus Italien und Deutschland zu beherrschen. Ein Grundgedanke
der kurialen Politik, die Trennung Siziliens vom Reich, war illusorisch
gemacht. Zum offenen Konflikt führte die Kreuzzugsfrage.
Der Kreuzzugsgedanke hatte auch in Bayern immer noch
zündende Kraft, wie das Echo zeigt, das der Kreuzzugsbeschluss des
Laterankonzils vom November 1215 auslöste. Gleich dem Kaiser nahm
der Herzog das Kreuz, dem Beispiel folgten zahlreiche bayerische adlige
Herren. Da FRIEDRICH die Erfüllung
seines Kreuzzugsversprechens immer wieder hinausschob, machte im Jahr 1217
Herzog Otto von Meranien den Zug seines Schwagers, des Königs
Andreas II. von Ungarn, mit, ebenso Graf Ulrich von Velburg-Klamm
und andere Adlige. Die Grafen Albert und Berthold von Bogen schlossen sich
dem niederrheinischen Kreuzfahrerheer an und nahmen 1218 an der Belagerung
der Stadt Damiette teil, die 1219 erobert wurde. Das Hilfskorps, das im
April 1221 von Tarent aus in See stach, um das Kreuzfahrerheer in Damiette
zu verstärken, wurde vom Kaiser der Leitung Herzog
Ludwigs unterstellt, was für seine Stellung bezeichnend
war. Der Name des bayerischen Herzogs ist mit dem enttäuschenden Ende
des Gesamtunternehmens, das mit einer gewaltigen Kraftanstrengung des Abendlandes
ins Werk gesetzt worden war, eng verknüpft. Wie der Kardinallegat
Pelagius, dessen eiferndes Zureden gefährliche Beschlüsse auslöste,
so drängte auch er, er sei nicht gekommen, um in Trägheit aufzugehen.
Da er als Stellvertreter des Kaisers auftrat, hatte sein Wort Gewicht.
Er war mitverantwortlich für den verhängnisvollen Vorstoß
nach Kairo, wie er denn auch unter den Geiseln war, die der Sultan
Al-Kamil
sich ausbedang. Vom Großmeister des Templerordens
wurde er wegen des unglücklichen Ausgangs des Kreuzzugs mitbelastet.
b) Reichsgubernator und Vormund König Heinrichs (VII.)
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Es bedeutete die höchste Steigerung seines Ansehens,
dass ihn der Kaiser am 2. Juli 1226 für den ermordeten Erzbischof
Engelbert von Köln zum Reichsgubernator und zum Vormund
seines Sohnes, des damals 15-jährigen Königs
HEINRICH (VII.) bestellte. Die Regentschaft Ludwigs stand
von Anfang an unter einem ungünstigen Stern. Er hatte schon früher
einmal vergeblich versucht, auf HEINRICHS
Zukunft Einfluss zu nehmen und ihr eine Wendung zu geben, die seinen territorialen
Interessen entsprach, indem er den Plan seiner böhmischen Verwandtschaft,
HEINRICH
mit
Agnes,
einer Tochter Ottokars, zu verheiraten,
eifrig unterstützte. Zu Ulm im Januar 1225 war öffentlich darüber
verhandelt worden. Agnes wurde von
ihrem Vater im Einvernehmen mit Ludwigder
Obhut Leopolds VI. von Österreich anvertraut.
HEINRICH schlug jedoch die Heirat aus und vermählte sich
am 18. November 1225 mit der BABENBERGERIN Margarete,
Leopolds Tochter. Die Folge war tödliche Feindschaft, zwischen Ludwig
und Ottokar, die sich mit Ungarn verbündeten,
auf der einen und Leopold auf der anderen Seite. Sie bildete den Auftakt
zu den kommenden, sich häufenden Waffengängen zwischen Bayern
und Österreich, den Nachbarn gleichen Stammes. Die Heirat lag auch
im Interesse Kaiser FRIEDRICHS, der
wie den WITTELSBACHER, so auch den
BABENBERGER bei seiner Partei halten musste. Bayern, Österreich und
die Steiermark gehörten zum nördlichen Vorland Italiens wie Schwaben
und Burgund, die beide durch seinen Sohn HEINRICH
gesichert
waren, dem er 1217 das Herzogtum Schwaben und 1218 nach dem Aussterben
der ZÄHRINGER, das Rektorat in Burgund übertragen hatte. Es war
für Ludwig viel schwerer als für
Engelbert, in seiner neuen Stellung die Reichsinteresssen mit seinen eigenen
in Einklang zu bringen. Der deutsche Norden trat im Blickfeld des Kaisers
gegenüber dem Süden zurück, die dänische Gefahr wurde
durch die norddeutschen Fürsten ohne seine Mitwirkung beschworen.
Die wittelsbachischen Interessen jedoch
kreuzten sich mit den staufischen,
und in der Regentschaft Ludwigs lag
von Anfang an ein Keim des Abfalls. Ludwig versuchte
die staufischen Interessen nach Norden
abzulenken. Als Pfalzgraf Heinrich der Lange, der letzte Sohn Heinrichs
des Löwen, ohne männliche Nachkommen starb, veranlasste er den
jungen König, zusammen mit ihm Ansprüche auf den Allodialbesitz
der braunschweigischen WELFEN-Linie zu erheben und ihnen mit Waffengewalt
Nachdruck zu verleihen. Beide, König und Herzog, belagerten im August
1227 Braunschweig. Hatte der Kriegszug auch keinen Erfolg, er bewies zum
mindesten, dass Ludwig nicht ohne Einfluss
auf den Thronfolger war und dass es ihm nicht an Kühnheit der Zielsetzung
gebrach. Gleich Engelbert von Köln und wie dieser ohne Erfolg und
im Gegensatz zum Kaiser betrieb er damals auch die Hinwendung des Reiches
zu England und die Ersetzung des staufisch-kapetingischen
Bündnisses
durch ein staufisch-englisches. Es
gelang ihm, seinen Plan soweit zu fördern, dass
König Heinrich III. von England im April 1227 bereit war,
eine Tochter Ottokars von Böhmen
oder eine andere deutsche Fürstentochter zu heiraten. Der Kaiser jedoch
hielt am kapetingischen
Bündnis
fest. Damals war Ludwigs Stellung als Vormund HEINRICHS
bereits in Wanken geraten. HEINRICH
hatte längst Verbindung aufgenommen mit den gefährlichsten Rivalen
Ludwigs
in Bayern, den ANDECHSERN, von denen ihm Herzog Otto VII. als Gatte der
Beatrix, der Enkelin
BARBAROSSAS,
besonders verbunden war. Er sah durch die wittelsbachische
Territorialpolitik, durch den Aufstieg der fürstlichen
Territorialgewalten überhaupt, das alt-staufische
System in S-Deutschland gefährdet und suchte und fand Abwehrkräfte
bei der Reichsministerialität, besonders in Schwaben, und beim Bürgertum.
c) Kämpfe mit Heinrich (VII.) und Otto VII. von Andechs.
Tod und Würdigung
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Auch nach der Rehabilitierung der andechsischen Brüder
Ekbert und Heinrich hatte Ludwig die
andechsischen Grafschaften nicht herausgegeben, ebenso hielt er die andechsischen
Allodien besetzt. Er verhinderte mit allen Mitteln die Bildung eines andechsischen
Territoriums, ebenso wie der den gleichlaufenden Zielen Freisings entgegenarbeitete,
das er zu einem herzoglichen Bistum zu machen versuchte. Den ANDECHSERN
Ekbert, dem Bischof von Bamberg, hielt er in Schranken, indem er seinen
Stiefsöhnen, den Grafen von Bogen, in der Verfügung über
die bambergischen Lehen im Donauraum freie Hand ließ, bis schließlich
der Bischof es vorzog, sich mit ihm zu versöhnen. Im Jahr 1228 übertrug
er ihm, ein Zeichen des Ausgleichs, die Donaulehen mitsamt den Lehen der
Edlen von Hals, nachdem der Herzog das Jahr zuvor Heinrich die Rückkehr
nach Bayern erlaubt hatte. Als Heinrich jedoch noch im Jahr seiner Rückkehr
starb, blieb alles beim alten, so dass nun der 3. der andechsischen Brüder,
Otto VII., in den offenen Kampf um sein gefährdetes Erbe eintrat.
Sein Bundesgenosse war König HEINRICH.
Im selben Augenblick, als die staufisch-andechsische
Freundschaft, die Ludwig durch seine
Reichsstellung bisher gebunden hatte, in dem der Führung entwachsene
König wirksam wurde, war das Ende der Vormundschaft des bayerischen
Herzogs und seiner Reichsverweserschaft erreicht. Im April 1228 nahm der
König den Abt Konrad von St. Gallen, der mit Ludwig
verfeindet war, in seinen Rat auf. An Weihnachten desselben Jahres trennte
er sich in Hagenau im Elsaß in schroffer Form vom Herzog, dem er
vorwarf, er stehe mit der Kurie in Verbindung, die damals die Einsetzung
eines Gegenkönigs gegen den gebannten Kaiser betrieb, der trotz des
päpstlichen Verbotes im Juni 1228 die Kreuzfahrt angetreten hatte.
Der König kam Otto zu Hilfe, brach im Sommer 1229 in Bayern ein und
zwang seinen ehemaligen Vormund in einem kurzen geschickt geführten
Kriegszug, dem ANDECHSER Recht widerfahren zu lassen. Otto konnte sich
in seinen Stammgrafschaften festsetzen und Dießen befestigen. Die
militärischen Kräfte, die Ludwig
zur Belagerung von Wolfratshausen schickte, wurden geschlagen. Der Herzog
musste auch aus der andechsischen Position am Inn weichen. Seine ausgreifende
Territorialpolitik führte die ANDECHSER immer enger auch mit den BABENBERGERN
zusammen. Der Sohn Herzog Leopolds und Schwager HEINRICHS
(VII.), Friedrich (der Streitbare), heiratete 1229 Ottos Tochter
Agnes. Als Mitgift erhielt die ANDECHSERIN neben Gebieten in Krain die
Allodien ihres Hauses am unteren Inn mit der Feste Neuburg als Mittelpunkt.
Ludwig
musste die Wiedererrichtung der Burg in Schärding gestatten, die 1208
geschleift worden war. Mit dieser Heirat fassten die BABENBERGER in nächster
Nachbarschaft der ORTENBURGER und WITTELSBACHER
am unteren Inn Fuß und schalteten sich in das spätere heiße
Ringen um den Besitz der Innübergänge ein.
Ludwig schien in
seiner andechsischen Politik vollkommen gescheitert, der Kampf zwischen
den beiden Häusern beendet zu sein, allein da dieser Existenzfragen
berührte und die letzten Möglichkeiten noch nicht erschöpft
waren, war die Entscheidung, als Ludwig 1231 aus dem Leben schied, nur
vertagt. Er vermochte wohl den schwachen Bischof Gerold zu überreden,
ihm die Stadt Freising als Lehen zu übertragen, aber das Freisinger
Kapitel intervenierte bei Kaiser und Papst. Im Jahr 1230 wurde Gerold abgesetzt
und die Belehnung für ungültig erklärt. In Gerolds tatkräftigen
Nachfolger, dem Edlen Konrad von Tölz, besaß der Herzog einen
erbitterten Gegner, doch glückte es ihm wenigstens, den aufrührerischen
Grafen Konrad von Wasserburg, durch den die ihn bedrängenden Gefahren
um eine weitere vermehrt worden waren, an seine Seite zu zwingen sowie
im November 1229 mit HEINRICH (VII.)
Frieden zu schließen und das Einvernehmen mit dem Kaiser seit dem
im Juli 1230 mit dem Papst geschlossenen Frieden von San Germano, zu dessen
Garanten auch er gewählt worden war, wenigstens äußerlich
wieder herzustellen - da wurde er Mitte September 1231 auf der Donaubrücke
bei Kelheim von einem Unbekannten erdolcht. Da der Mörder auf der
Stelle erschlagen wurde, blieb die ungeheuerliche Tat ungeklärt. Das
Volk sah im Kaiser den Schuldigen. Der Kaiser habe den "Alten vom Berg",
das Oberhaupt der mohammedanischen Sekte der Assassinen am Libanon, veranlasst,
den Mörder auszusenden. Maßgebend für die Beurteilung dürfte
jedoch die Einstellung des Sohnes des Ermordeten, des Herzogs
Otto II., zum Kaiser sein. Er muss, wenn auch nicht von Anfang
an, von der Unschuld FRIEDRICHS überzeugt
gewesen sein, da er 1235 eine Tochter mit des Kaisers Sohn
KONRAD verlobte.
Im Gegensatz zu seinem Vater berichten die Quellen über
Ludwigs
Wesen kaum einen liebevollen Zug. Man muss sich ein Bild aus
seinen Handlungen formen. Sie spiegeln ihn wider als kraftvolle Persönlichkeit
von starkem politischem Vermögen. In den rund 40 Jahren seiner selbständigen
Regierungszeit meisterte er eine verzweifelte Situation, nicht so durch
die Gewalt der Waffen, in deren Führung er wenig Glück hatte,
wie mit den Mitteln der Politik, indem er sich gegenüber den Großen
des Landes durchsetzte, ja er bewahrte noch, wie der Besuch seiner Hoftage,
seine schiedsrichterliche Tätigkeit, sein Ansehen in Bayern und im
Reich beweisen, einen Nachglanz der alten stammesherzoglichen Würde.
Was dem Reich zum Unglück ausschlug, der Tod HEINRICHS
VI. und
PHILIPPS von Schwaben,
auch die gegen Ende seiner Regierung schon aufkeimenden Gegensätze
zwischen FRIEDRICH II. und seinem Sohn
wusste er sich zum Glück zu wenden. Seine bedeutendste territorialpolitische
Leistung war, dass er die Konsolidierung eines andechsischen Fürstentums
in der Mitte Bayerns verhinderte. Seine folgenreichste Erwerbung war die
Pfalz, sein glücklichster Entschluss seine Wahl der PREMYSLIDIN
Ludmilla
zur
Gattin. Durch diese Heirat machte er sich Böhmen zum Freund und schuf
er sich eine Gegengewicht gegen die ausgreifenden BABEBNBERGER, fesselte
er die Söhne Ludmillas
an sich, deren Territorium sein Sohn erben sollte, und hielt er auch die
ORTENBURGER in Schach, von denen Rapoto II. gleichfalls eine Böhmin
zur Frau hatte. Er schuf die Grundlagen des bayerischen Territorialstaates
und steckte den Rahmen ab. Sicherung, Mehrung und Ausbau waren die Aufgabe
seiner beiden Nachfolger.
GESCHICHTE MIT PFIFF Heft 10 2001 Seite 16-19
Herzogsmord in Kelheim. Das Attentat auf Ludwig I.
von Bayern
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Auf der Suche nach einem Motiv ...
"Der fürst ward erstochen zuo Kelheim von einem unbesinten menschen. Das begab sich also, das der fürst spacieren ging an dem gestat der Tunaw, do ward das arm unbesint mensch gereitzt zuo zorn, von jungen edeln lewten also ser erzürnt, das er den fürsten anlief und ein messer in ihn stach ..."
Was der Chronist Hans Ebram von Wildenberg über
das Attentat schreibt, dem 1231 Ludwig I.,
Bayerns zweiter Herzog aus dem Hause WITTELSBACH,
zum Opfer fiel, teilt 300 Jahre später auch der Prinzenerzieher und
Hofhistoriker Aventinus (Johannes Turmair, 1447 bis 1543) mit - er nennt
sogar den Namen des Mörders: Herzog Ludwigs
Narr war es, Stich genannt (nomen est omen), der seinen Herrn "zu Kelheym
auf der brück in beywesen all seines hofgesinds" umbrachte - so
sagen zumindest "etliche Leute". Andere erzählen eine abenteuerliche
Story von einem betrogenen Ehemann, der sich an Ludwig
rächen wollte und zu diesem Zweck zwei "wilde Burschen" abrichtete,
jedes Lebewesen, das er ihnen zeigte, zu zerfleichen. Die habe er eines
Tages auf den Herzog gehetzt. Der erste Abt von Fürstenfeldt hatte
für Turmair eine weitere hochpolitische Erklärung auf Lager:
Der Mord sei "auß anrichtung des jungen königs
Heinrich und der bäpstlichen geschehen", weil Ludwig
"der verständigste fürst im gantzen reich und wol eins mit
dem Keyser war; darum gefiel im des Bapsts bund nicht wider das reich."
Auf Ludwigs
Vater mag dieses Urteil zutreffen: Otto
von Wittelsbach war staufertreu
bis ins Mark; Ludwig
dagegen pflegte die Seiten zu wechseln, wenn er sich einen Vorteil
erhoffte. Als 1208 sein Vetter aus persönlichen Gründen König
PHILIPP von Schwaben umbrachte, schloß sich Ludwig
sicherheitshalber der welfischen
Partei an und wurde dafür mit den Gütern des Mörders und
seiner Helfer belehnt. Außerdem verlobte er seinen einzigen Sohn
mit einer
WELFEN-Prinzessin, was weiteren
Landgewinn in der Pfalzgrafschaft am Rhein versprach. Als jedoch der junge
STAUFER FRIEDRICH II. auf der politischen
Bühne erschien und es mit der welfischen
Sache bergab ging, war Ludwig flugs
unter den Fürsten, die FRIEDRICH
zum König wählten und ihm beim Kampf um die Krone halfen. Dummerweise
geriet er am Niederhein in Gefangenschaft und kam erst gegen ein Lösegeld
von 10.000 Mark Silber [Eine Mark Silber entspricht 233 g des edlen Metalls;
für
Ludwigs Ablösung wurden
somit 2,3 Tonnen Silber aufgebracht. Der heutige Marktwert entspräche
rund 700.000 DM, doch war das Edelmetall im Mittelalter viel wertvoller
als heute; man müßte also einen vielfachen Millionenbetrag als
Gegenwert ansetzen.] wieder frei. Um diese enormme Summe aufzubringen,
leisteten alle bayerischen Stände je nach Vermögen, eine Abgabe,
wobei sich die Klöster besonders spendabel zeigten. König
FRIEDRICH honorierte den Frontwechsel Ludwigs,
indem er dessen einzigen Sohn mit der Pfalz belehnte. So gewannen die WITTELSBACHER
ein Gebiet, das fast 800 Jahre mit Bayern eng verbunden blieb, und dazu
den Titel "Pfalzgraf bei Rhein".
Obwohl sich Herzog Ludwig
beim rheinischen Feldzug nicht eben mit Lorbeer bedeckt hatte, fiel ihm
bald nach FRIEDRICHS Kaiserkrönung
ein verantwortungsvolles Kommando zu: Er sollte in Stellvertretung des
STAUFERS das deutsche Kontingent befehligen, das zum 5. Kreuzzug
nach Ägypten aufgebrochen war. Die Ausgangslage war vielversprechend:
Den Kreuzfahrern war es nämlich gelungen, die Stadt Damiette im Nildelta
zu erobern und zu befestigen; nun planten sie einen Vorstoß auf Kairo
und träumten bereits von der völligen Vernichtung der "Ungläubigen".
Ungeachtet der Weisung des Kaisers, er solle sich auf keine riskanten Unternehmungen
einlassen, gab Ludwig
in dieser Lage dem Drängen des päpstlichen Legaten nach und verließ
mit seiner Streitacht das sichere Damiette. Dabei bedachte er nicht, dass,
wie Turmair schreibt, "der Wasserfluß, genannt Nilus, mitten
im Sommer auslaufft". Diese Nilschwelle begünstigte den Gegenangriff
der Muslime, das Kreuzheer wurde eingeschlossen und mußte mit dem
Sultan über einen Abzug verhandeln. Eine der Geiseln, die die Rückgabe
von damiette sicherstellen sollten, war Herzog
Ludwig.
Wenige Jahre nach seiner ruhmlosen Heimkehr erfuhr er
eine neue Auszeichnung durch den Kaiser: Er wurde zum Reichsgubernator
und zum Vormund des Kaisersohnes
HEINRICH
bestellt, den die Geschichtsschreiber als (VII.)
zählen. Der junge König dürfte über diese Entscheidung
seines Vaters wenig erfreut gewesen sein, denn er hatte sich mit Ludwig
bereits überworfen, als dieser dafür plädierte,
ihn mit einer böhmischen Prinzessin zu verheiraten. Sogar ein bisschen
Krieg hatte es deswegen gegeben, weil der Böhmen-König und der
Bayer im Bund mit den Ungarn Herzog Leopold von Österreich angriffen,
für dessen Tochter sich HEINRICH
entschieden hatte. Ludwigs Regentschaft
stand also unter einem ungünstigen Stern: HEINRICH
glaubte, guten Grund für sein Misstrauen gegenüber dem ungeliebten
Vormund zu haben vor allem, seit Papst Gregor IX. den Kaiser wegen seines
gebrochenen Kreuzzugsversprechens gebannt hatte.
Gewiß, die geistlichen und weltlichen Fürsten
in Deutschland hielten FRIEDRICH die
Treue, doch vom Reichsgubernator wurde gemunkelt, er führe geheime
Verhandlungen mit der Kurie. Die offene Ablehnung durch den jungen König
und seine Umgebung veranlassten den Herzog schließlich, sich nach
Bayern zurückzuziehen.
HEINRICH
aber führte ein Heer gegen den angeblichen Verräter und errang
einige Erfolge. Am Ende griff der inzwischen vom Bann gelöste STAUFER-Kaiser
ein und veranlaßte Ludwig, erneut
seine Loyalität zu beschwören.
Ein Jahr später war der Herzog tot, und König
HEINRICH begann seine eigenen Politik zu machen, die ihn zunehmend
in Konflikt mit dem Papst und dem eigenen Vater brachte und schließlich
in die offene Empörung trieb.
Turmairs Annahme, HEINRICH
habe das feige Attentat von Kelheim arrangiert, scheint nach alledem nicht
aus der Luft gegriffen - nur die Begründung, die er liefert, ist grotesk:
Ludwig
habe
sterben müssen, weil er "wol eins mit dem Keyser" gewesen sei
und "des Bapsts bund wider das reich" abgelehnt habe. Das ist mit
Sicherheit falsch und nährt den Verdacht, alles sei ganz anders gewesen
...
"Er wurde mit einem Stilett erstochen von einem minderwertigen
Subjekt, wie sie der so genannte Alte vom Berge auszuschicken pflegt. Den
Mörder nahm man fest und befragte ihn unter vielen Martern nach seinem
Auftraggeber, doch war ihm kein Geständnis abzuringen. So starb er,
als alle seine Glieder zerfleischt und terfetzt waren."
Jener Alte, den die zeitgenössischen Marbacher Annalen
ins Spiel bringen, war das Oberhaupt einer Gruppe muslimischer Fanatiker,
die als Assassinen zur Zeit der Kreuzzüge durch Meuchelmord von sich
reden machten. Doch wie kam der Mann im fernen Libanon dazu, einen Mörder
nach Kelheim zu schicken? Die Annalen von Reinhardsbrunn glauben es zu
wissen: Ludwig wurde
"hinterlistig umgebracht vom Kaiser mit Hilfe des Sklaven eines Heiden,
den man den Alten nennt."
Die böse Unterstellung, der Kaiser, der fließend
Arabisch sprach, habe sich für jenen feigen Mord eines allgemein gehassten
und gefürchteten Feindes der Christenheit bedient, passt gut in das
Bild, das während des Endkampfes mit FRIEDRICH
II. sein Erzfeind, Papst Innozenz IV., über ihn, den "Sultan
von Lucera", den Gotteslästerer, den Antichrist verbreiten ließ.
Ganz abwegig ist jedoch der in mehreren Chroniken erhobene Vorwurf nicht,
FRIEDRICH
II. habe die Tat veranlasst:: Wenn Herzog
Ludwig tatsächlich ein doppeltes Spiel spielte, stellte
er für den von italienischen Problemen voll in Anspruch genommen Kaiser
ein schweres Risiko dar, dessen sich dieser bei passender Gelegenheit entledigen
musste. Einen unsicheren Kantonisten als Reichsgubernator konnte er sich
nicht leisten! Andererseits wäre es fatal gewesen, wenn irgendwelche
Beweise dafür aufgetaucht wären, dass er einen wichtigen Landesherrn
hatte umbringen lassen. Er musste darum auf jeden Fall verhindern, dass
der Killer erfuhr, für wen er eigentlich den Dolch zückte.
Ein fanatisierter Moslem mochte dazu taugen und brauchte
nicht aus dem Libanon zu kommen. Auch in den Gassen Palermos trieben sich
schräge Vögel arabischer Herkunft herum, die man auf den ehemaligen
Kreuzfahrer ansetzen konnte. So kann sich hinter Turmairs "Narren" (morio)
durchaus ein "Mohr" verbergen. Wenn also zu Kelheim ein politischer Mord
geschah, kann ihn der Kaiser ebenso veranlaßt haben wie sein Sohn!
Trotzdem blieb FRIEDRICHS
Verhältnis zu Bayern nur kurze Zeit belastet. Als er 1235 in Deutschland
erschien, um die Rebellion HEINRICHS (VII.)
zu beenden, verlobte Ludwigs Sohn Otto
II. seine älteste Tochter Elisabeth
mit dem Kaisersohn KONRAD und erwies
sich in der Folgezeit als treuer Parteigänger des STAUFERS,
auch als dieser erneut gebannt und als über Bayern die schwerste Kirchenstrafe,
das Interdikt, verhängt wurde. Ebenso energisch setzte sich sein Sohn
für Konradin, den letzten
STAUFER, ein.
Nach dessen tragischem Ende begann die Erinnerung das
Bild von Kaiser FRIEDRICH zu verklären.
Nun gibt es keinen Platz mehr für unbewiesene Beschuldigungen; spätere
Historiker zogen es daher vor, neugierige Gemüter mit Geschichten
vom armen Narren und wilden Burschen zu bedienen. Die Hintergründe
des Mords von Kelheim sind jedenfalls bis heute unaufgeklärt.