Lexikon des Mittelalters: Band VI Seite 2136
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Pierleoni
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Stadtrömisches Adelsgeschlecht, bedeutend im späten 11 und im 12. Jh.
Ältestes bekanntes Mitglied ist Benedictus
Christianus (+ spätestens 1051), mit einiger Sicherheit ein
zum Christentum konvertierter Jude, der mit einer vornehmen Christin verheiratet
war. Sein Sohn Leone lebte
vor 1072. Auf Leones Sohn Pietro
di Leone (belegt 1084-1124) bezog die Familie später ihren
Namen; er begründete ihre einflußreiche Stellung in Rom. Mehrfach
geäußerte Vermutungen, die PIERLEONI
seien
sowohl mit Gregor VI.
als auch mit Gregor
VII. verwandt, sind nicht haltbar. DiePIERLEONI
waren lange Zeit wichtige und loyale Stützen des Reform-Papsttums.
Hinweise in erzählenden Quellen auf finanzielle Unterstützung
des Papsttums durch die PIERLEONI
sind
allerdings zum Teil verdächtig, weil sie möglicherweise die Diskreditierung
der Päpste durch den Vorwurf der Simonie beabsichtigten. 1084 half
Pietro
di Leone Gregor VII. bei der Verteidigung der Engelsburg gegen Kaiser
HEINRICH IV. Er bot Viktor
III. (1087) und Urban II. (1088) in seinen Festungen Schutz.
Besonders enge Beziehungen unterhielt er zu Paschalis
II., für den er 1111 bei den Friedensverhandlungen mit Kaiser
HEINRICH V. eintrat. 1119 förderte er Calixtus
II. bei dessen Erhebung zum Papst. Pietro, ein Sohn des
Pietro die Leone, ca. 1112 Kardinal, wurde 1130 in einer schismatischen
Wahl Papst (Anaklet
II.) gegen Innozenz
II. Die PIERLEONI unterstützten
massiv die Erhebung ihres Papstes und gerieten dabei in Konflikt mit der
stadtrömischen Familie FRANGIPANI. Mehrere Mitglieder der PIERLEONI
nahmen 1130 an der Krönung Rogers
II. zum König von Sizilien durch Anaklet II.
teil. 1134 schworen Pietros Söhne Giovanni,
Leone, Ruggero,
Giordao und Guido
und seine Enkel Pietro,
Uguccio
und Graziano König
Roger II. ligische Mannschaft und dokumentierten auch dadurch
ihre engen Verbindungen mit dem Normannenreich. Nach dem Tode Anaklets
II. 1138 schlossen die PIERLEONI mit
Innozenz
II. Frieden und verfolgten wieterhin ihren kirchennahen Kurs. Die Konstituierung
der römischen Kommune (1143) lehnten die
PIERLEONI
wegen deren antipäpstlicher und antiadliger Ausrichtung
ab. Allein
Giordano hatte in maßgeblicher
Stellung an der kommunalen Bewegung Anteil und erhielt das Amt des Patricius.
Während des alexandrinischen Schismas (1159-1176) standen die PIERLEONI
auf der Seite Alexanders
und traten dadurch in Gegensatz zu
Kaiser
FRIEDRICH I. Damals wurde Ugo Pierleoni
zum
Kardinal erhoben (1166). Seit dem letzten Viertel
des 12. Jh. ging der Einfluß der PIERLEONI
stark zurück, obwohl sie mit einem jüngeren Ugo
(1173-1182)
und
mit Guido (1204-1228) noch zwei weitere
Kardinäle und mit einem jüngeren
Giovanni
(1196) einen römischen Senator stellten.
Die PIERLEONI sind auch im Spätmittelalters
gut belegt, können aber bei weiten nicht mehr an ihre alte Position
anknüpfen.
Eine Seitenlinie der Familie waren vermutlich die seit
der Mitte des 12. Jh. nachweisbaren PIERLEONI DE RAINERIO. Ihr bedeutendstes
Mitglied war Giovanni Pierleoni de Rainerio,
der nach 1198 eine führende Rolle in der innerrömischen Opposition
gegen Innozenz III.
spielte. Gregorio Pierleoni de Rainerio
war 1204 römischer Senator.
Nur wenige Hinweise existieren zur Besitzgeschichte der
PIERLEONI.
1072
sind in ihrer Hand Güter auf der Tiberinsel in Rom nachgewiesen, wo
auch später das Zentrum ihrer innerstädtischen Macht gelegen
haben dürfte. Hinzu kam Besitz am gegenüberliegenden linken Tiberufer.
S. Nicola in Carcere war vielleicht ihre Hauskirche. Ob die PIERLEONI
auch außerhalb Roms größere Besitzungen hatten,
ist unbekannt.