Begraben: Saint-Corneille in Compiegen
3. Sohn des Königs
Heinrich II. von Frankreich und der Katharina
von Medici, Tochter von Herzog Lorenzo II.
Lexikon der Renaissance: Seite 3292
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Heinrich III., König von Frankreich seit 1574
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* 19.9.1551, + 2.8.1589
Fontainebleau St. Cloud
Letzer König der VALOIS.
Sohn von Heinrich II.
1573/74 Wahl-König von Polen.
Heinrichs Herrschaft
bedeutete eine tiefgreifende Schwächung des französischen Absolutismus
im 16. Jh. Ursprünglich ein Gegner der Hugenotten, mußte er
ihen als König weitgehend entgegenkommen und wiederholt Sicherheitsplätze
zugestehen. 1577 erkannten Heinrich III. und
seine Mutter, Katharina von Medici,
daß sie von den Hugenotten und 'Politiques' beherrschten Territorien
nicht gewaltsam von den Regierungstruppen zurückgewonnen werden konnten.
Damit stießen sie auf den Widerspruch des nach der Thronfolge strebenden,
von Spanien unterstützten Herzogshauses der GUISE, die eine Thronfolge
des nach dem Erlöschen der VALOIS
erbberechtigten Heinrich von Navarra zu
ihrem eigenen Vorteil verhindern wollten. Als Heinrichs
Kinderlosigkeit gewisser wurde und 1584 auch sein Bruder, der Herzog
Franz von Alencon, starb, gründeten die GUISE die 'Heilige
Liga' zur Verhinderung der Thronfolge Heinrichs
von Navarra. Nach einer Niederlage seiner Truppen gegen die
Liga und den Herzog Heinrich von Guise flüchtete Heinrich
III. von Paris nach Chartres. Das diplomatische Geschick der
Katharina
von Medici unterlief jedoch die Forderungen der Liga, die als
Nachfolger Heinrichs den ältlichen
Kardinal
Karl von Bourbon bereithielt: Scheinbar sich fügend, unterzeichnete
Heinrich
III. im Juli 1588 die 'Katholische Union', mit der jeder nichtkatholische
Nachfolger der VALOIS für unzuverlässig
erklärt wurde. Die Entlassung derjenigen seiner Ratgeber im September
1588, die Werkzeuge seiner Mutter waren, löste im Dezember 1588 eine
neue Staatskriese aus; Heinrich III. ließ
die in Blois zu den dort einberufenen Generalstaänden erschienenen
Häupter der Liga (Herzog Heinrich von Guise und dessen Bruder Kardinal
Ludwig von Guise) am 23./24.12.1588 ermorden, die Anhänger der Liga
und der GUISE systematisch verhaften und einkerkern. Nach dem endgültigen
Bruch mit der Liga verbündete sich Heinrich
III. am 3.4.1589 mit Heinrich von Navarra
und schloß nach mehreren Siegen über die Liga im Juli 1589 Paris
ein, wurde aber in St. Cloud von dem Mönch Jacques Clement ermordet.
Pernoud Regine: Seite 11-29
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"Die Kapetinger" in: Die großen Dynastien
Nach dem Tode Karls IX.
fiel die Krone an seinen Bruder, den Herzog von Anjou, der sich bei der
Wahl zum polnischen König gegen Zar Iwan
den Schrecklichen durchgesetzt hatte. Er verließ eilends
seine Hauptstadt Krakau und bestieg als Heinrich
III. (1574-1589) den französischen Thron. Wenige Könige
in der Geschichte waren so umstritten wie er. Er legte ein auffälliges
Benehmen an den Tag, das ihm die Bezeichnung "Prinz von Sodom" eintrug,
und umgab sich mit einer Gruppe schöner Männer, die man die Mignons
nannte. Dennoch lebte er im guten Einvernehmen mit seiner Gattin Luise
von Vaudemont.
Der neue König befand sich in einer schwierigen
Situation, die er jedoch immer wieder mit Takt und Entschlossenheit meisterte.
Das Land lag im Bürgerkrieg; es drohte eine Invasion von seiten einer
Gruppe von Conde gedungener alter Kämpfer. Sie wurden jedoch bei Dormans
von Heinrich von Guise, dem Sohn des Herzogs von Guise, geschlagen; von
da an wurde der Herzog von Guise zu einem mächtigen Rivalen des Königs.
Mit dem Edikt von Beaulieu 1576 gewährte Heinrich
III. den Protestanten freie Religionsausübung. Der Herzog
von Guise gründete daraufhin eine katholische Partei, die Liga, und
Heinrich III. war so klug, deren Führung zu übernehmen.
Dessenungeachtet kam es zu drei aufeinanderfolgenden
Kriegen, deren Einzelheiten dahingestellt sein mögen. Worauf es ankam,
war die Tatsache, dass durch den Tod des Herzogs von Alencon, des jüngsten
Sohnes Heinrichs II., der Führer
der Protestanten, Heinrich von Navarra,
zum Thronanwärter für den Fall des Ablebens Heinrichs
III. wurde. Als sein Anspruch jedoch wegen seiner Religionszugehörigkeit
angefochten wurde, verdoppelte dies den Ehrgeiz Heinrichs von Guise, der
als angeblicher Nachfahre der KAROLINGER
den Thron an sich zu bringen hoffte.
Daraus entstand der 8. Religionskrieg. Bei Coutras erzielte
Heinrich von Navarra, ein fähiger Kriegsherr, am 15. Oktober
1587 den ersten großen Sieg der Protastanten über die Katholiken.
Heinrich von Guise wiederum gelang es, bei Vimory und Auneau zweimal die
Invasion der alten Kämpfer aufzuhalten. Dies machte ihn so populär,
dass die Liga Paris unter ihre Herrschaft bringen konnte. Daraufhin untersagte
Heinrich
III. dem Herzog von Guise das Betreten der Hauptstadt. Doch
dieser widersetzte sich dem Verbot. In Paris wurden Barrikaden errichtet,
und Heinrich III. mußte sein
Heil in der Flucht suchen (12. Mai 1588). In Blois traten die Generalstände
zusammen. Als der König dort von dem mit dem Herzog von Guise sympathisierenden
Adel heftig angegriffen wurde, zögerte er nicht länger und ließ
den Herzog am 23. Dezember 1588 ermorden. Wenige Tage danach starb Katharina
von Medici.
Die von der Liga aufgestellte Armeen zogen gegen den
König zu Felde, der nun keine andere Lösung sah, als sich mit
Heinrich
von Navarra
zu versöhnen;
dies war die einzige Möglichkeit, den Fortbestand der Dynastie zu
sichern. Am 16. April 1589 kam es in Plessis-lez-Tours zu einer Zusammenkunft.
Der König von Frankreich und der König von Navarra vereinigten
ihre Truppen und begannen in Saint-Cloud mit der Belagerung von Paris.
Die Liga sah sich verloren. Sie entsandte den geisteskranken
Dominikaner Jacques Clement mit einer im vorhinein erteilten Absolution
versehen zu Heinrich III. Er stieß
dem König ein Messer in den Leib und wurde daraufhin aus dem Fenster
geworfen, so dass das Geheimnis um seine Tat nie ganz enthüllt werden
konnte. Bevor er am 2. August 1589 starb, ließ der König
Heinrich von Navarra zu sich rufen und beschwor ihn ein letztes
Mal, zum katholischen Glauben überzutreten. Er sprach zu ihm: "Mein
Bruder, ich fühle, es ist an Euch, das Recht in Anspruch zu nehmen,
für das ich tätig gewesen bin, um Euch zu erhalten, was Gott
Euch gegeben hat."
Über dieser eindrucksvollen Geste, die den Fortbestand
der Dynastie sicherte, starb Heinrich III.
Mit ihm erlosch das Geschlecht der VALOIS,
zumindest in seiner legitimen Linie. Denn erst im Jahre 1650 starb der
Graf von Auvergne, ein illegitimer Sohn Karls
IX. Er hatte gegen Ende seines Lebens Francoise Mareuil geheiratet,
die 1708 hochbetagt zur Patin des jungen Belloy wurde. Dieser las im Alter
von 100 Jahren bei der Krönung Napoleons
die Messe. So empfing der Kaiser der Franzosen den Segen vom Patenkind
der Schwiegertochter Karls IX.
15.2.1575
oo Luise von Lothringen-Mercour, Tochter
des Herzogs Nikolaus
x 30.4.1553-29.1.1601
Literatur:
-----------
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England. Eugen Diederischs Verlag München 1994 Seite 218,248/49,262,
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Friedrich Pustet Regensburg 2001 Seite 102 - Pernoud Regine: Die
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Seite 11-29 - Taillandier Saint-Rene: Heinrich IV. Der Hugenotte
auf Frankreichs Thron. Eugen Diederichs Verlag München 1995 Seite
14-506 - Treffer Gerd: Die französischen Königinnen. Von
Bertrada bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert) Verlag Friedrich Pustet
Regensburg 1996 Seite 155,157,252,265,271,279 -
Ilja Mieck
HEINRICH III., König von Frankreich 1574--1589
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* 19. September 1551, + 2. August 1589
Fontainebleau
Vorname Edouard-Alexandree, geändert in Henri 1565
Dauphin 1560
Herzog von Anjou 1566
König von Polen 1573-1574
König von Frankreich 30. Mai 1574
Krönung und Weihe in Reims 13. Mai 1575
Attentat 1. August 1589
Tod 2. August 1589
Grablegung zunächst inder Abtei Saint-Corneille in Compiegne, 1610 in der Krypta der (1719) abgerissenen Rotonde des Valois in Saint-Denis, dann in der dortigen Kapelle Notre-Dame-la-Blanche. Grabschändung während der Revolution; seit 1818 erinnert in Saint-Denis eine früher in Saint-Cloud befindliche barocke Säule mit einer Bronze-Urne, in der sich das Herz Heinrichs III. befinden soll, an den letzten VALOIS-König.
Vater:
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Heinrich II. König von Frankreich (* 31.3.1519,
+ 10.7.1559)
Mutter:
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Katharina von Medici (* 13.4.1519, + 5.1.1589)
Brüder:
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Franz (* 19.1.1544, + 5.12.1560 ), als König Franz
II.
Karl (* 27.6.1550, + 30.5.1574), als König Karl
IX.
Hercule (*18.3.1555, + 10.6.1584), der spätere Francois,
Herzog von Alencon (bis 1576) und Herzog von Anjou
Schwester:
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unter anderem
Margarethe (* 14.5.1553, + 27.3.1615), genannt Margot,
später Gemahlin Heinrichs III. von Navarra
oo 15.2.1575
LOUISE DE VAUDEMONT
* 30.4.1553, + 29.1.1601
Tochter Karls III. von Lothringen
Keine Kinder
Kindheit und Jugend 1551-1556
Henri III. sah den
18.9.1551 als seinen Geburtstag an, obwohl er 40 Minuten nach Mitternacht,
also am 19.9. zur Welt gekommen war. Er wurde auf den Namen Alexandre-Edouard
getauft und erhielt den Titel eines duc d'Angeloume. Seine Eltern,
König
Henri II. (1519-1559) und
Catherine
von Medici (1519-1589), hatten 1533 geheiratet, doch war die
Ehe 11 Jahre kinderlos geblieben.
Henri hatte vier
ältere Geschwister: Francois II.,
den 1544 geborenen Petit Dauphin, der bei der Thronbesteigung seines Vaters
(1547) zum Dauphin (Thronfolger) wurde, Elisabeth
(1545-1568), die spätere Gemahlin Philipps
II. von Spanien, Claude (1547-1574),
die 1559 Charles III. von Lothringen heiratete und Charles-Maximilien
(1550-1574), den der frühe Tod des erstgeborenen Bruders
1560 als Charles IX. auf den Thron
brachte. Ein fünftes Kind, Louis,
war im Oktober 1550 im Alter von 20 Monaten gestorben. Die jüngeren
Geschwister von Henri waren
Marguerite, genannt Margot (1553-1615),
die eine Woche vor der Bartholomäusnacht mit dem späteren Henri
IV. von Frankreich vermählt wurde, und
Hercule (1555-1584), der es als einziger der vier Söhne
nicht zu einer Königskrone brachte. Die lange Reihe der Geburten endete
1556 mit den Zwillings-Schwestern Jeanne und
Victoire,
die während beziehungsweise bald nach der Niederkunft ihrer Mutter
starben.
Bemerkenswert ist, dass die hohe Kindersterblichkeit,
die das gesamte Ancien Regime auszeichnete, zwar auch vor Königsthronen
nicht haltmachte, aber dank der besseren medizinischen Betreuung und der
insgesamt gesicherteren Lebensverhältnisse nicht so einschneidende
Folgen hatte wie bei den unteren Volksschichten.
Von den sechs Geschwistern, die der Kindersterblichkeit
nicht zum Opfer gefallen waren, starben fünf vor Henri.
Nur Margarete überlebte ihn und
wurde 62 Jahre alt. Sie und Henri waren
die einzigen der 10 Kinder, die beim Tod ihrer Mutter am 5.1.1589 noch
lebten. Eine schwächliche Konstitution und die Anfälligkeit für
Krankheiten sind zwar bei allen Angehörigen der letzten VALOIS-Generation
zu beobachten, ihre wahre Geißel war aber die Tuberkulose,
gegen die man medizinisch machtlos war.
Anläßlich seiner Firmung erhielt Alexandre-Edouard
am 18.3.1565 zu Ehren seines Vaters den Namen Henri. Neuesten Forschungen
zufolge soll der jüngere Bruder Hercule,
dessen "physical and intellectual deficiencies" (Holt, Anjou 16) ganz und
gar nicht zu seinem Namen paßten, erst ein Jahr später den Namen
seines Großvaters Francois erhalten haben. Seit Februar 1566 trug
er jedenfalls den Titel eines duc d'Alencon, während Henri
künftig
als duc d'Anjou auftrat. Im übrigen wurde er als ältester
Bruder des regierenden Königs zunächst als Monseigneur angesprochen,
später als Monsieur - dies wurde fortan die offizielle Bezeichnung
für den ältesten Bruder des regierenden Königs. In der historischen
Literatur werden die beiden Brüder Henri
und
Francois
seit
1566 kurz als 'Anjou` und 'Alencon' bezeichnet. Als Henri
König
wurde, fielen die Titel Monsier (1574) und duc d'Anjou (1576) an Francois,
den früheren 'Alencon'.
Alexandre-Edouard/Henri war
ein lebhaftes, freundliches und intelligentes Kind, das sich im Unterschied
zu seinen fast ständig kränkelnden Geschwistern körperlich
und geistig gut entwickelte. Der Junge las und diskutierte gern, lernte
fleißig und geduldig, wußte sich gut auszudrücken, versuchte
sich mit Erfolg in der italienischen Sprache, verstand gut zu tanzen und
zu fechten und bezauberte den Hof durch seinen Charme und seine Eleganz.
Bei der Krönung seines Bruders in Reims im Februar 1561 hinterließ
er einen besseren Eindruck als Charles.
Catherine liebte
Henri
über alles. Sie nannte ihn "mon tout" und "mon petit aigle", unterzeichnete
ihre Briefe mit "votre bonne et affectionnee mere" und entdeckte bei ihm
Charakterzüge, die sie an ihre MEDICI-Vorfahren erinnerten.
Henri
wurde
ihr Lieblingssohn, später ihr Vertrauter.
Das Verhältnis zwischen Charles,
dem König, und Henri, dem Thronfolger,
war nicht spannungsfrei - zweifellos eine Folge der intellektuellen Überlegenheit
des Jüngeren, der obendrein von der Mutter bevorzugt wurde. Wahrscheinlich
haben diese Animositäten während der über zweijährige
Reise zugenommen, die den königlichen Hof mit einem Troß von
etwa 500 Personen durch ganz Frankreich führte.
Mit dieser Reise, auf der Henri
am 8.2.1566 durch die Apanagierung mit den Herzogtümern Anjou,
Bourbonnais und Maine seine finanzielle Unabhängigkeit erlangte,
endete die erste Phase seines Lebens.
Kindheit und Jugend von Henri
fielen in eine Zeit, da die französische Monarchie ihre politischen
Prioritäten anders zu setzen begann. Die Schwerpunktverlagerung von
der die 1. Jahrhunderthälfte beherrschenden Außenpolitik zu
den innerfranzösischen Problemen markierte der Frieden von Cateau-Cambresis
(3.4.1559) zwischen Frankreich und Spanien. Mit ihm fand die erste Phase
der französisch-habsburgischen
Auseinandersetzung ihren Abschluß. Das Herzogtum Burgund blieb bei
Frankreich, während es in Italien nur einige Stützpunkte behielt.
Der Vertrag, auch pax catholica genannt, gab beiden Herrschern die Möglichkeit,
sich der religiösen Angelegenheiten in ihren Ländern energischer
anzunehmen.
Das galt in besonderem Maße für Henri
II., in dessen Regierungszeit die hugenottische Bewegung trotz
schärfster Verfolgungsmaßnahmen weiteren Zulauf erhalten hatte.
Seit etwa 1550 schlossen sich mehr und mehr Angehörige der höheren
Gesellschaftsschichten der Lehre Calvins an: Juristen, Kaufleute, Ärzte,
Adlige. Dieser Aufstieg des Protestantismus in die Spitzen der sozialen
Hierarchie erreichte 1558 einen Höhepunkt, als sich einige Vertreter
des Hochadels der reformierten Kirche anschlossen: Antoine
de Bourbon, König von Navarra; dessen Bruder, der Prinz
von Conde, sowie die Brüder Francois d'Andelot und Gaspard de Coligny.
Höhepunkt der Bemühungen um eine das ganze Reich erfassenden
Organisation der neuen Kirche war die erste hugenottische Synode, die am
25.5.1559 in Paris stattfand.
Seit 1558/59 war es offenkundig, dass sich die Krone
mit dieser gut organisierten Minderheit arrangieren mußte: "Es galt,
die konfessionelle Koexistenz grundsätzlich als unabänderlich
hinzunehmen und Mittel und Wege zu finden, um diese Koexistenz zu organisieren.
Es war ein Programm, das nur langfristig zu realisieren war, da es ein
totales Umdenken erforderlich machte" (Mieck, Entstehung, 238).
Catherine von Medici nutzte
die durch den erneuten Thronwechsel 1560 gebotene Chance, die Staatsgeschäfte
selbst in die Hand zu nehmen, für einen Kurswechsel. Mit erstaunlicher
Zielstrebigkeit leitete sie eine neue Konfessionspolitik. In einer Welt
der Intoleranz und des Hasses tastete sie sich vorsichtig, zuweilen auch
etwas umständlich, auf der terra incognita konfessioneller Duldung
- von Toleranz war noch kaum zu reden - voran. Dass Catherine
diese ganz unzeitgemäße Zielvorstellung über Jahrzehnte
hinweg zu realisieren versuchte, stellt diese Frau, die bis 1559 durch
ihren Mann und dessen Mätresse Diane de Poitiers von aller Politik
ferngehalten worden war, in die erste Reihe der staatsmännischen Persönlichkeiten,
die Frankreich jemals regiert haben. Dass sie ihrem Sohn Henri
diese
Überzeugung vermittelte, verdient im Rahmen dieser biographischen
Skizze besondere Beachtung.
Der bedeutendste Versuch, den Catherine
zu Beginn ihrer nationalen Versöhnungspolitik unternahm, war das Toleranz-Edikt
vom 17.1.1562, das infolge der Militanz der GUISE-Anhänger scheiterte.
Das von diesen zu verantwortende Massaker von Vassy löste den ersten
Bürgerkrieg aus, der die Fronten weiter verhärtete. Die große
Reise, die auch der Überwindung der religiösen Gegensätze
dienen sollte, brachte in dieser Hinsicht keine Fortschritte. Geschürt
durch die Extremisten beider Seiten, führten die wachsenden Spannungen
1567/68 zum zweiten und 1569/70 zum dritten Bürgerkrieg.
Lehrjahre 1567-1571
Für Henri begann
in diesen Jahren die eigentliche politische Karriere. Da sich sein Bruder
als König militärisch nicht mehr zu exponieren durfte, wurde
Anjou am 14.11.1567 zum lieutenant general du royaume bestelllt
und erhielt dadurch den Oberbefehl über die königlichen Truppen.
Natürlich standen dem 16-jährigen erfahrene Militärs zur
Seite, aber Anjou bewies Talent, Geschick und Mut, so dass die beiden Siege
über die hugenottischen Truppen bei Jarnac (13.3.1569) und Montcontour
(3.10.1569) in erster Linie ihm zugeschrieben wurden.
Aber der junge Kriegsheld, der sich im Gegensatz zu seinem
königlichen Bruder schon immer in politicis sehr interessiert gezeigt
hatte, stieg noch höher: Auf Drängen Catherines
machte ihn Charles zum intendant
general du roi. Mit diesem bisher nie vergebenen Titel wurde er zu
einer Art Vizekönig, an den man sich, angeblich zur Entlastung von
Catherine,
in allen Fällen ("en tout et pour tout") zu wenden hatte.
Außerdem war Anjou immer noch Thronfolger, wenn
auch nur auf Abruf, denn sobald dem noch unverheirateten König in
legitimer Ehe ein Sohn geboren werden würde, wäre das Thronfolgerecht
zwangsläufig auf diesen übergegangen.
Henri hatte indessen Glück. Aus der Ehe, die Charles
IX. am 26.11.1570 mit Elisabeth von
Österreich (1554-1592), der Tochter Kaiser
MAXIMILIANS II., schloß, ging nur eine Tochter Marie-Elisabeth
(1573-1578) hervor, während aus der Verbindung mit seiner
Mätressen Marie Touchet (1549-1638) stammende Sohn Charles
de Valois (1573-1650), der spätere d'Angouleme, natürlich
nicht erbberechtigt war. So blieb Henri,
der ungeliebte Bruder des Königs, auch der ungeliebte Thronfolger.
Als nach fast dreijähriger Ehe des Königs noch
immer kein Thronerbe geboren war und sich sein Gesundheitszustand rapide
verschlechterte, sprang Charles IX.
über seinen Schatten: Am 22.8.1573 erkannte er Henrioffiziell
als seinen Nachfolger an.
Die glänzende politische Kariere, die Anjou bevorzustehen
schien, hätte durch eine Heirat mit Elizabeth
von England ihre Krönung erfahren, aber das Projekt scheiterte,
nicht zuletzt an der Abneigung, die Henri selbst
gegen diese Verbindung empfand, weil sie ihn aus Frankreich entfernt hätte.
Schließlich entschied der Staatsrat, den Heiratskandidaten Anjou
durch Alencon, der 22 Jahre jünger war als die umworbene Elizabeth,
zu ersetzen.
Die Popularität des Thronfolgers wurde durch das
Scheitern der englischen Heiratspläne nicht beeinträchtigt, ebensowenig
durch die Tatsache, dass der sehr modebewußte und ein wenig exzentrische
Henri begann, ziemlich große Ohrgehänge zu tragen,
nicht anders als sein königlicher Bruder und zahlreiche Edelleute,
die damals am Hof lebten. Dass auch Männer Ohrringe tragen, versteht
man heute sicher besser als im 16. Jahrhundert, als man diese Tatsache
als ersten Hinweis auf eine besonders effiminierte Einstellung und eine
beginnende Homosexualität wertete.
Nach dem Friedensedikt von Saint-Germmain vom 8.8.1570
nahm Catherine ihre konfessionelle
Aussöhnungspolitik wieder auf. Fast als Symbol dafür kann man
die Heirat zwischen ihrer Tochter Marguerite
und Henri, dem Sohn der streng calvinistischen
Königin von Navarra, Jeanne d'Albret,
ansehen. Der Vater des Bräutigams, Antoine
de Bourbon, war 1562 gestorben. Durch den überraschenden
Tod von Jeanne am 9.6.1572 in Paris
wurde Henri noch vor der Hochzeit,
die am 18.8.1572 stattfand, als Henri III. König
von Navarra, dessen südlicher Teil allerdings 1512 von
Spanien annektiert worden war. In Anlehnung an diesen Titel wird Henri
in
der Literatur bis zum Jahre 1589 häufig als 'Navarra' bezeichnet.
Thronfolgerechte ergaben sich für
Henri durch diese Heirat nicht, wohl aber durch Verwandtschaftsverhältnisse
mit dem Königshaus, die auf das 13. Jahrhundert zurückgingen.
Aber noch hoffte man auf einen legitimen männlichen Erben des Königs,
und außerdem lebten noch die beiden Thronfolger Anjou und Alencon,
bei denen sich, einmal verheiratet, ebenfalls noch männlicher Nachwuchs
einstellen konnte.
Eine andere Hochzeit, die in diesem ereignisreichen August
1572 stattfand brachte Anjou völlig aus dem Gleichgewicht, weil er
in die Braut, Marie de Cleves (1550-1574), unsterblich verliebt
war. Die 21-jährige, "ein Kind aus der Provinz mit reinem Herzen,
frischen Wangen, einem schlanken und gesunden Körper und einem herzlichen
Lächeln" (Bordonove, Henri III., 135), war von bezaubernder Schönheit
und ließ den Thronfolger alle bisherigen Liebeleien vergessen. Er
war fest entschlossen, dieses Mädchen, das seine Liebe erwiderte,
zu heiraten.
Catherine war über
das Ansinnen ihres Sohnes, der doch die englische Königin verschmäht
hatte, entsetzt, weil Marie nicht zum Hochadel zählte. Außerdem
hatte ihr Catherine eine besondere
Rolle in ihrer interkonfessionellen Verständigungspolitik zugedacht.
Das calvinistisch erzogene Mädchen, das seit 1569 unter der Vormundschaft
des Königs stand, sollte den hugenottischen Prinzen
Henri de Conde heiraten. Von diesem Plan ließ sich
Catherine nicht abbringen. Anjou mußte sich der Staatsräson
beugen, und die Hochzeit fand am 10.8.1572 statt, genau zwei Wochen vor
der Bartholomäusnacht.
Vor und nach der Bartholomäusnacht 1571-1573
Die mit dem Frieden von Saint-Germain wiederaufgenommene
Aussöhnungspolitik Catherines
ermöglichte es, dass der 1569 zum Tode verurteilte und in effigie
aufgehängte Chef der Hugenotten, der Admiral Coligny, 1571 an den
Hof und in den Staatsrat zurückkehren konnte. Dort versuchte er, seine
politischen Pläne durchzusetzen. Er beabsichtigte, dem seit 1566 gegen
Spanien kämpfenden Niederlanden militärisch zu Hilfe zu kommen
und hoffte, dadurch eine gesamt europäisch-protestantische Allianz
gegen Philipp II. zustande zu bringen.
Nichts aber fürchtete Catherine
seit der schweren Niederlage von Saint-Quentin (10.8.1557) mehr als einen
Krieg gegen Spanien. Alle Fachleute waren mit ihr einer Meinung: Einen
solchen Krieg konnte Frankreich nur verlieren. Die Niederlage eines französischen
Hilfskorps, dessen Entsendung Charles IX.
stillschweigend toleriert hatte, bestätigte die einhellige Auffassung
des Kronrates, einen Krieg mit Spanien unter allen Umständen zu vermeiden.
Dennoch hielt Coligny an seinen Plänen fest und
erhob sie durch die von ihm erfundene, überhaupt nicht zwingende Alternative:
Krieg gegen Spanien oder Bürgerkrieg in den Rang einer politisch-militärischen
Erpressung. Dadurch wurde er - so die bisherige Forschungsmeinung - zum
rebellierenden Untertan, dessen Beseitigung die Staatsräson gebot:
In enger Zusammenarbeit bereiteten Catherine
und Anjou, ohne Wissen des Königs, ein Attentat auf Coligny vor, das
am 22.8.1572 stattfand.
Eine neuere Untersuchung sieht dagegen die Situation
ganz anders: Coligny war Mitte August 1572 politisch völlig isoliert
und militärisch geschwächt. Vielleicht wurde er, der den König
zu lenken glaubte, in Wirklichkeit sogar ausgenutzt, indem dieser ihm zuredete,
protestantische Truppen in die Niederlande, das heißt in das sichere
Verderben zu schicken. Coligny war demnach eine zwar schwache, gleichwohl
politisch wichtige Figur auf dem politischen Schachbrett: "Die französische
Monarchie brauchte Coligny viel zu nötig, um daran zu denken, sich
seiner zu entledigen (Bourgeon, L'assassinat, 29)
Mit dieser These fällt das über Jahrhunderte
errichtete Gedankengebäude über Zeit und Art der vorbereitenden
Mitwirkung Anjous und Catherines in
sich zusammen. Beide hatten mit dem Attentat nichts zu tun, waren nicht
einmal darüber informiert. In einem ausschließlich auf zeitgenössischen
Quellen gestützten Indizienverfahren werden die in Wahrheit Verantwortlichen
ins Licht gerückt: "Die Seele des Komplotts ist niemand anders als
Philipp II." (ebd., 58), während der Herzog von Alba in
besonderem Maße verdächtig ist, "den Anschlag auf den Admiral
ferngesteuert ('telecommande') zu haben, unter aktiver Beteiligung einer
Handvoll ultra-katholischer GUISE-Anhänger (ebd., 49).
Auch die Vorgeschichte der zwei Tage nach dem mißglückten
Attentat hereinbrechenden Bartholomäusnacht wird von Bourgeon ganz
neu interpretiert. Dabei ist es aufgrund der diffizilen Quellenlage leichter
zu sagen, wie es nicht war, als präzise positive Aussagen zu treffen.
Immerhin erscheint es wahrscheinlich, dass weder Catherine
noch
Anjou noch der König die am frühen Morgen des am 24.8. einsetzenden
Mordaktionen in irgendeiner Weise vorab planerisch beeinflußt haben.
Die Bartholomäusnacht war alles andere als eine königliche Machtdemonstration;
sie resultierte im Gegenteil aus einem totalen, wenn auch vorübergehenden
Zusammenbruch der königlichen Gewalt. Irgendwann in der Nacht muß
Charles
IX. einem von der Spanien-GUISE-Partei vorgebrachten Ultimatum
nachgegeben und die Ermordung der Hugenottenführer, und nur darum
ging es, zugestanden haben - "im Stich gelassen von allen Autoritäten,
der städtischen, der juristischen, der religiösen und der militärischen,...blieb
ihm nichts übrig als sich zu verleugnen (das heißt sein königliches
Schutzversprechen für die Hugenotten zu ignorieren - I.M.) und zu
kapitulieren (ebd., 108 f.).
Die Ermordung des hugenottischen Generalstabs durch die
GUISE-Anhänger war die eine Sache, die Niedermetzelung von Hunderten
von Protestanten eine andere. Dieses blutige Geschäft besorgte das
aufständische Paris, das die Gelegenheit ergriff, auf diese Weise
gegen die seit 1570/71 praktizierte Religions-, Finanz- und Außenpolitik
zu protestieren. Die Bartholomäusnacht war auch eine Revolution gegen
das Königtum.
Die Ereignisse der nächsten Tage gingen über
die königliche Familie hinweg: Als ob es König und Munizipalität
nicht gebe, übernahm eine von dem ehemaligen Bürgermeister und
GUISE-Freund Marcel rekrutierte Hilfstruppe für etwa drei Tage die
Macht in der Stadt. Es waren aus diesem Kontingent stammende Mord- und
Terrorkommandos, "die vorwiegend, aber keineswegs ausschließlich
die hugenottischen Einwohner mit dem Ziel der skrupellosen Bereicherung
ausplünderten und umbrachten", um "ihre als ungerecht empfundene Position
im Sozialgefüge unter dem Deckmantel des Konfessionskampfes zu korrigieren"
(Mieck, Bartholomäusnacht, 106). Diese Auffassung widerspricht der
schon von Zeitgenossen vertretenen, neuerdings reaktivierten These, dass
sich die Bürgermiliz geschlossen ("en corps") an dem Pogrom beteiligt
habe. Um diesen Sachverhalt zu klären, bedarf es noch weiterer Forschungen.
Die Protestanten antworteten auf die Bartholomäusnacht
mit dem vierten Bürgerkrieg. Er fand seinen Höhepunkt in der
Belagerung von La Rochelle. Da Charles IX. offiziell
die Verantwortung für die Bartholomäusnacht übernommen hatte,
ließen die Hugenotten von nun an die Loyalität gegenüber
dem König, die sie bisher immer bewahrt hatten, fallen. La Rochelle
fühlte sich wie eine unabhängige Republik und weigerte sich,
den vom König entsandten Gouverneur Biron überhaupt in die Stadt
zu lassen.
Am 11.2.1573 traf Anjou vor La Rochelle ein und übernahm
das Kommando über die Belagerungsarmee. Nach schweren Bombardements
versuchten die königlichen Truppen wiederholt vergeblich, die Mauern
zu überwinden. Monsieur, am 14.6. sogar leicht verwundet, hoffte langfristig
auf die Wirkung der Blockade, aber auch die im Mai und Juni erneut durchgeführten
Sturmangriffe scheiterten allesamt.
Dennoch hätte La Rochelle wohl bald aufgeben müssen,
doch am 19.6. erhielt Anjou die Nachricht, dass er zum König von Polen
gewählt worden sei. Die Verhandlungen mit den Belagerten führten
rasch zum Frieden (2.7.1573), der die Gewissensfreiheit in ganz Frankreich
garantierte, die Kultfreiheit für die Hugenotten aber nur in den Städten
La Rochelle, Montauban und Nimes gestattete. "Es war ein unglücklicher
Vertrag, übereilt geschlossen und flüchtig aufgesetzt; sein wahrer
Zweck war, dem Herzog von Anjou von La Rochelle zu befreien" (Sutherland,
Huguenot Struggle, 306).
König von Polen 1573-1574
Auch unter der Herrschaft der JAGIELLONEN-Könige
hat der polnische Adel im Prinzip an seinem Recht der freien Königswahl
festgehalten. Als Sigismund II. August
im Juli 1572 starb, ohne einen Nachfolger designiert zu haben, wurde die
Frage der polnischen Thronfolge eine Angelegenheit von europäischem
Interesse. Da es keinen wahlfähigen Kandidaten aus der
jagellonischen Dynastie gab, präsentierten die HABSBURGER
einen Sohn Kaiser MAXIMILIANS II.,
den Erzherzog Ernst, während Catherine
von Medici, immer auf der Suche nach Ehefrau und/oder Thron
für ihre Söhne, ernsthaft die Kandidatur Anjous betrieb. Ihr
Emissär, der 70-jährige Jean de Monluc, Bischof von Valence und
erfahrener Diplomat, verließ Paris am 17.8.1572 - eine Woche vor
der Bartholomäusnacht.
Die Nachricht über das Hugenottenmassaker erreichte
ihn unterwegs. Um die Polen, unter denen es viele Protestanten gab, zu
besänftigen und vor allem den Herzog von jeder Mitschuld freizusprechen,
veröffentlichte Monluc in Krakau eine Rechtfertigungsschrift in lateinischer
Sprache, die viele Polen zur Überraschung der Franzosen glänzend
beherrschten. Nach monatelangen Verhandlungen, bei denen Monluc, wie ein
polnischer Magnat bemerkte, mehr versprach als die ganze Christenheit hätte
halten können, entschied sich auf dem Wahlreichstag (5.4.-10.5.1573),
zu dem 40.000 Adlige erschienen waren, eine Mehrheit für Henri
von Valois. Um die politischen und konfessionellen Privilegien
des Adels zu sichern, legte der Reichstag dem französischen Abgesandten
noch zwei Dokumente vor, die eine regelrechte Wahlkapitulation darstellten:
Am 15.5. unterschrieb Monluc sowohl die Pacta Conventa als auch die Articuli
Henriciani. Erst danach wurde der bereits gewählte Henri
zum
König ausgerufen.
So kurz die Regierungszeit Anjous in Polen auch werden
sollte, so wegweisend waren die von Monluc unterzeichneten Dokumente für
die politische Zukunft Polens. Die beiden Urkunden, die später zusammengefaßt
wurden und bis zum Ende des Staates Bestand hatten, reduzierten die königlichen
Rechte auf ein Minimum und ebneten den Weg zu einer fast unbeschränkten
Adelsherrschaft. Die Stellung des Königs war schwächer als die
eines Monarchen in einer konstitutionellen Monarchie des 20. Jahrhunderts.
In Frankreich, wo Jean Bodin drei Jahre später seine
Lehre von der unteilbaren und absoluten Souveränität des Monarchen
propagierte, zeigte man für diese Art Königtum wenig Verständnis.
Henri war entsetzt, als ihm die in Paris eingetroffene polnische Delegation
am 24.8.1573 die von Monluc unterzeichneten Dokumente zur Bestätigung
präsentierte.
Trotz der fast ultimativen Drohung der polnischen Delegation
("Iurabis aut non regnabis!") folgten tagelange zähe Verhandlungen,
die für Henri zwar kleine politische Verbesserungen brachten, aber
an der Grundstruktur der Verfassungskonstruktion nichts änderten.
Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie, die in der Kirche Notre-Dame stattfand,
leistete Henri am 10.9. den geforderten Eid. Drei Tage später wurden
ihm während einer weiteren Prunksitzung die Prachtausfertigung der
seine Wahl bestätigenden Urkunde in einer silbernen Kassette überreicht.
Zur Enttäuschung seiner neuen Untertanen, die auf
die Einlösung der zahlreichen politischen, finanziellen, militärischen
und dynastischen Versprechungen warteten, hatte es Henri aus mehreren Gründen
gar nicht eilig, nach Polen zu reisen. Zweifellos scheute er davor zurück,
seine geachtete und gesicherte Position in Frankreich gegen ein eher obskures
Königtum im weit entfernten Polen einzutauschen. Außerdem war
die rapide Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Königs offenkundig,
und der designierte Nachfolger Anjou mochte daran zweifeln, ob der ehrgeizige
Alencon im Falle des Todes die nötige Loyalität zeigen würde.
Nachdem Henri mit
einem Troß von etwa 1.200 Personen endlich aufgebrochen war, verabschiedete
er sich am 2.12.1573 in Blamont/ Lothringen von und befand sich zwei Tage
später auf dem Boden des Deutschen Reiches, das er ohne Eile durchquerte,
um - nach zahlreichen Empfängen, Gesprächen und Kontakten - am
24.1.1574 die polnische Grenze zu überschreiten. Am 18.2. zog er in
Krakau ein. Die "Herrschaft der 146 Tage" (Chevalier, Henri III., 209-231),
gerechnet vom Grenzübertritt, begann mit einer langen Reihe von Festen
und glanzvollen Zeremonialakten (Grablegung des letzten Königs; Weihe
und Krönung von Henri am 21.2.),
wurde aber von Anfang an auch durch Probleme belastet, die sich aus der
besonderen verfassungsrechtlichen Situation und aus der Mentalität
der polnischen Aristokratie ergaben. Henri
lavierte so gut er konnte, zeigte sich flexibel und diplomatisch, blieb
aber fest entschlossen, die wenig attraktive 48-jährige Prinzessin
Anna, Schwester des letzten Königs, auf keinen Fall zu
heiraten - Marie de Cleves war unvergessen.
Die politischen Querelen mit Senat und Reichstag, die
der königlichen Autorität immer wieder Fesseln anlegen wollten,
und die Heiratsfrage verleideten Henri
seine polnische Herrschaft gründlich. Er konnte sich nicht abfinden
mit diesem "republikanischen Königtum, dessen offenkundiges Prinzip
die Anarchie war" (Bordonove, Henri III., 141). Doch zur freudigen Überraschung
seiner Untertanen zeigte sich Henri ab
Mitte Mai ganz verändert: Er kleidete sich auf polnische Art, machte
den stolzen Aristokraten Komplimente und erklärte ihnen, dass er sich
daran gewöhnen wolle, wie sie Bier zu trinken und das Tanzen a la
polonaise zu erlernen; er pflegte sogar freundlichen Umgang mit der altjüngferlichen
Prinzessin
Anna - aber alles war nur Täuschung, um die Polen in Sicherheit
zu wiegen.
Vom Tod seines königlichen Bruders, der am 30.5.
gestorben war, erfuhr Henri am 14.6.
vormittags durch eine Mitteilung des Kaisers MAXIMILIAN
II. Noch am gleichen Tage erschienen zwei Boten aus Frankreich,
der eine mit einem langen Brief von Catherine, die für Henri die Regentschaft
übernommen hatte, um Bestätigung dieser Position bat und ihn
zur umgehenden Rückkehr aufforderte. Für Henri gab es keinen
Zweifel: "Frankreich und Sie selbst sind wichtiger als Polen", schrieb
er seiner Mutter einige Tage später.
Mit bemerkenswerter Geschicklichkeit bereitete
Henri seine Flucht aus den ungeliebten Königreich vor.
Vier Tage lang erweckte er den Anschein, dass er Catherine
vorläufig die Regentschaft überlasse und vielleicht einen Vizekönig
für Frankreich ernennen wolle. Doch am 18.6., gegen Mitternacht, verließ
er mit einer Handvoll Vertrauter heimlich Krakau. Der Ritt der kleinen
Gruppe führte teilweise durch unwegsames und unbekanntes Gelände,
aber der Vorsprung vor den Verfolgern reichte aus: Erst nachdem man bei
Auschwitz die österreichische Grenze überschritten hatte, erreichte
Graf Tenczynski, der den König als Oberster Kammerherr sechs Stunden
vorher zu Bett gebracht hatte, den Flüchtenden. Henri
erläuterte
ihm die Notwendigkeit seiner augenblicklichen Anwesenheit in Frankreich
und versicherte ihm, dass er stark genug sei, um zwei Kronen zu tragen;
im übrigen gedenke er bald nach Polen zurückzukehren. Tenczynski,
mit einem Diamant beschenkt, war zu Tränen gerührt, trank, entsprechend
einem polnischen Brauch, einen Schluck seines eigenen Blutes, um den König
seine Verehrung zu erweisen, und ritt nach Krakau zurück. In Mährisch-Ostrau
wartete eine Kutsche auf Henri, und
am Abend des 19.8. konnte er sich in Vescovo (Mährisch-Weißkirchen?)
zur Ruhe legen - über 34 Meilen hatten die Flüchtenden fast ohne
Pause zurückgelegt.
Dem Rat Catherines
folgend, vermied Henri auf seiner Rückreise
die protestantischen Territorien. In Wien traf er MAXIMILIAN
II., der ihm seine zur Witwe gewordene Tochter Elisabeth
ans Herz legte, aber Henri dachte nur
an Marie de Cleves. In Venedig, wo er eine Woche blieb, folgte eine
Festveranstaltung der anderen, hatte doch nie zuvor ein französischer
König die Inselrepublik besucht. Für den feierlichen Einzug des
zweifachen Königs, dem Catherine
zur Bestreitung seiner Unkosten 100.000 livres nach Venedig überwiesen
hatte, wurde sogar das berühmte Prunkschiff Bucintoro mobilisiert.
Über Padua, Ferrara, Mantua, Cremona und Monza (wo
er den asketischen, 1610 heilig gesprochenen Reformkleriker Carlo Borromeo
[1539-1584] kennen- und schätzenlernte) reiste Henri
nach
Turin weiter, um mit dem Herzog von Savoyen politische Gespräche zu
führen. Dort traf er auch mit dem protestantenfreundllichen Marschall
Montmorency-Damville, den von Charles IX.
abgesetzten Gouverneurs des Languedoc, zusammen. So sah sich
Henri, noch bevor er nach Frankreich zurückkehrte, mit
dem Kardinalproblem der französischen Innenpolitik konfrontiert,
einen modus vivendi zwischen der katholischen Mehrheit und der starken
protestantischen Minderheit zu finden.
Am 3.9.1574 betrat Henri wieder
französischen Boden. Zwei Tage später traf er Catherine,
die ihm von Lyon entgegengekommen war. Das polnische Abenteuer hatte damit,
zu ihrer aller Freude, ein Ende gefunden.
König von Frankreich 1574-1589
Um die 15 Regierungsjahre des letzten VALOIS-Königs darzustellen, empfiehlt es sich, den chronoligischen Leitfaden zu verlassen und statt dessen einzelne Bereiche besonders zu betrachten. Das führt zu größerer Klarheit, läßt die meist dominierende Bürgerkriegsperspektive etwas zurücktreten und ermöglicht eine ausgewogenere Gesamtbeurteilung, die Henri, nach Jahrhunderten einer eher negativen Einschätzung, als Mensch und als Herrscher zweifellos verdient.
1. Das Ende der Dynastie
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Marie de Cleves, die große Liebe des Königs,
war seit dem Frühjahr 1574 Strohwitwe, da ihr Mann nach Deutschland
geflohen war. Marie weigerte sich, ihm zu folgen. Aber während
Henri
über die Annullierung der Conde-Ehe nachdachte, bemühte sich
Catherine,
die in der aufgeweckten
Marie wohl auch eine Konkurrentin fürchtete,
ihren Sohn von Paris, wo die Prinzessin war, fernzuhalten. So erfuhr Henri
in Lyon, dass Marie am 30.10.1574 im Wochenbett gestorben war. Die
Nachricht streckte ihn regelrecht nieder. Tagelang schloß er sich
ein, lag mit Fieber im Bett und vergrub sich in seinem Schmerz. Die leichtlebigen
Höflinge waren konsterniert, dass ein König von Frankreich so
viel Gefühl zeigte. Vollends machten sie sich über ihn lustig,
als sie bei seiner Rückkehr in die Öffentlichkeit an seiner Kleidung
zahlreiche aufgenähte Totenköpfchen entdeckten.
Noch unter dem Eindruck des Verlustes der über alles
geliebten Marie entschloß sich Henri
zur
Heirat, um die Dynastie zu sichern und den aufsässigen Alencon (jetzt
'Anjou') vom ersten Platz der Thronfolge zu verdrängen. Zur allgemeinen
Überraschung fiel seine Wahl auf ein sanftmütiges und freundliches
Mädchen, das er 1573 in Blamont flüchtig gesehen hatte: Louise
de Vaudemont (1553-1601), die aus einer jüngeren Linie
des lothringischen Herzogshauses stammte, ohne Ansprüche und Vermögen
war, aber, das stand zu erwarten, dem König treu ergeben sein würde.
Die Entscheidung Henris für Louise
war auch eine Entscheidung gegen Catherine,
war ein erster Schritt der Emanzipierung des Lieblingssohnes von der übermächtigen,
an allen Entscheidungen teilhabenwollenden Mutter, die natürlich ganz
andere Heiratskandidatinnen in Aussicht genommen hatte. Aber sie fügte
sich diesmal.
Am 13.2.1575 fand in der Kathedrale von Reims die mit
der Krönung verbundene feierliche Weihe (sacre) des Königs statt,
der am 15.2. die Vermählung mit Louise
folgte. Henri ("assoiffe de perfection")
kümmerte sich persönlich so intensiv um Kleidung, Schmuck und
Frisur seiner Braut, dass die Hochzeitsmesse auf den Nachmittag verschoben
werden mußte.
Louise wurde ihm eine gute Königin, auf die er sich
verlassen und stützen konnte. Sie war nicht machthungrig und vergaß
nie, zu welchem Rang sie Henrri erhoben
hatte. Treu und dankbar blieb sie zeitlebens im Schatten des Königs.
Über die Kinderlosigkeit dieser Ehe, an der das
ganze Königreich Anteil nahm, haben sich schon die Zeitgenossen den
Kopf zerbrochen. Offensichtlich ist Louise
infolge einer künstlich herbeigeführten Fehlgeburt, die
zu einer chronischen Gebärmutterentzündung führte,
steril geworden. Unter den Nachwirkungen dieser Behandlung hat sie jahrelang
gelitten.
Am Hof schob man die Verantwortung für die Kinderlosigkeit
gern Henri zu, weil er - für einen
französischen König ganz ungewöhnlich - auch keine außerehelichen
Kinder hatte, obwohl er seit 1569 mit mehreren Hofdamen intime Beziehungen
gepflegt hatte. Eine maitresse en titre gab es jedoch nicht, und nach seiner
Heirat waren Seitensprünge selten. Im Sommer 1582 gelobte er, künftig
auf sexuelle Beziehungen zu anderen Frauen zu verzichten, weil ihm sein
Beichtvater erklärt hatte, dass die Kinderlosigkeit eine Strafe für
gelegentliche Eskapaden sei. Auch mehrere Pilgerreisen zu den großen
Wallfahrtskirchen von Chartres, Liesse, Clery und L'Epine, die er teilweise
zusammen mit Louise, zwischen 1579
und 1586 unternahm, blieben vergeblich.
Obwohl Henri die
Hoffnung auf männlichen Nachwuchs bis zuletzt nicht aufgab, fand er
seit etwa 1582 seine innere Ruhe in einer tiefen Religiosität. Willig
unterwarf er sich den unergründlichen Ratschlüssen Gottes. Als
der Thronfolger Anjou 1584 überraschend starb, akzeptierte er, wenn
auch zuerst zögernd, den neuen Prätendenten Navarra, an dessen
Legitimität es nicht den geringsten Zweifel gab. Als sich die politisch-konfessionelle
Konstellation 1588/89 radikal wandelte und Henri
III. faktisch allein gegen das widerspenstige Land, die aufständische
Hauptstadt und die nach der Krone greifenden GUISES stand, bewies er staatsmännische
Größe, als er sich mit dem einzig legitimen Thronerben Navarra
verständigte. Seine feste Entschlossenheit sorgte dafür, dass
auch bei dem Dynastiewechsel die Kontinuität des Staates bewahrt blieb.
2. Gesetzgebung und Verwaltung
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Henri III. war ein
fleißiger Monarch. Er besaß ein ausgezeichnetes Gedächtnis
und verfügte über eine beachtliche Intelligenz. Wenn es irgend
ging, führte er die Staatsgeschäfte selbst. In seinem bürokratischen
Eifer erinnert er sogar an Philipp II. von Spanien.
Wegen seiner vielen gesetzgeberischen Initiativen nannten ihn die Zeitgenossen
"le roi d ela basoche", den König der Juristen.
Von besonderer Bedeutung für zahlreiche Bereiche
des öffentlichen und privaten Lebens war die Ordonnanz von Blois (1579),
die in 363 Artikeln auf die Wünsche und Beschwerden einging, welche
die 1576 zusammengetretenen Etats generaux vorgebracht hatte.
In finanzieller Hinsicht gelang es Henri,
den an sich steuerfreien Klerus zu den Staatsausgaben heranzuziehen. 1579/80
erreichte er, dass eine Versammlung des Klerus ihm für 6 Jahre eine
subvention du clerge von jeweils 1,3 Millionen livres zusicherte. 1586
wurde diese Bewilligung um 10 Jahre verlängert. Da sich die Krone
diese Einnahmequelle auch künftig nicht entgehen lassen wollte, tolerierte
sie die sich herausbildende Praxis, diese vom Klerus auch als don gratuit
(= freiwillige Zuwendung) bezeichnete Steuer von der assemble generale
du clerge beschließen zu lassen, die bis zum Ende des Ancien Regimes
alle zehn Jahre zusammentrat.
Neben dem Kirchenzehnten (decime), den die Krone ebenfalls
vom Klerus forderte, wurde unter Henri III.
in einigen Jahren auch eine Kirchturmsteuer erhoben. Alle diese Zahlungen
erscheinen dem Klerus als das geringere Übel gegenüber einer
drohenden Enteignung der Kirchengüter, in der die Krone immer wieder
ein willkommenes Druckmittel sah: Dreimal veräußerte Henri
Teile
des geistlichen Besitzes (1574,1576,1586). Von allen französischen
Herrschern war Henri III. "derjenige
König, der vom Klerus das meiste gefordert hat (Zeller, Institutions,
356).
Erst seit der Studie von Aline Karcher kennt man die
Bedeutung der von Henri III. einberufenen
Notabelnversammlung für die "Modernisierung" Frankreichs. Vom November
1583 bis Ende Januar 1584 diskutierte in Saint-Germain die politische und
administrative Elite des Landes, 66 Köpfe insgesamt, einen vom König
vorgelegten umfangreichen Fragenkatalog, der das Steuersystem, den Staatshaushalt,
die Ämterkäuflichkeit, die Verwaltungsstrukturen, die Armee,
die Wirtschaft und anderes mehr betraf. Es ging, wie der kaiserliche Gesandte
bemerkte, um eine reforme generale des Königreichs, die der König
von dieser Versammlung von Spezialisten erwartete. Die Ergebnisse der Beratungen
wurden als Avis de l'assemblee der Regierung vorgelegt, von dieser überarbeitet
und publiziert. Im 17. und 18. Jahrhundert galten diese Beschlüsse
als ein "Denkmal der Staatsklugheit, das nur infolge der ungünstigen
politischen Umstände keine Früchte tragen konnte" (Karcher, L'assemblee,
142), denn noch im gleichen Jahr ging die seit 1577 dauernde Friedensperiode
faktisch ihrem Ende entgegen. Die zahlreichen, von Henri noch 1584 eingeleitenen
Maßnahmen blieben stecken; in dem sich erneut abzeichnenden Bürgerkrieg
war an eine Staatsreform nicht zu denken.
3. Hofleben, Freundschaften, Vorlieben und Eigenheiten
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Dass Henri am Ende
seiner Regierungszeit von allen Seiten angefeindet wurde, spiegelte sich
bereits in der zeitgenössischen Historiographie, die keine Gelegenheit
ausließ, den König und seine Eigenheiten zu verspotten, Gerüchte
und falsche Behauptungen zu verbreiten und regelrechte Verleumdungskampagnen
zu initiieren. Die negative Überzeichnung der Vorlieben und Interessen
des Königs führte zu einer pauschalen Diskreditierung dieses
Herrschers, den Katholiken und Hugenotten gleichermaßen mit Haß
und Polemik überzogen.
Diese abwertende Beurteilung prägte die Geschichtsschreibung
bis ins 20. Jahrhundert. Eine Neuorientierung der Henri-Biographik begann
erst mit den Arbeiten von Pierre Champion. Ihm hat Pierre Chevalier seine
1985 erschienene, über 750 Seiten starke Biographie gewidmet, in der
er seit Jahrhunderten akkumulierten Gerüchte, Halbwahrheiten, Schmähungen
und Beschuldigungen mit den überlieferten Dokumenten konfrontiert.
Das Ergebnis ist beeindruckend: Auch wenn manche Einzelheiten noch ungeklärt
bleiben müssen, ergibt sich aus der quellenkritischen Analyse eine
völlig neue Bewertung des Menschen und des Königs
Henri III. Seit diesem Werk kennen wir Henri
III. mit all seinen Licht- und Schattenseiten genauer als je
zuvor.
Im Zentrum der Attacken standen von jeher die "Mignons",
eine Gruppe von vier jungen Adligen, die Henri
an
den Hof holte und mit Vergünstigungen, Ehrungen und Geschenken überhäufte.
Sie hatten sich militärisch ausgezeichnet, waren ihm treu ergeben
und dürften sich gegenüber dem konservativen Hochadel manche
Provokation erlauben. Diese vier Musketiere, zu denen später noch
einige andere stießen, kleideten sich auffällig, liebten das
Amüsement und (nicht nur) galante Abenteuer. Traurige Berühmtheit
erlangte das Duell der Mignons vom 27.4.1578, das vier Tote kostete und
eigentlich ein Stellvertreterkampf zwischen den verfeindeten katholischen
Faktionen war.
Von den ersten vier Favoriten wurde Saint-Sulpice 1576
ermordet, Caylus starb 33 Tage nach dem erwähnten Duell, Saint-Luc
verriet seiner Frau königliche Schlafzimmergeheimnisse, fiel 1580
in Ungnade und entging nur knapp einem Prozeß; der vierte, Francois
d'O, den Henri wegen seiner vorzüglichen
Finanzführung "mon grand economique" nannte, zog sich, als sein Stern
zu sinken begann, 1581 vom Hof zurück.
Seit 1577/78 rückten zwei andere Favoriten des Königs
ins Blickfeld, Anne de Joyeuse und Jean-Louis de la Valette. Beide, von
den Zeitgenossen als archimignons bezeichnet, stiegen höher als ihre
Vorgänger und wurden zu Herzögen erhoben (de Joyeuse, d'Epernon).
Die Stellung des Königs zu diesen beiden Favoriten, die er manchmal
"meine Brüder" nannte, drückt wohl am deutlichsten der toskanische
Gesandte Cavriana aus, als er 1586 ihre militärischen Erfolge kommentierte:
"Der Vater ist sehr erfreut, seine beiden Adoptivsöhne ihre Qualitäten
beweisen zu sehen (zitiert nach Chevalier, Henri III., 431).
Schon Michelet hat davor gewarnt, die Mignons zu negativ
zu bewerten. Dodu nannte sie zwar "ministres de ses volptes", doch dürften
weder sie noch der König homosexuell gewesen sein. Das gut begründete
Diktum von Chevalier verdient an dieser Stelle zitiert zu werden: "Henri
III. und seine Favoriten: Eine ungerechtfertigte und verleumderische
Legende" (ebd., 432-441).
Auch andere Eigenarten des Königs, die zum Teil
auf sein mediceisches Erbgut zurückgehen, waren jahrhundertelang
Zielscheibe der Kritik, beispielsweise seine Vorliebe für luxuriös
ausgestattete Kleidung, wertvollen Schmuck und wohlriechende Essenzen.
Er besaß einen ausgeprägten Sinn für Schönheit und
Eleganz, aber auch für eine etwas kokettierende Form der Selbstdarstellung.
Er liebte den Karneval, Bälle und Maskeraden, schätzte Literatur,
Poesie und Theater, achtete aber auch streng auf das Hofzeremoniell und
die Etikette. Gern entwarf er für bestimmte Sachverhalte genaue Regeln
und Vorschriften, etwa bei der Stiftung des katholisch-ritterlichen Ordre
du Saint-Esprit 1578.
Henri liebte kleine
Hunde, von denen er einige hundert gehabt haben soll, seltene Vögel
und exotische Tiere, die er auch gern verschenkte. Die charakteristischen
Vergnügungen des Adels, Ritterspiele, Fechtwettkämpfe und die
Jagd, schätzte er weniger. Gelegentlich überraschte er seine
Umgebung durch Kinderspiele wie "bilboquet", bei dem es darum ging, einen
Ball mit einem spitz oder konkav geformten Holzstück aufzufangen.
Gern schnitt er auch Miniaturen aus, die er dann als Dekorationen, oft
bei Andachtsübungen, verwendete.
Andererseits war Henri von
einer nervösen Sensibilität und dadurch anfällig für
Krankheiten. Seine Kinderlosigkeit und die Sorge um den moralischen Verfall
des im Bürgerkrieg zerrütteten Königreichs trieben ihn seit
1582/83 zu einer tiefen Frömmigkeit, die sich in Wallfahrten, tagelangen
Klosteraufenthalten und verschiedenen Bußübungen äußerte.
Das wohl auch politisch motivierte Bestreben des Königs, sein Devotion
öffentlich kundzutun und dem Ganzen einen etwas mystischen Glanz zu
verleihen, ließ ihn bis etwa 1587, oft im weißen Büßergewand,
häufig an Prozessionen teilnehmen, besonders an denen der von
Henri selbst im März 1583 gegründeten Congregation
des Penitents de l'Annonciation (de) Notre-Dame. Ihre Mitglieder, darunter
die zwei archimignons, viele Höflinge, Parlamentsräte und vornehme
Stadtbürger, trugen Kapuzenmäntel aus wei-ßem holländischen
Leinen mit zwei Augenlöchern. Kurz vor dem erneuten Ausbruch des Bürgerkriegs,
als Henri die von ihm verfolgte Ausgleichspolitik
als endgültig gescheitert ansehen mußte und eine Phase tiefer
Melancholie durchlebte, stiftete er, diesmal ohne jedes öffentliches
Aussehen, die Confrerie de la mort et de la passion de Notre Seignuer Jesus-Christus.
Diese kleine Gemeinschaft traf sich jeden Freitagabend im Louvre, um gemeinsam
zu beten, Psalmen zu singen, geistliche Exerzitien und Bußübungen
bis hin zu Selbstgeißelungen durchzuführen.
Seit einem ersten Aufenthalt im Kloster der Paulaner
im Januar 1583 zog sich Henri immer
wieder von der Welt zurück. In der Abgeschiedenheit hinter den Klostermauern
fühlt er sich wohl, zufrieden mit dem, womit sich auch die Mönche
begnügten. Für die Hieronymiten ließ er im Wald von Vincennes
eine alte Priorei zu einer Klosteranlage ausbauen, in der für ihn
und seine oft recht zahlreichen Begleiter (denn er verlor die Politik trotz
allem nie aus den Augen) einige Zellen reserviert waren. Seit 1584 hat
Henri
drei
Jahre regelmäßig einige Tage in diesem, später den Paulanern
übergebenen Kloster verbracht. Kaum jemand verstand
Henri, weder Catherine, noch seine Frau, noch seine Untertanen.
Selbst der Papst äußerte seinen Unmut über Henri,
der den Zeitgenossen gelegentlich als "roi-moine" oder sogar "roi-pretre",
als Mönchs- oder Priester-König, erschien.
Diese unbestreitbaren Übertreibungen, die bis zum
Exzeß führen konnten, hingen mit einer spezifischen Eigenheit
des Königs zusammen, die er selbst einmal folgendermaßen ausdrückte:
"Was ich liebe, liebe ich mit aller Intensität" (zitiert nach Chevalier,
Henri III., 359). Darin lag die eigentliche Schwäche des Königs:
Seine nervöse Grundstimmung verleitete ihn immer wieder zu Übertreibungen:
"Was der König auch tat, er tats es aufgrund seines Temperaments exzessiv"
(ebd., 554).
Die verschiedenen Varianten des königlichen Zeitvertreibs
deuten auf eine gewisse Extravaganz, die auf einer bestimmten charakterlichen
Disposition beruhten. Obwohl ihre Harmlosigkeit auf der Hand lag, reizten
sie, da sie manchmal lächerlich wirkten, die Gegner des Königs
zu Spott und Häme. Henri war eben
ein besonderes Kind seiner Zeit und seiner Eltern. Aber dies wollte man
jahrhundertelang nicht wahrhaben.
4. Bürgerkrieg, Staatskrise und Königsmord
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Die komplizierten Abläufe der Bürgerkriege
lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Nach dem 1576 geschlossenen Frieden von Beaulieu,
der für die Hugenotten außerordentlich günstig war, formierte
sich die von Henri de Guise angeführte
katholische Opposition zur (1.) Ligue oder Sainte-Union, die den Kampf
gegen die Hugenotten, aber auch die Beschränkung der königlichen
Gewalt proklamierte. Als die seit Dezember 1576 in Blois versammelten etats
generaux die Wiederherstellung der religiösen Einheit des Königreiches
forderten, gab Henri nach, kassierte das Edikt von Beaulieu und nahm den
Bürgerkrieg wieder auf. Der nach einigen katholischen Erfolgen geschlossene
Frieden von Bergerac/Poitiers (14./17.9.1577) war für die Hugenotten
erheblich ungünstiger.
b) Schon vor der Bartholomäusnacht hatte
sich eine von gemäßigten Vertretern beider Konfessionen getragene
Gruppierung gebildet, die sich für eine politische und rechtliche
Anerkennung der konfessionellen Koexistenz und für eine Stabilisierung
der Krongewalt einsetzte. Diese Gruppe nannte man seit Mitte der 80er Jahre
les politiques. In Anjou, der zeitweise mit den politiques kooperierte,
glaubte man lange eine Führungsfigur dieser Gruppe erkennen zu können.
In Wirklichkeit fehlte Monsieur, diesem "ewigen Verschwörer", jeder
politische Weitblick. "Niemals hat sich Anjou dem Kampf der politiques
wirklich angeschlossen, noch viel weniger wurde er der Führer in diesem
Kampf" (Holt, Anjou, 214). Sein Tod am 10.6.1584 löste eine Staatskrise
aus. Das seit einigen Jahren in relativer Ruhe lebende Land wurde durch
eine staatsrechtlich unanfechtbare Tatsache aufgeschreckt: Der Hugenottenführer
Navarra rückte an die erste Stelle der Thronfolge.
c) Gegen den drohenden Übergang der Krone
Frankreichs an einen (rückfällig gewordenen!) Häretiker
gründeten die intransigenten Katholiken unter Führung der Brüder
Guise die (2.) Ligue de defense de la Sainte Eglise Catholique, verbündeten
sich mit Spanien (Joinville, 31.12.1584) und proklamierten den Kardinal
Charles de Bourbon zum Thronfolger. Angesichts der geschlossenen
Front seiner Gegner war Henri zum Nachgeben
bereit, doch die 66-jährige Catherine
kämpfte noch einige Wochen wie eine Löwin. Dann war auch sie
mit ihren Kräften am Ende und unterzeichnete am 7.7.1585 das Edikt
von Nemours, das die protestantische Religion in Frankreich verbot und
alle hugenottischen Aktivitäten mit der Todesstrafe bedrohte. Dieses
Edikt war für Catherine mehr als
eine Niederlage, "es war eine Kapitulation. Bis jetzt war es ihr in allen
Verhandlungen gelungen, die schiedsrichterliche Rolle des Königs zu
wahren. In Nemours beugte sie sich dem Diktat, das ihr die Aufständischen
vorschrieben. Sie verzichtete auf die Politik der nationalen Einheit wie
auf das Prinzip der religiösen Freiheit, das sie seit 25 Jahren verteidigt
hatte" (Chavalier, Henri III., 576).
Es war nur konsequent, dass Navarra am 18.7. von der
Thronfolge ausgeschlossen wurde. Die Exkommunizierung durch Sixtus V. folgte
am 9.9.1585. Der nun beginnende "Krieg der drei Heinriche" führte
zu einer zunehmenden Isolierung des Königs. Henri de Guise demütigte
ihn ein ums andere Mal. Nachdem Joyeuse in der von Navarra gewonnenen Schlacht
bei Coutras (20.10.1589) gefallen war, rückte Epernon zum engsten
Berater des Königs auf. Dass es Henri III.
gelang, die fremden Hilfstruppen Navarras, die Schweizer und die deutschen
reitres, durch Geldzahlungen zur Rückkehr zu bewegen, änderte
seine desolate Lage kaum, da man ihm vorwarf, die Truppen der Liga auf
diese Weise an einem leichten Sieg gehindert zu haben. Vor allem in Paris,
wo er sich seit dem 23.12. aufhielt, brodelte es an allen Ecken und Enden.
Die Atmosphäre heizte sich von Tag zu Tag weiter auf, verstärkt
durch eine ausgedehnte Teuerungs- und Versorgungskrise, für die natürlich
der König verantwortlich gemacht wurde. Angesichts der latenten Spannungen
in der Stadt befahl Henri dem Herzog
von Guise, nicht nach Paris zu kommen. Als der "König von Paris",
wie er seit längerem genannt wurde, am 8.5. dennoch in der Stadt erschien,
wurde er von der Bevölkerung begeistert empfangen. Da jede Aktion
gegen den ungehorsamen Liga-Chef Paris zum Aufstand getrieben und das Leben
des Königs gefährdet hätte, sah Henri
von
Strafmaßnahmen ab. Warum er die wenigen ihm verbliebenen Truppen
am 12.5. in die Stadt einmarschieren ließ, ist nicht ganz sicher;
doch die Schweizer wurden von der erregten Bevölkerung angegriffen
und teilweise massakriert. Überall in der Stadt erhoben sich Barrikaden:
Paris rebellierte gegen den König, der in der Falle saß (12.5.;
journee des barricades).
In dieser, im Grunde hoffnungslosen Situation zeigte
sich Catherine noch einmal als Meisterin
der klugen Diplomatie. Auf dem Verhandlungswege versuchte sie, die Initiative
zurückzugewinnen und dabei mehrere Ziele zu erreichen: Zuerst begab
sie sich zum Herzog von Guise, der erklärte, "dass in seinen Augen
die Abdankung des Königs das einzige Mittel sei, sein Leben zu retten"
(Heritier Catherine, 658). Wie eine Unterhändlerin zwischen dem König
von Paris und dem König von Frankreich pendelte die Königin-Mutter
mehrmals zwischen dem Louvre und dem Hotel de Guise hin und her, spielte
auf Zeitgewinn und deckte dadurch die Flucht ihres Sohnes, der unter dem
Schutz loyaler Truppen und mit seinen wichtigsten Beratern am Abend des
13.5. aus Paris entkam.
Nach dieser geglückten Aktion wandte sich Catherine
einem neuen Projekt zu, das sie wegen seiner möglichen politischen
Fernwirkung faszinierte: Sie wollte den Sohn ihrer Tochter Claude,
den Marquis de Pont-a-Mousson, einen Neffen des Königs und zugleich
der GUISE-Brüder von Henri III.
adoptieren lassen und dadurch den Thron für die VALOIS-Dynastie
retten. Sollte dieser Plan Aussicht auf Erfolg haben, mußte zuerst
der Herzog von Guise gewonnen werden.
Die seltsame Allianz zwischen Henri de Guise und Catherine
richtete sich zuerst gegen den gemeinsamen Feind Epernon, den die Liga
als engsten Berater des Königs verteufelte und der Catherine
aus
ihrer einflußreichen Position an der Seite ihres Sohnes verdrängt
hatte. "Ihr praktischer Machiavellismus brachte sie dazu, sich mit dem
Stärkeren zu verbinden, um nicht von ihm beherrscht zu werden" (Chevalier,
Henri III., 643). Es gelang ihr tatsächlich, Henri
davon zu überzeugen, dass Epernon jeder Ausgleichsmöglichkeit
im Wege stand. Zähneknirschend enthob der König am 22.7. Epernon
und dessen Bruder fast aller ihrer Funktionen.
Damit schien der Weg wieder frei für die von
Catherine immer wieder angestrebte Verständigung. Sie ging
freilich diesmal auf Kosten des Königs, der im Sommer 1588 nicht mehr
als ein Spielball in den Händen der Liga war. Er wurde gezwungen,
die uneingeschränkte Katholizität Frankreichs zu bestätigen
(Edit d'Union, 21.7.) und Guise zum lieutenant general du royaume zu ernennen
(4.8.). Den Schlußpunkt unter diese Politik der permanenten Demütigungen
und der fortschreitenden Aushöhlung der königlichen Macht setzten
die im Oktober in Blois zusammentretenden Etats generaux, die sich in exorbitanten
Forderungen überboten
Im Herbst 1588 war der französische König am
tiefsten Punkt seiner Geschichte angelangt. Der Weg zu einem Dynastiewechsel
zugunsten des Hauses GUISE, das seine Ahnherren in den KAROLINGERN
erblickte, schien frei. Freimütig sprach man im GUISE-Clan davon,
Henri,
wie einst den letzten MEROWINGER Childerich,
ins Kloster zu schicken, und Catherine-Marie de Montpensier, die haßerfüllte
Schwester der GUISE-Brüder, trug sichtbar an ihrem Gürtel die
goldene Schere, die sie seit Jahren dafür reserviert hatte, Henri
III. seine "Dritte Krone", nämlich die Tonsur, zukommen
zu lassen.
Ohne Zweifel hat die Niederlage der spanischen Armada
im August 1588 Henri ermutigt, aus
dem Teufelskreis, in dem ihn die Liga gefangenhielt, auszubrechen. Einen
ersten
Schritt hatte er Anfang August unternommen, als er auf Drängen
Catherines
in Chartres mit Guise zusammentraf, gute Mine zum bösen Spiel machte
und so tat, als habe es den Barrikadentag nie gegeben. Der zweite
Schritt erfolgte am 8.9.: Er ersetzte den Kanzler Cheverny und die Minister
Bellievre, Villeroy, Brulart und Pinart durch andere, unter denen sogar
zwei Ligisten waren. Die einzige, die diese revolution ministerielle richtig
zu deuten wußte, war Catherine:
"Sie begriff, dass die Ungnade der Minister das Ende ihrer Macht bedeutete"
(Chevalier, Henri III., 648).
Henri hat seiner
Mutter nicht verzeihen können, ihn mit dem Sieger von Paris offiziell
versöhnt zu haben. Nach all den erlittenen Demütigungen konnte
er der immer auf Ausgleich bedachten Politik Catherines,
die letztlich zu einer Verleugnung seines eigenen Königtums führte,
nicht mehr folgen. Das Revirement der Minister war der Schritt, mit dem
sich der König, 37 Jahre alt, endlich und nun auch endgültig
von der dominierenden, immer nach der Macht drängenden Mutter emanzipierte.
Er werde künftig, so schrieb Henri
dem Nuntius, nach seinem eigenen Gutdünken regieren. Catherine
war tief verletzt, doch die Würfel waren gefallen: In den letzten
vier Monaten ihres so wechselvollen Lebens, in dem sie drei Jahrzehnte
lang die französische Politik maßgeblich bestimmt hatte, liefen
die Ereignisse an ihr vorbei.
Den dritte Schritt bereitet Henri
seit dem 18.12. sorgfältig und umsichtig vor. Ohne Catherine
zu konsultieren, ließ er am 23./24.12. 1588 Henri und Louis de Guise
als Rebellen ermorden. Er habe, so erklärte er Catherine,
keine andere Wahl gehabt, um die königliche Autorität, den Staat,
die Ehre und sogar sein Leben zu retten.
Der ligistische Thronprätendent wurde verhaftet
und am 3.4.1589 verständigte sich Henri
mit Navarra über eine Allianz. Sie richtete sich gegen Paris und die
anderen in der Saint-Union vertretenen Städte, die sämtlich in
offener Rebellion gegen den König standen, denn die Exekution der
GUISE-Brüder hatte zwischen Henri und
der Liga einen Graben aufgerissen, den nichts wieder zuzuschütten
vermochte. In Paris bildete sich in dieser explosiven Atmosphäre eine
revolutionäre Städteverwaltung unter Leitung der 16 Bezirksvorsteher,
die von der Sorbonne und vom Parlament unterstützt wurde. Vor der
formellen Absetzung des Königs schreckte man zwar noch zurück,
aber die Theologen der Universitäten entbanden die Untertanen von
ihrem dem König geleisteten Treueid und strichen seinen Namen aus
dem Meßkanon. Jean Boucher verfaßte seine Schrift De iusta
Henrici tertii abdicatione e Francorum regno, in der die Lehre vom erlaubten,
ja sogar erforderlichen Tyrannenmord propagiert wurde.
Chef dieser Revolutionsregierung der Seize (= 16) wurde
der Herzog von Mayenne, der Bruder der beiden Ermordeten, der die Exekutivgewalt
und den Oberbefehl über die Truppen erhielt. Der auf sein Betreiben
eingerichtete Conseil general de l'Union des catholiques beanspruchte Entscheidungsbefugnisse
in Staatsangelegenheiten und stellte damit eine regelrechte Gegenregierung
dar. Am 13. 3.1589 leistete Mayenne vor dem Parlament seinen Eid als lieutenant
general de l'Etat royal et de la couronne de France. Er war damit zum revolutionären
Regierungschef Frankreichs aufgestiegen.
Die beiden Träger der Legitimität, Henri
III. und Navarra, rückten noch enger zusammen: Der berühmten
Begegnung im Park von Plassis-les-Tours (30.4.1589) folgte der gemeinsame
Marsch auf das rebellische Paris (Mai bis Juli 1589). Trotz der Erfolge
bei Senlis und Bonneval war in diesem Kampf auf Leben und Tod zwischen
dem legitimen und dem revolutionären Herrscher Frankreichs nichts
entschieden, als
Henri III., den der
Papst im Mai 1589 exkommuniziert und abgesetzt hatte, am 1.8.1589 einem
Attentat zum Opfer fiel. Der tödlich verletzte Henri
III. erkannte den herbeigerufenen Navarra, den legitimen Thronerben,
als seinen Nachfolger an und forderte die Anwesenden auf, ihm sogleich
den Treueid zu leisten. Durch die von Jacques Clement, einem Dominikaner,
verübte Tat war eingetreten, was viele seit 1584 befürchtet hatten:
Der König von Frankreich war Protestant.
Am 31.5.1585 hatte Catherine
die Sorge geäußert, dass es für Frankreich keinen sicheren
Frieden geben könne, solange Navarra nicht zum Katholizismus zurückgekehrt
sei. Auf seinem Totenbett prophezeite Henri III.
seinem anwesenden Nachfolger, dass er als König von Frankreich mit
vielen Widrigkeiten rechnen müsse, wenn er sich nicht entschließe,
die Religion zu wechseln. Aus dieser Feststellung spricht eine kluge Einschätzung
der politisch-konfessionellen Realitäten. Henri
IV. brauchte noch vier Jahre, bis er zu derselben Einsicht gelangte.
So präsentiert sich Henri
III. noch in seinen letzten Stunden als Realpolitiker, der sich
in den 38 Jahren seines Lebens als gelehriger Schüler seiner Mutter
erwiesen hat und in seinen Handlungen viel differenzierter beurteilt werden
muß, als es die Historiographie jahrhundertelang getan hat. Der viel
zitierte Satz von Pierre de l'Estoile, Henri III.
wäre ein sehr guter Fürst gewesen, "wenn er auf ein gutes Jahrhundert
getroffen wäre", wird diesem König nicht gerecht. Henri
III. wurde in eine höchst komplexe Situation hineingeboren,
in der es für den König nur die Möglichkeit gab, zwischen
den Extremisten beider Seiten einen mittleren Kurs zu steuern, um das Land
und die Krone vor dauerhaften Schaden zu bewahren. Nach der Exekution der
GUISE-Brüder und der Verständigung mit Navarra hätte der
Fall von Paris, der im Sommer 1589 abzusehen war, die endgültige Wende
im Bürgerkrieg eingeleitet. Noch am 31.7. meinte Henri,
von Saint-Cloud auf Paris blickend, dass er schneller in der Stadt sein
werde als die rebellischen Einwohner glaubten. Das Attentat änderte
alles und verlängerte den Bürgerkrieg um Jahre.