Sohn des Dux
Robert I. und der Williswint von Wormsgau,
Tochter von Graf Adelhelm
Lexikon des Mittelalters: Band II Spalte 1431
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Cancor, Graf im Oberrheingau
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+ 771
War ein Sohn des Grafen Robert I. und der Williswind sowie ein consanguineus des Bischofs Chrodegang von Metz. Zusammen mit seiner Mutter gründete er auf Eigengut das Kloster Lorsch und übertrug es Chrodegang (764). Der politische Wirkungskreis Cancors läßt sich vom Bodensee (Thurgau, Zürichgau) bis zum Mittelrhein nachweisen.
Literatur:
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K. Glöckner, Lorsch und Lothringen, Robertiner und
Capetinger, ZGO 89, 1937, 301ff. - I. Dienemann-Dietrich, Der fränkische
Adel in Alemannien im 8. Jh., Grundfragen der alemannischen Geschichte
(VuF I, Nachdruck 1962), 163ff. - J. Semmler, Die Geschichte der Abtei
Lorsch von der Gründung bis zum Ende der Salierzeit (764-1125) (Die
Reichsabtei Lorsch, 1964), 75ff. - K. F. Werner, Bedeutende Adelsfamilien
im Reich Karls des Großen (Braunfels, KdG I), 118f.
CHANCOR
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belegt als Graf Thurgau/Zürichgau 743/7 IX 10,
Breisgau 757/58 X 27,
belegt als Verstorbener + 771
Belege mit comes-Titel: W I Nrn.11 (= ChLA II Nr. 160,12 (= ChLA I Nr.41), 23 (= ChLA I Nr. 51), Das Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau 115B1
Literatur:
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Pupikofer, Thurgau I 129 - Schultze, Gaugrafschaften
45 - Glöckner, Lorsch und Lothringen 302-307,312,318 - Büttner,
Christentum 41f. - Dienemann-Dietrich, Der fränkische Adel 163-165,172
- Sprandel, Kloster St. Gallen 19 - Werner, K. F., Adelsfamilien 118f.
mit A. 129 - Wenskus, Die deutschen Stämme 203 A. 231 - Kläui,
Oberwinterthur 40 - Gockel, Königshöfe 232f.,298f. mit A. 739
- Semmler, Geschichte der Abtei Lorsch 75-79 - Schulze, Grafschaftsverfassung
76f.,88,105,120,197 - Zotz, Breisgau 21 - Schnyder, Luzern 249,296f. -
Werner, M., Der Lütticher Raum 202-212 - Borgolte, Geschichte der
Grafschaften Alemanniens, Kapp. II. 2, III.1, IV, Zusammenfassung
Als Lantbert, der Sohn Landolts und der Beata, im dritten
Jahr des Hausmeiers Karlmann seine
Güter in pago Durgauginse seu in sito Zurihgauuia an St. Gallen schenkte,
schloß Schreiber Silvester die beiden darüber ausgestellten
Urkunden mit dem Vermerk sub Chancorone (Chanchurone)
comite ab (W I Nrn. 11f.). Zwar läßt sich das Ausstellungsjahr,
das zwischen 743 und 747 gelegen hat, nicht genau fixieren, doch müssen
die cartae aus inhaltlichen Gründen nach zwei Urkunden der Beata eingeordnet
werden (Borgolte, Chronol. Stud. 140 f.). Die Traditionen Beatas beziehen
sich wie die Lantberts auf den Raum zwischen Uznach und Winterthur, enthalten
in der Grafenformel aber den Namen Pebos. Chancor
ist deshalb als Nachfolger Pebos anzusehen. Ein Unterschied in der Stellung
und Kompetenz der beiden Grafen kann aus den St. Galler Urkunden nicht
abgeleitet werden (anders Dienemann-Dietrich 163, vgl. Sprandel). Erst
nach Chancor wurde die Verwaltung in
der Landschaft am Zürichsee neu organisiert (s. Borgolte, Kap. III.
1).
Bereits 754 wird für den Thurgau Warin bezeugt;
indessen erscheint noch 757/58 zweifellos derselbe Chancor
in
einer St. Galler Schenkungsurkunde über Liegenschaften im Breisgau
(W I Nr. 23). Wir wissen nicht, wie weit der Comitat Chancors
am Oberrhein zurückreichte, ob Chancor
also in den 50-er Jahren seinen Tätigkeitsbereich reduziert oder gewechselt
hat.
Die Annahme von Wenskus, Chancor
habe vor Warin und Ruthard einen Verwaltungsauftrag für ganz
Alemannien ausgeführt, bleibt schon deshalb hypothetisch.
Sicher scheint hingegen zu sein, dass wie im Thur- und
Zürichgau eine neue politische Ordnung im Breisgau erst nach Chancor
geschaffen wurde. Der südliche Teil der Landschaft, der dicht mit
Königsgut durchsetzt war und für den Chancor
noch 757/58 bezeugt ist, wurde um 760 als grafenfreies Fiskalland organisiert
(Borgolte, Kap. IV. 1). Da der Name Chancors
sehr selten vorkommt (zur Deutung Gockel 232 gegen K. F. Werner), wird
der Graf in Alemannien zu Recht mit dem gleichnamigen illustris rhenensis
pagi comes (CL I 265) gleichgesetzt, der 764 mit seiner Mutter Williswind
das mittelrheinische Kloster Lorsch gegründet hat (Semmler; Glöckner).
Die Ausstattung der Abtei im Worms- und Rheingau stammte z. T. aus Erbgut
der Williswind; ob die Vorfahren Chancors
im Mittelrheingebiet alteingesessen waren oder aus dem karolingischen
Kernraum im Maasgebiet bzw. aus Neustrien stammten, ist umstritten (nach
Glöckner vgl. K. F. Werner, Gockel und zuletzt M. Werner).
Doch gilt als sicher, dass er neben Ruthard, Warin und
Gerold (I) zu den Magnaten gehörte, die nach der Unterwerfung der
Alemannen mit der Eingliederung Schwabens ins Reich der KAROLINGER
betraut
waren. Anders als die übrigen genannten Grafen faßte Chancor
in
Alemannien aber nicht richtig Fuß, sondern kehrte in seine Heimat
zurück (vgl. aber den Zeugen Chanchur
in W I Nr. 183).
Bis zu seinem Tod im Jahr 771 hat er den Comitat
im Rheingau (Mittelrheingebiet) verwaltet (Schulze 197; Glöckner).
Im Reichenauer Verbrüderungsbuch wurde Chancor
neben Ruthard, Warin und dem Warin-Sohn Isanbard als verstorbener
Wohltäter der Abtei eingetragen (115B4).
Mitterauer Michael: Seite 147,208
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„Karolingische Markgrafen im Südosten“
792 wird berichtet, dass eine Rachild in Sunnenheim
im Wormsgau übergab, quincquid Heimrich frater meus contra
Warinum comitem de sua portione in hereditatem accepit. Heimrich
und Rachild waren Kinder des Rheingaugrafen
Cancor und gehörten der Stifterfamilie des Klosters Lorsch
an. Wegen des häufigen Auftretens des Namens Rutpert wird dieses
Geschlecht "RUTPERTINER" genannt. Durch
mehrere Generationen hatte die Familie das Grafenamt in dem an den Lobdengau
im Süden anschließenden Rheingau inne. Wenn nun Graf Warin ein
Miterbe Graf Heimrichs
war, so gehörte er gewiß zum Verwandtenkreis der RUTPERTINER.
Gemeinsam mit seiner Mutter Williswinta gründete
er 764 das berühmte Kloster Lorsch. Cancor
spielte
auch bei der fränkischen Durchdringung Alemanniens eine bedeutsame
Rolle und gehörte zu den mächtigsten Großen
König
Pippins. Als Graf des Oberrheingaus folgte ihm nach seinem Tod
771 zunächst sein Sohn Heimrich, dann der Sohn seines Bruders
Thurincbert,
Rutpert
II., der hier zwischen 795 und 807 tätig war.
Werner Karl Ferdinand: Seite 118
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"Bedeutende Adelsfamilien im Reich Karls des Großen"
Unter den dabei zu ermittelnden Verwandtschaftsgruppen ist die der CHRODEBERT am wichtigsten, zu denen nachweislich auch der mit den ROBERTINERN verwandte Chrodegang, letzter referendarius überhaupt und dann Bischof von Metz und zeitweilig Leiter der Reichaskirche, gehört [Zu seiner Herkunft wie überhaupt zu den ROBERTINERN K. Glöckner, Lorsch und Lothringen, Robertiner und Capetinger (Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins NF. 50,1937), Seite 303ff. - Der Oberheingau-Graf Cancor, der 765 zusammen mit seiner Mutter Williswind, der Witwe des Grafen Robert I., das Kloster Lorsch gründete, war nicht nur der consangineus Bischof Chrodegangs, dem er die Gründung übertrug (Cod. Laur., Chron. 1, hrsg. von Glöckner, Band 1, Seite 266), er trug auch, was bisher meines Wissens übersehen wurde, den Namen Chrod-gangs in der Umkehrung, womit sich das alte Rätsel um den Namen "Cancor" auflöst. Wie das Register Cod. Laur. 3, Seite 310, Spalte 2, ausweist, ist die urkundliche Namensform meist Cancro, Cancronis. Das ist aber = Gang-cro(d), die Umkehrung von (H)rod-gang. Man wird in Robert I. einen Bruder der Landrada, Tochter des Rotbert, dux von Hasbania, und Mutter Chrodegangs, sehen dürfen; Gang-chrod/Cancro wäre dann der Vetter Chrod-gangs. Cancaronis fontana, um 770 im Ardennengau nachweisbar (Cod. Laur. 1, Seite 266 Anmerkung 7) trägt diesen Leitnamen der Besitzerfamilie. Aus dem Namengut der ROTBERTE, also von der Mutter Landrada überkommen, stammt der Name Gundland, des Bruders Chrodegangs und ersten Abtes von Lorsch nach Chrodegangs persönlicher Leitung (vgl. ROBERTINER-Leitnamen Gundramn, Gundbert, Landbert). Dazu wird man beachten, daß es schon 617 einen neustrischen Hausmeier Gundelandus (+ 641) gab, Fred. IV 45, hrsg. von Walalce-Hadrill, Seite 38, einen Kollegen des Warnachar II. in Burgund und des Chucus in Austrasien, der wie diese mit langobardischen Bestechungsgeldern bedacht wird.].
Glöckner K: Seite 302-306
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"Lorsch und Lothringen, Robertiner und Capetinger"
In Lorsch hingegen liegen auch jene sechs Jahre frei von
allem Rankenwerk in bemerkenswerter Klarheit vor uns: Cancor,
Graf im Oberrheingau, und seine Mutter Williswint, Witwe
Graf Ruperts und Tochter Adelhelms, gründen 764 bei ihrer Eigenkriche
zu St. Peter auf ihrem Landgute Lorsch ein Kloster und übergeben es
zur Einrichtung mit einer heute verlorenen Urkunde ihrem Blutsverwandten,
dem Erzbischof Rutgang
von Metz.
Folgenschwer war im Jahre 772 der Versuch Heimrichs,
als Sohn des Gründers Cancor das
Kloster als sein eigen vor dem Pfalzgericht zu erstreiten, da sein Vater
ihn damit investiert habe. Das Gericht erkennt die Traditionsurkunde für
Rutgang
an, bestätigt daher Gundlant, doch übergibt dieser sein
bisheriges Eigenkloster dem König und unterstellt sich un die Mönche
dessen Munt, wogegen dem Kloster freie Abtswahl zugesichert wird.So ist
es Reichsklostergeworden.
Die Gründer gehören zur Familie Ruperts,
des Grafen im Oberrheingau. Wer sie waren, ersehen wir zunächst aus
ihren Stiftungen. Williswint und Cancor
zusamemn widmen dem Kloster ihr Dorf Hahnheim an der Selz im Wormsgau aus
dem väterlichen Erbe Williswints;
als Sohn Cancors unterzeichnet Heimrich,
als erster Zeuge Bischof Wiomad von Trier. Von Williswint
allein stammt ihr von Vater und Mutter ererbtes und ihr erworbenes Gut
im Schaarhof nördlich Mannheim mit der Germanuskirche und ein Mansus
in Mainz, worüber die Urkunde fehlt. Cancor
und seine Frau Angila schenken den östlichen Teil der
Gemarkung Bürstadt zwischen Weschnitz und Lorscher Wald und erweitern
damit die beiden Mansen, die Cancors
Bruder
Turincbert ebendort
für den Neubau des Klosters gestiftet hatte und denen wenige Tage
nach Cancors Urkunde noch einen halben
Mansus in der Markung Bürstadt folgen ließ.
Den Rest seines Ackerlandes in Bürstadt von etwa
Hubengröße vertauscht Turincbert
nach 770 an Lorsch gegen eine Abfindung in Bretzenheim bei Mainz. Freigebiger
als die Männer sind Cancors Töchter,
die beide Gottgeweihte, als von der Welt zurückgezogene Laien, ihr
Leben führen.
Rachilt schenkt ihr gesamtes Eigen in Weilmünster,
in Ober-, Nieder-Brechen, Ober-, Nieder-Selters und Bermbach im Goldnen
Grunde südöstlich Limburga an der Lahn, sowie in Ahlbach, Heuchelheim,
Ober-, Nieder-Weyer, Dorndorf und Heckholzhausen bei Hadamar mit 44 Hörigen;
einige Jahre später ebenfalls ihren Gesamtbesitz in Dornheim nordöstlich
Friedberg in der Wetterau, in Wieseck und den benachbarten Wüstungen
Ursenheim und Selters bei Gießen mit 10 Hörigen, dem ihre Schwester
Eufemia
sehr
rasch ihren gleichen Teil folgen läßt; schließlich gibt
sie in Dienheim ihr ererbtes und das von Bischof Ermbert von Worms zu eigen
empfangene Gut nebst dem Erbanteil ihres wohl verstorbenen Bruders in Sinsheim
südöstlich Hiedelberg. Sehr wahrscheinlich ist es
Rachilt,
die vom Abt eine Hörige in Dienheim gegen eine andere in der Wetterau
eintauscht. Ihre Schwester Eufemia vermacht ihren ererbten Familienbesitz
in Bobstadt westlich Lorsch. Beide Schwestern begegnen auch in einer Schenkung
Rachilts
aus ihrem Vatererbe zu Dienheim an das Kloster Fulda. Ihr Bruder Heimrich,
bisweilen in der Kurzform
Heimo genannt, muß Nachfolger seines
771
verstorbenen Vateres Cancor im
Oberrheingau geworden sein; er findet sich oft - sicher bis 782 - als Zeuge
hier, bisweilen auch im Ladengau, als Stifter aber nur einmal zusammen
mit einem Hermann in Oppenheim und dem Lorsch benachbarten Auerbach, wo
Hermann gerodet hatte.
Friese Alfred: Seite 98-103
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"Studien zur Herrschaftsgeschichte des fränkischen
Adels"
Von Ebroin aus ihren einflußreichen Stellungen verdrängt
und verfolgt, ist die Familie in das Lager Pippins
des Mittleren übergetreten und für ihre Verluste im
niederrheinischen Kernland der KAROLINGER
entschädigt worden. Im Bündnis mit ihnen sind die ROBERTINER
in der Mitte des 8. Jahrhunderts nicht nur in reichspolitisch wichtige
Missionen an der Kurie und am langobardischen Königshof tätig,
sondern auch Grafen im Oberrhein- und Wormsgau (Robert I. und sein
Sohn Cancor), wenig später außerdem
in der Wetterau und im Lahngebiet (Heimo/Heimerich,
comes). Sie gründen 764 das Kloster Lorsch im Weschnitzgrund, das
ihr Verwandter
Chrodegang, Bischof von Metz und Jugendfreund Pippins
I. seit der gemeinsamen Erziehung in der schola palatii
mit Mönchen aus seiner Stiftung Gorze (748) bevölkert und greifen
damit nach O-Franken über. Wir konnten schon die genealogischen Verbindungen
aufzeigen, die zwischen den Stiftersippen der HATTONEN/MATTONEN und ROBERTINER
in dieser Zeit geknüpft wurden.
oo Angila
-
Kinder:
Rachilt Nonne zu Lorsch
-
Eufemia Nonne zu Lorsch
-
Heimrich (Heimo)
-
795
Literatur:
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Borgolte Michael: Die Grafen Alemanniens in merowingischer
und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen
1986 Seite 36,93,105,121,155,192,233,282 - Borgolte Michael:
Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit. Vorträge
und Forschungen Sonderband 31 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1984 Seite
Seite 27,28,29,44,47,58,71,78,107,108, 109-111,115,122,125,149,231,234,247-
Dienemann-Dietrich
Irmgard: Der fränkische Adel in Alemannien im 8. Jahrhundert. in:
Grundfragen der Alemannischen Geschichte. Vorträge und Forschungen
Band 1 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen Seite 163-165 - Ehlers Joachim:
Die Kapetinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000 Seite
14 - Glöckner K: Lorsch und Lothringen, Robertiner und Capetinger.
in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins Band 50 Heft 1, 1936,
Seite 300-354 - Werner K.F., Bedeutende Adelsfamilien im Reich Karls
des Großen (Braunfels, KdG I), Seite 118f. -