Jüngere Tochter des Königs
HEINRICHS I. aus seiner 2. Ehe mit der Mathilde
von Ringelheim, Tochter von Graf Dietrich
Lexikon des Mittelalters: Band IV Seite 1824
*******************
Hadwig
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+ nach 958
Tochter König HEINRICHS I.
oo 937 Hugo der Große Herzog der Francia
In seiner Auseinandersetzung mit dem westfränkischen
König Ludwig IV. suchte Hugo
der Große die Unterstützung OTTOS
DES GROSSEN und vermählte sich mit dessen Schwester
Hadwig.
Nach dem Tode Hugos
(956) verwaltete Hadwig das
robertinische Erbe. 957 half sie ihrem Bruder Brun
von Köln im Kampf gegen Reginar III. von Hennegau; 958
begab sie sich nach Burgund, wo es nach dem Hoftag von Marzy (bei Nevers)
zu Streitigkeiten zwischen
Hugo Capet
und König Lothar kam.
Literatur:
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W. Kienast, Dtl. und Frankreich in der Ks.zeit (900-1270),
I. 1974, 61,77-79,81,85.
K 13
Me: 10.5. Hadeuui + nach 958 Schwester OTTOS I.
(Es.) Obgleich ein Titel fehlt, handelt es sich
aller Wahrscheinlichkeit nach um die Schwester OTTOS
DES GROSSEN, die 937 Hugo von
Franzien heiratete und auch im Gedenken des Essener Konvents
begegnet, vgl. Ribbeck, Ein Essener Necrologium aus dem 13. und 14. Jahrhundert,
S. 85.
Ihr Todesjahr ist nicht bekannt, sie wird 958 zum letzten
Mal erwähnt; vgl. Köpke-Dümmler, Otto der Große, S.
61,77ff., 85.
IV, b 6) Hadwig
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* c 922, + (nach 958) I 9
oo 935 V 9/937 IX 14 Hugo ("der Große"),
Graf zahlreicher Grafschaften
* c 895, + 956 VI 16/17
Hadwig ist als Tochter
König
HEINRICHS I. durch D H I. vom 9.5.935 bezeugt.
Die Geburtszeit ist aus der Vermählungszeit unter
Annahme des üblichen Heiratsalters von 15 Jahren zurückgerechnet;
freilich könnte Hadwig auch gut
schon in den Herzogsjahren ihres Vaters geboren sein.
Die Abstammung dieser Tochter HEINRICHS
I. aus der zweiten Ehe mit Mathilde
ist aber durch Widukind gesichert, der erstaunlicherweise wie auch Flodoard
den Namen der Gattin Hugos des Großen
nicht kennt.
Der Zeitpunkt der Eheschließung Hadwigs
läßt sich eingrenzen durch die urkundliche Nennung Hadwigs
als unvermählte Tochter König HEINRICHS
I. in D H I. 37 und das erstmalige Auftreten Hugos
zusammen mit der "conjux sua Haduidis"
in seiner Urkunde vom 14.9.937. Lauer vermutet, die Hochzeit könnte
im Mai 937 gefeiert worden sein, als sich König
OTTO I. in Mainz und Ingelheim aufhielt.
Für den Todestag Hadwigs
kommen
drei Angaben in Frage. Das Nekrolog von S.-Germain-des-Pres gibt den
9.1., das Echternacher Nekrolog nennt zum 16.8. eine "Hatawich,
filia regis OTTONIS" (statt HEINRICI
?), und in der sächsischen Memorialtradition wurde am 10.5.
bzw. 12.5. der Todestag einer "Hadeuui"
(Merseburg), "Hathauuig comitissa"
(Essener Sakramentarhandschrift) und "Hathuuiga"
(Borghorst, dort zum 12.5.) gefeiert.
Werner entschied sich für die Angabe 9.1.,
da "die Wahrscheinlichkeit, ein genaues Datum und sichere Identität
zu bieten, in der Abtei Hugos des Großen
am höchsten, die Möglichkeit, es handle sich um eine andere Trägerin
desselben Namens, am geringsten" sei. Obwohl die Erklärung recht plausibel
klingt, macht doch das dreimalige Auftreten einer Hadwig
gerade in der Memorialüberlieferung, die zum größten Teil
auf die Tradition der OTTONEN-Familie
zurückgeht, stutzig.
Das Todesjahr Hadwigs
ist
unbekannt. Zum letzten Mal sicher bezeugt ist sie bei Flodoard
958 (Ende) Seite 146: "Bruno Coloniensis archiepiscopus
cum
exercitu Lothariensium per Franciam proficiscitur in Burgundiam,
locuturus cum sororibus ac nepotibus suis." Am Beginn des folgenden
Jahresberichtes läßt der Reimser Annalist Bruno
nur noch "cum regina sorore ac nepotibus" zusammentreffen. Der Text
legt die Vermutung nahe, Hadwig sei
zwischenzeitlich verstorben, weil sie nicht mehr erwähnt ist.
Hadwig ist nur noch
bei dem 12. Jahrhundert arbeitenden Sigibert von Gemblaux 965 als Teilnehmerin
am Kölner Hoftag erwähnt; doch da wir aus den anderen Quellen
gut über die anwesenden Angehörigen OTTOS
DES GROSSEN Bescheid wissen, dürfte die Nachricht Sigiberts
auf einem Irrtum beruhen.
Gut stützen läßt sich unser Ansatz für
das Todesjahr Hadwigs durch zwei Urkunden:
So fehlt Hadwig in der Urkunde König
Lothars vom 5.10.965, in der der König auf Intervention
der Königin Gerberga und auf Wunsch
des verstorbenen Hugo des Großen,
des Gatten Hadwigs, an St. Remi zu
Reims schenkt. In einer "pro remedio animae"-Schenkung an Graf Gottfried
I. von Anjou vom 19.6.966 für Hugo Capet
und dessen Eltern, also Hugo der Große
und Hadwig, sind Vater und Mutter Hugo
Capets unterschiedslos und damit wohl beide verstorben aufgeführt.
Sie war seit 954 Mitregentin.
VII. Generation
9
---
Zu Hugo dem Großen
ist daran zu erinnern, daß die anderen Kinder
Herzog
Roberts nicht zu den Nachkommen
KARLS
DES GROSSEN zählen, da sie im Unterschied zu Hugo
nicht der Ehe Roberts mit Beatrix,
aus dem Hause der HERIBERTINER, entstammen.
Hugo und seine Nachkommen
fehlen bei Brandenburg, der die urkundlich gesichcrte Abkunft Hugos
von Beatrix zu Unrecht bestritt, siehe
oben Anmerkung VI, 4.
Todesdatum Hugos
Lot, Dern. Carol. 16.
In den Besitzzahlreicher Grafschaften folgte Hugo
dem Vater, als dieser 923 König wurde. Seit 936 tritt er in Urkunden
als dux Francorum auf, ein Titel, den er sich verleihen ließ,
als er den jungen KAROLINGER Ludwig IV.
aus dem englischen Exil zurückholte und damit das
karolingische Königtum wiederherstellte.
Nachweis seiner ersten Ehe mit einer Grafen-Tochter aus
Maine, Werner, Untersuchungen 281-283.
Datum der zweiten Ehe mit der Königs-Tochter von
Wessex, Schwester der Gattin König Karls
III., Flodoard, Anmerkung 926, gegen Ende.
Hugos dritte Ehe
mit Hathui/Hadwig wurde vor 937 IX
14 geschlossen, Datum der Urkunde, in der erstmals Hugo
mit einer coniux sua Haduidis
auftritt, HF 9, 720-722. Im D 37 HEINRICHS I.
(MG DD reg. et imp. Germ. 1,71) von 935 V 9 war Hadwig
noch als unvermählte Tochter des Königs aufgetreten.
Lauer, Louis IV, 27 Anmerkung 4 vermutet im Anschluß an Luchaire,
Hugos Hochzeit mit der Schwester OTTOS
I. habe vielleicht im Mai 937 stattgefunden, als OTTO
sich
in Mainz und Ingelheim aufhielt.
Nicht weniger als drei Tagesangaben kommen für das
Todesdatum der Hadwig in Betracht.
Die Gedenkbücher von Merseburg und Essen nennen zum 10. Mai Hathewig
comitissa, im Echternacher Nekrolog steht zum 16. August
Hatawich
filia regis OTTONIS (statt HEINRICI?),
im Nekrolog von S-Germain-des-Pres endlich wird der 9. Januar angegeben.
Wir geben diesem letzteren Datum den Vorzug; die Wahrscheinlichkeit, ein
genaues Datum und sichere Identität zu bieten, ist in der Abtei Hugos
des Großen amhöchsten, die Möglichkeit, es handele
sich um eine andere Trägerin desselben Namens, am geringsten.
Flodoard, Ann., spricht zu 957 von der relicta
Hugonis,
zum Ende 958 vom Zuge Bruns von Köln
nach W-Franken und Burgund, locuturus cum sororibus ac nepotibus suis,
also mit Königin Gerberga und
Herzogin
Hadwig und beider Söhnen,
König
Lothar und
Hugo Capet. Eine
spätere Erwähnung Hadwigs
ist mir nicht bekannt. Es muß auffallen, daß Flodoard 959 den
Brun,
bei einem erneuten Aufenthalt in W-Franken, zwar mit den nepotibus suis,
aber nur noch mit regina sorore, der Königin
Gerberga, zusammentreffen läßt. 960 bemüht sich
Brun um die Söhne Hugos des Großen
und vermittelt ihre Belehnung durch Lothar:
Von der Mutter ist nicht die Rede. So ist es nicht ausgeschlossen, daß
Hadwig
schon 959 I 8 starb, ohne daß Flodoard ihren Tod ausdrücklich
vermerkte. In die gleiche Richtung weist, daß König
Lothar 961 X 5 die Villa Conde auf Wunsch des 956 verstorbenen
Grafen
Hugo (des Großen) an S.-Remi-de-Reims schenkt: Die
Königin
Gerberga interveniert,
Hadwig
jedoch wird nicht erwähnt.
966 VI 19 urkundet Graf Geoffroi I. von Anjou (ed. Bertrand
de Broussillon, Cartulaire de S.-Aubin-d'Angers 1, 1896, 4-7, nr. 2) und
schenkt pro remedio animae senioris nostri domni
Hugonis, praesentis Francorum ducis, seu pro patris matrisque
eius (also für
Hugo den Großen
und Hadwig, die hier ohne Unterscheidung
als wohl beide schon verstorben aufgeführt werden). Das bedeutet zugleich,
daß Flodoard, dessen Annalen bis 966 gehen, in jedem Fall Hadwigs
Tod unerwähnt gelassen hat und ihn nicht etwa nur darum nich gebracht
hat, weil er bis 966 nicht eingetreten war.
Daß Hadwig zusammen
mit ihrer Schwester Gerberga 965 noch
auf dem Hoftag Kaiser OTTOS in Köln
geweilt habe, berichtet nur der späte Sigebert von Gembloux.
III. Gerberga und Hadwig, die Schwestern Ottos des Großen
Gerberga, die eine der beiden Schwestern OTTOS DES GROSSEN, wurde im Sommer 928 mit dem Lothringer-Herzog Giselbert vermählt. Nach dem Tode ihres Gatten wandte sich Gerberga an Ludwig IV., den westfränkischen König, der sie als seine Gemahlin heimführte. Schon zwei Jahre vor dieser Eheschließung war die andere der Schwestern, Hadwig, die Gemahlin Herzog Hugos von Franzien, des innenpolitischen Hauptgegners Ludwigs IV., geworden. Unser Wissen über Hadwig ist jedoch nur sehr schmal und steht zudem in einem inneren Zusammenhang mit der Geschichte Gerbergas: daher bietet es sich an, die beiden Schwestern in einem Kapitel gemeinsam zu behandeln.
4. Die Heirat Hadwigs mit Hugo von Franzien
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Die zeitgenössischen historischen Quellen wissen
nur wenig über diese Schwester OTTOS DES
GROSSEN. Wenn sie überhaupt - wie Widukind, Flodoard und
Hugo von Fleury - von ihrer Person Kenntnis haben, so ist ihnen der Name
Hadwigs
doch unbekannt, der uns in einer Urkunde ihres Vaters, König
HEINRICH I., überliefert ist. Eine Urkunde Herzog
Hugos von Franzien, des Gemahls der Hadwig,
vom 14. September 937 ermöglicht uns die chronologische Einordnung
dieser Vermählung.
Wir wissen auch nicht, von welcher Seite die Initiative
zu dem Ehebündnis zwischen dem ost- und westfränkischen Reich
ausging. Philippe Lauer nahm an, es handle sich hier um "un pretexte [von
Seiten OTTOS DES GROSSEN] pour intervenir
en France" und tadelte in seiner eher nationalistischen Sicht der Geschichte
des 10. Jahrhunderts wegen "les plus graves consequences... des invasions
allemandes en France", die Folgeerscheinung dieser Politik werden sollten.
August Heil dagegen sah die Initiative eher bei Hugo
dem Großen, da dieser für
den "beabsichtigten Kampf gegen Ludwig
den nötigen Rückhalt" gesucht habe.
Wohl beide Seiten erwarteten sich Vorteile aus dieser
Vermählung: Hugo suchte (und fand)
eine zusätzliche Stütze für seine Politik im ostfränkischen
Reich, während OTTO I. ein zusätzliches
Gewicht in die Waagschalen der lothringischen Frage legen konnte, einer
Frage, die immer noch als unentschieden angesehen werden mußte.
5. Die Einflußnahme Ottos und Bruns im Westreich
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König Ludwig IV.
gelang es nicht, seinem Anspruch auf Lothringen mit realem politischen
Gewicht durchzusetzen, den er in der Heirat mit der Witwe des lothringischen
Herzogs hatte bekräftigen wollen. OTTO
nutzte die Gelegenheit seines Aufenthaltes in Lothringen und traf sich
mit den innenpolitischen Gegnern des westfränkischen Königs,
obwohl dieser nun sein Schwager geworden war. Dieses Bündnis mit den
Gegnern Ludwigs nahm ein Jahr später
sogar vasallitische Formen an: "Hugo et
Heribertus... Othoni regi obviam proficiscuntur; cui conjuncti at Atiniacum
eum perducunt, ibique cum Rotgario comite ipsi Othoni sese committunt."
König
Ludwig wurde so durch dieses Bündnis in die Zange genommen,
konnte sich nicht behaupten und mußte nach militärischen Niederlagen
gegen Hugo und OTTO
942 das faktische Scheitern seiner Pläne anerkennen: der
ostfränkische König verblieb im Besitz Lothringens.
Die ältere Forschung nahm an, es sei hauptsächlich
Gerberga gewesen, die ihren Gemahl zu diesem Verzicht bestimmt habe. Doch
gegen eine solche Hypothese lassen sich eine Reihe von Einwänden vorbringen:
die politische Vorgeschichte Gerbergas,
vor allem ihre eigenmächtige Heirat mit dem westfränkischen König,
läßt es als wenig wahrscheinlich erscheinen, sie habe sich nun
urplötzlich zum Anwalt der ostfränkisch-deutschen Interessen
gemacht. Die Einwilligung der Witwe des lothringischen Herzogs in die neue
Ehe mit Ludwig IV., deren politische
Bedeutung Gerberga wohl kaum verborgen
geblieben sein dürfte, und die Tatsache, dass
Ludwig auch nach der Hochzeit seinen Kampf um Lothringen nicht
aufgegeben hat, lassen erkennen, daß die Königin nicht bezüglich
Lothringens Einfluß im Interessse der ottonischen Politik ausgeübt
haben kann. Der Friedensschluß von Vise war weniger das Ergebnis
eines familiären Komplotts als das Resultat einer tatsächlichen
Überlegenheit OTTOS, einer Tatsache,
die sicher auch die Königin Gerberga
in Rechnung zu stellen wußte. Wenn sie daher ihren Mann tatsächlich
zum Verzicht auf Lothringen bewogen haben sollte, so geschah das in seinem
und nicht in OTTOS Interesse. Und noch
eine weitere gewichtige Tatsache spricht gegen eine derartige Argumentation:
der erstgeborene Sohn des französischen Königspaares, der im
Jahr 941 das Licht der Welt erblickte, wurde auf den Namen
Lothar getauft. Wir kennen die programmatische Bedeutung der
Namensgebung im Mittelalter: in dieser Namenswahl für den präsumptiven
Thronfolger läßt sich eine deutliche Manifestation des königlichen
Willens sehen, den Anspruch auf das alte Kernland der
KAROLINGER nicht aufzugeben.
Der Frieden von Vise, mit dem OTTO
zunächst eine neutrale Haltung einnahm, bedeutete für Ludwig
nicht die endgültige Resignation: er nahm noch einmal den Kampf gegen
die politische Übermacht seiner Gegner auf. Erst die Katastrophe von
Rouen - Ludwig wurde gefangengenommen
und an Hugo von Franzien ausgeliefert
- bedeutete das Aus für alle Unternehmungen, dem Königtum der
KAROLINGER wieder zu neuem Ansehen
zu verhelfen. In dieser Krisensituation des westfränkischen Königtums
tritt Gerberga wieder in das Licht der Geschichte: als Regentin weigerte
sie sich, den Thronfolger Lothar als
Geisel zu stellen, und sandte statt Lothar ihren zweitgeborenen Sohn Karl.
Auf diese Weise kam der König frei: er mußte freilich auf Laon
- ein Ort, der für das ohnehin nicht besonders starke Königtum
der späten KAROLINGER besondere
Wichtigkeit hatte und gerade für König
Ludwig die letzte Basis seiner Macht gewesen war - verzichten.
Ludwig wäre nun in die Rolle eines Schattenkönigs abgesunken,
hätte nicht Gerberga den Anstoß
für die große politische Umorientierung gegeben. Allen bisherigen
Gegensätzen zum Trotz bat sie ihren Bruder OTTO
I. um Hilfe und Schutz.
Alle früher abgeschlossenen Bündnisse stürzten
nun um. OTTO ergriff fortan die Partei
des westfränkischen Königs gegen die Versuche Herzog
Hugos, das Königtum im Westreich völlig zu entmachten.
Nur kurze Zeit später unternahmen die neuen Verbündeten einen
Feldzug gegen die Gegner Ludwigs IV.,
der König OTTO und das ostfränkische
Heer bis vor die Tore von Paris und Rouen führte. Auch in den folgenden
Jahren blieb die Zusammenarbeit zwischen den beiden Schwägern eng:
Ludwig
und OTTO trafen sich zwischen 946 und
950 fünfmal: das Osterfest 949 verbrachte
Gerberga
bei ihrem Bruder OTTO DEM GROSSEN in
Aachen "regressa Remos...cum fraterni auxilii pollicitatione". Ein Jahr
zuvor war auf der Synode zu Ingelheim, also auf dem Gebiet des ostfränkischen
Reiches, der seit Jahren schwelende Reimser Bischofsstreit entschieden
worden. Der Kandidat König Ludwigs,
Artold, wurde durch päpstliche Entscheidung erneut bestätigt,
und hiermit war implizit das Königtum Ludwigs
unter die Garantie König OTTOS und
des
Papstes genommen worden. Eine solche Politik brachte es zwangsläufig
mit sich, daß der ostfränkische König zu einem bestimmenden
Faktor in der westfränkischen Innenpolitik wurde. Am deutlichsten
können wir dies an der Synode zu Ingelheim beobachten, bei der auf
ostfränkischem Boden unter Beteiligung deutscher und französischer
Prälaten über eine Angelegenheit der Politik und der Kirche des
Westreiches entschieden wurde. Die Verwandtschaft der Königin Gerberga
zu den OTTONEN und ihre politische
Wendigkeit verlängerte die Herrschaft der KAROLINGER
im Westen um Jahrzehnte.
Gerberga ließ
sich beim Abschluß von Bündnissen immer von den jeweiligen politischen
Notwendigkeiten leiten, wie dies die Koalitionen, die sie seit 942 abschloß,
deutlich zeigen. 953 vermittelte sie einen Waffenstillstand zwischen König
Ludwig und ihrem Schwager Hugo dem
Großen. Zwei Jahre später kam ihr Gatte, König
Ludwig, bei einem Jagdunfall ums Leben. Hätte sich Gerberga,
nun zum zweiten Mal Witwe geworden, allein an den deutschen König
gewandt, wäre das französische Königtum auch formell dem
deutschen unterstellt worden: OTTO wäre
jetzt noch der äußeren Form nach in die Stellung eines großfränkischen
Herrschers hineingewachsen. Doch Gerberga
handelte anders: sie wandte sich an den bisher schärfsten Rivalen,
Herzog
Hugo von Franzien, und konnte tatsächlich die Unterstützung
Hugos (der, was wir nicht vergessen
dürfen, ja Gerbergas Schwager
war) für die Wahl ihres Sohnes (und Hugos
Neffen), des minderjährigen Lothar,
zum westfränkischen König erhalten. Man kann nur Vermutungen
anstellen, welche Motive Herzog Hugo
bewogen haben, nicht die Schwäche des Königtums und der Königin
Gerberga auszunutzen und sich nicht selbst die französische
Königskrone aufs Haupt zu setzen. Vielleicht fürchtete er den
Widerstand König OTTOS I., möglicherweise
fühlte er aber schon seinen Tod herannahen. Zudem blieb er auch unter
einem noch minderjährigen
König Lothar
der starke Mann im westfränkischen Reich.
Als Hugo der Große
im Jahr 956 starb, war
Königin Gerberga
die unumstrittene Regentin Frankreichs. In dieser dritten Phase ihres politischen
Wirkens war die Zusammenarbeit mit den übrigen Mitgliedern der sächsischen
Königsfamilie am engsten. Die Macht und das Ansehen OTTOS
DES GROSSEN hatten nach seinem Sieg in der Lechfeldschlacht
ihren Höhepunkt erreicht. Nach dem Tod König
Ludwigs IV. und Herzog Hugos des Großen
konnte zudem keiner von den beteiligten Parteien mehr versuchen, den einen
gegen den anderen auszuspielen. Die Regierung des westfränkischen
Reiches lag praktisch in den Händen eines
ottonischen
Familienrates, in den Händen von Gerberga,
Hadwig
und Brun, dem Erzbischof von Köln
und Bruder OTTOS DES GROSSEN. Nun,
nach dem Tod ihres Gemahls, Hugo der Große,
tritt auch Hadwig
aus dessen Schatten
heraus und findet in der Geschichtsschreibung Erwähnung.
Brun
waltete
im Auftrag
König OTTOS "als eine
Art Reichsverweser, an der Spitze eines ottonischen
Familienrates,... in den Landen zwischen Rhein und Loire".
Die starke Anlehnung an die Mitglieder der
liudolfingischen Familie garantierte Gerberga
zwar auf der einen Seite den Erhalt des Status quo zwischen den führenden
Familien Frankreichs und damit das Königtum ihres Sohnes Lothar,
erforderte aber auf der anderen Seite ein starkes Entgegenkommen gegenüber
ihrem Bruder Brun. So war sie 957 gezwungen, an einem Feldzug
Bruns gegen die Familie der REGINARE, also gegen die Verwandten
ihres 1. Gemahls, teilzunehmen. Ein Jahr zuvor hatte Brun
dafür gesorgt, dass Gerberga ihr
Witwengut zurückerhielt. 959 verbrachten Gerberga
und ihr Sohn, König Lothar - Hadwig
war wohl Anfang dieses Jahres verstorben - gemeinsam mit Brun
das Osterfest in Köln; bei dieser Gelegenheit mußte Lothar
in
aller Form auf jegliche Ansprüche auf Lothringen verzichten. Möglicherweise
wollte Brun hiermit mehr dem Einfluß
seiner Schwester, der Königin-Mutter Gerberga,
auf den jungen König Lothar vorbeugen,
wenn er von Lothar "securitas" für Lothringen verlangte. Denn die
Königin
Gerberga wie auch ihre Schwester Hadwig
dürften in erster Linie die Interessen ihrer Söhne Lothar
und
Hugo
(Capet) im Auge gehabt haben und nicht diejenigen ihrer Brüder,
also die Interessen von OTTO DEM GROSSEN
und Brun; beide werden versucht haben,
den Kindern für die Zukunft alle politischen Möglichkeiten offenzuhalten.
Über die Grundlinien der Politik vergaß Gerberga
jedoch nicht die Erfordernisse des Augenblicks. Nach dem Tod Erzbischof
Artolds von Reims (des Erzbischofs, der im Jahr 948 von der Synode zu Ingelheim
bestätigt worden war) versuchte das Haus
VERMANDOIS erneut, seinen Kandidaten Hugo durchzusetzen. Gerberga
bat ihren Bruder Brun um Hilfe: ihr gemeinsamer Kandidat Odelrich wurde
zum Erzbischof von Reims gewählt. Mit diesem Mann hat Brun
zugleich einen seiner Schüler auf den Erzbischofsstuhl dieser wichtigen
Diozöse gebracht.
Höhepunkt - und Abschluß - der "Familienregierung"
im westfränkisch-französischen Reich war der Kölner Hoftag
im Juni 965: als unumstrittener Hegemon sammelte Kaiser
OTTO DER GROSSE seine Familienangehörigen um sich und zeigte
sich in seiner neu gewonnenen Kaiserwürde. Auf diesem Hoftag wurde
zudem ein neues Ehebündnis zwischen Ost- und Westreich geschlossen:
der Kaiser verlobte seine Stieftochter Emma
(die Tochter der Kaiserin Adelheid aus
deren erster Ehe mit König Lothar von Italien)
mit König Lothar von Frankreich.
Von einer formalen Abhängigkeit des Westreiches
von Kaiser OTTO DEM GROSSEN kann aber
auch zu diesem Zeitpunkt keine Rede sein, wenn sie rein äußerlich
auch bestanden haben mag. Gerberga hinterließ bei ihrem Tod, der
sie vier Jahre nach dem Tode ihres Bruders Bruno
von Köln und vier Jahre vor dem Tod ihres ältesten
Bruders
OTTO DER GROSSE erteilen sollte,
ihrem Sohn Lothar eine stabilere Herrschaft
als diese Gerbergas Gemahl und Lothars
Vater, König Ludwig IV., bei seiner
Rückkehr auf das Festland vorgefunden hatte. Das politische Erbe seiner
Mutter gab König Lothar die Chance,
noch einmal nach der Herrschaft über das alte karolingische
Kernland greifen zu können.
6. Zusammenfassende Würdigung Gerbergas und Hadwigs
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König OTTO I.
hatte das Hauptziel seiner Westpolitik von seinem Vater HEINRICH
I. geerbt: die Herrschaft über Lothringen zu sichern. Nur
die Herrschaft über dieses alte karolingische
Kernland ermöglichte es dem jungen Reiche König
OTTOS I., das Übergewicht über das westfränkische
Reich zu gewinnen und schließlich auf diese Weise auch in das Erbe
KARLS
DES GROSSEN, die Kaiserwürde eintreten zu können.
Um dieses Ziel seiner Politik zu verwirklichen, benutzte König
OTTO geschickt die vorgefundenenen Spannungen im Westreich,
die es ihm ermöglichten, Lothringen für sein Reich zu sichern.
Der entscheidende Angelpunkt für ein solches Vorgehen war die Verbindung
OTTOS
DES GROSSEN mit den ROBERTINERN,
und zwar mit dem mächtigen Herzog Hugo von
Franzien, dem latenten Hauptgegner König
Ludwigs IV. Transmarinus. Ein direkter Weg führt von der
Hochzeit Hugos des Großen mit
der Schwester König OTTOS, mit
Hadwig,
zum Bündnis von Attigny: diese Heirat erwies sich, auch wenn dies
nicht von vornherein geplant gewesen sein sollte, als ein bewußt
eingesetztes Mittel der
ottonischen
Politik,
um Hugo von Franzien an den ostfränkischen
König zu binden und so die Gefahr für Lothringen, die in der
Herrschaft der KAROLINGER im Westreich
weiter am Schwelen war, abzuwenden.
Die Ehe der anderen der beiden Schwestern König
OTTOS I., der Gerberga,
mit König Ludwig IV. muß
schon vom Ansatz her anders beurteilt werden. OTTO
wurde von seiner Schwester überspielt, mit der er andere Pläne
hatte: Gerberga handelte selbständig.
König
Ludwig IV. seinerseits dürfte hauptsächlich an die
Untermauerung der karolingischen Ansprüche auf Lothringen gedacht
haben. Die Bedeutung jedoch, die diese Ehe in den folgenden Jahren noch
für das westfränkische Königtum gewinnen sollte, konnte
von keiner Seite vorausgesehen werden. Die Verbindung mit
Gerberga
verschaffte dem westfränkischen König die Verwandtschaft mit
König
OTTO I. und damit einen Schwager, der Ludwig
die Hilfe geben konnte, die er brauchte, um im Kampf gegen seine inneren
Feinde das Königtum für sich und seinen Sohn behaupten zu können.
Aber auch für
OTTO DEN GROSSEN
wirkte sich die Vermählung seiner Schwester Gerberga,
obwohl sie gegen seinen Willen geschehen war, letztendlich zum Vorteil
aus: die gleichartigen Verwandtschaftsverhältnisse zu den beiden führenden
Häusern Frankreichs ermöglichte es dem ostfränkisch-deutschen
König, ab 945, als die Bedrohung Lothringens durch die innenpolitischen
Schwierigkeiten
König Ludwigs
in den Hintergrund getreten war, zwischen den beiden Parteien vermittelnd
einzugreifen und somit de facto zum heimlichen Herrscher im Westreich zu
werden. Nach außen hin ließ sich diese faktische Herrschaft
OTTOS
DES GROSSEN in der Form familiärer Beziehungen und Kontakte
ausüben. "Seine Verwandtschaft mit den beiden feindlichen Geschlechtern
ließ seine westfränkische Politik als Familiensache erscheinen
und warf auf die faktische deutsche Vorherrschaft einen versöhnenden
Schimmer."
Die Zeitgenossen haben OTTOS
Position offenbar nicht als hegemonial empfunden. Die französische
Geschichtsschreibung kennt weder eine "nationale" Abneigung gegen eine
"Fremdherrschaft" noch sieht sie in Ludwig IV.
oder
Lothar
abhängige Monarchen. "OTTO war
also für die Westfranken weniger der große fremde Herrscher
als vielmehr der mächtige Verwandte des königlichen Hauses, der
eine Art patriarchalische Stellung inmitten einer großen königlichen
und fürstlichen Familie einnahm."
Die Bindungen zwischen dem ost- und dem westfränkischen
Reich überdauerten deshalb auch nicht den Tod der Hauptakteure. Mit
dem Tod Gerbergas und dem Beginn der
selbständigen Regierung Lothars
entwickelten sich die beiden Reiche wieder auseinander, ja sogar gegeneinander.
Ehlers Joachim: Seite 14,23
*************
"Die Kapetinger"
Zwischen sächsischer Herkunft und westfränkischem
Königsdienst Roberts sah die ältere
Forschung einen Widerspruch. Er sollte dadurch beseitigt werden, daß
dem notorisch phantasievollen Richer, der den Namen Widukind seinem gelehrten
Wissen von den Sachsenkriegen
KARLS DES GROSSEN
mühelos hätte entnehmen können, Erfindungen unterstellt
wurde; für Aimoin glaubte man an einen Reflex späterer Vorgänge,
nämlich der Heirat des dux Hugo Magnus;
Roberts
Enkel, im Jahre 937 mit Hadwig,
der Tochter König HEINRICHS I. und
Schwester OTTOS I., über die der
Name Heinrich in das französische Königshaus gekommen ist.
Weil die sächsischen Könige außerdem
begehrte Bundesgenossen westlicher Großer waren, ergaben sich Heiratsverbindungen:
OTTOS
I. Schwester Hadwig heiratete
937 Hugo Magnus und wurde Mutter des
späteren Königs Hugo Capet.
Wies Ernst W.: Seite 63,71,123,232,238
*************
"Otto der Große. Kämpfer und Beter."
Einen weiteren wichtigen Hinweis für HEINRICHS
Willen,
das Thronfolgerecht OTTOS sichtbar
zu machen, finden wir im Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau. Hier
sind in einem Eintrag verzeichnet: König
HEINRICH und seine Frau Mathilde,
die drei Söhne OTTO, Heinrich
und Brun, die Töchter Gerberga
und Hadwig.
Die jüngere Schwester Hadwig
wurde
dem mächtigen Herzog Hugo von Francien
angetraut, der wohl der einflußreichste Großvasall im westfränkischen
Reich war. Mit ihrer beider Sohn
Hugo Capet,
König von Frankreich (987-996), beginnt die große Königsreihe
des capetingischen Geschlechts. Die Sächsin Hadwig
ist ihre Stammutter.
Um Hugo noch stärker
an sich zu binden, vermittelte
OTTO
eine
Ehe Hugos mit seiner Schwester
Hadwig im Jahre 937.
Zwar war die französische Reichsführung schwach
und stand unter den Einfluß von OTTOS
Bruder, dem Erzbischof Brun und den
beiden ottonischen Schwestern, Gerberga
und Hadwig.
Daneben, mit der Krone von Frankreich, des Kaisers Schwester
Gerberga,
die Witwe König Ludwigs IV., mit
ihrem Sohn, König Lothar. Dann
war da die andere Schwester des Kaisers, Hadwig,
die Frau des mächtigen Herzogs Hugo von Francien,
die Mutter des großen Hugo Capet
und Stammutter des capetingischen Königsgeschlechts,
das sieben Jahrhunderte dem Throne Frankreichs die Könige stellte.
935/37
oo 3. Hugo der Große Herzog von Franzien
895-16./17.6.956
Kinder:
3. Ehe
Beatrix
938-23.9.nach 987
954
oo Friedrich I. Herzog von Ober-Lothringen
-18.5.978
Hugo Capet König von Frankreich
940-24.10.996
Emma
945-18.3.968
960
oo 1. Richard I. Herzog von der Normandie
um 933-20.11.996
Odo Herzog von Burgund
945-23.2.965
Otto-Heinrich Herzog von Burgund
948-15.10.1002
Literatur:
------------
Adelheid Kaiserin und Heilige 931 bis 999 Info
Verlag Karlsruhe 1999 - Althoff Gerd: Adels- und Königsfamilien
im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung. Studien zum Totengedenken
der Billunger und Ottonen. Wilhelm Fink Verlag München 1984, Seite
157,365 K 13 - Beumann, Helmut: Die Ottonen. Verlag W. Kohlhammer
Stuttgart Berlin Köln, Seite 42,64,84 - Ehlers Joachim: Die
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