SAINTONGE


Lexikon des Mittelalters:
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Saintonge
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Landschaft in West-Frankreich, geht zurück auf die keltische Völkerschaft der 'Santones'.
Die einzige klar identifizierte stadtartige Siedlung der vorrömischen S
aintonge ist Pons (dép. Charente-Maritime). Mit der Romanisierung der Region wurde Saintes zum unbestrittenen Vorort der Civitas, deren Kerngebiet das Tal der Charente war und die vielleicht auch das Angoumois (Angoulême), das seit dem 4. Jh.als eigene Provinz organisiert war, einbezog. Die Westgoten hielten das Land von 418 bis 508 besetzt. In der KAROLINGER-Zeit (791) umfaßte das Aunis die drei Vikariate ('vicariae') von Bessac (bei Niort), St-Jean d'Angély und Châtelaillon.
Die S
aintonge reichte bis südlich der Grenze des heutigen dép. Charente-Maritime und bezog im Osten einen Teil des heutigen dép. Charente ein (Cognac, Jarnac, Bouteville, Barbezieux, Chalais). An ihrer Spitze stand Graf Landricus (Landri), belegt 839. Die Einfälle der Normannen, die vielleicht in Taillebourg einen festen Stützpunkt errichteten, führten zu schweren Rückschlägen. Nachdem Landricus 866 vom Grafen von Angoulême getötet worden war, blieb die Position des Grafen von Saintonge unbesetzt. Das Aunis, das frühzeitig auf die Region um Châtelaillon beschränkt wurde, und die Saintonge unterstanden von nun an den Grafen von Poitou, doch legten die Grafen von Angoulême ihre Hand auf Cognac und sein Umland. Zu Beginn des 11. Jh. trat der Graf von Poitou/Herzog von Aquitanien Saintes und mehrere Burgen der Saintonge als Beneficium an den Grafen von Anjou (Angers) ab. Doch wurden die ANGEVINEN bereits 1062 durch Herzog Wilhelm VIII. wieder verdrängt. In dieser Zeit wurden überall in der Saintonge romanische Kirchen und Klöster begründet: St-Jean d'Angély (einzige Abtei, die bereits vor 1000 entstand), Baignes, Sablonceaux, Vaux, Notre-Dame de Saintes, Bassac, Fontdouce und viele andere.
Die Heirat der Gräfin Eléonore mit Heinrich II. Plantagenêt machte die S
aintonge zum wichtigen Bestandteil des englischen Festlandbesitzes (1154). König Ludwig VIII. von Frankreich eroberte die Saintonge 1224 zurück; Poitou und Saintonge kamen 1241 an die Apanage Alfons' von Poitiers. Der Aufstand des regionalen Adels, initiiert von Hugo von Lusignan, scheiterte; der Vertrag von Pons (1242) sicherte den militärischen Sieg Ludwigs IX. ab. 1255 errichtete Alfons von Poitiers eine eigene Sénéchaussée von Saintonge, mit Sitz in St-Jean d'Angély. In Anwendung des Vertrags von Paris (1258/59) kam der südlich der Charente gelegene Teil der Saintonge nach dem Tod Alfons' von Poitiers ( 1271 ohne Leibeserben) an den König von England. Erst 1372 wurde die Saintonge wieder definitiv mit der Krone Frankreich vereinigt; das Aunis wurde von der Sénéchaussée von Saintonge abgetrennt und bildete das 'Gouvernement' von La Rochelle (1373).
Seit dem 12. Jh. belebten sich die wirtschaftlichen Aktivitäten (Getreidehandel, Keramikproduktion: La Chapelle-des-Pots, Salz, Wein); der Seehandel blühte auf (die berühmten Rôles d' Oleron sind das erste atlantische Seerecht), ebenso die Binnenschiffahrt (Boutonne, vor allem Charente bis Cognac und Angoulême). Der Hundertjährige Krieg führte auch hier zu schweren Rückschlägen. Nach der Vertreibung der Engländer aus der Guyenne (1453) wurde das Seneschallat von S
aintonge nach Saintes transferiert; die Saintonge wurde jurisdiktionell dem neugeschaffenen Parlement von Bordeaux unterstellt. Doch behielt die Provinz, die in der Grenzzone zum Einflußbereich des Gemeinrechts (Pays de droit écrit) lag, ihr eigenes Gewohnheitsrecht (Coutumes). Die Grenzlage der Saintonge zwischen Langue d'oïl und Langue d'oc spiegelt sich auch wider in vorherrschenden Einflüssen des okzitanischen Sprach- und Literaturbereichs (Troubadours wie Rigaut de Barbezieux, Chroniken des Pseudo-Turpin und der »Tote l'histoire de France« aus dem Beginn des 13. Jh., fast ausschließlich okzitanische Toponyme).
R. Favreau