Tochter des N.N.
Nach Konecny Schwester der Kaiserin
Judith
Lexikon des Mittelalters: Band III Spalte 934
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Dhuoda
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Fränkische Adlige
oo Graf Bernhard von Septimanien
Ihr „Liber manualis“, verfaßt 841/43 als Geleitbuch
für den fernen Sohn Wilhelm,
ist eine Anleitung zu christlicher Lebensführung (Fürstenspiegel).
Dhuodas eindringliche Mahnungen, ihre
zum Teil eigenwillige Lehre und ihr Rat sind sehr persönlich und durchdrungen
von der Sorge und Seelennot einer Mutter, die ihrem Sohn nicht selbst zur
Seite stehen kann. Das unbeholfene Latein ist biblich, zum Teil vulgär
gefärbt. Die Bibel ist reichlich benützt, ferner mehrere patristische
und zeitgenössische Autoren. Zum Text gehören fünf Gedichte
in eigenartigen Rhythmen, zum Teil mit Akrosticha; darunter das eigene
Epitaph.
Wirklichen Rückhalt, der vielleicht auch durch eine Ehe bekräftigt wurde, fand Judith hingegen in der ersten Phase ihrer Bemühungen um ein Erbteil KARLS bei Bernhard von Septimanien. In seiner Gattin Dhuoda, von der er später meist getrennt lebte, wird eine Schwester Judiths vermutet.
Schmid Karl: Seite 631-634
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"Gebetsgedenken und adliges Selbstverständnis im
Mittelalter. Ausgewählte Beiträge."
Dhuoda, die gebildete
Gemahlin des
Bernhard
von Septimanien, die für ihren 16-jährigen Sohn Wilhelm
im Jahre 841 einen
liber manualis, ein Handbüchlein, zu schreiben
begann, hält diesen in zahlreichen Abschnitten ihres Schriftchens
zum Beten an. Zunächst sind die Äußerungen 'De reuerentia
orationis' von Belang, die in Kenntnis der Regel Benedikts die horae
canonicae zum Ausgangspunkt des Gebetsdienstes, den Wilhelm
verrichten soll, nehmen. Dann mahnt
Dhuoda
ihren Sohn im Anschluß an Erklärungen überdie
erste und zweite Geburt (die Geburt aus dem Fleische und die Geburt aus
dem Geist) und über den ersten und zweiten Tod (die Trennung des Leibes
und den Tod der Seele) zur Schriftlesung und zum Gebet.
Erst am Schluß ihres Büchleins spricht Dhuoda
von sich, da sie - wie sie sagt - im Übermaß der
Liebe für ihren Sohn sich selbst vergessen habe. Mit beschwörenden
und rührenden Worten bittet sie ihn inständig und flehentlich,
für die Erlösung ihrer Seele zu beten. Ja die Mutter, die sich
selbst als allisa und
gravata, als von Leid offenbar schwer
Geprüfte bezeichnet, setzt alle Hoffnung auf ihren Sohn, der ihr -
wie sonst niemand - helfen könne. Nachdem die Mutter ihren Sohn nochmals
an seine Sohnespflicht für den jüngeren Bruder erinnert und noch
hinzugefügt hat, auch dieser möchte, wenn er das Mannesalter
erreicht habe, für sie beten und beide sollten oft das heilige Opfer
für sie darbringen lassen, schließt sie ihre Ausführungen:
Finit
hic liber Manualis. Amen. Deo gratias. Damit enden sie aber nicht.
Denn Dhuoda fügt
Nomina defunctorum
an, die Namen von Verstorbenen der Familie, Anordnungen über das Grab
und den Text der Grabschrift, die der Sohn ihr dereinst setzen solle, und
endlich Hinweise über das Psalmengebet (Im Auszug aus dem Alcuin zugeschriebenen
'De psalmorum usu liber'), die wiederum in die Bitte übergehen, Wilhelm
solle den Psalmengesang darbringen.
Mit anderen Worten: das Manuale ist in seinem Schlußteil
ganz dem Anliegen des Gedenkens gewidmet, wobei zu bemerken ist, daß
die Gedenkbitte nicht im Literarischen bleibt, sondern zur größten
Aktualität gelangt in der Anordnung Dhuodas,
Wilhelm
solle, wenn jemand aus seiner Verwandtschaft sterbe, dessen Namen zu den
anderen dazuschreiben lassen und für ihn beten. Zu diesen Namen solle
auch der des Oheims Heribert
gehören. Dieser ist ist, wie aus anderen Quellen hervorgeht, 830 auf
Befehl des Kaisers LOTHAR geblendet
und nach Italien verbannt worden. Schließlich gibt Dhuoda
ihrem Sohn Anweisung, nach ihrem Tode auch ihren Namen zu den übrigen
hinzuschreiben zu lassen.
Mit der zweimaligen Ermahnung und Aufforderung an Wilhelm,
die Namenreihe der verstorbenen Angehörigen zu ergänzen, erhält
das Manuale den Charakter eines Gedenkbuchs. Obschon sich gewiß die
Abschnitte über die zu verrichtenden Gebete im Manuale der Dhuoda
am liturgischen Gebetsgedenken orientieren, kann ihr Büchlein
angesichts seines ausgesprochen persönlichen Charakters wohl nicht
als Zeugnis betrachtet werden, das liturgisch oder liturgiegeschichtlich
etwa relevant wäre. Vielmehr handelt es sich um ein einzigartiges
persönliches Dokument, in dessen Mitte die Memoria einer adligen Familie
steht.
Um die ganze Not der Verfasserin der an ihren Sohn gerichteten
Schrift anzudeuten, genügt es schon zu bemerken, daß Dhuodas
Gatte Bernhard
und Dhuodas Sohn Wilhelm
nicht eines natürlichen Todes gestorben sind. Bernhard
von Septimanien, der in den Quellen ein 'Räuber' und 'Tyrann'
genannt wird, ist 844 in Aquitanien hingerichtet worden, nachdem KARL
DER KAHLE zu seiner Vernichtung ausgezogen war. Und Wilhelm,
sein Sohn, fiel später, als er mit Gewalt in Barcelona eingedrungen
war. Neben schweren Anschuldigungen gegen die Angehörigen dieser Familie
in der historiographischen Überlieferung steht das Manuale der Mutter
für ihren Sohn, in dem sie diesen zu einem christlichen Leben anzuhalten
nicht müde wird.
824
oo Bernhard I. Graf von Barcelona
vor 802-14.2.844 hingerichtet
Kinder:
Wilhelm
29.11.825- 850
Bernhard II. Plantevelue
um 830-17.8.886
Regelinda
-
oo Vulgrin I. Graf von Angouleme
- 886
Stammeltern des Hauses ANGOULEME
Literatur:
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Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter.Verlag C.
H. Beck München 1994 Seite 59,255,290 - Konecny Silvia: Die
Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der
Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie
vom 7. bis zum 10. Jahrhundert. Dissertation der Universität Wien
1976, Seite 100 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt
Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991,
Seite 185,187,198, 231,393 - Schmid Karl: Gebetsgedenken und adliges
Selbstverständnis im Mittelalter. Ausgewählte Beiträge,
Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1983, Seite 631-634 - Schnith Karl
Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern
zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 51 -