in Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern
Um seine Alleinherrschaft gegen seine nächsten Verwandten
abzusichern, entschloß sich Pippin
dazu, das Schatten-Königtum der MEROWINGER
endgültig beiseite zu schieben und selbst König zu werden. Da
schon das alleinige Hausmeiertum Pippins auf
Ablehnung stieß, gab es sicher auch erheblichen Widerstand gegen
seinen Plan, sich zum König erheben zu lassen, wenn auch der Umfang
der Gegnerschaft nicht deutlich wird. Um seine Gegner auszumanövrieren,
sicherte Pippin sich gleich mehrfach
ab: Zuerst wurde "nach dem Rat und mit Zustimmung aller Franken" eine Gesandtschaft
nach Rom geschickt, die den Papst zu einer Pippins
Vorhaben
unterstützenden Aussage veranlassen sollte, die dieser auch mit den
berühmten Worten gab: "Es ist besser, dass derjenige König heißt,
der die Macht hat, als der, dem keinerlei königliche Gewalt mehr verblieben
ist; daher soll kraft apostolischer Autorität
Pippin König werden, damit die Ordnung nicht gestört
wird."
Aufgrund dieses päpstlichen Spruchs wurde
Pippin zum König gewählt und auf den Thron
erhoben; ob eine Krönung und eine Schilderhebung wie zu
merowingischer Zeit stattfanden, wissen wir nicht. Zur Absicherung
seines Königtums ließ sich Pippin von
den Bischöfen (vielleicht von Bonifatius persönlich)
zum König salben. Damit übernahm er eine Form der Legitimierung
des Königtums, die bisher bei den Franken nicht praktiziert worden
war, sondern die wahrscheinlich von den Westgoten, den Angelsachsen oder
den Iren übernommen wurde, die eine Königssalbung nach dem Vorbild
des Alten Testaments kannten. Der letzte MEROWINGER
Childerich
III. wurde zum Mönch geschoren und verschwand im Kloster
St. Bertin; sein Sohn wurde dem Kloster St. Wandrille zur Verwahrung übergeben.
Die Legitimität des neuen Königs wurde noch
erhöht, als im Jahr 754 Papst Stephan II. persönlich ins
Franken-Reich kam, um von
Pippin Unterstützung gegen die Langobarden zu erbitten.
Zum erstenmal hatte damit ein Papst eine Reise ins Gebiet nördlich
der Alpen angetreten, während in früherer Zeit die römischen
Bischöfe höchstens gelegentlich nach Konstantinopel gereist waren.
Während der KAROLINGER-Zeit sind
die Päpste noch mehrfach ins Franken-Reich gereist, wenn sie in Rom
Schwierigkeiten hatten. Pippin behandelte
den Papst mit großem Selbstbewußtsein; er nahm ihn nicht persönlich
an der Grenze seines Reiches in Empfang, sondern ließ ihm durch Boten
mitteilen, dass er ihn in seiner Pfalz Ponthion (20 km südöstlich
von Chalons-sur-Marne) erwarte. Die Begegnung zwischen Papst und Franken-König
am 6.1.754 ging in strengen Formen vonstatten, die sicher mit den Beauftragten
des Papstes abgesprochen worden waren: Der ältere Sohn Pippins,
KARL, damals wohl erst sechs Jahre
alt, wurde Stephan II. entgegengeschickt; der König selbst
ritt ihm mit Familie und Gefolge 3.000 Schritt entgegen. In Sichtweite
des Papstes stieg Pippin vom Pferd,
warf sich auf den Boden und leistete den Marschallsdienst, das heißt
der König führte das Pferd des Papstes am Zügel. Eine fränkische
Quelle berichtet, dass der Papst vor Pippin
und seinen Söhnen fußfällig um Hilfe gegen die Langobarden
gefleht habe. In Ponthion wurde durch Pippin
die Schenkung des Dukats von Rom und des Exarchats von Ravenna an den Papst
in Aussicht gestellt; aus diesen Gebieten ist der Kirchenstaat entstanden.
Dabei muß allerdings beachtet werden, dass Pippin
damals über diese Gebiete gar nicht verfügen konnte; sie gehörten
zweifellos zum byzantinischen Kaiser-Reich, und Pippin
hatte nicht einmal das Recht des Eroberers, weil er noch gar nicht in Italien
gekämpft hatte.
Der Kriegszug gegen die Langobarden sollte nach dem Willen
Pippins noch 754 stattfinden; zuvor mußte aber der erhebliche
Widerstand des fränkischen Adels überwunden werden, was auf einer
Reichsversammlung in Quierzy (Ostern 754) geschah. In Quierzy ist dann
das Schenkungsversprechen über die von den Langobarden der römischen
Kirche entrissenen Güter an den Papst abgegeben worden. Da jetzt ein
Kampf zwischen den Franken und den Langobarden unausweichlich schien, griff
der langobardische König Aistulf
zu einem merkwürdigen Mittel: Er veranlaßte den 747 ins Kloster
eingetretenen Karlmann dazu, sein Refugium
zu verlassen und ins Franken-Reich zu reisen, um seinen Bruder vom Krieg
abzuhalten. Möglicherweise war diese Reise auch ein VersuchKarlmanns,
Pippin
zu bewegen, seinen Söhnen einen Teil des ihnen vorenthaltenen Erbes
am Reich abzutreten. Papst und Franken-König hatten das gemeinsame
Interesse, diese Intervention möglichst rasch zu beenden. Die Quellen
berichten nur, der Papst habe Karlmann befohlen,
in sein Kloster zurückzukehren, weil er sonst gegen sein Gelübde
verstoße. Karlmann ist wenige Monate später in
Vienne gestorben; aber nicht einmal den Toten wollte Pippin
im Franken-Reich dulden; der Leichnam wurde nach Monte Cassino gebracht;
für so bedeutend und bedrohlich sah Pippin
anscheinend die Anhängerschaft seines Bruders an. KarlmannsSöhne
wurden jetzt ebenfalls ins Kloster eingewiesen, um ihnen die Möglichkeit
zu politischer Aktion zu nehmen.
Der Sicherung seiner Dynastie diente auch die Salbung
und Weihe der Königs-Söhne KARL
und Karlmann durch den Papst, die am
28.7.754 in St. Denis vorgenommen wurde. Auch die
Königin Bertrada
(Bertha)
wurde geweiht, und die anwesenden Großen wurden vom Papst
verpflichtet, "niemals aus der Nachkommenschaft eines anderen einen König
zu wählen". Das karolingische
Königtum wurde unter der Drohung von Exkommunikationn und Interdikt
auf Pippin und seine leiblichen Nachkommen
beschränkt; nicht gegen die MEROWINGER
war diese Aktion gerichtet, sondern darauf, die
Söhne Karlmanns endgültig von der Nachfolge auszuschließen.
Pippin erhielt den Titel eines Patricius Romanorum;
dies war ein byzantinischer Amtstitel, den der Vertreter des Kaisers in
Italien, der Exarch von Ravenna, getragen hatte. Nach der Sicherung der
Rechte seiner Dynastie zog Pippin im
August 754 nach Italien, nachdem Aistulf
noch mehrere Angebote zu friedlicher Beilegung des Konflikts abgelehnt
hatte. Nach einem erstaunlich schnellen Sieg zog Pippin
wieder aus Italien ab; Aistulf hatte
zugesagt, dem Papst das Exarchat von Ravenna und andere Gebiete auszuliefern.
Er dachte aber nicht daran, dieses Versprechen zu erfüllen, vielmehr
ging er zum Angriff auf die päpstlichen Besitzungen über und
belagerte im Jahr 756 auch Rom. Papst Stephan II. mußte mehrere
Hilferufe an Pippin ergehen lassen,
bis dieser sich zu einem neuen Italienzug entschloß (Mai 756). Aistulf
erlitt abermals eine Niederlage, mußte wieder die Eroberungen im
Exarchat herausrücken und sein Reich aus der Hand des Siegers entgegennehmen.
Als Aistulf kurz darauf starb, verließ
sein Bruder Ratchis das Kloster Monte
Cassino, in dem er seit 749 gelebt hatte, um den Thron zu besteigen. Der
Herzog
Desiderius von der Toskana konnte sich aber als neuer König
der Langobarden durchsetzen; Ratchis
kehrte ins Kloster zurück; der Fall Ratchis
ist also eine Parallele zum Schicksal Karlmanns.
Nach 754 hat Pippin
auf Reichsversammlungen und Synoden durch mehrere Jahre hindurch (755-757)
Vorschriften erlassen, um die Reform des Klerus wiederaufzunehmen und die
Christianisierung der Laien voranzutreiben. Der wichtigste Helfer des Königs
war dabei Erzbischof Chrodegang von Metz, den der Papst auf Bitten
Pippins
zu
einer Art Oberbischof des Franken-Reichs erhoben hatte. Im Zentrum stand
dabei die Schaffung einer hierarchisch gegliederten Kirchenorganisation,
wobei die Unterordnung des Klerus unter den Diözesanbischof, die Errichtung
einer Metropolitanverfassung und die Forderung, zweimal jährlich Synoden
durchzuführen, nichts anderes waren als Erneuerungen der Vorschriften,
die Bonifatius auf seinen Konzilien von 742 bis 744 bereits erlassen
hatte. Andere Kapitularien befaßten sich vor allem mit dem Eherecht;
das Verbot der Verwandtenehe und die genaue Regelung der Ehescheidung standen
hierbei im Vordergrund. Man muß sich fragen, warum es Pippin
so wichtig war, gerade diese Materien zu regeln. Es ging erstens darum,
die Laien zur Einhaltung der christlichen Familiengesetze zu zwingen. Weiterhin
verfolgte Pippin aber auch die Absicht,
die Heiratspolitik der fränkischen Adelsclans zu beeinflussen und
sie daran zu hindern, durch Heirat innerhalb ihrer Verwandtschaft geschlossene
Besitzkomplexe aufzubauen. Eine weitere wichtige Reformmaßnahme Pippins
muß noch erwähnt werden, nämlich die Ersetzung der Goldwährung
durch die Silberwährung. KARL DER GROSSE
hat dann jene Regelung geschaffen, die bis 1971 noch in England galt: 1
Pfund Silber = 20 Schillinge = 240 Pfennige. Für die Verfassung des
Reiches bedeutete auch die Verlegung des Termins der jährlichen Heerschau
im Frühjahr vom März auf den Mai einen wichtigen Einschnitt:
Möglicherweise war ein wesentlicher Grund für diese Veränderung,
dass ein beträchtlicher Teil der militärischen Gefolgschaft jetzt
aus Reitern bestand, die erst im Mai den Treffpunkt ohne Schwierigkeiten
erreichen konnten, da es in diesem Monat leicht war, die Pferde auf den
schon grünen Wiesen weiden zu lassen. In den letzten zehn Jahren seiner
Regierung war Pippin mit der Konsolidierung
der fränkischen Herrschaft im Südwesten befaßt. 759 wurde
Septimanien mit der Hauptstadt Narbonne ins Franken-Reich eingegliedert.
Dieses Gebiet hatten die MEROWINGER
nie erobern können; es war nach 711 als Teil des Westgoten-Reichs
von den Arabern besetzt worden.
In den Jahren 760-763 und 766-768 führte Pippin
acht Feldzüge gegen Aquitanien durch, wobei - im Gegensatz zu früheren
Versuchen, die Herrschaft über dieses Gebiet zu sichern - diesmal
ganz planmäßig vorgegangen wurde. Von Norden nach Süden
fortschreitend eroberte Pippin die
Städte, brach die Burgen und wandte auch die Taktik der verbrannten
Erde an. Nur die schwere Hungersnot im Reich, die im Jahr 764 herrschte
und sich auch noch im folgenden Jahr fortsetzte, führte zu einer Unterbrechung
der Eroberungszüge. Die langjährige und noch bis in die Zeit
KARLS
DES GROSSEN reichende Eroberungstätigkeit in Aquitanien
ist nur mit den noch längeren Kämpfen KARLS
DES GROSSEN in Sachsen zu vergleichen. Die Feldzüge hatten
aber die Gesundheit des Königs untergraben. Am 24.9.768 starb
er mit erst 54 Jahren in St. Denis; dort wurde er auch bestattet. Vor seinem
Tod hatte er noch die Nachfolge geregelt, dass seine beiden Söhne
KARL
und
Karlmann
das Reich zu gleichen Teilen erben sollten: für KARL
waren
Aquitanien und Neustrien, für Karlmann
Burgund mit der Provence und Septimanien, das Elsaß und Alemannien
vorgesehen; das erst kürzlich ganz eroberte Aquitanien sollte unter
den beiden Söhnen aufgeteilt werden.