Rhode Gotthold: Seite 26-27
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"Kleine Geschichte Polens."

Die nach außen ruhigen zwei Jahrzehnte der Regierungszeit von Boleslaws II. jüngerem Bruder Wladyslaw Hermann (1079-1102) waren fast ganz von inneren Streitigkeiten erfüllt. Der neue Herrscher befand sich weitgehend unter dem Einfluß der Adelsschicht, die ihn emporgehoben hatte, vor allem der Palatin Sieciech. Gegen diesen wandte sich neue Unzufriedenheit, besonders nach der Vergiftung von Boleslaws II. jugendlichem Sohn Mieszko, den Wladyslaw Herman erst aus dem ungarischen Exil nach Polen geholt hatte. Der oppositionelle Adel entfachte mit böhmischer Hilfe 1093 in Schlesien einen Aufstand gegen Sieciech und erzwang die Legitimierung von Wladyslaws ältestem Sohn Zbigniew, den Sieciech in ein Kloster nach Sachsen hatte abschieben wollen. Der zunächst nach Ungarn geflüchtete Sieciech konnte bald an die Macht zurückkehren, einen neuen Aufstand in Kujawien unterdrücken und Zbigniew zeitweilig gefangensetzen, der erst freikam, als die Geistlichkeit und sein jüngerer Bruder Boleslaw sich für ihn einsetzten (1096/97). In wechselvollen Kämpfen, offenbar von weiten Kreisen des immer mehr hervortretenden Adels unterstützt, erzwangen die beiden Brüder schließlich die Entfernung Sieciechs und die Zuteilung von eigenen Herrschaftsbereichen zu Lebzeiten des Vaters, dem zeitweilig die Absetzung drohte (1099).
Der inneren Zerrissenheit entsprach außenpolitische Zurückhaltung. Wladyslaw Hermann, in zweiter Ehe mit Judith, der Schwester Vratislavs von Böhmen, in dritter Ehe (seit 1088) mit der Kaiser-Schwester Judith [5 Sie war die Witwe des oben erwähnten, 1087 im Exil gestorbenen Königs Salomo von Ungarn.] verheiratet, stand offenbar im Lager seiner Schwäger, dachte an keine Königskrönung und zahlten den von seinem Bruder verweigerten Tribut für Schlesien aufs neue. Nur in Pomerellen versuchte der Herzog die erneut abgeschütttelte polnische Oberherrschaft wiederherzustellen und führte 1090 einen erfolgreichen Feldzug bis an die Küste, ohne aber einen Dauererfolg zu erreichen, denn schon beim Aufstand in Kujawien wurden die Rebellen von den Pomoranen unterstützt.
Der Tod des Fürsten (Juni 1102) machte den inneren Kämpfen kein Ende, sondern ließ sie erst recht aufleben; sie sollten bis 1113 andauern.