Das Jahr 856.
König Lothar nahm die Königin Thietbirga zur Ehe [14 Im Jahr 854.]; aus dieser Verbindung entsprang nicht nur für ihn, sondern auch für sein ganzes Reich das gewaltigste Unheil, wie im Nachfolgenden sonnenklar sich zeigen wird. Im J. d. g. M.
Das Jahr 859.
Lothar übergab
dem Abte
Hucbert das Herzogthum zwischen dem Jura und dem Jupitersberg,
weil er diesen damals für sehr treu hielt, denn er war durch seine
Schwester Thietberga mit ihm verschwägert.
Im J. d. g. M.
Das Jahr 864.
König Lothar
fing an nach Vorwänden zu suchen, durch welche er sich von der Gemeinschaft
mit der Königin Thietbirga scheiden
könnte, denn sie war ihm verhaßt geworden um der Waldrada
willen, die er zur Beischläferin hatte, da er noch als Jüngling
im väterlichen Hause wohnte. Diese nämlich liebte er, vom Teufel
entflammt, mit übergroßer Leidenschaft. Dem Gunthar, dem Bischof
der Stadt Köln, der zu jener Zeit Erzkapellan war, macht deshalb der
König, zuerst durch heimlich zugeschickte Unterhändler, dann
in eigener Person, listige Anträge wegen dieser Ehescheidung
und damit er leichter seine Zustimmung gäbe, versprach er die Nichte
selbigen Bischofs zur Ehe nehmen zu wollen, damit er nur die besagte
Thietbirga durch seine und anderer Bischöfe Genehmigung
und Erlaubniß unter was immer für Gründen verstoßen
könnte. Dieser, wie er denn von leichter Sinnesart und unüberlegt
in seinen Handlungen war, läßt sich sogleich mit allem Eifer
auf die Sache ein, weil eine eitele Hoffnung, wie sich später zeigte,
ihn dazu verlockte. Derselbe Gunthar wiederum geht wegen dieser Angelegenheit
den Erzbischof Thietgaud von Trier an und da er wußte, daß
dies ein einfältiger Mann sei und nicht sonderlich gelehrt in den
göttlichen Schriften noch in den canonischen Satzungen bewandert,
so bringt er aus den Büchern beider Testamente einige Sprüche
vor, durch welche er, indem er sie anders auslegt, als die kirchliche Regel
es lehrt, den unvorsichtigen Mann mit sich in die Grube zieht, als Blinder
dem Blinden das Geleit gebend. Und nun geschah alles, was für dies
Blendwerk nothwendig zu sein schien. Sie berufen ein Konzilium nach Metz,
die Königin wie eine auf canonische Weise Vorgeladene, stellen sie
in die Mitte, sie führen Zeugen vor nebst Schriftstücken, die
unter andern sehr schweren Vergehungen, die sie ihr Schuld gaben, auch
versicherten, daß selbige Thietbirga
bekannt hätte, sie habe sich durch die blutschänderischen
Umarmungen ihres leiblichen Bruders befleckt. Sofort werden die Verordnungen
der Väter über die Blutschänder vorgelesen, und sie nicht
nur von ihrem rechtmäßigen Manne geschieden, sondern ihr auch
jedes eheliche Band untersagt, eine Buße nach dem Maße der
Schuld aufgelegt und durch ein so frevelhaftes Truggewebe der lange ersehnte
Wunsch des Königs erfüllt.
Nicht lange darauf veranstalten sie zum zweitenmale eine
Synodalversammlung zu Achen, auf welcher der König eine Klageschrift
einreichte. Darin war zu lesen, daß er mit einem gewissen Weibe Namens
Thietbirga durch die ehrgeizigen Ränke
treuloser Menschen betrogen worden sei, ja sogar, er wiederholte es mit
großem Nachdruck, habe er durch das Urtheil der Bischöfe die
Scheidungssentenz ertragen müssen. Wenn jene für das Ehebett
geeignet und nicht durch den verderblichen Makel der Blutschande
besudelt sei, sowie durch das Bekenntniß ihres eigenen Mundes öffentlich
verurtheilt, so würde er sie aus freien Stücken bei sich behalten:
sodann bekannte er, daß er unenthaltsam sei und ohne einen Ehebund
seine jugendliche Glut nicht dämpfen könne. Nachdem also die
Akten verschiedener Konzilien herbeigebracht waren, wurde vieles über
die Blutschänder vorgetragen, nach dessen Verlesung sie folgende endgültige
Entscheidung fällten: Wir glauben, daß jene keine angemessene
und rechtmäßige Ehefrau gewesen ist, noch eine von Gott bestimmte
Gattin, da sie durch ihr öffentliches Geständniß als eine
des Verbrechens blutschänderischer Unzucht Schuldige überführt
ist. Deshalb verweigern wir unserem ruhmreichen Fürsten, da nicht
nur wir, sondern auch die Autorität der Canones ihm eine blutschänderische
Ehe untersagt hat, wegen seiner frommen Hingebung im Dienste Gottes und
wegen seiner siegreichen Beschirmung des Reiches, nicht die rechtmäßige
ihm von Gott gestattete Verbindung nach der Bewilligung des Apostels, der
da sagt: Es ist besser freien, denn Brunst leiden. Nachdem dies also vollbracht
war, tritt Waldrada schon ganz öffentlich
auf, umgeben von einem zahlreichen Gefolge und der ganze königliche
Hof hallt davon wider, daß Waldrada
die Königin sei. Die Nichte des Bischofs Gunthar wird zum König
geholt und, wie man erzählt, einmal von ihm genothzüchtigt, dann
unter dem Gelächter und dem Hohne aller ihrem Oheim zurückgeschickt.
Hierauf wird auf Betreiben der Brüder der Königin
Thietbirga dies alles zur Kenntniß des Papstes Nicolaus
gebracht, der zur selben Zeit der römischen Kirche vorstand. Im J.
d. g. M.
Das Jahr 865.
Hagano und Rodoald wurden als Gesandte des apostolischen Stuhles nach Gallien geschickt, um zu untersuchen, ob die Sache sich so verhielte, wie sie dem obersten Priester gemeldet worden war: wie diese in Francien eintrafen, wurden sie mit Geld bestochen und begünstigten mehr die Ungerechtigkeit als die Gerechtigkeit. Als sie jedoch zum Könige kommend, ihm die Ursachen ihrer Sendung erklärt hatten, empfingen sie von ihm die Antwort, er habe nichts anderes gethan, als was die Bischöfe seines eigenen Reiches auf einer allgemeinen Synode ihm zu thun vorgezeichnet. Die Gesandten aber gaben dem Könige den Rath, daß er die Bischöfe, welche auf jener Synode den Vorsitz geführt, an den apostolischen Stuhl abordnen solle, damit sie sich mündlich und schriftlich vor dem allgemeinen Papste rechtfertigten. Die Gesandten, mit unermeßlichen Schätzen bereichert, kehrten nach Rom zurück und verkündigten ihrem Oberhirten, was sie in Gallien gesehen und gehört hatten, indem sie hinzufügten, sie hätten keinen gelehrten Bischof im Reiche Lothars gefunden, der in der canonischen Wissenschaft klare Einsicht besäße. Inzwischen reisten die Erzbischöfe Thietgaud und Gunthar nach Rom mit der Absicht, sowohl den König in der besagten Angelegenheit als unschuldig hinzustellen, wie auch zu beweisen, daß sie nebst ihren übrigen Mitbischöfen den kirchlichen und apostolischen Satzungen Folge gegeben hätten, wofür sie freilich als Thoren zu bezeichnen sind, da sie wähnten, jenen Stuhl des seligen Petrus, der weder je täuschte, noch durch irgend eine Ketzerei je getäuscht werden konnte, durch irgend welches falsche Dogma täuschen zu können. Als sie daher zum Papste Nicolaus vorgelassen wurden, überreichten sie ihm ein Büchlein, worin die Synodalakten enthalten waren, die sie zu Mediomatrikum und Achen festgesetzt hatten. Als diese von einem Notar in Gegenwart Aller vorgelesen worden, fragte der Oberpriester, ob sie diese Schriftstücke durch ihr Wort bestätigen wollten? Sie erwiderten, daß es unpassend erschiene, das, was sie mit eigenen Händen bekräftigt hätten, durch Worte wieder unwirksam machen zu wollen. Und so, indem ihre Versicherung weder zurückgewiesen noch gutgeheißen wurde, ließ man sie in ihre Herbergen gehen, bis sie zurückgerufen würden. Nach dem Verlaufe weniger Tage wurden sie demnach zu einer Synode, die der Papst versammelt hatte, berufen und daselbst ihre Schrift verdammt und mit dem Bannfluch belegt, sie selbst, indem alle Bischöfe, Priester und Diakonen ihnen dies zuerkannten, abgesetzt und jeglicher kirchlichen Würde beraubt. Als sie so schmählich entehrt waren, wenden sie sich an den Bruder des Königs Lothar, den Kaiser Ludowich, der zu jener Zeit in der beneventanischen Landschaft sich aufhielt, schriftlich und mündlich ein Klagegeschrei erhebend, daß sie ungerechter Weise entsetzt seien, daß dem Kaiser selbst und der ganzen heiligen Kirche ein Unrecht zugefügt worden, da es nie erhört oder irgendwo überliefert sei, daß irgend ein Metropolitan ohne Mitwissen des Fürsten oder in Abwesenheit der übrigen Metropolitane abgesetzt worden. Sie fügten außerdem noch vieles andere hinzu, indem sie den Papst verlästerten, was wir hier für überflüssig halten aufzuzählen, und glaubten, daß sie durch den Beistand desselbigen Kaisers und vermöge seines Einschreitens sowohl den Makel des ihnen vorgeworfenen Verbrechens tilgen, als auch den Besitz ihrer früheren Würde wieder erlangen könnten. Aber ihre Hoffnung ward getäuscht, obgleich der Kaiser von ganzem Herzen ihnen beizustehen gewünscht hätte. Thietgaud, der das vom apostolischen Stuhle gefällte Urtheil der Absetzung geduldig ertrug, nahm sich nicht heraus, seinem früheren Berufe nach irgend etwas, was zum heiligen Amte gehörte, anzurühren; Gunthar dagegen, aufgeblasen von dem Geiste des Hochmuths, scheute sich nicht, mit verwegenem Erdreisten das verbotene Amt sich anzumaßen, da er die apostolische Exkommunikation wenig achtete. Sie kehren demnach nach Francien zurück mit der gebührenden Schande bedeckt. Und als sie zum zweiten- und zum drittenmale den apostolischen Stuhl angingen um der Wiederherstellung ihrer Ehre und der Wiedereinsetzung willen, werden sie zuletzt in Italien von einer Krankheit überfallen und sterben in der Fremde als Verbannte, indem nur die Laienkommunion ihnen gewährt wurde. Im J. d. g. M.
Das Jahr 866.
Der Bischof Arsenius, der Kanzler und Rath des Papstes Nicolaus, wurde an seiner Statt nach Francien gesendet; als er dort eintraf, übte er so große Autorität und Gewalt, als wenn der oberste Bischof selbst angekommen wäre. Nachdem er nämlich eine Versammlung der Bischöfe berufen, richtet er an den König Lothar den Antrag, eins von zwei Dingen zu wählen, entweder möge er sich mit seiner eigenen Gattin versöhnen, nachdem er sich von aller Gemeinschaft mit dem Kebsweibe Waldrada losgesagt, oder sofort werde er selbst, sowie alle die, welche ihm bei diesem Vergehen ihre Unterstützung gewährt, mit dem Schwerte des Bannes geschlagen werden. Durch diese Noth gedrängt, mußte er wohl oder übel die Königin Thietbirga wieder zum Ehegemahl nehmen und noch dazu einen Eidschwur ablegen, daß er sie fortan so halten wolle, wie nach den Gesetzen der Billigkeit eine rechtmäßige Gemahlin gehalten werden soll, und daß er ferner sich weder von ihr trennen, noch bei ihren Lebzeiten eine andere neben ihr in's Haus einführen würde. Hiernach befiehlt er der Waldrada nach Gottes und des heiligen Petrus Autorität und auf das Geheiß seines Herrn des Papstes nach Rom zu gehen und zu trachten, daß sie dort Rechenschaft über sich ablegen könne. Er erklärte auch allen, daß Engildruda, einst die Gattin des Grafen Boso, gleichfalls vom apostolischen Stuhle exkommunizirt worden sei, weil sie ihren eigenen Mann verlassen hatte und dem Wanger, ihrem Lehnsmann, nach Gallien gefolgt war; diese Exkommunikation erneuerte er mit allen den Bischöfen, die zugegen waren.
Hiernach stellte sich Engildrudis dem besagten
Arsenius in der Stadt Wormatia, an welchem Orte der genannte Bischofmit
dem Könige Ludowich zusammengetroffen
war. Sie schwor also in Gegenwart desselben Gesandten einen Eid,
der folgende Fassung hatte: "Ich, Engildrudis, Tochter des weiland
Grafen Mathfrid, die ich die Gattin des Grafen Boso gewesen bin,
schwöre euch Herrn Arsenius, Bischof, Botschafter und Kanzler des
höchsten heiligen katholischen und apostolischen Stuhles, und durch
euch meinem Herrn Nicolaus, dem höchsten Priester und allgemeinen
Papste, bei dem Vater, dem Sohne und dem heiligen Geiste und bei diesen
vier Evangelien des Christes Gottes, welche ich mit dem Munde küsse
und mit eigenen Händen berühre, daß ich hinfort mit Aufgebung
jener Boshaftigkeit, die ich an meinem vorgedachten Manne Boso ausgeübt,
wie ein Schaf, das verloren war, zu der heiligen katholischen und apostolischen
Kirche unter der Verpflichtung, zu welcher Herr Nicolaus der höchste
Priester und allgemeine Papst mich verband, zurückkehren und nach
dem italischen Reiche, wie ihr es mir vorschreibt, entweder mit euch oder
vor euch reisen und was der Herr Papst mir anbefehlen oder bestimmen sollte,
erfüllen und zu vollziehen mich nicht weigern werde." Aber diesen
so furchtbaren Eid erfüllte sie dennoch nicht. Sie reiste nämlich
bis zum Donaustrom mit dem Arsenius, dort verabredete sie, daß sie
einen ihrer Verwandten aufsuchenwolle, um von ihm Pferde zu bekommen, und
versprach, daß sie nach der Stadt Augusta zu selbigem Botschafter
zurückkehren werde. Unter solchem Vorwande ihre Schritte rückwärts
lenkend, kehrte sie von Alamannien nach Francien zurück; als der erwähnte
Arsenius dies erfuhr, richtete er ein Schreiben an alle Erzbischöfe,
Bischöfe und Priester, sowie an alle Getreuen der heiligen Kirche
Gottes, die in Gallien, Germanien und Neustrien weilten, worin er sie insgesammt
bei der Autorität des allmächtigen Gottes und der seligen Apostelfürsten
Petrus und Paulus, wie auch des Herrn Bischofs und allgemeinen Papstes
Nicolaus beschwor, daß Niemand sie in seinem Sprengel aufnähme,
sondern in allen ihren Kirchen sollten sie predigen, daß dieselbe
völlig exkommunizirt und von aller christlichen Gemeinschaft ausgeschieden,
zudem auch mit der Fessel des Bannes gebunden und unter den gottlosen Verbrecherinnen
verdammt sei, bis sie ihrer verderblichen Zusammenrottung halber und wegen
des geleisteten Meineids von dem Herrn Papst in dessen Gegenwart eine entsprechende
Buße empfangen habe.
Nachdem dies der Hauptsache nach erwähnt worden,
wollen wir zu der beweinenswerthen Angelegenheit des Königs
Lothar zurückkehren. Der Gesandte des apostolischen Stuhles
also, nachdem er in Gallien die Dinge geordnet hatte, kehrte nach Rom zurück,
woher er gekommen war. Und abermals wird durch die Bemühung der Waldrada
und ihrer Helfershelfer des Königs Gemüth gegen die Thietbirga
aufgehetzt, sein Zorn erregt und in der erloschenen Asche der
Zwietracht und des Hasses von neuem ein kräftiges Feuer angeblasen.
Sie wird verachtet, verabscheut, zurückgesetzt,
die Anklage des Ehebruches wird ihr angehängt und mit
aller Anstrengung des Scharfsinnes etwas aufgesucht, um sie als Schuldige
bestrafen zu können. Jene, da sie die Todesgefahr ihr bevorstehen
sah, entfloh heimlich und als sie zu Karl gekommen
war, vertraute sie sich seinem Schutze an; sobald dies durch die Verbreitung
des Gerüchtes der Papst Nicolaus erfahren hatte, schickte er
an den König Karl ein Belobungsschreiben
des folgenden Inhaltes: "Wir gedenken, daß unter den andern frommen
Vorkämpfern der heiligen Kirche und unter den wackeren Vertheidigern
der Wahrheit Niemand besorgter gewesen über die Erniedrigung der ruhmvollen
Königin Thietbirga, Niemand mit
ihren Unbilden mehr Mitleid gehabt hat, als euer fromm gesinntes Herz."
Und nach einer passenden Aufmunterung fügte er hinzu: "Wir wünschen,
daß eure Herrlichkeit wohl wisse, wie König
Lothar seine Gattin Thietbirga
mit verschiedenen Drangsalen heimgesucht und sie gegen den geleisteten
Eid zahllosen Quälereien unterworfen habe, so daß sie uns jetzt
aus Zwang schrieb, sie möchte der königlichen Würde und
ihrer Ehe entledigt werden und würde mit einem einsamen Privatleben
zufrieden sein. Wir schrieben ihr, daß dies auf keine andere Weise
geschehen könne, als wenn auch ihr Gatte Lothar
sich für eine gleiche Lebensweise entschiede. Doch wie wir aus dem
Berichte vieler erfahren haben, hat Lothar
selbst beschlossen, eine Reichsversammlung abzuhalten und gedenkt die
Thietbirga einer persönlichen Untersuchung und einem Gerichte
zu unterwerfen. Und zwar will er sich gänzlich von ihr scheiden, wenn
es ihm gelänge, durch die Blendwerke seiner Falschheit oder durch
künstliche Winkelzüge zu erweisen, daß sie nicht sein rechtmäßiges
Eheweib gewesen sei. Im anderen Falle will er sie zwar als seine Frau in's
Haus nehmen, sie alsdann aber des Ehebruches beschuldigen und deshalb einen
seiner Leute und einen von Seiten der Thietbirga
zum Einzelkampfe loslassen. Und wenn der Mann der Königin fallen sollte,
gedenkt er diese ohne Verzug um's Leben zu bringen. Wie sehr dies allen
göttlichen Gesetzen widerstreitet, wird, wie wir glauben, die Größe
eurer Klugheit selbst ermessen. Doch wollen auch wir in aller Kürze
hierüber einige Erörterungen anstellen, indem wir zuvörderst
versichern, daß wegen der vorangegangenen Streitfrage Thietbirga
keine abermalige Entscheidung mehr anrufen darf, weil das, was einmal gehörig
abgeurteilt und unter Eidesleistung entschieden ist, nicht von vorn wieder
vorgenommen werden darf, außer wo eine höhere Autorität
vorhanden ist. Weil sie ferner beider Kirche Zuflucht sucht und stets nach
einem kirchlichen Gerichte verlangt, darf sie nicht einem weltlichen Gerichte
unterworfen werden. Sodann aber, da wir von beiden Theilen, d. h. sowohl
von Lothar als von Thietbirga
zum Richter aufgerufen worden sind und den Rechtshandel beider verfolgt
haben, so gebührt es sich nicht, in dieser Angelegenheit an einen
andern Richter sich zu wenden, da es nach den heiligen Kirchengesetzen
nicht freisteht, von den Richtern, die der gemeinsame Wille beider erwählt
hat, zu appelliren, und man auch da, wo eine Appellation gestattet ist,
nur dahin appelliren kann, wo eine höhere Autorität besteht.
Mithin, weil es nirgends eine höhere Autorität giebt, als die
des apostolischen Stuhles, der die Angelegenheiten beider verfolgt hat,
so wissen wir nicht, ob es irgend Jemand freisteht, über dessen Urtheil
zu urtheilen oder seine Sentenz umzustoßen." Und nach wenigen Worten
fährt er fort: "Wer sähe nicht, daß jene Anklage des Ehebruches,
die Lothar gegen Thietbirga
erhebt, voller Unredlichkeit ist? Wenn nämlich jene, wie er selbst
behauptet, nicht sein Weib ist, wie kommt es ihm zu, die Verleumdung des
Ehebruches gegen sie zu ersinnen, da, wenn sie Niemandes Frau war, sie
auch die Ehe nicht brechen konnte: wenn sie fortan von Lothar
noch des Ehebruchs beschuldigt und im Falle der Ueberführung
eine Strafe ihr bereitet wird, so muß er sie nothwendig als sein
Weib anerkennen." Und nach einigen Zwischensätzen heißt es:
"Außerdem wenn entweder über das Band der Ehe selbst oder über
die Anklage auf Ehebruch Recht gesprochen werden soll, so kann offenbar
Thietbirga auf keine Weise gegen
Lothar den Rechtsstreit beginnen oder einem gesetzmäßigen
Processe sich unterziehen, wenn sie nicht zuvor auf einige Zeit wieder
in seine Gewalt zurückgekehrt ist, zugleich aber mit ihren Blutsfreunden
frei verkehrt hat; von diesen muß auch ein Ort ausersehen werden,
wo die Gewalt der Menge nicht zu fürchten und wo es nicht schwierig
ist, Zeugen herbeizuschaffen, sowie die übrigen Personen, welche ebenso
von den heiligen Canones wie von den ehrwürdigen Gesetzen der Römer
in derartigen Streitsachen erfordert werden. Dies sagen wir jedoch nicht,
damit es geschehen soll, da wir oben gezeigt haben, daß es ohne unser
Geheiß und unsere Verfügung nicht geschehen kann."Derselbe heiligste
Bischof also von dem Eifer Gottes entzündet, von welchem einst der
Priester Finees entflammt war, exkommunizirte Waldrada
in der Peterskirche gerade am Tage der Reinigung der heiligen Gottesmutter
Maria und stieß sie aus aller Gemeinschaft der Christen aus; auch
richtete er einen Brief an alle in Germanien und Gallien befindlichen Bischöfe,
der die Ursachen sowie die Form der Exkommunikation enthielt. Der Kürze
wegen will ich hier mehr seinen allgemeinen Inhalt als seinen Wortlaut
hersetzen.
"Wir hatten zwar in Bezug auf die unzüchtige und hartnäckig in ihrer Unbußfertigkeit verharrende Waldrada beschlossen, das Maaß der Strafe minder streng festzusetzen und nach Verhältniß dessen, was sie verdient hat, für ein so schweres Vergehen die gerechte Strafsentenz nicht so ganz auszusprechen, wenn sie nicht mit verstocktem Gemüthe entschlossen wäre, beständig in dem Schlamme der Unzucht zu verbleiben. Darum, weil sie unsere Warnungen und häufigen Ermahnungen mißachtet, weil sie ihre Schuld bisher weder erkannt noch gebeichtet, noch auch von uns, die wir die Führung ihrer Sache übernommen, durch eine Gesandtschaft Verzeihung erheischt hat und zuletzt, als sie auf geradem Wege uns hätte angehen und des seligen Apostels Petrus Beistand nachsuchen müssen, zum Satanas zurückgekehrt ist und auch noch immer nicht aufhört, der Königin Thietbirga mit Listen nachzustellen in der Absicht, ihr den Untergang zu bereiten, sagen wir mit dem trefflichen Apostel, was gegen sie und ihres Gleichen öfter angewendet werden kann, daß sie sich nach ihrem verstockten und unbußfertigen Herzen selbst den Zorn auf den Tag des Zornes häuft. Deshalb exkommuniziren wir sie ihrer Thaten wegen, von dem Genusse des kostbaren Leibes und Blutes des Herrn und haben sie nach dem Urtheile des heiligen Geistes, der seligen Apostel Petrus und Paulus und unserer Mittelmäßigkeit mit allen ihren Mitschuldigen, Verbündeten und Gönnern aus jedweder Gemeinschaft der heiligen Kirche völlig verbannt, bis sie der Kirche Christi und insonderheit uns, die wir vornehmlich Sorge für dieselbe tragen und die wir von Anfang an ihre Sache verfolgt und erforscht haben, Genüge geleistet hat, bis sie ferner allen üblen Verdacht von sich ablenkt, indem sie unseren Rath befolgt. Wir erinnern, daß diese Sentenz am 2. Februar von uns verkündigt worden, und haben euch dieselbe schriftlich zugeschickt, und damit unser Bemühen nicht erfolglos bleibe, so möge eure Brüderlichkeit gegen die gedachte Ehebrecherin und ihre Genossen die geistlichen Waffen erheben und ein jeder in seiner Parochie mit lauter Stimme diese Exkommunizirte und ihre Gönner bekannt machen, bis sie sich einer entsprechenden Buße nach unserem besonderen Urtheil unterwirft."
Derselbe ehrwürdigste Priester sandte auch an den
König Lothar einen Brief des folgenden
Inhaltes: "Nachdem wir von unserem zurückkehrenden Botschafter, so
zu sagen, den Anfang deiner Besserung gehört hatten, haben wir Gott
den schuldigen Dank erstattet und uns dazu vorbereitet, auch dir den gebührenden
Dank auszusprechen. Doch leider trat die Ankunft einer entgegengesetzten
Nachricht schnell unserer schon gefaßten Absicht in den Weg. Dadurch
sehen wir uns genöthigt, unsere Sprache zu ändern und nachdem
wir schon im Begriffe waren, den Mund zur Danksagung zu öffnen, müssen
wir noch immer nothgedrungen den Dienst der Zunge für Schmerz und
Vorwürfe in Anspruch nehmen. Denn wir haben erfahren, daß du,
der du geraume Zeit hindurch fortfrevelnd der Kirche Gottes gewaltigen
Schaden zugefügt, ihr noch immer schadest, und daß du mit dem
Schmutze, in dem du dich befandest, dich noch immer beschmutzest. Dir genügt
es nämlich nicht, wie wir glauben, bloß einen Ehebruch begangen
zu haben, wenn du nicht außerdem noch die Seelen der Menschen in
die Netze des Meineids verstrickt in das äußerste Verderben
stürzest. Doch wie darf man sich wundern, daß du den Seelen
einiger weniger durch Meineid den Untergang bereitet hast, da du auf so
hohem Gipfel stehend durch das Vorbild deiner Hurerei so viele Tausende
von Menschen in das Chaos der Verderbniß hinabstürzest? Jene
Behauptung aber, mit welcher Thietbirga
gleichsam für die Waldrada Zeugniß
ablegen will, daß diese deine rechtmäßige Gattin gewesen
sei, bemüht sie sich, freiwillig oder gezwungen, ohne Erfolg aufzubringen,
zumal da ihres Zeugnisses in dieser Angelegenheit sicherlich Niemand bedarf.
Wir urtheilen und erkennen vielmehr als recht und billig, daß du
auch nach dem Tode der Thietbirga nach
keinem Gesetz und keiner Vorschrift je die Waldrada
als Gattin heimführen könnest oder dürfest. Ob
also auch Waldrada einst deine rechtmäßige
Gattin gewesen sein mag, so bedarf dennoch die Kirche Gottes nicht einer
Buße der Thietbirga. Eins jedoch
wissen wir, daß nach dem Ratschluß Gottes, der die Ehebrecher
richten wird, weder wir noch die Kirche Gottes dich völlig unbestraft
lassen werden, wenn du zu irgend einer Zeit auch nach dem Hingange der
Thietbirga die Waldrada wieder zu dir
nimmst." Und nach wenigen Worten fährt er fort: "Lasse dir's demnach
angelegen sein, die besagte Thietbirga,
deine Gattin wie dein eigenes Fleisch mit der größten Hingebung
zu hegen und zu lieben und gieb wohl Acht, daß du sie nicht auf irgend
eine Weise von dir scheiden läßt; deshalb züchtige sie,
wenn sie von dir gehen will, vielmehr weise sie zurecht und suche sie gänzlich
von einem derartigen Vorhaben abzubringen. Wenn sie nun aber aus Liebe
zur Schamhaftigkeit nach der Trennung strebt und nach einer Lösung
des ehelichen Bandes verlangt, so ist es gewiß, wie der Apostel sagt:
Das Weib ist ihres Leibes nicht mächtig, sondern der Mann; wenn jedoch
auch du der Keuschheit dich befleißigend eines Gelübdes halber
die Ehe auflösen willst, so gestatten wir es, falls es mit Aufrichtigkeit
geschieht. Denn obgleich geschrieben steht: Was Gott zusammengefüget
hat, das soll der Mensch nicht scheiden, so scheidet doch gerade Gott und
nicht der Mensch, wenn im Hinblick auf die göttliche Liebe mit der
Zustimmung beider Gatten Ehen aufgelöst werden. Wenn du es demnach
auf diese Weise willst, so gestatten wir es dir mit willigem Herzen und
ertheilen alsbald unsere Genehmigung; daß aber auf andere Weise eure
beiderseitige Trennung stattfinde, verwehren wir. Wenn ferner ihre Unfruchtbarkeit
ihr zum Vorwurf gemacht wird, so mögest du doch an die neunzigjährige
Sara denken, auch an Anna zugleich und an Elisabeth; diese Kinderlosigkeit
jedoch bewirkt vielleicht nicht einmal die Unfruchtbarkeit, sondern die
Ungerechtigkeit. Deshalb, ruhmwürdigster König, sei zufrieden
mit deinem eigenen Weibe und begehre außer der ihrigen keiner andern
Beiwohnung. Nimm daher unseren Rath an, befolge unsere Ermahnungen als
die eines zärtlichen Vaters und halte dein Herz, deine Zunge und deinen
Leib von allem unsittlichen Thun zurück, indem du vorzüglich
die Gemeinschaft deines längst verstoßenen Kebsweibes Waldrada
meidest und die Verbindung mit ihr ewiger Vergessenheit anheimgiebst. Denn
sie ist exkommunizirt und, bis sie persönlich vor
uns erscheint aus aller Gemeinschaft der Christen ausgeschieden, wie dies
bereits der ganze Westen weiß und wie es eben jetzt durch unsere
Botschafter auch der Osten nebst den übrigen Theilen der Erde erfahren
wird. Deshalb mußt du dich hüten, damit du nicht mit ihr durch
ein Strafurtheil von gleicher Schärfe getroffen und wegen der Leidenschaft
für Ein Weibsbild und eines Verlangens von kürzester Dauer in
Fesseln und Banden zu dem Schwefelpfuhl und dem ewigen Verderben mitgezogen
werdest." Und nach einigen Zwischensätzen schloß er den Brief
so: "Es mag aber genug sein, daß wir dir jetzt dies geschrieben und
gleichsam unter uns beiden diese deine Ausschweifungen züchtigenden
Worte geredet haben; für die Folgezeit sieh dich vor, daß wir
nicht nach des Herrn Vorschrift zwei oder drei Zeugen hinzuziehen oder
vielmehr, daß wir dies nicht der heiligen Kirche sagen und daß
du alsdann, was wir nicht wünschen, gleich einem Heiden und Zöllner
werdest."
Dies wenige haben wir von vielem aufzuzeichnen unternommen, damit auf diese Weise denen, die nichts davon wissen, die Dinge zum Theil bekannt würden, denen aber, die sie wissen, dieselben nicht durchaus lästig fielen. Im Nachfolgenden aber wird an passender Stelle gezeigt werden, welchen Ausgang das Unheil dieser verderbenschwangern Krankheit genommen hat, indem sie der Heilung durch das apostolische Gegengift widerstrebte, und wie große Verluste dem Reiche durch diese todbringende Seuche zugefügt wurden, wie dies der zuvor erwähnte heiligste Papst vom heiligen Geiste angehaucht vorherverkündigt hatte.
Um diese Zeit drang König Ludowich mit einem Heere in das Reich seines Bruders Karl ein, indem er danach trachtete, die westlichen Lande seiner Herrschaft zu unterwerfen und dem Bruder den ihm gehörenden Antheil zu entreißen, der ihm durch die Erbschaft in rechtlicher Weise bestimmt und zugemessen war. So vergaß er die Bande der Brüderschaft und Blutsfreundschaft, vergaß den Vertrag, welchen sie vor Zeiten durch gegenseitige Uebereinkunft abgeschlossen, war sogar uneingedenk der Eidschwüre, mit welchen er sich unter schweren Verwünschungen vor Gott verpflichtet hatte. Zur Begehung dieser That diente die folgende verlockende Gelegenheit als Antrieb. Karl ließ, wie wir früher erzählt haben, einige der Edelsten seines Reiches, die öffentlich verurtheilt waren,mit dem Schwerte hinrichten, andere stürzte er durch arglistigen Betrug ins Verderben. Die übrigen, aus Furcht, Aehnliches zu erdulden, reizen den König Ludowich, der jenseits des Rheines herrschte, auf, und verführen ihn, das Reich des Bruders zu erobern, durch das Versprechen, sie selbst mit dem Reiche würden sich seiner Hoheit ergeben. Durch diese Ueberredung, wie denn die Herzen der Könige gierig und stets unersättlich sind, ließ er sich leicht zu Hoffnungen verleiten und drang, wie schon gesagt, mit starker Mannschaft in die Grenzen des Reiches ein. Als Karl merkte, daß die Streitmacht seines Königreichs von ihm abgefallen sei, suchte er an dem äußersten Ende Aquitaniens einen Schlupfwinkel seiner Flucht. Ludowich eroberte das Land, wie er begonnen hatte, und gelangtebis zur Stadt Senonis. Nachdem er aber sein Heer nach Germanien in die Heimat entlassen, hub er an mit den Großen über die Angelegenheiten des Reiches zu verfügen; doch plötzlich wechselt sein Glück. Denn die Fürsten, die ihn in das Reich gerufen hatten, sehen, daß er ganz anders gegen sie aufträte, als sie gemeint, und kehren, von Reue ergriffen, zu Karl zurück. Karl voller Freude, daß ihm wieder Kräfte zuwachsen, nachdem er seine Sache schon aufgegeben, zieht von allen Seiten Truppen zusammen und will einen Angriff gegen seinen Bruder wagen. Dieser, da er sich sowohl von den Seinigen, die er selbst herbeigeführt, als auch von denen, die er dort sich erworben zu haben schien, verlassen sah, ergriff schleunigst die Flucht und wich mit gebührender Beschämung über die Grenzen des Reiches zurück.
Um diese Zeit begann der Abt Hucbert, der Bruder
der Königin Thietbirga, gegen
den König Lothar sich aufzulehnen;
er sammelte nämlich eine starke Schaar von Räubern, ging mit
diesen auf Plünderung aus und nachdem er die Mannen Lothar's,
welche die zunächst gelegenen Orte besaßen, getödtet oder
verjagt hatte, vertheilte er ihre Aecker und Häuser unter seine Spießgesellen.
Um diese Verwegenheit zu züchtigen, führte König
Lothar einmal und abermals und zum dritten Male ein Heer wider
ihn in's Feld und sandte auch häufig Kriegsschaaren unter andern Führern
gegen ihn aus, aber er vermochte durchaus dieser Frechheit kein Ende zu
machen, weil die unzugänglichen Gegenden zwischen dem Jura und den
penninischen Alpen den Aufständischen eine sehr sichere Zuflucht gewährten,
dem Könige und seinem Heere dagegen wegen der tief eingeschnittenen
Thäler und steil abfallenden Berge sehr enge Straßen und schwierige
Pässe. Dennoch wurde dieser meisterlose Hucbert zuletzt vom
Grafen
Konrad bei dem festen Platz, welcher Urba heißt, erschlagen.
Im J. d. g. M.