Das Jahr 866.
Der Bischof Arsenius, der Kanzler und Rath des Papstes Nicolaus, wurde an seiner Statt nach Francien gesendet; als er dort eintraf, übte er so große Autorität und Gewalt, als wenn der oberste Bischof selbst angekommen wäre. Nachdem er nämlich eine Versammlung der Bischöfe berufen, richtet er an den König Lothar den Antrag, eins von zwei Dingen zu wählen, entweder möge er sich mit seiner eigenen Gattin versöhnen, nachdem er sich von aller Gemeinschaft mit dem Kebsweibe Waldrada losgesagt, oder sofort werde er selbst, sowie alle die, welche ihm bei diesem Vergehen ihre Unterstützung gewährt, mit dem Schwerte des Bannes geschlagen werden. Durch diese Noth gedrängt, mußte er wohl oder übel die Königin Thietbirga wieder zum Ehegemahl nehmen und noch dazu einen Eidschwur ablegen, daß er sie fortan so halten wolle, wie nach den Gesetzen der Billigkeit eine rechtmäßige Gemahlin gehalten werden soll, und daß er ferner sich weder von ihr trennen, noch bei ihren Lebzeiten eine andere neben ihr in's Haus einführen würde. Hiernach befiehlt er der Waldrada nach Gottes und des heiligen Petrus Autorität und auf das Geheiß seines Herrn des Papstes nach Rom zu gehen und zu trachten, daß sie dort Rechenschaft über sich ablegen könne. Er erklärte auch allen, daß Engildruda, einst die Gattin des Grafen Boso, gleichfalls vom apostolischen Stuhle exkommunizirt worden sei, weil sie ihren eigenen Mann verlassen hatte und dem Wanger, ihrem Lehnsmann, nach Gallien gefolgt war; diese Exkommunikation erneuerte er mit allen den Bischöfen, die zugegen waren.
Hiernach stellte sich Engildrudis dem besagten
Arsenius in der Stadt Wormatia, an welchem Orte der genannte Bischof mit
dem Könige Ludowich zusammengetroffen
war. Sie schwor also in Gegenwart desselben Gesandten einen Eid, der folgende
Fassung hatte: "Ich, Engildrudis, Tochter des weiland Grafen
Mathfrid, die ich die Gattin des Grafen Boso gewesen bin, schwöre
euch Herrn Arsenius, Bischof, Botschafter und Kanzler des höchsten
heiligen katholischen und apostolischen Stuhles, und durch euch meinem
Herrn Nicolaus, dem höchsten Priester und allgemeinen Papste, bei
dem Vater, dem Sohne und dem heiligen Geiste und bei diesen vier Evangelien
des Christes Gottes, welche ich mit dem Munde küsse und mit eigenen
Händen berühre, daß ich hinfort mit Aufgebung jener Boshaftigkeit,
die ich an meinem vorgedachten Manne Boso ausgeübt, wie ein
Schaf, das verloren war, zu der heiligen katholischen und apostolischen
Kirche unter der Verpflichtung, zu welcher Herr Nicolaus der höchste
Priester und allgemeine Papst mich verband, zurückkehren und nach
dem italischen Reiche, wie ihr es mir vorschreibt, entweder mit euch oder
vor euch reisen und was der Herr Papst mir anbefehlen oder bestimmen sollte,
erfüllen und zu vollziehen mich nicht weigern werde." Aber diesen
so furchtbaren Eid erfüllte sie dennoch nicht. Sie reiste nämlich
bis zum Donaustrom mit dem Arsenius, dort verabredete sie, daß sie
einen ihrer Verwandten aufsuchen wolle, um von ihm Pferde zu bekommen,
und versprach, daß sie nach der Stadt Augusta zu selbigem Botschafter
zurückkehren werde. Unter solchem Vorwande ihre Schritte rückwärts
lenkend,
kehrte sie von Alamannien nach Francien zurück; als der erwähnte
Arsenius dies erfuhr, richtete er ein Schreiben an alle Erzbischöfe,
Bischöfe und Priester, sowie an alle Getreuen der heiligen Kirche
Gottes, die in Gallien, Germanien und Neustrien weilten, worin er sie insgesammt
bei der Autorität des allmächtigen Gottes und der seligen Apostelfürsten
Petrus und Paulus, wie auch des Herrn Bischofs und allgemeinen Papstes
Nicolaus beschwor, daß Niemand sie in seinem Sprengel aufnähme,sondern
in allen ihren Kirchen sollten sie predigen, daß dieselbe völlig
exkommunizirt und von aller christlichen Gemeinschaft ausgeschieden, zudem
auch mit der Fessel des Bannes gebunden und unter den gottlosen Verbrecherinnen
verdammt sei, bis sie ihrer verderblichen Zusammenrottung halber und wegen
des geleisteten Meineids von dem Herrn Papst in dessen Gegenwart eine entsprechende
Buße empfangen habe.
Nachdem dies der Hauptsache nach erwähnt worden,
wollen wir zu der beweinenswerthen Angelegenheit des Königs
Lothar zurückkehren. Der Gesandte des apostolischen Stuhles
also, nachdem er in Gallien die Dinge geordnet hatte, kehrte nach Rom zurück,
woher er gekommen war. Und abermals wird durch die Bemühung der Waldrada
und ihrer Helfershelfer des Königs Gemüth gegen die Thietbirga
aufgehetzt, sein Zorn erregt und in der erloschenen Asche der Zwietracht
und des Hasses von neuem ein kräftiges Feuer angeblasen. Sie wird
verachtet, verabscheut, zurückgesetzt, die Anklage des Ehebruches
wird ihr angehängt und mit aller Anstrengung des Scharfsinnes etwas
aufgesucht, um sie als Schuldige bestrafen zu können. Jene, da sie
die Todesgefahr ihr bevorstehen sah, entfloh heimlich und als sie zu Karl
gekommen war, vertraute sie sich seinem Schutze an; sobald dies
durch die Verbreitung des Gerüchtes der Papst Nicolaus erfahren
hatte, schickte er an den König Karl ein
Belobungsschreiben des folgenden Inhaltes: "Wir gedenken, daß unter
den andern frommen Vorkämpfern der heiligen Kirche und unter den wackeren
Vertheidigern der Wahrheit Niemand besorgter gewesen über die Erniedrigung
der ruhmvollen Königin Thietbirga,
Niemand mit ihren Unbilden mehr Mitleid gehabt hat, als euer fromm gesinntes
Herz." Und nach einer passenden Aufmunterung fügte er hinzu: "Wir
wünschen, daß eure Herrlichkeit wohl wisse, wie König Lothar
seine Gattin Thietbirga mit verschiedenen
Drangsalen heimgesucht und sie gegen den geleisteten Eid zahllosen Quälereien
unterworfen habe, so daß sie uns jetzt aus Zwang schrieb, sie möchte
der königlichen Würde und ihrer Ehe entledigt werden und würde
mit einem einsamen Privatleben zufrieden sein. Wir schrieben ihr, daß
dies auf keine andere Weise geschehen könne, als wenn auch ihr Gatte
Lothar sich für eine gleiche Lebensweise
entschiede. Doch wie wir aus dem Berichte vieler erfahren haben, hat Lothar
selbst beschlossen, eine Reichsversammlung abzuhalten und gedenkt
die Thietbirga einer persönlichen
Untersuchung und einem Gerichte zu unterwerfen. Und zwar will er sich gänzlich
von ihr scheiden, wenn es ihm gelänge, durch die Blendwerke seiner
Falschheit oder durch künstliche Winkelzüge zu erweisen, daß
sie nicht sein rechtmäßiges Eheweib gewesen sei. Im anderen
Falle will er sie zwar als seine Frau in's Haus nehmen, sie alsdann aber
des Ehebruches beschuldigen und deshalb einen seiner Leute und einen von
Seiten der Thietbirga zum Einzelkampfe
loslassen. Und wenn der Mann der Königin fallen sollte, gedenkt er
diese ohne Verzug um's Leben zu bringen. Wie sehr dies allen göttlichen
Gesetzen widerstreitet, wird, wie wir glauben, die Größe eurer
Klugheit selbstermessen. Doch wollen auch wir in aller Kürze hierüber
einige Erörterungen anstellen, indem wir zuvörderst versichern,
daß wegen der vorangegangenen Streitfrage
Thietbirga keine abermalige Entscheidung mehr anrufen darf,
weil das, was einmal gehörig abgeurteilt und unter Eidesleistung entschieden
ist, nicht von vorn wieder vorgenommen werden darf, außer wo eine
höhere Autorität vorhanden ist. Weil sie ferner beider Kirche
Zuflucht sucht und stets nach einem kirchlichen Gerichte verlangt, darf
sie nicht einem weltlichen Gerichte unterworfen werden. Sodann aber, da
wir von beiden Theilen, d. h. sowohl von Lothar
als von Thietbirga zum Richter
aufgerufen worden sind und den Rechtshandel beider verfolgt haben, so gebührt
es sich nicht, in dieser Angelegenheit an einen andern Richter sich zu
wenden, da es nach den heiligen Kirchengesetzen nicht freisteht, von den
Richtern, die der gemeinsame Wille beider erwählt hat, zu appelliren,
und man auch da, wo eine Appellation gestattet ist, nur dahin appelliren
kann, wo eine höhere Autorität besteht. Mithin, weil es nirgends
eine höhere Autorität giebt, als die des apostolischen Stuhles,
der die Angelegenheiten beider verfolgt hat, so wissen wir nicht, ob es
irgend Jemand freisteht, über dessen Urtheil zu urtheilen oder seine
Sentenz umzustoßen."
Und nach wenigen Worten fährt er fort: "Wer sähe
nicht, daß jene Anklage des Ehebruches, die Lothar
gegen Thietbirga erhebt, voller Unredlichkeit
ist? Wenn nämlich jene, wie er selbst behauptet, nicht sein Weib ist,
wie kommt es ihm zu, die Verleumdung des Ehebruches gegen sie zu ersinnen,
da, wenn sie Niemandes Frau war, sie auch die Ehe nicht brechen konnte:
wenn sie fortan von Lothar noch des
Ehebruchs beschuldigt und im Falle der Ueberführung eine Strafe ihr
bereitet wird, so muß er sie nothwendig als sein Weib anerkennen."
Und nach einigen Zwischensätzen heißt es: "Außerdem wenn
entweder über das Band der Ehe selbst oder über die Anklage auf
Ehebruch Recht gesprochen werden soll, so kann offenbar Thietbirga
auf keine Weise gegen Lothar
den Rechtsstreit beginnen oder einem gesetzmäßigen Processe
sich unterziehen, wenn sie nicht zuvor auf einige Zeit wieder in seine
Gewalt zurückgekehrt ist, zugleich aber mit ihren Blutsfreunden frei
verkehrt hat; von diesen muß auch ein Ort ausersehen werden, wo dieGewalt
der Menge nicht zu fürchten und wo es nicht schwierig ist, Zeugen
herbeizuschaffen, sowie die übrigen Personen, welche ebenso von den
heiligen Canones wie von den ehrwürdigen Gesetzen der Römer in
derartigen Streitsachen erfordert werden.
Dies sagen wir jedoch nicht, damit es geschehen soll,
da wir oben gezeigt haben, daß es ohne unser Geheiß und unsere
Verfügung nicht geschehen kann."
Derselbe heiligste Bischof also von dem Eifer Gottes entzündet, von welchem einst der Priester Finees entflammt war, exkommunizirte Waldrada in der Peterskirche gerade am Tage der Reinigung der heiligen Gottesmutter Maria und stieß sie aus aller Gemeinschaft der Christen aus; auch richtete er einen Brief an alle in Germanien und Gallien befindlichen Bischöfe, der die Ursachen sowie die Form der Exkommunikation enthielt. Der Kürze wegen will ich hier mehr seinen allgemeinen Inhalt als seinen Wortlaut hersetzen.
"Wir hatten zwar in Bezug auf die unzüchtige und hartnäckig in ihrer Unbußfertigkeit verharrende Waldrada beschlossen, das Maaß der Strafe minder streng festzusetzen und nach Verhältniß dessen, was sie verdient hat, für ein so schweres Vergehen die gerechte Strafsentenz nicht so ganz auszusprechen, wenn sie nicht mit verstocktem Gemüthe entschlossen wäre, beständig in dem Schlamme der Unzucht zu verbleiben. Darum, weil sie unsere Warnungen und häufigen Ermahnungen mißachtet, weil sie ihre Schuld bisher weder erkannt noch gebeichtet, noch auch von uns, die wir die Führung ihrer Sache übernommen, durch eine Gesandtschaft Verzeihung erheischt hat und zuletzt, als sie auf geradem Wege uns hätte angehen und des seligen Apostels Petrus Beistand nachsuchen müssen, zum Satanas zurückgekehrt ist und auch noch immer nicht aufhört, der Königin Thietbirga mit Listen nachzustellen in der Absicht, ihrden Untergang zu bereiten, sagen wir mit dem trefflichen Apostel , was gegen sie und ihres Gleichen öfterangewendet werden kann, daß sie sich nach ihrem verstockten und unbußfertigen Herzen selbst den Zorn auf den Tag des Zornes häuft. Deshalb exkommuniziren wir sie ihrer Thaten wegen, von dem Genusse des kostbaren Leibes und Blutes des Herrn und haben sie nach dem Urtheile des heiligen Geistes, der seligen Apostel Petrus und Paulus und unserer Mittelmäßigkeit mit allen ihren Mitschuldigen, Verbündeten und Gönnern aus jedweder Gemeinschaft der heiligen Kirche völlig verbannt, bis sie der Kirche Christi und insonderheit uns, die wir vornehmlich Sorge für dieselbe tragen und die wir von Anfang an ihre Sache verfolgt und erforscht haben, Genüge geleistet hat, bis sie ferner allen üblen Verdacht von sich ablenkt, indem sie unseren Rath befolgt. Wir erinnern, daß diese Sentenz am 2. Februar von uns verkündigt worden, und haben euch dieselbe schriftlich zugeschickt, und damit unser Bemühen nicht erfolglos bleibe, so möge eure Brüderlichkeit gegen die gedachte Ehebrecherin und ihre Genossen die geistlichen Waffen erheben und ein jeder in seiner Parochie mit lauter Stimme diese Exkommunizirte und ihre Gönner bekannt machen, bis sie sich einer entsprechenden Buße nach unserem besonderen Urtheil unterwirft."
Derselbe ehrwürdigste Priester sandte auch an den
König Lothar einen Brief des folgenden
Inhaltes: "Nachdem wir von unserem zurückkehrenden Botschafter, so
zu sagen, den Anfang deiner Besserung gehört hatten, haben wir Gott
den schuldigen Dank erstattet und uns dazu vorbereitet, auch dir den gebührenden
Dank auszusprechen. Doch leider trat die Ankunft einer entgegengesetzten
Nachricht schnell unserer schon gefaßten Absicht in den Weg. Dadurch
sehen wir uns genöthigt, unsere Sprache zu ändern und nachdem
wir schon im Begriffe waren,den Mund zur Danksagung zu öffnen, müssen
wir noch immer nothgedrungen den Dienst der Zunge für Schmerz und
Vorwürfe in Anspruch nehmen. Denn wir haben erfahren, daß du,
der du geraume Zeit hindurch fortfrevelnd der Kirche Gottes gewaltigen
Schaden zugefügt, ihr noch immer schadest, und daß du mit dem
Schmutze, in dem du dich befandest, dich noch immer beschmutzest. Dir genügt
es nämlich nicht, wie wir glauben, bloß einen Ehebruch begangen
zu haben, wenn du nicht außerdem noch die Seelen der Menschen in
die Netze des Meineids verstrickt in das äußerste Verderben
stürzest. Doch wie darf man sich wundern, daß du den Seelen
einiger weniger durch Meineid den Untergang bereitet hast, da du auf so
hohem Gipfel stehend durch das Vorbild deiner Hurerei so viele Tausende
von Menschen in das Chaos der Verderbniß hinabstürzest? Jene
Behauptung aber, mit welcher Thietbirga
gleichsam für die Waldrada Zeugniß ablegen will, daß diese
deine rechtmäßige Gattin gewesen sei, bemüht sie sich,
freiwillig oder gezwungen, ohne Erfolg aufzubringen, zumal da ihres Zeugnisses
in dieser Angelegenheit sicherlich Niemand bedarf. Wir urtheilen und erkennen
vielmehr als recht und billig, daß du auch nach dem Tode der Thietbirga
nach keinem Gesetz und keiner Vorschrift je die Waldrada als Gattin heimführen
könnest oder dürfest. Ob also auch Waldrada einst deine rechtmäßige
Gattin gewesen sein mag, so bedarf dennoch die Kirche Gottes nicht einer
Buße der Thietbirga. Eins jedoch
wissen wir, daß nach dem Ratschluß Gottes, der die Ehebrecher
richten wird, weder wir noch die Kirche Gottes dich völlig unbestraft
lassen werden, wenn du zu irgend einer Zeit auch nach dem Hingange der
Thietbirga die Waldrada wieder zu dir
nimmst." Und nach wenigen Worten fährt er fort: "Lasse dir's demnach
angelegen sein, die besagte Thietbirga,
deine Gattin wie dein eigenes Fleisch mit der größtenHingebung
zu hegen und zu lieben und gieb wohl Acht, daß du sie nicht auf irgend
eine Weise von dir scheiden läßt; deshalb züchtige sie,
wenn sie von dir gehen will, vielmehr weise sie zurecht und suche sie gänzlich
von einem derartigen Vorhaben abzubringen. Wenn sie nun aber aus Liebe
zur Schamhaftigkeit nach der Trennung strebt und nach einer Lösung
des ehelichen Bandes verlangt, so ist es gewiß, wie der Apostel sagt:
Das Weib ist ihres Leibes nicht mächtig, sondern der Mann; wenn jedoch
auch du der Keuschheit dich befleißigend eines Gelübdes halber
die Ehe auflösen willst, so gestatten wir es, falls es mit Aufrichtigkeit
geschieht. Denn obgleich geschrieben steht: Was Gott zusammengefüget
hat, das soll der Mensch nicht scheiden, so scheidet doch gerade Gott und
nicht der Mensch,wenn im Hinblick auf die göttliche Liebe mit der
Zustimmung beider Gatten Ehen aufgelöst werden. Wenn du es demnach
auf diese Weise willst, so gestatten wir es dir mit willigem Herzen und
ertheilen alsbald unsere Genehmigung; daß aber auf andere Weise eure
beiderseitige Trennung stattfinde, verwehren wir. Wenn ferner ihre Unfruchtbarkeit
ihr zum Vorwurf gemacht wird, so mögest du doch an die neunzigjährige
Sara denken, auch an Anna zugleich und an Elisabeth; diese Kinderlosigkeit
jedoch bewirkt vielleicht nicht einmal die Unfruchtbarkeit, sondern die
Ungerechtigkeit. Deshalb, ruhmwürdigster König, sei zufrieden
mit deinem eigenen Weibe und begehre außer der ihrigen keiner andern
Beiwohnung. Nimm daher unseren Rath an, befolge unsere Ermahnungen als
die eines zärtlichen Vaters und halte dein Herz, deine Zunge und deinen
Leib von allem unsittlichen Thun zurück, indem du vorzüglich
die Gemeinschaft deines längst verstoßenen Kebsweibes Waldrada
meidest und die Verbindung mit ihr ewiger Vergessenheit anheimgiebst. Denn
sie ist exkommunizirt und, bis sie persönlich vor
uns erscheint aus aller Gemeinschaft der Christen ausgeschieden, wie dies
bereits der ganze Westen weiß und wie es eben jetzt durch unsere
Botschafter auch der Osten nebst den übrigen Theilen der Erde erfahren
wird. Deshalb mußt du dich hüten, damit
du nicht mit ihr durch ein Strafurtheil von gleicher
Schärfe getroffen und wegen der Leidenschaft für Ein Weibsbild
und eines Verlangens von kürzester Dauer in Fesseln und Banden zu
dem Schwefelpfuhl und dem ewigen Verderben mitgezogen werdest." Und nach
einigen Zwischensätzen schloß er den Brief so: "Es mag aber
genug sein, daß wir dir jetzt dies geschrieben und gleichsam unter
uns beiden diese deine Ausschweifungen züchtigenden Worte geredet
haben; für die Folgezeit sieh dich vor, daß wir nicht nach des
Herrn Vorschrift zwei oder drei Zeugen hinzuziehen oder vielmehr, daß
wir dies nicht der heiligen Kirche sagen und daß du alsdann, was
wir nicht wünschen, gleich einem Heiden und Zöllner werdest."
Dies wenige haben wir von vilem aufzuzeichnen unternommen,
damit auf diese Weise denen, die nichts davon wissen, die Dinge zum Theil
bekannt würden, denen aber, die sie wissen, dieselben nicht durchaus
lästig fielen. Im Nachfolgenden aber wird an passender Stelle gezeigt
werden, welchen Ausgang das Unheil dieser verderbenschwangern Krankheit
genommen hat, indem sie der Heilung durch das apostolische Gegengift widerstrebte,
und wie große Verluste dem Reiche durch diese todbringende Seuche
zugefügt wurden, wie dies der zuvor erwähnte heiligste Papst
vom heiligen Geiste angehaucht vorherverkündigt hatte.
Um diese Zeit drang König Ludowich mit einem Heere in das Reich seines Bruders Karl ein, indem er danach trachtete, die westlichen Lande seiner Herrschaft zu unterwerfen und dem Bruder den ihm gehörenden Antheil zu entreißen, der ihm durch die Erbschaft in rechtlicher Weise bestimmt und zugemessen war. So vergaß er die Bande der Brüderschaft und Blutsfreundschaft, vergaß den Vertrag, welchen sie vor Zeiten durch gegenseitige Uebereinkunft abgeschlossen, war sogar uneingedenk der Eidschwüre, mit welchen er sich unter schweren Verwünschungen vor Gott verpflichtet hatte. Zur Begehung dieser That diente die folgende verlockende Gelegenheit als Antrieb. Karl ließ, wie wir früher erzählt haben, einige der Edelsten seines Reiches, die öffentlich verurtheilt waren, mit dem Schwerte hinrichten, andere stürzte er durch arglistigen Betrug ins Verderben. Die übrigen, aus Furcht, Aehnliches zu erdulden, reizen den König Ludowich, der jenseits des Rheines herrschte, auf, und verführen ihn, dasReich des Bruders zu erobern, durch das Versprechen, sie selbst mit dem Reiche würden sich seiner Hoheit ergeben. Durch diese Ueberredung, wie denn die Herzen der Könige gierig und stets unersättlich sind, ließ er sich leicht zu Hoffnungen verleiten und drang, wie schon gesagt, mit starker Mannschaft in die Grenzen des Reiches ein. Als Karl merkte, daß die Streitmacht seines Königreichs von ihm abgefallen sei, suchte er an dem äußersten Ende Aquitaniens einen Schlupfwinkel seiner Flucht. Ludowich eroberte das Land, wie er begonnen hatte, und gelangtebis zur Stadt Senonis. Nachdem er aber sein Heer nach Germanien in die Heimat entlassen, hub er an mit den Großen über die Angelegenheiten des Reiches zu verfügen; doch plötzlich wechselt sein Glück. Denn die Fürsten, die ihn in das Reich gerufen hatten, sehen, daß er ganz anders gegen sie aufträte, als sie gemeint, und kehren, von Reue ergriffen, zu Karl zurück. Karl voller Freude, daß ihm wieder Kräfte zuwachsen, nachdem er seine Sache schon aufgegeben, zieht von allen Seiten Truppen zusammen und will einen Angriff gegen seinen Bruder wagen. Dieser, da er sich sowohl von den Seinigen, die er selbst herbeigeführt, als auch von denen, die er dort sich erworben zu haben schien, verlassen sah, ergriff schleunigst die Flucht und wich mit gebührender Beschämung über die Grenzen des Reiches zurück.
Um diese Zeit begann der Abt Hucbert, der Bruder
der Königin Thietbirga, gegen
den König Lothar sich aufzulehnen;
er sammelte nämlich eine starke Schaar von Räubern, ging mit
diesen auf Plünderung aus und nachdem er die Mannen Lothar's,
welche die zunächst gelegenen Orte besaßen, getödtet oder
verjagt hatte, vertheilte er ihre Aecker und Häuser unter seine Spießgesellen.
Um diese Verwegenheit zu züchtigen, führte König
Lothar einmal und abermals und zum dritten Male ein Heer wider
ihn in's Feld und sandte auch häufig Kriegsschaaren unter andern Führern
gegen ihn aus, aber er vermochte durchaus dieser Frechheit kein Ende zu
machen, weil die unzugänglichen Gegenden zwischen dem Jura und den
penninischen Alpen den Aufständischen eine sehr sichere Zuflucht gewährten,
dem Könige und seinem Heere dagegen wegen der tief eingeschnittenen
Thäler und steil abfallenden Berge sehr enge Straßen und schwierige
Pässe. Dennoch wurde dieser meisterlose Hucbert zuletzt vom Grafen
Konrad bei dem festen Platz, welcher Urba heißt, erschlagen.
Im J. d. g. M.