Sohn des Grafen
Adalbert II. der Erlauchte im Thurgau; Urenkel des Markgrafen
Hunfried I.
Burchard I. folgte dem WELFEN Ruadulf
als dux in Rätien, dem keine Grafen unterstellt waren. 903 erschien
er in dem DLK 20 als "marchio Curiensis Retiae", während er in einer
Privaturkunde aus St. Gallen vom 28. Dezember 909 den Titel "dux" erhielt.
Der angeführte "dux"-Titel bezog sich dabei nicht auf Schwaben, sondern
auf Rätien, wo die Abtei Pfäfers lag. Der Titel "dux" und "marchio"
bezog sich dabei auf die Verwaltung des Grenzgebietes Rätien. Neben
Rätien verwaltete er auch noch eine Grafschaft im Baar, für die
er den "comes"-Titel führte. Gegen die Annahme des schwäbischen
Herzogstitel spricht auch die Tatsache, dass die von mehreren Bischöfen
und Grafen besuchte Versammlung in St. Gallen vom 28. Dezember 909 nicht
von Burchard geleitet wurde. In einem
Tauschvertrag von 904 begegnete er schließlich als Vogt der schwäbischen
Güter des Klosters Lorsch. Im Jahre 910 kämpfte ein schwäbisches
Heer gegen die Ungarn, wobei Graf Gozbert an der Spitze des Aufgebotes
stand. Burchard war um die Jahrhundertwende
der mächtigste und angesehenste Große in Schwaben, strebte nach
der Herzogswürde und geriet gegen die AHALOLFINGER und den Bischof
Salomo III. von Konstanz, die Anhänger des späteren Königs
KONRAD I. waren. Gegen Burchard I.
setzten KONRAD und Salomo nicht nur
die eigenen Kräfte, sondern auch die von ihnen usurpierte königliche
Autorität ein. Burchard unterlag,
wurde auf einem schwäbischen Landtag des Hochverrats für schuldig
befunden und auf Betreiben des Grafen Anselm von Nagold (Stammvater der
Pfalzgrafen von Tübingen) mit dem Bruder und seiner zur karolingischen
Reichsaristokratie mit weitreichenden Verwandtschaftsbeziehungen gehörenden
Schwiegermutter Gisela hingerichtet; der junge Burchard
und seine Frau Regilinde
konnten zu ihrer Verwandtschaft nach Italien fliehen, verloren
aber ihren Besitz in Schwaben und Rätien. Die Beseitigung
Burchards scheint fast als eine Vorbedingung für das Königtum
KONRADS, der Weihnachten 911 am Bodensee
verbrachte und Kunigunde, die Schwester
Erchangers und Witwe Liutpolds von Bayern, heiratete, gewesen zu sein.
Während die Annales Alamannici berichten, Burchard
sei nach einem ungerechten Urteile von Anselm getötet worden, ist
er nach Hermann von Reichenau in einem Tumult umgekommen, der bei einer
von ihm selbst einberufenen Versammlung entstanden war.
Michael Borgolte
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"Die Grafen Alemanniens"
BURCHARD
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(§ Westen der Bertoldsbaar 889, + 911)
Belege mit comes-Titel:
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W II Nr. 673, UB St. Gallen Süd I Nr. 51, D LdK Nr. 20 (= W II
Nr. 726, auch mit marchio-Titel), W II Nr. 729, BU I Nr. 86 (= CL I Nr.
59), DD LdK Nrn. 45 (= W II Nr. 748), 65 (= W II Nr. 755), LENDI, Untersuchungen
188f. (Annales Alamannici, Cod. Modoctiensis ad a. 911, Annales Laubacenses
ad a. 911), ? D LdK Nr. 82
Belege ohne comes-Titel:
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D Arn Nr. 111 (= W II Nr. 688), D LdK Nr. 38 (= W II Nr. 741, mit marchio-Titel),
W II Nr. 761 (= ThUB 1 Nr. 163, UB St. Gallen Süd I Nr. 58, BU I Nr.
89, mit dux-Titel), Herimanni Augiensis Chronicon 112 ad a. 911 (mit dux-Titel),
Bernoldi Chronicon 422 ad a. 911 (mit dux-Titel), Annales Colonienses 98
ad a. 911, ? W II Nr. 709 (mit praeses-Titel), ? DD LdK Nrn. 23, 44, ?
Codice Necrologico-Liturgico Brescia 62 (fol. 34v), ? MOOYER, Nekrologium
Weißenburg 38 ad 5.11.
Literatur:
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STÄLIN, Geschichte 1 330 - BAUMANN, Gaugrafschaften 13, 156 -
DÜMMLER, Ostfrk. Reich III 569f. - BAUMANN, Erchanger und Berchtold
262f. - ZELLER, Salomo III. 82-87 - TELLENBACH, Königtum und Stämme
52 Nr. 29c - MEYER-MARTHALER, Rätien 73 mit A. 190,76, 78,87 mit A.
224 - JÄNICHEN, Baar und Huntari, Tafel: "Die Grafen der Baaren" im
Anhang - SCHULZE, Grafschaftsverfassung 123,140,330 mit A. 145 - ZOTZ,
Breisgau 64f.,75f. - BILGERI, Geschichte Vorarlbergs I 91f. - BORST, Pfalz
Bodman 208,210f. - GOETZ, "Dux" und "Ducatus" 17,307,327f. - MAURER, Herzog
von Schwaben 30,36,48, 129f. u.ö. - BRUNNER, Oppositionelle Gruppen
168 - BORGOLTE, Das Königtum am oberen Neckar 72 - DERS., Geschichte
der Grafschaften Alemanniens, s.v. - RAPPMANN, Die älteren necrologischen
Aufzeichnungen
Im 2. Jahr König ARNULFS (889)
fand nach einer St. Galler Notitia ein placitum in pago, qui dicitur Para,
in uilla nuncupata Durroheim, coram Burghardo
comite, filio
Adalberti illustris, statt, bei dem die Rechte an der Kirche von
Löffingen geklärt wurden (W II Nr. 673). Nach dem Wortlaut der
Urkunde zu schließen, hat Burchard
Grafschaftsrechte über (Bad) Dürrheim und Löffingen ausgeübt;
er kann so als Amtswalter im Westen der Bertoldsbaar bestimmt werden (zum
Comitat s. BORGOLTE, Geschichte der Grafschaften Alemanniens 157). Burchards
Vater, ADALBERT
(II) "der Erlauchte", ist in der näheren Umgebung der beiden
Ortschaften noch im Juni 889 (D Arn Nr. 48) als Graf bezeugt; es könnte
sein, dass Adalbert
neben dem Comitat im Osten der Bertoldsbaar zeitweise auch die
Grafschaft im Westen verwaltet hat. Da er im Thurgau noch einige Zeit später,
vielleicht bis ins Jahr 893, belegt ist, könnte Burchard
Adalberts
Aufgaben im Westen der Bertoldsbaar schon zu dessen Lebzeiten übernommen
haben. Neben W II Nr. 673 ist kein weiteres Zeugnis für Burchard
in der Baar erhalten geblieben; zu Unrecht haben deshalb JÄNICHEN
und SCHULZE die Amtsführung mit 889 und 901 bzw. 889 und 893 begrenzt
(JÄNICHEN, Tafel; SCHULZE 123, wohl nach MEYER-MARTHALER 76, vgl.
aber BAUMANN, Gaugrafschaften 156, STÄLIN 330). Vielleicht war allerdings
der Spitzenzeuge Purchart preses in einer St. Galter Urkunde von ?897 (W
II1 Nr. 709), die sich auf ein Rechtsgeschäft im Thurgau und im Linzgau
bezieht, mit Burchard identisch (zum
Titel s. Artt. GOZBERT I, OTWIN, PIRIHTILO).
Im Thurgau folgte ADALBERT
(III) auf ADALBERT
(II) "den Erlauchten". Der naheliegende Schluß, dass der
jüngere Adalbert
daher ein Bruder Burchards gewesen
ist, wird durch eine Nachricht der Annales Alainannici, Codex Modoetiensis,
zum Jahr 911 bestätigt (LENDI 188): Purgbart
comes et princeps Alamannorum iniusto iudicie ab Anshelmo censura
inequitatis occisus omnibus viduv illius addemptis filiisque ipsius Purchardo
et Vodalricho extra patrtam eiectis prediumque atque beneficium eius inter
illos distribuerunt. Frater vera ipsius Adalbertus nobilisstmus atque iustissimus
comes nutu episcopi Salomonis et quorundam aliorum interemptus est. Die
Nachricht, dass der Graf Burchard und
sein Bruder Adalbert
911 getötet wurden, findet sich in kürzerer Fassung auch
in den Annales Laubacenses.
Aus der Perspektive des 11. Jahrhunderts hielt Hermann der Lahme das
Schicksal Burchards mit etwas anderen
Worten fest: Burchardus dux Alamanniae
in conventu suo, orto tumultu, occisus est; pro quo Erchanger ducatum invasit
(vgl. Bernoldi Chronicon, Annales Colonienses). Der Reichenauer Chronist
sah also Burchard als dux von Alemannien,
den Dukat als tradierbare Größe an. Unter dem Einfluß
Hermanns und nach analogen Vorgängen in anderen Stammesgebieten des
Ostfränkischen Reiches faßt die Forschung die Ereignisse von
911 als Scheitern eines ersten Versuches auf, in Alemannien das sogenannte
jüngere Herzogtum zu errichten (zuletzt MAURER 36, BRUNNER, GOETZ
17 , BORST 210f., BILGERI, MEYER-MARTHALER 87; BORGOLTE, Geschichte der
Grafschaften Alemanniens 205 f.). Der Todestag Burchards
ist nicht sicher bezeugt; ein Reichenauer Necrologeintrag vom 23. November
(Necrologium Augiae Divitis 281), den man seit DÜMMLER (570 A. 1)
auf Burchard bezogen hat, kann nach
Forschungen RAPPMANNS Burchard nicht
betreffen. RAPPMANN (vgl. DÜMMLER, loc. cit.) weist statt dessen auf
den Eintrag des Weißenburger Necrologs zum 5.11.: Burghartus
comes occius est hin (MOOYER).
Zwischen 889 und 911 wird durch einige Königsdiplome und "Privaturkunden"
ein marchio bzw. comes Burchard von Rätien
bezeugt (DD LdK Nrn. 20,38, danach W II Nr. 761, D LdK Nr. 65; ferner die
neuzeitliche Fälschung UB St. Gallen Süd I Nr. 51); dieser fungierte
offenbar auch als Vogt für die alemannisch-rätischen Besitzungen
des mittelrheinischen Klosters Lorsch (BU I Nr. 86; dazu ZOTZ).
Burchard steht in Intervenientengruppen wiederholt neben Graf
Adalbert, den wir mit dem damaligen Amtswalter im Thurgau gleichsetzen
können (DD LdK Nrn. 20, 65; ADALBERT
III). Da es auch einen Purchart marchio Thuringionum und einen
Purchart filius Vualahonis gab (D LdK Nr. 20, vgl. weitere Nachweise von
KEHR ebd. S. 302), ist bei anderen Diplomen mit Intervenienten (oder Zeugen)
desselben Namens die Identifikation mit dem rätischen Magnaten problematisch
(DD LdK Nrn. 23,44, das Falsifikat Nr. 82; vgl. GOETZ 327 f. mit dem wohl
unzutreffenden Hinweis auf D LdK Nr. 13; BORST 208). Dagegen dürfte
der Bezug auf alemannische bzw. rätische Angelegenheiten bei weiteren
Urkunden sicherstellen, dass mit einem primas regni (D Arn Nr. 111, dazu
SCHULZE 330 mit A. 145) oder comes Burchard (W
11 Nr. 729; D LdK Nr. 45 mit Rottweil als Actumort: Purucharius
dilectus comes noster) Burchard von
Rätien gemeint war.
Der rätische Markgraf wird übereinstimmend mit dem Grafen
in der Baar und Prätendenten der alemannischen "Herzogswürde"
gleichgesetzt (zuletzt MAURER, GOETZ, BORST, BILGIERI). Für diese
Annahme sprechen die häufige Nachbarschaft Adalberts
(III) in Intervenienten- und Zeugenreihen und die Beobachtung einer
alemannisch-rätischen Doppelstellung auch bei Burchards
Vorgänger RUDOLF (I, II). Allerdings ist ungeklärt,
wie Burchard zu seinem Amt in Rätien
gelangen konnte. Rudolf (I, II), Graf im Zürichgau und dux Retianorum,
gilt nach Forschungen TELLENBACHS nicht mehr als Onkel Burchards
(so noch MEYER-MARTHALER 76), sondern als Angehöriger des
WELFEN-Geschlechtes. Andererseits konnte die weithin angenommene Filiation
ADALBERTs
(II) "des Erlauchten" und seiner Nachkommen von Hunfrid
von Rätien, einem Zeitgenossen KARLS
DES GROSSEN, nicht erwiesen werden. Dass in der Umgebung Hunfrids
mit Adalbert und Udalrich dieselben Namen wie in der Genealogie
Adalberts (II) auftauchen (vgl. BORGOLTE, Geschichte der Grafschaften
Alemanniens, Exkurs, bes. 228), dürfte für die Rekonstruktion
eines HUNFRIDINGER-Geschlechts kaum
ausreichen (bereits SCHMID, Familie, Sippe und Geschlecht 8). Im Liber
vitae von Brescia (Codice Necrologico-Liturgico Brescia 62) sind in einer
Namengruppe, an deren Spitze wohl ADALBERT
(II) und UDALRICH (V) stehen, ein weiterer Adelbertus und ein Burchardus
aufgeführt. Damit könnten die Söhne Adalberts
"des Erlauchten", also Burchard
und ADALBERT (III),
gemeint gewesen sein.
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Paul Friedrich Stälin: Seite 127,175
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"Geschichte Württembergs"
Zuerst strebte hier nach der herzoglichen Gewalt Burchard,
Urenkel eines Hunfrid,
der unter KARL DEM GROSSEN und LUDWIG
DEM FROMMEN die rätische Mark verwaltet hatte, selbst auch
Markgraf von Rätien, im Jahre 889 als Graf in der Baar genannt. Mit
seinem Bruder Adalbert
hatte er in den Zeiten Kaiser ARNULFS
und König Ludwigs zu den angesehensten
schwäbischen Grafen gezählt. Allein er unterlag im Jahre 911:
"nach dem ungerechten Urteilsspruch eines gewissen Anselm", vielleicht
eines Ahnherrn der Tübinger Pfalzgrafen, wurde er, "der Graf und Fürst
der Alamannen", wie sich ein Burchard
und seiner Familie geneigter St. Gallener Zeitgenosse der Begebenheit etwas
dunkel ausdrückt, "unter dem Vorwurf der Bedrückung getötet",
während er zufolge dem Bericht des ziemlich jüngeren Hermann
von Reichenau auf einem Landtag, den er abhielt, in wildem Volksgetümmel
erschlagen worden wäre. Auch seine ganze Familie traf schwere Verfolgung.
Seine Söhne Burchard
und Ulrich
wurden des Landes verwiesen, ihre Eigengüter sowohl als ihre Lehen
unter die Gegner verteilt, seine Witwe wurde aller Güter entsetzt,
sein Bruder Adalbert,
der wegen seiner Gerechtigkeitsliebe allgemein geachtet war, erlitt auf
Anstiften besonders des Bischofs Salomo den Tod. Selbst die Schwiegermutter
des jüngeren
Burchard verlor, auf falsche Zeugnisse hin als Hochverräterin
verurteilt, ihre ganze Habe.
882
1. oo 2. Liutgard von Sachsen, Tochter des Liudolf dux
840/50-17.11.885
867
1. oo Ludwig der Jüngere
König von Ostfranken
835-20.1.882
2. oo 2. Gisela
-
Kinder:
1. Ehe
Burchard II.
883/84-28.4.926
Udalrich
884/85-30.9.
Literatur:
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Hans K. Schulze: Das Reich und die Deutschen. Hegemoniales Kaisertum.
Ottonen und Salier. Siedler Verlag, Seite 126 - Eduard Hlawitschka: Untersuchungen
zu den Thronwechseln der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts und zur
Adelsgeschichte Süddeutschlands. Zugleich klärende Forschungen
um „Kuno von Öhningen“, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1987, Seite
47,65-67,71 – Beumann, Helmut: Die Ottonen. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart
Berlin Köln, Seite 28 - Rogge, Helmuth: Das Verbrechen des Mordes
begangen an weltlichen deutschen Fürsten in der Zeit von 911 bis 1056.
Dissertation Berlin 1918, Seite 15-19