Sohn des austrasischen
Hausmeiers Pippin II. der Mittlere von einer namentlich unbekannten
Mutter
Lexikon des Mittelalters: Band II Spalte 1817
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Childebrand, Graf in Burgund
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+ nach 751
Die bis 751 reichende zweite Fortsetzung der sog. Fredegar-Chronik wurde nach dem ausdrücklichen Zeugnis von Childebrand, dem germanus Karl Martells und avunculus König Pippins, betreut ("schribere procuravit"). Er entstammte offenbar keiner der beiden Ehen Pippins des Mittleren (rechtmäßige Ehe mit Plektrud, Friedelehe mit Chalpaida), sondern einem Konkubinat (anders Levillain: ein Sohn Chalpaidas aus früherer Ehe). Childebrand hatte Besitz im Gau von Melun; seine gräflichen Positionen lagen in Burgund. Karl Martell setzte Childebrand als Heerführer in den Kämpfen gegen die Sarazenen in der Provence ein (737/38, Belagerung von Avignon); 739/40 kämpfte Childebrand zusammen mit seinem Neffen Pippin dem Jüngeren in Burgund. In den Berichten über diese Feldzüge wird er als dux bezeichnet, wobei die schillernde Bedeutung dieses Titels zu bedenken ist: die Nennung als "inluster vir Childebrandus comes" im abschließenden Satz der zweiten Fredegar-Fortsetzung bietet zweifellos die offizielle Titular. - Childebrands Sohn Nibelung veranlaßte die Abfassung der dritten Fredegar-Fortsetzung. Auch war er Graf, vermutlich in Burgund; seinen Name spielt eine zentrale Rolle in der Diskussion um die "historischen Nibelungen" (Chaume, Levillain).
Quellen:
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J. Tardif, Monuments hist. nr. 92 - Cont. Fredeg. 20-21,24,34
(MGH SRM II) -
Literatur:
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M. Chaume, Les origines du duche de Bourgogne I, 1925
- L. Levellain, les Nibelungen hist., AM 49, 1937, 338ff. - Wattenbach-Levison-Löwe
II, 161f. - E. Hlawitschka, Die Vorfahren Karls d. Gr. (Braunfels, KdG
I), 78. -
30 Childebrand
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In der von ihm selbst betreuten
zweiten Continuatio der sogenannten Fredegarchronik nennt er sich zweimal
germanus
Karl Martells (c.20
und c. 21, MG. SS. rer. Merov. 2, Seite 177f) und einmal (c. 24, Seite
179) avunculus (König) Pippins.
Sein
Sohn Nibelung
nannte ihn, als er das väterliche Werk weiterführte, gleichfalls
avunculus
König
Pippins (c. 34, Seite 182). Wollte man
mit "klassischem Maß" messen, widersprechen diese Bezeichnungen einander.
Faßt man jene beiden Bezeichnungen in damals üblicher Weise
als "Bruder" und "Onkel" auf, ohne den ihnen im klassischen Sinne innewohnenden
Gehalt von Vollbruder bzw. Onkel von Mutterseite Beachtung zu zollen, so
darf man Childebrand
doch als "Bruder" Karl Martells ansehen.
Daß er dabei weder aus Pippins des
Mittleren rechtmäßiger Ehe
mit Plektrud noch
aus Pippins
Friedelehe mit Chalpaida
stammte, wird man wohl aus der Art, mit der
Childebrand selbst in der Continuatio
Fredegarii jene beiden Ehen Pippins
und die Nachkommen aus ihnen umreißt (vgl. oben bei Nr. 16), schließen
dürfen. Wenn man jedoch in jener Continuatio das Wort germanus
in
der Bedeutung von "Bruder lediglich durch denselben Vater" verwendet findet
(vgl. Th. Breysig, Jahrbücher [wie in Nr. 18], Seite 7 Anmerkung 4),
kann Childebrand
nur der Sohn einer Konkubine
Pippins des Mittleren
sein. Dem entspricht, daß er weder von Pippin
dem Mittleren selbst
nach dem Tode
Drogos
und Grimoalds II. (Nr.
22 und 29) zur Nachfolge in der Herrschaft ausersehen worden ist, noch
daß er von Karl Martell schließlich
- was nahegelegen hätte, wenn er dessen Vollbruder gewesen wäre
- einen Anteil an der Herrschaft forderte - Von L. Levillain, Les Nibelungen
historques I (Annales du Midi 49, 1937), Seite 338ff., ist die Ansicht
vertreten, Childebrand
sei ein Sohn Chalpaidas
aus früherer Ehe und von ihr in die Friedelehe Pippins
des Mittleren mitgebracht
worden. Dem dürfte jedoch der Gebrauch des Wortes germanus in
der Continuatio Fredegarii widersprechen.
Riche Pierre: Seite 51,66,71,89
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"Die Karolinger. Eine Familie formt Europa."
Pippin der Mittlere
hatte jedoch noch zwei weitere Söhne, Childebrand
und Karl, die aus der Verbindung mit
seiner Friedelfrau (Konkubine) Chalpaida
stammten. Beide wurden zwar vom Vater bei der Nachfolgeregelung für
das Hausmeieramt übergangen, aber nicht, weil sie als illegitim gegolten
hätten: Bei den Adelsfamilien germanischer Abstammung war die Mehrehe
verbreitet, ein Zustand, an dem sich noch auf längere Sicht nichts
ändern sollte. Bezeichnenderweise war es Grimoalds
Bastardsohn, der sechsjährige Theudoald,
den Pippin bei den Großen als
neuen Hausmeier durchsetzte.
Unterstützt von seinem Halbbruder Childebrand
und mehreren Herzögen und Garfen, unternahm Karl
eine Reihe von Feldzügen in S-Frankreich und forderte die
Langobarden auf, den Arabern in den Rücken zu fallen.
Unter der Aufsicht von Karl
Martells Halbbruder Childebrand
wurde als Fortsetzung des sogenannten Fredegar eine Chronik mit offiziösem
Charakter verfaßt, die nach Wilhelm Levison "zu einer Familienchronik
des karolingischen Hauses" wurde. In
der Umgebung Karl Martells und seines
Halbbruders entstand auch die Legende von der trojanischen Abstammung des
Frankenvolkes.
Die karolingische
Propaganda wurde in Saint-Denis und am Hof selbst besorgt. Pippins
Onkel Childebrand und später dessen
Sohn Nibelung waren mit der offiziösen
Fortsetzung des sogenanten Fredegar beauftragt. Sie erinnerten an die Leistungen,
die Pippins Vorfahren vollbracht hatten.
Schieffer Rudolf: Seite 33,35,40,46
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"Die Karolinger"
Plektruds präzise
Formulierung, daß künftige Äbte die Treue zu "uns und unserem
Sohn Grimoald
und dessen Söhnen und den Söhnen Drogos,
unseren Enkeln" wahren sollten, wirkt wie die Vorahnung künftiger
Konflikte, war sie doch sichtlich von der Sorge bestimmt, daß nach
dem erwarteten Tod Pippins auch Söhne
aus anderen Verbindungen ihre Ansprüche erheben könnten, nämlich
vor allem Karl (Martell), der Sohn
seiner Nebenfrau Chalpaida, weniger
wohl Childebrand, den eine namentlich
nicht bekannte Mutter geboren hatte.
Der Glanz der Sieghaftigkeit, der ihn bald umgab, überstrahlte
die dynastisch besser begründeten Rechte seines Stiefneffen aus der
Nachkommenschaft der vornehmen Plektrud,
die mit ihrem Erbteil einst Pippin
ganz wesentlich emporgeholfen zu haben scheint; allerdings dürfte
auch ihre Nebenbuhlerin Chalpaida,
Karls
Mutter, die mit Pippin gemäß
germanischem Herkommen in der weniger verbindlichen Form der Friedelehe
verbunden war, von beachtlicher (freilich nicht näher bestimmbarer)
Abkunft gewesen sein, was sich allein schon daraus ergibt, daß uns
ihr Name überhaupt bekannt ist, im Unterschied zu der jener Konkubine
Pippins, deren Sohn Childebrand
denn auch nur gedämpften politischen Ehrgeiz an den Tag legte.
Während unter den Abkömmlingen der Stiefmutter
Plektrud
einzig der erwähnte
Hugo
(+ 730) als Inhaber bedeutender neustrischer Bistümer
und Abteien zu einer führenden Stellung kam, war Karls
illegitimer Halbbruder Childebrand,
der über Besitz in der Gegend von Melun verfügte, bloß
mit einem regionalen Kommando in Burgund und dem Grafentitel ausgestattet.
Er hat sich einen Namen dadurch genmacht, daß er später eine
Fortschreibung des sog. Fredegar zu "einer Familienchronik des karolingischen
Hauses" (W.Levison) für die Jahre 736 bis 751 veranlaßte und
darin mit seinem Sohne Nibelung auch
noch einen Nachfolger für die Zeit bis 768 fand.
Neben der Hilfe seines Halbbruders Childebrand,
der zeitweilig allein das Kommando führte, war dem Hausmeier vor allem
eine Allianz mit dem Langobarden-König Liutprand
von Nutzen, denn dessen bloßes Erscheinen in der Provence soll die
Mauren bereits zum Rückzug bewogen haben.
oo N.N.
-
Kinder:
Eccard
-
Nibelung
-
Literatur:
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Bauer Dieter R./Histand Rudolf/Kasten
Brigitte/Lorenz Sönke: Mönchtum - Kirche - Herrschaft
750-1000 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998, Seite 14,19 - Dahn
Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899 - Mühlbacher Engelbert:
Deutsche Geschichte unter den Karolingern. Phaidon Akademische Verlagsgesellschaft
Athenaion - Nack Emil: Germanien. Ländern und Völker der
Germanen. Gondrom Verlag GmbH & Co. KG, Bindlach 1977, Seite 273 -
Riche
Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch
Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 51,66,71,89 - Schieffer
Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992,
Seite 33,35,40,46,49 - Schneider Reinhard: Königswahl und Königserhebung
im Frühmittelalter. Anton Hiersemann Stuttgart 1972, Seite 175 - Schnith
Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern
zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 13 - Werner
Matthias: Adelsfamilien im Umkreis der frühen Karolinger. Jan Thorbecke
Verlag Sigmaringen 1982, Seite 302 -