Engels Odilo: Seite 189-196
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"Stauferstudien"

Graf Heinrich IV. von Namur, durch den Erwerb der Grafschaften Luxemburg, Durbuy und Laroche mit der Vogtei des Reichsklosters Stablo zum mächtigsten Adligen zwischen Maas und Mosel aufgestiegen, hatte 1163 nach dem Scheitern seiner zweiten Ehe seiner Schwester Alix, der Gattin des Grafen Balduin IV. von Hennegau, die Erbschaft aller seiner Allode vertraglich zugesichert. FRIEDRICH BARBAROSSA begünstigte dieses Projekt vielleicht schon 1165/66, zumindest aber seit 1167, was nichts anderes heißt, als dass ein aus den Grafschaften Hennegau, Namur und Luxemburg bestehendes Machtgebilde im Westen des Kölner Herzogtums entstehen sollte.1167 folgte der Kaiser dem Wunsch Heinrichs von Namur, den wichtigen Lütticher Bischofsstuhl mit dessen Neffen Rudolf von Zähringen zu besetzen. Die Grafschaft Hennegau war ohnehin vom Lütticher Bischof lehnabhängig; es ist keine Frage, dass das Lütticher Hochstift dem Machtkomplex im Westen angehören sollte.
Die dritte Ehe Heinrichs kam vermutlich auf Betreiben des Kölner Erzbischofs Philipp von Heinsberg zustande. Agnes war die Cousine Balduins IV. von Hennegau. Graf Heinrich von Geldern wechselte um diese Zeit von einer STAUFER-freundlichen Politik zu einer auf den Kölner Erzstuhl ausgerichteten Politik über. Von der neuen Ehe, die dem NAMURER verpfändete Rechte in Maastricht zurückbringen sollte, erwartete der Kölner Erzbischof nicht nur Kinder, die den Erbvertrag von 1163 hinfällig machen mussten, sondern auch eine Einbeziehung in den Bannkreis des Kölner Herzogtums, denn Heinrichs Schwiegervater, der Graf von Geldern, war mit dem Grafen von Berg verwandt, und mit diesem Haus stand der Erzbischof im bestem Einvernehmen. Als 1171 der Kaiser den ZÄHRINGER-Herzog Berthold IV. an der mittleren Maas und unteren Mosel ansiedelte und sich der Lütticher Bischof an dem Projekt beteiligte, musste Heinrich von Namur damit rechnen, dass der ZÄHRINGER als sein Verwandter weitere Anrechte am Erbe geltend machen werde. Diesem Druck zeigte sich Heinrich von Namur nicht gewachsen; er jagte 1172 seine dritte Ehefrau wieder davon, ohne Kinder von ihr erhalten zu haben, und aktivierte damit wieder den Erbvertrag von 1163. Das Problem spitzte sich bis zum Jahre 1184 zu. 1177 hatte der kinderlose Graf von Flandern die Erbfolge Balduins V. von Hennegau auch in seiner Grafschaft anerkannt. Angesichts dessen verlor das zähringische Projekt für den Kaiser an Interesse, da sich im Westen ja ein viel größerer Machtblock aufbauen ließ, als ursprünglich vorauszusehen gewesen war. Da er sein Augenlicht verlor und wohl auch, um der zähringischen Alternative den Todesstoß zu versetzen, ließ Heinrich von Namur im Winter 1182/83 die Einwohner seiner Grafschaften dem HENNEGAUER als zukünftigen Nachfolger huldigen und Bischof Rudolf von Lüttich verzichtete im folgenden Frühjahr auf seine zähringischen Ansprüche am Erbe. Auf dem Mainzer Hoffest von 1184 bestätigte der Kaiser dem HENNEGAUER erstmals öffentlich, ihn als Erben auch der Reichslehen Heinrichs von Namur anzuerkennen und im Erbfalle als Markgrafen von Namur in den Reichsfürstenstand aufzunehmen. Als 1185 der HENNEGAUER den Durchmarsch des Reichsheeres unter HEINRICH VI. verweigerte, zweifelte Heinrich von Namur an der nunmehrigen Erbfähigkeit seines Schwagers und nahm seine verstoßene Ehefrau wieder zu sich. Im Juli 1186 wurde der wiederhergestellten Ehe Heinrichs von Namur das erste Kind, die Tochter Ermesinde, geschenkt. Balduin V. von Hennegau erhielt die Grafschaften Namur, Durbuy und Laroche, nicht aber Luxemburg und wurde 1190 als Markgraf von Namur in den Reichsfürstenstand erhoben. Kaiser HEINRICH VI. überwies die Grafschaft Luxemburg 1196 nach dem Tode Heinrichs von Namur seinem Bruder, dem Pfalzgrafen Otto von Burgund, der  Luxemburg zusammen mit Durbuy und Laroche schon 1197 an Theobald von Bar, den Gatten der Ermesinde von Namur, weitergab.