Tochter des
Mitglied einer burgundischen Adelsfamilie
Lexikon des Mittelalters: Band VI Spalte 1349
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Odette (Odinette) de Champdivers
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+ nach 1424
Konkubine König Karls VI. von Frankreich
Odette war nicht (wie früher behauptet) Tochter
eines Pferdehändlers, sondern entstammte einer alten ritterbürtigen
Familie der Grafschaft Burgund, die von den Grafen seit dem frühen
14. Jh. in den Königsdienst eingeführt worden war (in Hotel du
Roi, Parlament, Chancellerie). 1405 war Guy de Champdivers, Maitre des
comptes, mit den Finanzangelegenheiten der Königin
Isabella betraut; Guillaume de Champdievers fungierte als
Rat des Herzogs von Burgund. In dieser Zeit wurde Odette dem König
zugeführt, um die Königin zu von den Gewalttätigkeiten ihres
wahnsinnigen Gemahls zu entlasten. Die Chronique du Regulieux de St-Denis
rühmt die treue Ergebenheit Odettes, der ‚petite reine‘,
die dem König eine Tochter gebar. Nach Karls
VI. Tod (1422) fand Odette mit ihrer Tochter Marguerite
de Valois Zuflucht in St-Jean-de-Losne. Noch 1424 deckte sie
in Dijon einem Abgesandten Karls
VII. ein Komplott zur Auslieferung Lyons an die englandfreundliche
Partei auf. Bald darauf muß sie verstorben sein. 1425 rief Karl
VII. die im Dauphine im Exil lebende Marguerite
an seinen Hof, legitimierte sie und vermählte sie mit einem seiner
Getreuen, Jean de Harpedenne, Sire de Belleville. Der letzte Nachkomme
der „Mademoiselle de Belleville“ fiel 1587 bei Coutras.
Markale Jean: Seite 91,272-274
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„Isabeau de Bavarie“
Auch wenn der König Isabeau
de Bavarie nicht mehr ausstehen konnte, brauchte er trotzdem
noch eine Frau, um seine Sinnenlust zu befriedigen, die trotz seiner Krankheit
beleibe nicht abnahm, sondern sich - zweifellos als Kompensation - sogar
noch gewaltig entfesselte. So gesellte man ihm eine junge Frau zu, nämlich
Odette
de Champdivers, die damit betraut war, seine Gelüste zu befriedigen.
Sie gebar ihm eine uneheliche Tochter und bewies auch sonst eine absolut
beispielhafte Geduld und Ergebenheit.
Der Frau, die man zu ihrer Zeit la petite reine
nannte, war ein ungewöhnliches Schicksal beschieden. Odette de
Champdivers wurde vielleicht etwas zu vorschnell als unbedeutende Persönlichkeit
abgetan, denn sie hat wie es scheint, eine wesentlich bedeutendere, wenn
auch noch von tiefem Dunkel umgebene Rolle gespielt. Sie war die Tochter
eines Stallmeisters am Hof Karls VI.
Um das Jahr 1402 hatte sie der Kronrat mit voller Zustimmung von
Isabeau dazu erwählt, dem wahnsinnigen König „Gesellschaft
zu leisten“. Letztlich war sie also eine offizielle Konkubine mit
einer delikaten humanitären Mission: die Sinnenlust des Monarchen
zu befriedigen und ihn mit allen Aufmerksamkeiten zu umgeben. Tatsächlich
zeigte sich Odette diesem Auftrag voll gewachsen. Mit großer
Geduld und Hingabe blieb sie 20 Jahre lang Karl
VI. verbunden, und in ihren Armen hauchte der Unglückliche,
von seiner Familie im Stich gelassen, sein Leben aus. 1407 brachte sie
eine Tochter, Marguerite, zur Welt,
die später, im Jahr 1428, von Karl VII.
legitimiert und mit Jean de Harpedenne Seigneur de Belleville, einem pikardischen
Ritter, vermählt wurde. In bestimmten Dokumenten wird behauptet, Odette
de Champdivers hätte noch eine weitere Tochter bekommen, aber
von dieser ist nichts bekannt.
Es gehört zum guten Ton, das Los dieser zarten
und bildschönen jungen Frau zu bedauern, die sich zum Wohl
ihres Souveräns aufgeopfert habe. Die Wirklichkeit sieht vielleicht
etwas anders aus. Man weiß nämlich, dass Odette de Champdivers
von verschiedenen Herren aus dem königlichen Rat für ihre Hingabe
einige sehr stattliche Landsitze erhielt. Der großzügigste unter
diesen Gönnern war mit Sicherheit der Herzog von Burgund; dies gibt
zu denken und wirft verwirrende Fragen auf. Für wen arbeitete Odette
de Champdivers? Wahrscheinlich für alle zugleich. Da aber die
Geschenke des Herzogs von Burgund besonders großzügig waren,
konnte sich Odette vielleicht zu einem bestimmten Zeitpunkt selbst
sehr burgundisch gefühlt und den König in diesem Sinn beeinflusst
haben. Dies wäre nur logisch, denn wir dürfen nicht vergessen,
dass Karl VI. in den Perioden der Besserung,
wenn seine Krankheit sich legte, stets pro-burgundische Gefühle gezeigt
hat. Man kann sogar noch weiter gehen und sich fragen, ob Odette de
Champdivers ihr ständiges Zusammensein mit dem umnachteten König
nicht dazu genutzt hat, ihn ganz bewusst in einem Zustand von Abgestumpftheit
und Schwachsinn zu halten. Die Regierungsunfähigkeit des Königs
war nämlich für alle - und zuallererst für
Johann Ohnefurcht - von Vorteil. Nach dem Tod des Königs
zogen sich Odette und ihre Tochter in das Herzogtum Burgund zurück,
und dort wurden sie von Philipp dem Guten
beschuldigt, sie würden Karl VII.,
den König von Frankreich, mit Informationen versorgen. Wahrscheinlich
traf das auch zu. Es ist ebenfalls sehr wahrscheinlich, dass Yolanda
von Aragon in irgendeiner Weise dahinter steckte.
Außerdem wird mit dem Namen Odette de Champdivers
stets ein Geheimnis verbunden bleiben. Hatte sie von Karl
VI. noch eine zweite Tochter oder nicht? Und wenn es diese
zweite Tochter gegeben hat, weshalb verliert sich dann ihre Spur? Könnten
wir diese Fragen beantworten, ließe sich ohne Zweifel auch das verwirrende
Problem der wahren oder angeblichen Herkunft der Jeanne d’Arc klären.
Immerhin wurde als durchaus plausible Hypothese angeführt, die Pucelle
aus Domremy könnte eine Halbschwester Karls
VII. gewesen sein: Von da ist es nicht mehr weit bis zu der
Behauptung, Jeanne d’Arc sei die Tochter von Odette de Champdivers
gewesen. Das berühmtre Geheimnis, das Jeanne d’Arc in Chinon Karl
VII. anvertraut haben soll, kann den Wert dieser Hypothese nur
bestätigen. Auch hier können wir an der Stelle, wo die Wege sich
kreuzen, wiederum Yolanda von Aragon
begegnen. Diese zweite Tochter von Karl VI. und
Odette
de Champdivers könnte leicht in jenem Jahr 1411 zur Welt gekommen
sein, das man als das Geburtsjahr der Jeanne d’Arc annimmt.
Saller Martin: Seite 164
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"Königin Isabeau. Die Wittelsbacherin auf dem Lilienthron."
Wie ein Albtraum lastet auf Isabeau
der Jammer der sich wiederholenden Anfälle. Doch das Leben geht weiter.
Die Kinder bedürfen der Betreuung der Mutter, die sich sehr um sie
sorgt, und die Staatsgeschäfte nehmen die Königin in die Pflicht.
Mitleid überlagert und ersetzte die Gefühle der Gattin und Frau.
So erhebt Isabeau keinen Einspruch,
als Ärzte und Berater den Vorschlag machen, dem kranken König
eine Gefährtin zuzuführen, zur ständigen Betreuung und zur
Besänftigung seiner Sinne. Die Wahl fällt auf ein blutjunges,
sehr hübsches Mädchen namens Odinette de Champdivers,
die Tochter eines Stallmeisters am Hof. König
Karl ist entzückt von dem liebenswürdigen, zarten
Geschöpf, das ihn fortan mit sanfter Hingabe und mit Engelsgeduld
umhegt. Die ständige Anwesenheit und stille Güte Odinettes,
die schnell Karls Zuneigung gewinnt,
erweist sich als heilsamer, denn alle ärztliche Kunst; und Karl
fügt
ihr nie das geringste Leid zu. Für das Volk von Paris, dem nichts
verborgen bleibt, wird sie die 'Kleine Königin'.
Schon nach einem Jahr schenkt Odinette einem Mädchen
das Leben, das den Namen Margarete von Valois
erhält und dem alle Fürsorge zuteil wird. Später, Im Jahre
1428 holt König Karl VII. die
Halbschwester an seinen Hof, legitimiert sie und verheiratet sie mit einem
Edelmann. Odinette bleibt bis zu Karls
VI. Tod im Jahre 1422 an seiner Seite. Königin
Isabeau überschreibt ihr schon 1412 zwei Häuser mit
Liegenschaften, die Karl etwas später
noch erweitert. Den König überlebt sie um zwei Jahre.
Tuchmann Barbara: Seite 466
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"Das ferne Mittelalter. Das dramatische 14. Jahrhundert."
Leichtlebig und sinnlich, immer noch eine Fremde mit starkem
deutschen Akzent, von der irren Aversion ihres Gatten gegen sie gedemütigt,
überließ Isabeau Karl seinen
Bediensteten und einem Mädchen, das sie selbst bestellt hatte, ihren
Platz einzunehmen, die Tochter eines Pferdehändlers mit Namen Odette
de Champdivers, die ihr ähnelte und in der Öffentlichkeit
"die
kleine Königin" genannt wurde.
Kinder:
Marguerite
1407-
oo Jean de Harpedenne, Seigneur de Belleville
-
Jeanne d’Arc ????
um 1411-30.5.1431
Literatur:
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Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller
Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis
Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 303,311
- Jurewitz-Freischmidt Sylvia: Die Herrinnen der Loire-Schlösser.
Königinnen und Mätressen um den Lilienthron. Casimir Katz Verlag,
Gernsbach 1996 Seite 27 - Markale, Jean: Isabeau de Bavarie. Eugen
Diederichs Verlag München 1994 Seite 91,272-274 - Martin Jean-Joseph:
Die Valois. Edition Rencontre Lausanne 1969 Seite 126 - Saller Martin:
Königin Isabeau. Die Wittelsbacherin auf dem Lilienthron. Nymphenburger
Verlagshandlung GmbH, München 1979 Seite 164 - Tuchmann Barbara:
Das ferne Mittelalter. Das dramatische 14. Jahrhundert. Deutscher Taschenbuch
Verlag 1980 Seite 466 -