MONTFORT
Lexikon des Mittelalters:
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Montfort
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Große französische und anglonormannische Adels-Familie
I. Die Montfort im 11. und 12. Jahrhundert:
Belegt seit dem 11. Jh., gehörten die MONTFORT dem normannischen
Adel an.
Ihre Besitzungen befanden sich jedoch in Grenzlage; sie erstreckten
sich vom Stammsitz Montfort-l'Amaury bis in die Umgebung von
Rambouillet, ca. 50 km südwestlich von Paris (heutiges dép.
Yvelines). Lehnsleute der Herzöge von Normandie, doch Nachbarn der
Könige von Frankreich, gelang es den MONTFORT
zumeist, mit diesen in gutem Einvernehmen zu leben. Simon I. von Montfort trat
hervor
in Zusammenhang mit der Affäre um seine
Tochter Bertrada,
die als Gemahlin Fulcos IV.,
Grafen von Anjou (Angers),
1092 von König Philipp I. von Frankreich
entführt und zur Königin
gemacht wurde. Simon II.
blieb stets loyaler Gefolgsmann des französischen Königs,
für den er 1098 Paris energisch gegen Wilhelm Rufus,
König von England, und
dessen Anhang verteidigte. Im Gegenzug belagerten die Anglonormannen
die Burgen Montfort und Epernon. Simons
II. Sohn, Amauri
III., hatte dagegen lange
Zeit ein kühles Verhältnis zu König Ludwig VI., um sich erst
später, nach dem Vorbild des Vaters, an den KAPETINGER zu
binden. Er war in die Feindseligkeiten gegen Heinrich I. von
England verstrickt und führte Krieg zugunsten des englischen Thron-Prätendenten Wilhelm Clito.
1112 gründete er, im Einvernehmen mit Ludwig VI.,
das Kloster Hautes-Bruyères als Grablege des Hauses. Simon III. († 1181), Nachfolger Amauris III., führte
eine geschmeidigere Politik, unter Ausnutzung der Schwäche Ludwigs VII. Dank
der Gunst des KAPETINGERS
konnte er zunächst die Grafschaft
Évreux erwerben. Nach dem Tode seiner 1. Gemahlin wandte
er sich jedoch (durch seine Heirat mit Amicia
von Leicester) England zu und
führte 1171-1173 Krieg gegen
Ludwig VII. Die
ältere Linie der MONTFORT,
repräsentiert durch Amauri
IV.,
war natürlicher Erbe der Grafschaft Évreux. Dennoch ging Amauri IV. überraschend
zur
englischen Seite über, heiratete die Erbin der Grafschaft Gloucester
und
verließ seinen König,
Philipp August,
der die Grafschaft Évreux an sich zog.
II. Simon von Montfort und der Albigenserkreuzzug:
Beherrschende Gestalt des Albigenserkrieges (Albigenser, II) war Simon IV. (* 1165, † 25. Juni 1218),
Graf von Toulouse (seit 1215).
Als älterer Sohn der Amicia
an der
Spitze der jüngeren Linie
der
MONTFORT
trotz vieler Schwierigkeiten mit Beharrlichkeit in den Dienst der
Politik,
trat er das Erbe auf den französischen Besitzungen an,
während sein jüngerer
Bruder Gui mit der Burg
Brétencourt abgefunden wurde. Simon und Gui nahmen 1199 das
Kreuz (4.
Kreuzzug). Von nun an stellte sich Simon Innozenz' III. In Venedig
konnte er (wie
zahlreiche andere Kreuzfahrer) die hohen Transportkosten nicht
aufbringen und fand erst in Barletta die Mittel zur Überfahrt ins
Hl. Land, wo er über ein Jahr lang gegen die Muslime kämpfte.
In seine französischen Stammlande zurückgekehrt, lebte er als
angesehener Adliger, der durch seine glückliche Ehe mit Alice de
Montmorency Aufnahme in die
Entourage
des Königs gefunden
hatte.
1209 folgte Simon dem
Aufruf
des Papstes zum Albigenser-Kreuzzug, zu dem er auf Bitte des Herzogs
von Burgund in Begleitung seines
Bruders Gui und des Abtes (und Chronisten) Pierre des Vaux-de-Cernay
aufbrach.
Die Kriegführung, vor allem die Belagerung von Carcassonne, zeigen
Simons militärische
Fähigkeiten. Entgegen den idealisierenden Zügen, mit denen
ihn sein Chronist ausstattete, war sein Vorgehen rücksichtslos und
grausam, doch konnte er sich, wenn es die Situation erforderte, auch
kompromißbereit verhalten (Politik gegenüber Narbonne).
Wieweit er staatsmännische Begabung besaß, bleibt
dahingestellt, doch verstand er es, nach seiner Ernennung zum Grafen
von Toulouse einen
funktionsfähigen Rat aufzubauen. Möglicherweise konnte er
seine Macht als neuer Graf dank einer Konsolidierungsphase festigen.
Doch gefährdete er seine Situation bald durch militärische
Abenteuer:
Anstatt den Kreuzzug voranzutreiben, strebte er danach, den
ihm mitverliehenen Titel eines Markgrafen
der Provence durch einen Feldzug ins Rhônetal
Realität werden zu lassen, ließ sich Anfang 1216 die Burg
Beaucaire vom Erzbischof von
Arles verleihen, scheiterte aber am Widerstand der im Comtat-Venaissin
zahlreichen Anhänger des Grafen-Hauses
von ST-GILLES. Durch
diesen Fehlschlag litt Simons
Ansehen erheblich;
Toulouse
erhob sich und wurde mit harter Hand gezüchtigt. Wohl zwecks
Hebung seines Ansehens veranstaltete
Simon anschließend
einen Zug durch die
Pyrenäen-Gebiete (November 1216 Heirat seines Bruders Gui mit der
Erb-Tochter der Grafschaft Bigorre).
Trotz der ernsten Lage im Languedoc marschierte Simon erneut gegen die
Provence; der
vertriebene Graf von Toulouse, verbündet mit dem Grafen von
Comminges und zahlreichen Anhängern im Lande, nutzte die
Abwesenheit aus, um Toulouse zurückzugewinnen und
verteidigungsbereit zu machen. Simon
belagerte die Stadt seit Oktober
1217 und starb am 25. Juni 1218
durch einen Stein, der von Tolosaner Frauen aus einer Schleudermaschine
abgeschossen wurde.
Sein Sohn und Nachfolger Amauri
hob am 25. Juli die Belagerung auf und zog sich nach Carcassonne
zurück. Ohne das Format des Vaters, verließ er nach einigen
meist erfolglosen militärischen Operationen und dem Tod seines
Bruders Gui am 15.
Januar
1224 endgültig Carcassonne, trat seine Rechte an König Ludwig VIII. ab und lebte
fortan auf seinen nordfranzösischen Gütern, bei Hofe
wohlgelitten (Ernennung zum Connétable
durch
Blanca von
Kastilien). Er starb 1241 in Otranto bei der Rückkehr von
einer Orient-Fahrt. Dagegen setzte sein
Onkel, Gui, der die
Lehen Castres und Lombers behielt, den Kampf im Languedoc fort und fiel
1227 oder 1228. Er hatte noch die Einsetzung seines Sohnes Philippe (†
1270) als Erbe durchgesetzt;
dieser wurde zur dominierenden Persönlichkeit des
Königreiches Jerusalem. Unter den Söhnen
Simons bewies
staatsmännisches Profil einzig Simon der Jüngere,
der in
England zum bedeutendsten Repräsentanten der baronialen Opposition
wurde (Montfort,
Simon der Jüngere von).
III. Montfort und Bretagne:
Seit dem späten 13. Jh. stand die Herrschaft Montfort infolge
der Heirat Herzog Arthurs II. (1294, in 2. Ehe) mit Yolande
de Montfort mit dem
Herzogtum Bretagne in enger
Verbindung. Der Sohn des Herzogs, Jean,
wurde Herr von Montfort. In
Ermangelung direkter Nachkommen
designierte Herzog Jean III. (1312-1341), der älteste Sohn Arthurs II. aus dessen 1.
Ehe, seine Nichte Jeanne de
Penthièvre (oo Karl
von
Blois, Neffen des Königs
von Frankreich) zur Erbin. Dagegen proklamierte sich Jean de Montfort
als einziger männlicher Erbe 1341 zum Herzog. Er fand
natürlicherweise die Unterstützung Englands; der
»Bretonische Erbfolgekrieg« (Bretagne,
B. II), ein
verheerender Seitentrieb des Hundertjährigen
Krieges, begann. Nach
dem Tode Jeans
(1345) konnte sich dessen Sohn, unterstützt von zahlreichen
Anhängern, in langen, wechselvollen Kämpfen als legitimer
Herzog (Jean IV.)
durchsetzen und 1364-1399 die Bretagne, wenn auch nie unangefochten,
regieren. Verlor die Herrschaft Montfort in dieser Periode
allmählich ihre Sonderstellung, so wird doch das Herzogs-Haus der
Bretagne bis zu Franz II. (1458-1488)
und seiner berühmten Tochter Anna
(zweimal Königin von Frankreich)
als Haus MONTFORT
bezeichnet. Danach wurde die Seigneurie
Montfort der französischen
Krondomäne einverleibt. Ein Gelehrter aus Carcassonne, Ch. Boyer,
hat festgestellt, daß Herzogin
Anna im alten Stammland
der MONTFORT
(dép. Yvelines) alle Spuren, die an ihren Vorfahren Simon de
Montfort
erinnerten, ausgetilgt hat.
Y. Dossat