MEAUX
Lexikon des Mittelalters:
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Meaux
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Stadt und Bistum in der westlichen Champagne, Brie, östlich von
Paris
(dép. Seine-et-Marne), Vorort der Civitas der Meldi, innerhalb
der Provinz Lugdunensis IV; die Stadt (Name in gallorömischer
Zeit:
Iatinum) lag auf einer Schwemmlandterrasse der mäandrierenden
Marne, im Kreuzungspunkt des ost-west-gerichteten Flußtals mit
einer Nord-Süd-Route (von Sens nach Beauvais).
Am Ende des
3. Jh. zogen sich die Bewohner in ein durch den Fluß
geschütztes Oppidum (9 ha) zurück. Nach der
Überlieferung wurde Meaux
in der 1. Hälfte des 4. Jh. von
einem Schüler des hl.
Dionysius,
dem hl. Sanctinus (Saintin),
christianisiert. Über seinem Grabe, am linken Marneufer, wurde
eine Basilika errichtet; die erste Bischofskirche (?
St. Stephanus)
wurde dagegen 'intra muros'
erbaut. Im 7. Jh. stand das Bistum unter
dem Einfluß Columbans;
der hl. Faro, Bruder der hl. Fara,
gründete als Bischof im Nordender Stadt ein Hl.-Kreuz-Kloster, das
später
sein Patrozinium erhielt.
Die Normannen griffen Meaux
zweimal an (862, 888). Im 10. Jh. gewann
Heribert II., Graf von Vermandois, die Grafschaft
Meaux
infolge Heirat mit einer
Tochter des westfränkischen
Königs Robert I. Heribert übertrug Meaux
seinem Sohn Robert, der
auch Graf von Troyes wurde.
Damit
konstituierte
sich ein Grafschaftskomplex, der den Kern des entstehenden
Fürstentums Champagne
bildete. Der Graf besaß in Meaux
die Befestigungsmauern und einen
Teil des Stadtgebietes. Er ließ in der Südwest-Ecke des
alten Oppidums
eine Burg errichten. Um 1000 gelang es den Grafen zwar für kurze
Zeit, ihre Hand auf den 'episcopatus'
zu legen (Bischofswahl des hl.
Gilbert), doch mußten sie diese Vormachtstellung aufgeben,
als
die Grafschaften der Champagne an das
Haus BLOIS fielen. Meaux
wurde wieder zum
königlichen Bistum, doch behielten die Grafen das weltliche
Regalienrecht in Zeiten
der Sedisvakanz und das Spolienrecht, auf das sie erst 1125-28
verzichteten. Bei alledem haben die Champagne-Grafen (TEDBALDINER) die
Partei der Gregorianer unterstützt; Graf Tedbald I. förderte
1081 die Abhaltung eines Konzils unter dem päpstlichen Legaten Hugo von
Die.
Die Stadt Meaux hatte eine
günstige strategische Lage und vermochte im
Kriegsfall Paris zu bedrohen, insbesondere wenn die Grafen ihre
Feindseligkeiten gegen die KAPETINGER
mit den anglonormannischen Kräften
koordinierten. Daher versuchte König
Ludwig VI., die
Stadt 1111
einzunehmen. In dieser Zeit war Meaux
Wohnsitz zahlreicher
Ritter-Familien; die bedeutendsten waren die DE CORNILLON (aus einem Ort
südlich von Meaux, am
Abfall der Brie-Hochebene), DU
DONJON
(wohl
Inhaber des großen Turms der Befestigung) und DE LA FERTE-ANCOUL (La
Ferté-sous-Jouarre), denen die
Vicomté unterstand. Die Bischöfe hatten eine gewisse
Vorrangstellung
aufgrund des Münzrechts, das die Grafen ihnen jedoch zu
entreißen trachteten; um 1158 erreichten sie, daß der
bischöfliche
'denier meldois' dem
gräflichen 'denier provinois'
(Denier) angeglichen
wurde. Zu Beginn des 13. Jh. stellten die Bischöfe ihre
Münzprägung ein.
Die Entwicklung des 12. und frühen 13. Jh. war geprägt
von demographischem Aufschwung und Landesausbau, der zu ausgedehnter
Rodungstätigkeit im Forst von Brie führte. Das Einzugsgebiet
der Stadt verschob sich vom Norden stärker in den südlichen
Bereich;
Meaux wurde zum zentralen
Marktort eines reichen Weinbau-, Ackerbau- und
Weidegebiets. Das Handwerk war dagegen nur gering entwickelt; der
Handelsverkehr wurde vom Grafen, zum Nachteil seines bischöflichen
Konkurrenten,
auf den gräflichen Messeplatz Lagny umgeleitet. 1179 verlieh Graf Heinrich
I.
'le
Libéral' der
unruhig gewordenen
Bürgerschaft eine
Charta nach dem Vorbild von Soissons, deren Privilegien er bald auf
mehrere nahegelegene Dörfer ausdehnte. Das Kathedralkapitel
führte um 1234 auf seinen Domänen die Zinsleihe ein. Es trieb
auch den gotischen Kathedralneubau voran, begonnen um 1170-1180. Der
Graf
wiederum vergrößerte seine Seigneurie, indem er das
Marktviertel (Le Marché, um die Kirche St-Saintin) besiedeln,
befestigen und mit einem Kanal (Canal de Cornillon) umgeben ließ.
Die so verdoppelte Stadt wurde am Ende des 13. Jh. zum Sitz eines
der vier Bailliages der
Champagne; nach ihr ist eines der vier
champagnischen Gewohnheitsrechte (coutumes)
benannt.
Um die Mitte des 14. Jh. war kein Geringerer als Philipp von Vitry, der
Begründer der Ars nova, Bischof
von Meaux
(1350-1361).
1358 schlossen sich
die Bewohner von Meaux der
aufständischen Pariser Kommune unter
Étienne Marcel an,
wurden aber von einer Kreuzfahrertruppe, die
gerade von einer Preußenreise zurückkehrte (unter den
gascognischen Herren Graf Gaston
Fébus und Jean de
Grailly, Captal
von
Buch), geschlagen, der
Bürgermeister
Jean Soulas gehenkt, die
Stadt mit Aufhebung ihrer Charta bestraft.
1422-1439 fiel die Stadt in die Hand der Engländer. Nach der
Befreiung setzte ein demographischer Wiederaufstieg ein. Zwei neue
Viertel
entstanden; das gesamte Stadtareal erhielt eine neue Mauer. Die
Stadtfläche 'intra muros'
betrug um die 20 ha, ohne den
Marché (ca. 10 ha) und den an der Straße nach Deutschland
gelegenen Faubourg St-Nicolas. Ende des Mittelalters hatte Meaux
wohl ca. 6.000 Einwohner.
M. Bur