Lexikon des Mittelalters: Band II Spalte 684
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Brienne
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Grafen-Familie aus der Champagne, die durch
Unternehmensgeist
und glückhafte Heiraten zu einer der bedeutendsten Dynastien des
spätmittelalterlichen
Europas aufstieg
[1] GRAFSCHAFT und HAUPTLINIE
Der Name Brienne (Brienne, Dep. Aube, Arr.
Bar-sur-Aube)
ist als „Briona“ auf einer merowinger
heiligen Lupus-zeitlichen
Münze bezeugt; eine Vita des (AASS, Jul., VII, 81)
erwähnt „Brionenses“; KARL DER KAHLE,
König
von West-Franken, stellte eine Urkunde „in villa Briona“ aus (851).
Zu dieser Zeit war Brienne Zentrum des „pagus Brionensis“ (auch:
Breonensis,
Brianensis, Brenensis; das spätere Brenois, Briennois), von dem
bald
darauf ein Teil als Grafschaft Rosnay abgetrennt wurde (schon das
Kapitular
von Servais nennt „Brionisi duo“).
Der Pagus korrespondierte
anscheinend
mit dem Archidiakonat Brienne der Diözese Troyes. Allgemein wurde
als ursprünglicher Vorort des Pagus der Ort Brienne-la-Vieille
angesehen,
während Brienne-le-Chateau als das spätere Zentrum galt;
tatsächlich
dürfte jedoch, wie auch andernorts, eine Aufgliederung des Fiscus
Briona in castrum und villa erfolgt sein.
Der seit der Mitte des 10. Jh. belegte Engelbertus
trug, soweit bekannt, als erster den Titel eines Grafen von Brienne;
die
Herrschaft hatte offenbar vorher zur Grafschaft Troyes gehört. Ludwig
IV., König von
West-Franken,
belagerte 951 die Burg des Engelbertus
(Flodoardus, Annales, ed.
Lauer, 31).
Dessen Sohn Engelbertus
II. († ca. 980; oo Adelaide,
Tochter des Grafen von Sens
und
Witwe
des Grafen von Joigny)
nahm ausdrücklich den Titel eines
Grafen von Brienne an, er
veranlaßte
die Wiederherstellung der Abtei Montierender, in welcher noch seine
Nachkommen
die Vogtei ausübten.
Um 1035 ging die Grafschaft durch seine
Erb-Tochter
Petronilla an Gautier (Walter) I. († bald
vor 1089) über;
dieser vereinigte durch seine 2. Heirat mit der Erbin der Grafschaft Bar-sur-Seine,
Eustachie,
die beiden Grafschaften (1072). Nach seinem Tod wurden beide
Grafschaften
zwischen den beiden Linien des Hauses
BRIENNE geteilt:
die
jüngere
Linie, die auf Milon I.
von Brienne zurückgeht, hatte die
Grafschaft
Bar inne (Gui, um 1125-1146; Milon II., † 1151), die
durch
Milons
II. Tochter, Petronilla,
an deren Gatten Hugues (Hugo)
von Puiset
(† 1189) kam.
Der Begründer der älteren
Linie,
Erard I.
(oo Aaalis, Tochter des
Grafen
Ramerupt, Andre von Roucy),
nahm
am 1. Kreuzzug teil.
Nach seinem Tod (vor 1125) ging die Herrschaft
Ramerupt
an seinen jüngeren Sohn
Andre von Brienne und
dessen Nachkommen
über, von denen insbesondere Erard von Brienne zu nennen
ist,
welcher 1214 Philippine, die Tochter
Heinrichs
II. von Champagne,
König von Jerusalem,
und der Isabelle, geheiratet hatte
und mit der Waffe in der Hand die Grafschaft
Champagne forderte, die
ihm
ein Urteil der Pairs von Frankreich verweigerte.
Die Grafschaft Brienne ging dagegen an den älteren
Sohn Erards I., Gautier II. († um
1158) über; er nahm
am Kreuzzug König
Ludwigs VII.
teil. Gautiers Sohn
war Erard II. (oo 1166 Agnes
von Montbeliard/Mömpelgard),
der um 1188/92 starb.
Der Aufstieg des Hauses vollzog sich indes vor
allem
unter dem abenteuerlichen Gautier
III., der am Kampf von Richard
Löwenherz gegen Philipp II.
August
teilnahm (1198), gleichzeitig mit seinem Vasallen Geoffroi de Villehardouin
das Kreuz nahm und im Jahre 1200 Elvira,
die ältere Tochter Tankreds, Königs
von Sizilien, heiratete; der König übertrug ihm sein
Eigentum, die Grafschaft Lecce,
die dem Haus BRIENNE
verblieb.
Als Parteigänger Innozenz'
III. ließ sich Gautier
III.
vom Papst, als dem Ober-Lehnsherrn des Königreiches Sizilien, die
Rechte
auf die Grafschaft Lecce und
das Fürstentum Tarent
bestätigen.
1201 begab er sich nach Unter-Italien, wo er einen beachtlichen Teil
des
Erbes seiner Frau zurückerobern konnte, doch fiel er 1205 im
Gefecht
von Sarno. Die "Estoire de Eracles" nennt Gautier III. "einen
tapferen
Ritter", voll Heldenmut, großherzig und von edler Herkunft".
Gautier
IV., sein posthumer Sohn,
unterstand zunächst (bis 1221) der Vormundschaft
seines Onkels, Johann (Johann de Brienne),
des späteren Königs von
Jerusalem (zu der auf Johann
von Brienne zurückgehenden Linie Eu-Guines siehe
Abschnitt 2).
Gautier IV.,
genannt "der Posthume" oder
"der Große", Graf
von Brienne, Lecce und Jaffa
(oo 1233 Maria von Lusignan, Schwester
König
Heinrichs von Zypern), war einer der aktivsten Verteidiger
des
fränkischen Syrien; von den Muslimen 1244 gefangengenommen, wurde
er in der Gefangenschaft getötet. Sein Leichnam wurde 1251 den
Christen
zurückgegeben und in St. Johann zu Akkon bestattet.
Joinville
rühmt
Gautiers Tapferkeit,
Freigebigkeit und Frömmigkeit. Seiner Ehe mit
Maria
von Lusignan entstammten zwei
Söhne:
Johann II.,
der ältere, wurde 1247 Graf von
Brienne, hielt sich aber zumeist am
zyprischen Hof in Nikosia auf; kinderlos
verstorben, hinterließ er
Brienne seiner Witwe Maria
von Enghien als Wittum.
Der jüngere
Sohn, Hugo,
Graf von Lecce (seit 1246?),
blieb bis 1267/68
im Osten, darauf diente er Karl von Anjou
in Italien (Schlacht von Tagliacozzo, 1268). In einer Urkunde,
gegeben
zu Marseille am 23. Juni 1270, anerkennt er, Thibaud
IV.,
Grafen von Champagne,
seinen Lehnsherrn, 2.000 livres Tournois zu schulden für:
1. die Abtretung der Grafschaft Brienne, die ihm
infolge
des Todes seines älteren Bruders
Johann zugefallen war;
2. die Erbfolge für seinen Bruder Aimeric.
Hugo nahm
an den militärischen
Auseinandersetzungen
zwischen den ANJOU
und den ARAGON,
welche der Sizialinischen Vesper (1282) folgten, als Anhänger der
ANJOU teil. Bereits 1272 hatte Hugo
die Witwe des Herzogs
von Theben und Schwester
Herzog Wilhelms I. von Athen,
Isabella de la
Roche, geheiratet, die ihm Gautier V. gebar; 1291
vermählte
sich Hugo in 2. Ehe mit Helene
Komnene, die, als Witwe Herzog
Wilhelms I. († 1287), Regentin des Herzogtums Athen war;
aus dieser Ehe
ging Johanna hervor (oo Niccolo
Sanudo, Herzog von Naxos).
Hugo
von Brienne war somit, durch Einheirat in die Familie DE LA
ROCHE,
zum Beherrscher des Herzogtums Athen
geworden. Er fiel 1296
bei
Lecce in einem Gefecht gegen den aragonesischen
Admiral Roger de Lauria.
Die Grafschaft Brienne fiel nun an Hugos Sohn,
Gautier
V., der sie durch seinen Schwager
Gaucher de Chatillon, Connetable
de France, verwalten ließ. Gautier V. regierte in
Athen mit
angevinischer
Unterstützung und nahm auch an der Seite der ANJOU
den Kampf im Königreich Sizilien, allerdings erfolglos, wieder
auf.
Bald nach 1300 vorübergehend nach Frankreich zurückgekehrt,
eroberte
er ab 1308 große Teile Griechenlands und herrschte als Herzog von
Athen, wobei er sich zunächst auf die Söldnertruppe
der Katalanischen
Kampagnie stützte (1310), mit der er aber bald in Konflikt geriet.
Im Gefecht am Kephisos (15. März 1311) unterlag er den Katalanen
und
fand den Tod. Die Katalanen bemächtigten sich anschließend
des
Herzogtums Athen, so daß Gautiers
Nachkommen, trotz aller
Rückeroberungspläne, nur der leere Herzogstitel blieb.
Die
Groß-Nichte
Gautiers,
Maria von Enghien,
ließ
den Leichnam des Herzogs später in den
Dom von Lecce überführen.
Gautiers
Witwe,
Jeanne de Chatillon († 1355),
führte die Vormundschaftsregierung für Gautier VI., Graf
von Conversano, während dessen Minderjährigkeit.
Gautiers
VI. weitgespannte militärischen und politischen
Aktivitäten
als Parteigänger der ANJOU in
Italien gipfelte in seiner Herrschaft als Signore von Florenz
1342-1343.
Nach Gautiers Tod in der
Schlacht bei Poitiers
(1356) erbte seine
Schwester Isabella,
deren Gatte Gautier IV. von
Enghien
ebenfalls
bei Poitiers gefallen war, die Grafschaften
Brienne, Conversano und
Lecce,
die, gemeinsam mit dem Titular-Herzogtum Athen, somit an das Haus ENGHIEN
fielen (Sohier, † 1367;
Gautier, † 1381; Louis).
1386 ging Brienne durch
die 2. Heirat der Tochter des Louis
d'Enghien, Marguerite,
mit Johann von
Luxemburg an das Haus LUXEMBURG über. Nach der
Hinrichtung des Ludwig
von Luxemburg, Graf von St-Pol
und Connetable de France
(1475), unter König
Ludwig XI. übertrug sie
dieser im Januar 1476 an Karl
I.
von Amboise, doch wurde sie von König Karl
VIII. an Anton I. von
Luxemburg, den Sohn des
Hingerichteten,
zurückgegeben.
[2] DIE LINIE EU-GUINES
Johann von Brienne hatte
im Jahre 1210 Frankreich verlassen, da ihn König
Philipp II. August mit einer
Gesandtschaft nach Akkon
betraut
hatte. In Akkon heiratete er Maria,
die Tochter Konrads von Montferrat,
und wurde am 3. Oktober 1210 zum König
von Jerusalem
gekrönt.
Die Tochter von Johann und Maria,
Jolande,
wurde mit Kaiser
FRIEDRICH II.
vermählt,
dem sie das Königreich Jerusalem in die Ehe brachte.
Johann,
der von den Baronen des lateinischen Kaiserreiches nach Konstantinopel
gerufen wurde, übte dort die Regentschaft
aus und
veranlaßte,
daß seine Tochter Maria, die
der Ehe mit
Berengaria (Berenguela) von Kastilien
entstammte, mit seinem Mündel, Balduin
II.,
vermählt wurde. Einer der Söhne
Johanns,
Alfons,
wurde durch Heirat mit Alix von
Issoudun (um 1249) der
Stammvater der Grafen von Eu;
aus dieser Linie des Hauses
BRIENNE
gingen
hervor:
Raoul I. von Brienne, der
Graf von Eu und
(aufgrund
der Erbschaft seiner Mutter Jeanne)
auch Graf von Guines
war; er übte seit 1330 das Amt des Connetable de France
aus
und leitete die Kriegsführung gegen die Engländer im
Languedoc
und in der Guyenne, 1344;
Raoul II., ebenfalls Connetable
de
France, geriet 1346 in englische Gefangenschaft und
verpfändete
als Lösegeld seine Grafschaft Guines; dies trug ihm den Verdacht
des
Verrates ein, und er wurde 1350 hingerichtet, die Grafschaft Guines
konfisziert,
während seine Herrschaft im Morvan (Chateau-Chinon und Lormes) an
seine Schwester Jeanne
(oo mit seinem Vetter Gautier
VI.
von
Brienne) fiel.
Die Geschichte dieser tapfern französischen Abenteurer, welche alle nacheinander von Gauthier III. an, dem Gemahl der Albiria d'Hauteville und erstem Grafen von Lecce seines Hauses, bis zum letzten ihres Namens Gauthier VI., dem bekannten Herzog von Athen und Signor von Florenz, ein blutiges Ende gefunden haben, gehört wegen ihrer Verbindung mit Cypern, Jerusalem und Athen fast mehr dorthin als nach Kalabrien.
Gauthier III. war der Sohn Erards aus dem alten Grafen-Hause der BRIENNE in der Campagne, und der Agnes von Mömpelgard. Er vermählte sich mit Tancreds Tochter Albiria, im Jahre 1200; von dem Papst Innocenz III. unterstützt und in den Rechten seiner Gemahlin auf Lecce anerkannt, warf er sich zum Rächer der Normannen und zum Prätendenten der Krone Siziliens auf, welche HEINRICH VI. seinem jungen Sohne FRIEDRICH vererbt hatte. Er fiel jedoch schon im Jahre 1205 in Campanien in einer unglücklichen Schlacht, wo er zum Tode verwundet in die Gewalt des Grafen Diepold geraten war.
Sein Sohn Gauthier IV., Neffe jenes Königs von Jerusalem, Johann von Brienne, dessen Tochter Jolantha die Gemahlin FRIEDRICHS II. wurde, konnte seine Rechte auf Lecce nicht mehr geltend machen. Er ging nach Jerusalem, wo er mit heldenmütiger Tapferkeit gegen die Sarazenen kämpfte. In einer Schlacht gefangengenommen und nach Kairo fortgeführt, ward er dort ermordet im Jahre 1246. Er hatte sich mit Maria von Lusignan vermählt, einer Schwester des Königs Heinrich I. von Cypern. So wurde durch ihn die Verbindung des Hauses BRIENNE mit den Angelegenheiten des Orients fortgesetzt.
Sein Sohn Hugo machte die Rechte seiner Mutter auf Cypern geltend und beanspruchte sogar die Krone Jerusalems. Doch kehrte er, da seine Hoffnungen fehlschlugen, nach Italien zurück, und hier gab ihm Karl von Anjou nach der Besiegung Konradins die Grafschaft Lecce zum Lehn, die sein Großvater besessen hatte. Er diente seither als Vasall der Krone in den Kriegen Karls, ging aber bald nach Griechenland, wo er die Witwe Guillaumes de la Roche heiratete, des Herzogs von Athen. Hugo von Brienne fiel im Jahre 1296 vor den Mauern Lecces, welche Stadt der sizilianische Admiral Roger Loria bestürmte.
Sein Sohn und Nachfolger Gauthier V. wurde im Jahre 1308 Herzog von Athen, nach dem Tode des Sohnes jenes Guillaume de la Roche, in welchem diese Linie der athenischen Herzöge endigte. Dort fiel auch dieser BRIENNE im Jahre 1311 in einer mörderischen Schlacht gegen die katalonischen Banden.
Seine Witwe Jeanne de Châtillon flüchtete aus Griechenland mit ihren beiden Kindern Gauthier und Isabella an den Hof Neapels. Es war ihr Sohn Gauthier, der Titular-Herzog von Athen, welchem die Florentiner, geängstigt durch die Wut der Parteien und durch ihr Unglück im Kriege wider Pisa, auf unerhörte, ja unbegreifliche Weise die lebenslängliche Signorie ihrer Republik übertrugen. Dies geschah am 8. September 1342. Der ehrgeizige Brienne setzte alle seine Künste in Bewegung, um Tyrann der reichen Republik zu werden; er wälzte die florentinische Verfassung um und nahm dem Volk seine Freiheiten, bis ihn dieses in dem berühmten Aufstande des 3. August 1343 aus der Stadt verjagte.
Der verbannte Herzog von Athen kehrte in seine Grafschaft Lecce zurück; später ging er nach Frankreich, ward dort Connetable und fand endlich einen ruhmvollen Tod in der Schlacht bei Poitiers. Mit ihm erlosch das Haus BRIENNE.
Er war vermählt mit Margarete von Anjou, einer Tochter Philipps I., des Fürsten von Tarent, hinterließ aber keine Kinder. So fiel die Grafschaft Lecce an die Nachkommen seiner Schwester Isabella, welche sich im Jahre 1320 mit Gauthier von Enghien vermählt hatte. Dessen Sohn war Jean d'Enghien-Bourbon, nachmals Vater der Königin Maria di Enghenio, welche unter den geschichtlichen Persönlichkeiten Lecces noch heute vielleicht die volkstümlichste ist.
Diese schöne und kluge Frau, eine Tochter der Sueva del Balzo, war im Jahre 1367 geboren. Sie folgte ihrem Bruder Pirro, dem Letzten des Hauses ENGHIEN zu Lecce, in der Regierung im Jahre 1384 und vermählte sich mit Romandello Balzo-Orsini, dem berühmten Fürsten von Tarent und mächtigsten Feudalherrn Neapels. Nach dem Tode ihres Gemahls im Jahre 1405 regierte sie als Vormünderin ihrer Kinder auch das Fürstentum Tarent, dessen Gebiet sich damals fast über die ganze kalabrische Halbinsel erstreckte. Vom Könige Ladislaus im Jahre 1406 belagert, verteidigte sie Tarent erst mit kühnem Mut, dann übergab sie die Stadt und sich selbst dem Feinde, welcher sie als seine Gemahlin nach Neapel führte. Nach dessen Tode im Jahre 1414 wurde sie von der Königin Johanna II. mit ihren Kindern in Neapel gefangengehalten, aber sie entkam nach Lecce und regierte ihre Länder unter vielen Kriegen und Umwälzungen bis an ihren Tod, im Jahre 1446. Mit ihrem Sohn Gianantonio erlosch im Jahre 1463 die feudale Dynastie von Lecce und Tarent.
Die wissenschaftlichen Bestrebungen in jenem Lande haben endlich dadurch einen festen Mittelpunkt gefunden, daß im Jahre 1869 zu Lecce eine Kommission der Archäologie und der vaterländischen Geschichte der Terra d'Otranto eingesetzt worden ist. Ihr ist die Aufgabe gestellt, alles die Altertümer und die Geschichte der Provinz betreffende Material zu ordnen, Ausgrabungen zu veranstalten, Vasen, Münzen, Inschriften, Bücher und Manuskripte zu sammeln und in einem Provinzialmuseum zu Lecce niederzulegen.
Dies Museum ist eingerichtet worden und beginnt sich zu füllen, sowohl durch Schenkungen aus dem ganzen Lande, als durch den Erfolg von Ausgrabungen, mit denen in Rugge, der Vaterstadt des Ennius, unter der Leitung De Simones der Anfang gemacht worden ist. Ob die Ausgrabungen in der Terra d'Otranto noch sehr lohnend sein werden, ist zweifelhaft; denn seit vielen Jahrhunderten sind dort die Altertümer geplündert, verschleudert und zerstört worden, wie das der Vorstand jener Kommission, der Herzog Sigismondo von Castromediano, ein verdienter Patriot und Förderer der Wissenschaft und Kunst, in seinem ersten Sitzungsbericht namentlich von Rugge, Oria, Brindisi und Tarent beklagt hat. Vielleicht ist überhaupt zu wünschen, daß die einseitig vorherrschende Richtung auf archäologische oft ganz unfruchtbare und sehr kostspielige Forschungen gemäßigt werde, und daß durch einsichtige Arbeitsteilung auch die historischen Studien zu größerer Kultur kommen. Dies würde geschehen durch Überweisung des geschichtlichen Gebietes an eine Abteilung der Kommission und durch Gründung von Bibliotheken und Archiven. Die mit dem Museum vereinigte Sammlung salentinischer Autoren und Manuskripte umfaßt gegenwärtig mehr als 320 Nummern. Die Handschriften bestehen größtenteils in ungedruckten Chroniken und Stadtbeschreibungen.
Die neugegründete öffentliche Bibliothek zählt erst 16 000 Bände. Im allgemeinen ist es um die Büchersammlungen des Landes schlecht genug bestellt. Tarent, einst ein Athenäum der Wissenschaften, besitzt heute weder ein Museum von Altertümern noch selbst die kleinste Bibliothek. Nardò hat die Biblioteca Sanfelice, die der Bischof dieses Namens am Anfange des 18. Jahrhunderts stiftete; Brindisi besitzt die reichhaltigste des Landes, welche vom dortigen Erzbischof Leo am Anfange dieses Jahrhunderts dem öffentlichen Gebrauch übergeben wurde. Auch Gallipoli, Ostuni und Oria haben Kommunalbibliotheken. Es gibt sodann einige Privatbibliotheken, wie in Lecce die des Hauses ROMANO, in Galatina die der Familie PAPADIA, in Gallipoli die der Fonto und Ravenna.
Solche Büchersammlungen stammen noch aus Stiftungen her, welche einzelne einheimische Gelehrte und Bibliophilen seit dem 16. Jahrhundert gemacht und dann ihren Familien hinterlassen haben. Andere waren feudalen und geistlichen Ursprungs; die Barone des Landes gründeten nämlich Klöster zu dem Zweck, die Sorge für ihre Familiengrüfte Mönchen dauernd zu übergeben, und zugleich legten sie dort Büchersammlungen an. Die erste und auch berühmteste Stiftung dieser Art ist die Fransizkanerkirche der heiligen Catarina zu San Pietro in Galatina, zugleich ein schönes Baudenkmal, welches Heinrich Wilhelm Schulz für das bedeutendste in der Terra d'Otranto erklärt hat. Dieses Kloster gründete um das Jahr 1384 jener aus der Zeit des Papstes Urban VI. und Karls III. von Neapel bekannte Ramondello del Balzo-Orsini, Graf von Soleto. Die Klosterbibliotheken erhielten sich bis auf den Anfang dieses Jahrhunderts. Als damals unter dem französischen Regiment Neapels die Klöster überhaupt aufgehoben wurden, wanderten deren Bücherschätze teils in die Nationalbibliothek zu Neapel, teils in die Generalordenshäuser in Rom, teils in Privatbesitz. Soviel sich endlich nach der letzten Aufhebung der Klöster in unserer Zeit an Büchern vorgefunden hat, soll nun der Anlage öffentlicher Gemeindebibliotheken zugute kommen.
Was den Bestand des archivalen Materials betrifft, so liegen die Quellen dieser Natur für die Geschichte der Terra d'Otranto heute wesentlich im großen Staatsarchiv zu Neapel. Infolge des Gesetzes vom 12. November 1818, welches jenes Archiv zu einer zentralen Reichsanstalt machte, wurden die Urkunden der Provinzial- und Gemeindearchive dorthin übertragen. So sind auch die kalabrischen Archive ausgeleert worden, bis auf wenige Reste in einzelnen Kommunen. Das Museum zu Lecce besitzt nur dreizehn Urkunden, von denen die älteste ein Diplom der Königin Johanna I. vom 7. August 1362 ist. Reichhaltiger ist der Bestand einiger Archive der Kathedralkirchen. Nach einem mir von Herrn Casotti übergebenen Bericht besitzt zum Beispiel das Domarchiv Brindisi noch heute an Urkunden 58 Bullen der Päpste, ein griechisches Diplom des Kaisers Basilius, 10 normannische, 6 der HOHENSTAUFEN, 16 der ANJOU, 1 der Grafen von Lecce, 24 der Fürsten von Tarent, 4 der Könige vom Haus ARAGON und 2 der Republik Venedig. Die Archive der Feudalgeschlechter sollen durchweg verschleudert und vernichtet worden sein.
Das Gesagte mag hinreichen, dem Leser einen Begriff von den geschichtlichen Verhältnissen und den historischen Studien in jenem merkwürdigen Lande zu geben, wo ehemals die feinste hellenische Bildung auf dem Grunde des sogenannten messapischen Barbarentums sich ausgebildet hatte und dann jählings verschwand, ohne, wie es in manchen Teilen Siziliens der Fall gewesen ist, durch eine andere bedeutende Kultur ersetzt zu werden.
Es ist aber wohl möglich, daß jenes alte
Kalabrien
noch einer schönen Zukunft entgegengeht, und daß Brindisi
von
neuem eine internationale Wichtigkeit gewinnt, nämlich als die
europäische
Mittelstation der neuen Via Appia des Weltverkehrs, die sich heute von
England bis nach Indien und China forterstreckt.
| Heinrich
II. Lord de Beaumont † 1369 |
| Heinrich III. Lord de Beaumont † 1413 |
| Johann
I. Lord de Beaumont † 1342 |
| Johann II. Lord de Beaumont † 1396 |
| Johann III. Lord de Beaumont † 1460 |
| Wilhelm Lord de Beaumont † 1507 |
| Eleonore
Lady de Beaumont † 1372 Lancaster |
| Elisabeth
Lady de Beaumont † 1441 Phelip |
| Elisabeth
Lady de Beaumont † 1537 Scrope |
| Katharina
Lady de Beaumont † 1483 Neville |
| Margarete Lady de Beaumont † 1398 De Vere |