Sigibert I.                                                  Frankenkönig von Austrasien (561-575)
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um 535- 575 vor 8.12. ermordet (nach 1.9.)
             bei Vitry

Begraben: St. Medard/Soissons
 

Jüngster Sohn des Franken-Königs Chlothar I. aus seiner 3. Ehe mit der Ingunde
 

Lexikon des Mittelalters: Band VII Spalte 1883
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Sigibert I., merowingischer König
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* 530/33, + 575

Begraben: St. Medard/Soissons

Bei der Reichsteilung nach Chlothars I. Tod 561 erhielt Sigibert I. das Reimser Teilreich (austrasische Namenstradition? - Sigibert von Köln) mit sämtlichen Erwerbungen östlich des Rheins und südlich der Donau sowie Anteile Aquitaniens und der Provence. Der sich benachteiligt fühlende Bruder Chilperich I. fiel in Sigiberts Anteil ein, wurde aber zurückgeschlagen. Einen Angriff der Avaren 562 vermochte Sigibert I. an der Elbe abzuwehren; bei ihrem erneuten Vorstoß 565/66 konnte er durch Verhandlungen eine dauerhafte Abmachung erzielen und die Ostgrenze befrieden Neue innerfränkische Unruhen brachte der frühe Tod des Bruders Charibert I. von Paris 567: die komplizierte Aufteilung seines Erbes ließ bald ein „bellum civile“ (Gregor von Tours) ausbrechen, das wenig später in einer Familientragödie eskalierte. 566 hatte Sigibert I. die westgotische Königs-Tochter Brunichild geheiratet; bald darauf ehelichte sein Bruder Chilperich deren ältere Schwester Galswintha, ließ sie aber 569/70, wohl auf Anstiften seiner Geliebten Fredegunde, ermorden. Die Fehde der Brüder tobte über Jahre; 575 drang Sigibert I. tief in Chilperichs Reichsteil ein und erreichte gar dessen Verlassung, wurde aber bei seiner Schilderhebung in Vitry (Artois) ermordet. Sein Tod brachte einen Umschwung zugunsten Chilperichs.

Quellen:
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Gregor v. Tours, Hist. Fr. IV, 19-51 (MGH SRM I²) -

Literatur:
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E. Ewig, Die frk. Teilungen und Teilreiche (511-613), AAMz 1952, Nr. 9, 676-681 [= Ders., Spätantikes und frk. Gallien, I, 1976, 135-140] - Ders., Stud. zur merow. Dynastie, FMASt 8, 1974, 30-35 - Ders., Die Merowinger und das Frankenreich, 1993, 41-44 u.ö. - R. Kaiser, Das röm. Erbe und das Merowingerreich, 1993, 30,34,70 -


Bei der Reichsteilung 561 erhielt Sigibert I. Austrasien mit der Residenz Reims. Er bekämpfte die eindringenden Awaren und verbündete sich mit Byzanz 571 gegen die Langobarden, gegen die er mehrmals Feldzüge unternahm. Bei der Aufteilung des Gebietes seines Bruders Charibert I. 567 kam es unter den Brüdern zu Machtkämpfen, in deren Verlauf die Macht des Adels zusehends erstarkte. In den Auseinandersetzungen mit seinem Bruder Chilperich I. von Neustrien wurde er ermordet.

Ewig Eugen:
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"Die Merowinger"

Nach dem Tode seines Vaters fiel Reims an Sigibert I. Die Champagne Sigiberts (Reims, Chalons) wurde abgerundet durch Laon, das 511 dem Reichsteil Soissons zugeschlagen worden war. Dem König von Reims verblieben außerdem sämtliche Erwerbungen östlich des Rheins und südlich der Donau. Sigibert von Reims erhielt aus dem Erbe seiner Reimser Vorgänger die Auvergne mit dem Velay sowie die civitates Rodez und Javols. In die wirtschaftlich besonders wichtige Provence teilten sich Gunthram (Arles) und Sigibert (Marseille). Chilperich fiel bald nach der Teilung in die Lande Sigiberts ein, als dieser gegen einen neu auftretenden äußeren Feind, die Awaren, zu Felde zog, wurde aber von Sigibert in die Schranken gewiesen.
Durch die Gründung des Awarenreiches an der Donau und die langobardische Invasion in Italien wurde die politische Lage in Italien und Mitteleuropa von Grund auf  verändert. Die Awaren bedrohten sowohl das merowingische Teilreich von Reims wie das Imperium. Durch den Einmarsch der Langobarden in N-Italien verlor der noch schwelende Gebietskonflikt zwischen dem Reimser König und dem Kaiser vorerst jede Bedeutung. Zudem machten wachsende Spannungen unter den MEROWINGERN eine militärische Intervention in Italien unmöglich. So machte denn Sigibert von Reims 571 seinen Frieden mit dem Kaiser, vermutlich behielt er sich die Regelung der strittigen Fragen zu einem späteren Zeitpunkt vor.
Der labile Friede unter den MEROWINGERN war durch den frühzeitigen Tod Chariberts I. von Paris im November oder Dezember 567 schwer erschüttert worden. Die Teilung des Erbes unter die drei überlebenden Brüder war äußerst kompliziert. Man gliederte die Erbmasse in drei Länderblöcke - Francia, Aquitania, Noempopulana (Gascogne) - von denen jeder Bruder einen Anteil erhielt. An Sigibert fielen Meaux, Avranches, Chateaudun, Vendome und Tours (Francia), Poitiers und Albi (Aquitania), Aire, Couserans und Bayonne (Novempopulana). Diese Zerstückelung des Charibert-Erbes führte bald zum Ausbruch eines bellum civile (Gregor von Tours). Der Konflikt wurde verschärft durch eine Familientragödie, die in die Nibelungensage einging. Sigibert von Reims hatte 566 Brunichild, eine Tochter des Westgoten-Königs Athanagild, geheiratet. Chilperich heiratete bald darauf Gailswinth, eine Schwester Brunichilds, die er jedoch 569/70 auf Anstiftung seiner Konkubine Fredegunde ermorden ließ. Gunthram schaltete sich als Vermittler ein, konnte aber den Ausbruch der Fehde zwischen den Königen von Reims und Soissons nicht mehr verhindern. Chilperich entsandte ein Heer zur Eroberung von Tours und Poitiers, Sigibert besetzte Paris, griff den Bruder im Kern seines Reichsteils an und zwang ihn zum Rückzug auf Tournai. In diesem entscheidenden Augenblick wurde er in Vitry (Artois) im Dezember 575 ermordet.

Ennen Edith: Seite 49-52
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"Frauen im Mittelalter"

Gregor von Tours erzählt (IV. Buch, Kap. 27): "Als nun König Sigibert sah, daß seine Brüder sich Weiber wählten, die ihrer nicht würdig waren, und sich so weit erniedrigten, selbst Mägde zur Ehe zu nehmen, da schickte er eine Gesandtschaft nach Spanien und freite mit reichen Geschenken um Brunichilde, die Tochter König Athanagilds. Denn diese war eine Jungfrau von feiner Bildung, schön von Angesicht, züchtig und wohlgefällig in ihrem Benehmen, klugen Geistes und anmutig im Gespräch. Der Vater aber versagte sie ihm nicht und schickte sie mit großen Schätzen dem Könige. Der versammelte die Großen seines Reiches, ließ ein Gelage anrichten, und unter unendlichem Jubel und großen Lustbarkeiten nahm er sie zu seinem Gemahl. Und da sie dem Glauben des Arius ergeben war, wurde sie durch die Belehrung der Bischöfe und die Zusage des Königs selbst bekehrt, glaubte und bekannte die heilige Dreieinigkeit und wurde gesalbt".
Die Ermordung Galsvinthas war neben den territorialen Auseinandersetzungen eine wesentliche Ursache des nun in voller Schärfe ausbrechenden Konfliktes zwischen Sigibert und Chilperich; er endete 575 mit der Ermordung Sigiberts auf Anstiften der Fredegunde: "Als Sigibert nach dem Hofe kam, der Vitry genannt wird - bei Arras -, sammelte sich um ihn das ganze Heer der Franken, hob ihn auf den Schild und setzte ihn sich zum König. Da drängten sich zwei Dienstleute, welche die Königin Fredegunde berückt hatte, mit tüchtigen Messern, die man Scramsax nennt und die vergiftet waren, an ihn heran, als ob sie ihm eine Sache vorzutragen hätten, und stießen sie ihm in beide Seiten. Da schrie er laut auf, stürzte zusammen und hauchte nicht lange danach den letzten Atem aus" (Gregor IV, 51).

Werner Karl Ferdinand: Seite 342,344
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"Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000."

Chlothars Sohn Sigibert, der auf den Namen des Kölner Frankenkönigs getauft worden war, erhielt tatsächlich Austrien mit Reims und mit Laon.
Für Chilperich bestand während der folgenden Jahre die Gefahr der Vernichtung durch die überlegenen Streitkräfte Sigiberts I. von Austrien. Man kann sich vorstellen, welche Folgen der Sieg eines Königs gehabt hätte, der sich im wesentlichen auf die Nachkommen der Rheinfranken stützte: Chlodwigs Werk hätte seine Gestalt verloren. Die Wende trat ein, als Chilperichs schlaue Gemahlin Fredegunde im Jahre 575 die Ermordung Sigiberts veranlaßte. Als Chilperich auf diese Weise die Oberhand gewann, zeigte sich aber, daß der Adel Austriens fest zusammenhielt: Brunihilde, die westgotische Prinzessin udn Gemahlin Sigiberts, geriet zwar in Gefangenschaft, trotzdem gelang es, Sigiberts kleinen Sohn Childebert II. und mit ihm Austrien zu retten.

Schneider Reinhard: Seite 88,92-96
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"Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter"

Wenn Gregor von Tours die Anteile eines jeden grob skizziert und davon spricht, daß das Los Charibert das Reich Childeberts mit der Hauptstadt Paris, Guntram Chlodomers Reich von Orleans, Chilperich des Vaters Chlothar Reich von Soissons und schließlich Sigibert das Reich Theuderichs mit der sedes Reims zuteilte, so ist nicht an "Verlosen" im üblichen Sinne zu denken, sondern mit sors der jeweilige Anteil bei der Erbfolgeregelung gemeint.
Als nämlich Sigibert durch Kämpfe mit den Awaren gebunden war, fiel Chilperich in dessen Reich ein und riß Reims und einige andere Städte an sich. Sobald jedoch Sigibert freie Hand hatte, revanchierte er sich mit der Eroberung von Soissons wo auch Chilperichs Sohn Theudebert in Gefangenschaft geriet. Erst die offene kriegerische Auseinandersetzung mit einem für Sigibert günstigen Ausgang beendete vorerst den Bruderstreit, der keiner Seite Gewinn eingebracht hatte.
Chariberts Reich wurde nach dessen Tod unter die überlebenden Brüder aufgeteilt und das Ergebnis in einem förmlichen Vertragstext festgehalten. Nur Chilperich war mit den vertraglichen Regelung nicht einverstanden und riß von Sigiberts Anteil an Chariberts Reich die Städte Tours und Poitiers an sich, auf die Dauer jedoch vergebens, weil die verbündeten Sigibert und Guntram ihm das Gebiet wieder abjagten. Im Rahmen unserer Fragestellung hätte der Vorfall kaum erwähnt zu werden brauchen, wenn sich nicht aus Gregors Bericht ergäbe, daß der gegen Chilperich erfolgreiche Feldherr seiner Brüder von der Bevölkerung beider wiedereroberter Städte den Treueid auf König Sigibert als Mittel der Herrschaftssicherung verlangt hatte. Einen Treueid auf sich selbst als den König hatte Sigibert auch von der Bevölkerung von Arles durch seinen Feldherrn Adovar fordern lassen, als Sigibert seines Bruders Guntram Anteil an Chariberts Erbe zu schmälern suchte. Den Attacken Chilperichs auf Tours und Poitiers und Sigiberts auf Arles, die beide letztlich ganz erfolglos blieben, läßt sich doch wohl entnehmen, daß Theudechildes, der Witwe König Chariberts, Einheiratsangebot und ihre Auslieferung der Schätze an Guntram diesem einen entscheidenden Vorteil bei dem Erbteilungsvertrag eingebracht haben.
Als Sigibert in Paris weilte, erhielt er von den Franken, die einst zu Childebert als ihrem Herrn aufgeblickt hatten, eine förmliche Einladung: Käme er zu ihnen, so würden sie Chilperich verlassen und ihn zum König über sich erheben. Sigibert beeilte sich, der Einladung nachzukommen. Inzwischen werden die Franken, die Chilperich verlassen wollten, diesen Schritt, der einer Herrscherabsetzung gleichkam, vollzogen haben, denn als Sigibert zum Hofe Vitry kam, wurde er vor versammeltem Heere auf den Schild erhoben und zum König eingesetzt. Die Schilderhebung erfolgte durch das Heer, das sich zu Sigibert nach Vitry begeben hatte - also durch jene Franken, die ihn eingeladen  und den bisherigen König verlassen hatten.Aus Gregors von Tours Worten geht der eindeutig konstitutive Charakter der Schilderhebung hervor: "Sie hoben ihn auf den Schild und machten ihn damit zu ihrem König". So deutlich der Erhebungsakt und die konstitutive Funktion der Heeresversammlung hier zu erkennen sind, für Sigibert folgte unmittelbar auf die Erhebung zum König in einem neuen Reichsgebiet der allertiefste Sturz. Im Gedrängel der Versammlung gelang es zwei angeblich von Chilperichs Frau gedungenen Männern, König Sigibert zu ermorden [Gregor IV, 51 Seite 188. Nicht auszuschließen ist ein größerer Putsch, dem Sigibert zum Opfer fiel. Gregor von Tours berichtet nämlich, daß in Vitry auch Sigiberts Kämmerer Charegisel ermordet und der Gote Sigivald schwer verletzt wurden. Nach dem Liber historiae Francorum c. 32 (SS rer. Mer. 2 Seite 296) schickte Königin Fredegunde zwei gedungene Mörder.].
Mit Sigiberts Tod (575, nach September 1) hatte sich die politische Bedrängnis Chilperichs grundlegend verändert.
In diesem Sinne ist Chilperichs Verhalten nach dem Mordtag von Vitry fast typisch: Er sorgte für die Bestattung des Bruders, zog nach Paris, wo er die Witwe des Verstorbenen mit ihren Töchtern - der Sohn Childebert war ja bereits in Sicherheit - gefangennahm und in Rouen festsetzen ließ. Den Hort, den Brunhilde mit nach Paris gebracht hatte, eignete sich Chilperich selbstverständlich an.
 
 
 
 

 566
  oo 1. Brunhilde, Tochter des Westgoten-Königs Athanagild
           555-   613

       576
     2. oo Merowech, Sohn Chilperichs I.
                     -   577
 
 
 
 

Kinder:

  Ingunde
        -   585

 579
  oo Hermenegild westgotischer Prinz
      um 550-13.4.585

  Childebert II.
  570-   596

  Chlodosinda (Chlodoswinth)
         -

 588
  oo Rekkared König der Westgoten
               -31.5.601
 
 
 
 

Literatur:
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Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899 - Dahn, Felix: Die Völkerwanderung. Kaiser Verlag Klagenfurth 1997, Seite 120,124, 363,379,382,383,385,389,427 - Deutsche Geschichte Band 1 Von den Anfängen bis zur Ausbildung des Feudalismus. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1982, Seite 227,228,242,266 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München 1994, Seite 49-52 - Ewig Eugen: Die fränkischen Teilungen und Teilreiche (511-613). Verlag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz 1952 - Ewig, Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1993, Seite 41-44,47,63,72,80,82,86,92,95,106,118,136 - Herm, Gerhard: Karl der Große. ECON Verlag GmbH, Düsseldorf, Wien, New York 1987, Seite 24-28,32,40 - Hlawitschka, Eduard: Adoptionen im mittelalterlichen Königshaus, in: Schulz Knut: Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters, Festschrift für Herbert Helbig zum 65. Geburtstag, Köln Seite 1-32 - Jarnut, Jörg: Agilolfingerstudien.Anton Hirsemann Stuttgart 1986, Seite 19,57,126 - Riche Pierre: Die Karolinger. Deutscher Taschenbuch Verlag München 1991, Seite 29 - Schieffer, Rudolf: Die Karolinger. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1997, Seite 13 - Schneider, Reinhard: Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter.Anton Hirsemann Stuttgart 1972, Seite 88,92,96,100,106,112,117,118, 212,244 - Werner Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher Taschenbuch Verlag München 1995, Seite 342,344,346 - Zöllner Erich: Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Verlag C. H. Beck München 1970, Seite 92,108, 134,137,251 -
 
 
 
 
 


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