Begraben: St. Medard/Soissons
Jüngster Sohn des Franken-Königs
Chlothar I. aus seiner 3. Ehe mit der Ingunde
Lexikon des Mittelalters: Band VII Spalte 1883
********************
Sigibert I., merowingischer König
-------------
* 530/33, + 575
Begraben: St. Medard/Soissons
Bei der Reichsteilung nach Chlothars I. Tod 561 erhielt Sigibert I. das Reimser Teilreich (austrasische Namenstradition? - Sigibert von Köln) mit sämtlichen Erwerbungen östlich des Rheins und südlich der Donau sowie Anteile Aquitaniens und der Provence. Der sich benachteiligt fühlende Bruder Chilperich I. fiel in Sigiberts Anteil ein, wurde aber zurückgeschlagen. Einen Angriff der Avaren 562 vermochte Sigibert I. an der Elbe abzuwehren; bei ihrem erneuten Vorstoß 565/66 konnte er durch Verhandlungen eine dauerhafte Abmachung erzielen und die Ostgrenze befrieden Neue innerfränkische Unruhen brachte der frühe Tod des Bruders Charibert I. von Paris 567: die komplizierte Aufteilung seines Erbes ließ bald ein „bellum civile“ (Gregor von Tours) ausbrechen, das wenig später in einer Familientragödie eskalierte. 566 hatte Sigibert I. die westgotische Königs-Tochter Brunichild geheiratet; bald darauf ehelichte sein Bruder Chilperich deren ältere Schwester Galswintha, ließ sie aber 569/70, wohl auf Anstiften seiner Geliebten Fredegunde, ermorden. Die Fehde der Brüder tobte über Jahre; 575 drang Sigibert I. tief in Chilperichs Reichsteil ein und erreichte gar dessen Verlassung, wurde aber bei seiner Schilderhebung in Vitry (Artois) ermordet. Sein Tod brachte einen Umschwung zugunsten Chilperichs.
Quellen:
----------
Gregor v. Tours, Hist. Fr. IV, 19-51 (MGH SRM I²)
-
Literatur:
-----------
E. Ewig, Die frk. Teilungen und Teilreiche (511-613),
AAMz 1952, Nr. 9, 676-681 [= Ders., Spätantikes und frk. Gallien,
I, 1976, 135-140] - Ders., Stud. zur merow. Dynastie, FMASt 8, 1974, 30-35
- Ders., Die Merowinger und das Frankenreich, 1993, 41-44 u.ö. - R.
Kaiser, Das röm. Erbe und das Merowingerreich, 1993, 30,34,70 -
Ewig Eugen:
**********
"Die Merowinger"
Nach dem Tode seines Vaters fiel Reims an
Sigibert I. Die Champagne Sigiberts
(Reims, Chalons) wurde abgerundet durch Laon, das 511 dem Reichsteil Soissons
zugeschlagen worden war. Dem König von Reims verblieben außerdem
sämtliche Erwerbungen östlich des Rheins und südlich der
Donau. Sigibert von Reims erhielt aus
dem Erbe seiner Reimser Vorgänger die Auvergne mit dem Velay sowie
die civitates Rodez und Javols. In die wirtschaftlich besonders wichtige
Provence teilten sich Gunthram (Arles)
und Sigibert (Marseille).
Chilperich
fiel bald nach der Teilung in die Lande
Sigiberts ein, als dieser gegen einen neu auftretenden äußeren
Feind, die Awaren, zu Felde zog, wurde aber von Sigibert
in die Schranken gewiesen.
Durch die Gründung des Awarenreiches an der Donau
und die langobardische Invasion in Italien wurde die politische Lage in
Italien und Mitteleuropa von Grund auf verändert. Die Awaren
bedrohten sowohl das merowingische
Teilreich von Reims wie das Imperium. Durch den Einmarsch der Langobarden
in N-Italien verlor der noch schwelende Gebietskonflikt zwischen dem Reimser
König und dem Kaiser vorerst jede Bedeutung. Zudem machten wachsende
Spannungen unter den MEROWINGERN eine
militärische Intervention in Italien unmöglich. So machte denn
Sigibert
von Reims 571 seinen Frieden mit dem Kaiser, vermutlich behielt
er sich die Regelung der strittigen Fragen zu einem späteren Zeitpunkt
vor.
Der labile Friede unter den MEROWINGERN
war durch den frühzeitigen Tod Chariberts
I. von Paris im November oder Dezember 567 schwer erschüttert
worden. Die Teilung des Erbes unter die drei überlebenden Brüder
war äußerst kompliziert. Man gliederte die Erbmasse in drei
Länderblöcke - Francia, Aquitania, Noempopulana (Gascogne) -
von denen jeder Bruder einen Anteil erhielt. An
Sigibert fielen Meaux, Avranches, Chateaudun, Vendome und Tours
(Francia), Poitiers und Albi (Aquitania), Aire, Couserans und Bayonne (Novempopulana).
Diese Zerstückelung des Charibert-Erbes
führte bald zum Ausbruch eines bellum civile (Gregor von Tours). Der
Konflikt wurde verschärft durch eine Familientragödie, die in
die Nibelungensage einging. Sigibert von Reims
hatte
566 Brunichild, eine Tochter des Westgoten-Königs
Athanagild, geheiratet. Chilperich
heiratete bald darauf Gailswinth,
eine Schwester Brunichilds, die er
jedoch 569/70 auf Anstiftung seiner Konkubine Fredegunde
ermorden ließ. Gunthram schaltete
sich als Vermittler ein, konnte aber den Ausbruch der Fehde zwischen den
Königen von Reims und Soissons nicht mehr verhindern.
Chilperich
entsandte ein Heer zur Eroberung von Tours und Poitiers,
Sigibert besetzte Paris, griff den Bruder im Kern seines Reichsteils
an und zwang ihn zum Rückzug auf Tournai. In diesem entscheidenden
Augenblick wurde er in Vitry (Artois) im Dezember 575 ermordet.
Ennen Edith: Seite 49-52
***********
"Frauen im Mittelalter"
Gregor von Tours erzählt (IV. Buch, Kap. 27): "Als
nun König Sigibert sah, daß
seine Brüder sich Weiber wählten, die ihrer nicht würdig
waren, und sich so weit erniedrigten, selbst Mägde zur Ehe zu nehmen,
da schickte er eine Gesandtschaft nach Spanien und freite mit reichen Geschenken
um Brunichilde, die Tochter König
Athanagilds. Denn diese war eine Jungfrau von feiner Bildung,
schön von Angesicht, züchtig und wohlgefällig in ihrem Benehmen,
klugen Geistes und anmutig im Gespräch. Der Vater aber versagte sie
ihm nicht und schickte sie mit großen Schätzen dem Könige.
Der versammelte die Großen seines Reiches, ließ ein Gelage
anrichten, und unter unendlichem Jubel und großen Lustbarkeiten nahm
er sie zu seinem Gemahl. Und da sie dem Glauben des Arius ergeben war,
wurde sie durch die Belehrung der Bischöfe und die Zusage des Königs
selbst bekehrt, glaubte und bekannte die heilige Dreieinigkeit und wurde
gesalbt".
Die Ermordung Galsvinthas
war neben den territorialen Auseinandersetzungen eine wesentliche
Ursache des nun in voller Schärfe ausbrechenden Konfliktes zwischen
Sigibert und Chilperich;
er endete 575 mit der Ermordung Sigiberts
auf
Anstiften der Fredegunde: "Als Sigibert
nach dem Hofe kam, der Vitry genannt wird - bei Arras -, sammelte sich
um ihn das ganze Heer der Franken, hob ihn auf den Schild und setzte ihn
sich zum König. Da drängten sich zwei Dienstleute, welche die
Königin Fredegunde berückt
hatte, mit tüchtigen Messern, die man Scramsax nennt und die vergiftet
waren, an ihn heran, als ob sie ihm eine Sache vorzutragen hätten,
und stießen sie ihm in beide Seiten. Da schrie er laut auf, stürzte
zusammen und hauchte nicht lange danach den letzten Atem aus" (Gregor IV,
51).
Werner Karl Ferdinand: Seite 342,344
********************
"Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000."
Chlothars Sohn
Sigibert,
der auf den Namen des Kölner Frankenkönigs getauft worden war,
erhielt tatsächlich Austrien mit Reims und mit Laon.
Für Chilperich
bestand während der folgenden Jahre die Gefahr der Vernichtung durch
die überlegenen Streitkräfte Sigiberts
I. von Austrien. Man kann sich vorstellen, welche Folgen der
Sieg eines Königs gehabt hätte, der sich im wesentlichen auf
die Nachkommen der Rheinfranken stützte: Chlodwigs
Werk hätte seine Gestalt verloren. Die Wende trat ein, als Chilperichs
schlaue Gemahlin Fredegunde im Jahre
575 die Ermordung Sigiberts veranlaßte.
Als Chilperich
auf diese Weise die Oberhand gewann, zeigte sich aber, daß
der Adel Austriens fest zusammenhielt: Brunihilde,
die westgotische Prinzessin udn Gemahlin Sigiberts,
geriet zwar in Gefangenschaft, trotzdem gelang es, Sigiberts
kleinen Sohn Childebert II. und mit
ihm Austrien zu retten.
Schneider Reinhard: Seite 88,92-96
****************
"Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter"
Wenn Gregor von Tours die Anteile eines jeden grob skizziert
und davon spricht, daß das Los Charibert
das Reich Childeberts mit der Hauptstadt
Paris, Guntram Chlodomers Reich von
Orleans, Chilperich des Vaters Chlothar
Reich von Soissons und schließlich Sigibert
das Reich Theuderichs mit der sedes
Reims zuteilte, so ist nicht an "Verlosen" im üblichen Sinne zu denken,
sondern mit sors der jeweilige Anteil bei der Erbfolgeregelung gemeint.
Als nämlich Sigibert
durch Kämpfe mit den Awaren gebunden war, fiel Chilperich
in dessen Reich ein und riß Reims und einige andere Städte an
sich. Sobald jedoch Sigibert freie
Hand hatte, revanchierte er sich mit der Eroberung von Soissons wo auch
Chilperichs
Sohn Theudebert in Gefangenschaft geriet.
Erst die offene kriegerische Auseinandersetzung mit einem für Sigibert
günstigen
Ausgang beendete vorerst den Bruderstreit, der keiner Seite Gewinn eingebracht
hatte.
Chariberts Reich
wurde nach dessen Tod unter die überlebenden Brüder aufgeteilt
und das Ergebnis in einem förmlichen Vertragstext festgehalten. Nur
Chilperich
war mit den vertraglichen Regelung nicht einverstanden und riß von
Sigiberts
Anteil an Chariberts Reich die Städte
Tours und Poitiers an sich, auf die Dauer jedoch vergebens, weil die verbündeten
Sigibert und Guntram ihm
das Gebiet wieder abjagten. Im Rahmen unserer Fragestellung hätte
der Vorfall kaum erwähnt zu werden brauchen, wenn sich nicht aus Gregors
Bericht ergäbe, daß der gegen Chilperich
erfolgreiche Feldherr seiner Brüder von der Bevölkerung beider
wiedereroberter Städte den Treueid auf König
Sigibert als Mittel der Herrschaftssicherung verlangt hatte.
Einen Treueid auf sich selbst als den König hatte
Sigibert auch von der Bevölkerung von Arles durch seinen
Feldherrn Adovar fordern lassen, als Sigibert
seines Bruders Guntram Anteil an Chariberts
Erbe zu schmälern suchte. Den Attacken Chilperichs
auf Tours und Poitiers und Sigiberts auf
Arles, die beide letztlich ganz erfolglos blieben, läßt sich
doch wohl entnehmen, daß Theudechildes,
der Witwe König Chariberts, Einheiratsangebot
und ihre Auslieferung der Schätze an Guntram
diesem einen entscheidenden Vorteil bei dem Erbteilungsvertrag eingebracht
haben.
Als Sigibert in Paris
weilte, erhielt er von den Franken, die einst zu Childebert
als ihrem Herrn aufgeblickt hatten, eine förmliche Einladung: Käme
er zu ihnen, so würden sie Chilperich
verlassen und ihn zum König über sich erheben. Sigibert
beeilte sich, der Einladung nachzukommen. Inzwischen werden die Franken,
die Chilperich verlassen wollten, diesen
Schritt, der einer Herrscherabsetzung gleichkam, vollzogen haben, denn
als Sigibert zum Hofe Vitry kam, wurde
er vor versammeltem Heere auf den Schild erhoben und zum König eingesetzt.
Die Schilderhebung erfolgte durch das Heer, das sich zu Sigibert
nach Vitry begeben hatte - also durch jene Franken, die ihn
eingeladen und den bisherigen König verlassen hatten.Aus Gregors
von Tours Worten geht der eindeutig konstitutive Charakter der Schilderhebung
hervor: "Sie hoben ihn auf den Schild und machten ihn damit zu ihrem König".
So deutlich der Erhebungsakt und die konstitutive Funktion der Heeresversammlung
hier zu erkennen sind, für Sigibert folgte
unmittelbar auf die Erhebung zum König in einem neuen Reichsgebiet
der allertiefste Sturz. Im Gedrängel der Versammlung gelang es zwei
angeblich von Chilperichs Frau gedungenen
Männern, König Sigibert zu
ermorden [Gregor IV, 51 Seite 188. Nicht auszuschließen ist ein größerer
Putsch, dem Sigibert zum Opfer fiel.
Gregor von Tours berichtet nämlich, daß in Vitry auch Sigiberts
Kämmerer Charegisel ermordet und der Gote Sigivald schwer
verletzt wurden. Nach dem Liber historiae Francorum c. 32 (SS rer. Mer.
2 Seite 296) schickte Königin Fredegunde
zwei gedungene Mörder.].
Mit Sigiberts Tod
(575, nach September 1) hatte sich die politische Bedrängnis
Chilperichs
grundlegend verändert.
In diesem Sinne ist Chilperichs
Verhalten nach dem Mordtag von Vitry fast typisch: Er sorgte für
die Bestattung des Bruders, zog nach Paris, wo er die Witwe des Verstorbenen
mit ihren Töchtern - der Sohn Childebert
war ja bereits in Sicherheit - gefangennahm und in Rouen festsetzen ließ.
Den Hort, den Brunhilde mit nach Paris
gebracht hatte, eignete sich Chilperich
selbstverständlich an.
566
oo 1. Brunhilde, Tochter des Westgoten-Königs
Athanagild
555- 613
576
2. oo Merowech, Sohn Chilperichs
I.
- 577
Kinder:
Ingunde
-
585
579
oo Hermenegild westgotischer Prinz
um 550-13.4.585
Childebert II.
570- 596
Chlodosinda (Chlodoswinth)
-
588
oo Rekkared König der Westgoten
-31.5.601
Literatur:
-----------
Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899
- Dahn, Felix: Die Völkerwanderung. Kaiser Verlag Klagenfurth
1997, Seite 120,124, 363,379,382,383,385,389,427 - Deutsche Geschichte
Band 1 Von den Anfängen bis zur Ausbildung des Feudalismus. VEB Deutscher
Verlag der Wissenschaften Berlin 1982, Seite 227,228,242,266 - Ennen,
Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München 1994, Seite
49-52 - Ewig Eugen: Die fränkischen Teilungen und Teilreiche
(511-613). Verlag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in
Mainz 1952 - Ewig, Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich. Verlag
W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1993, Seite 41-44,47,63,72,80,82,86,92,95,106,118,136
- Herm, Gerhard: Karl der Große. ECON Verlag GmbH, Düsseldorf,
Wien, New York 1987, Seite 24-28,32,40 - Hlawitschka, Eduard: Adoptionen
im mittelalterlichen Königshaus, in: Schulz Knut: Beiträge zur
Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters, Festschrift für
Herbert Helbig zum 65. Geburtstag, Köln Seite 1-32 - Jarnut,
Jörg: Agilolfingerstudien.Anton Hirsemann Stuttgart 1986, Seite 19,57,126
- Riche Pierre: Die Karolinger. Deutscher Taschenbuch Verlag München
1991, Seite 29 - Schieffer, Rudolf: Die Karolinger. Verlag W. Kohlhammer
Stuttgart Berlin Köln 1997, Seite 13 - Schneider, Reinhard:
Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter.Anton Hirsemann
Stuttgart 1972, Seite 88,92,96,100,106,112,117,118, 212,244 - Werner
Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher
Taschenbuch Verlag München 1995, Seite 342,344,346 - Zöllner
Erich: Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Verlag
C. H. Beck München 1970, Seite 92,108, 134,137,251 -