Johanna II. von Frankreich                          Königin von Navarra (1328-1349)
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28.1.1311-6.10.1349
 

Einzige Tochter des Königs Ludwigs X. des Zänkers von Frankreich aus seiner 1. Ehe mit der Margarete von Burgund, Tochter von Herzog Robert II.
 

Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 523
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Johanna II., Königin von Navarra 1328-1349)
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* 1311, + 1349
         Schloß Breval (Normandie) an der Pest

Tochter von König Ludwig X. von Frankreich, wurde 1316, nach dem Tod ihres Vaters und ihres als Säugling verstorbenen Halbbruders Jean I., von ihrem Onkel Philipp V. von der Thronfolge ausgeschlossen, wobei erstmals das salische Recht gegen weibliche Erbfolge ins Feld geführt wurde. Philipp V. behielt aber auch Navarra ein, obwohl dort die Rechte der Erbtöchter anerkannt wurden. Johanna II. wuchs bei ihrem Onkel, dem Herzog von Burgund, auf. Unter den letzten KAPETINGERN Philipp V. (1316-1322) und Karl IV. (1322-1328), wurde ihr die Anerkennung ihrer Ansprüche konsequent verweigert; als Entschädigung erhielt sie lediglich die Grafschaft Angouleme, dann die Grafschaft Longueville (Normandie). Sie heiratete ihren Vetter Philipp von Evreux, Sohn Ludwigs von Evreux, des letzten Bruders König Philipps IV.
Nach dem Tod Karls IV., der nur eine postum geborene Tochter hinterließ, wurde der französische Thron gemäß salischem Recht dem Vetter des Verstorbenen, Philipp VI. von Valois (1328-1350), übertragen. Der Grand Conseil des Königreiches Frankreich sprach Navarra dagegen Johanna II. als der rechtmäßigen Erbin zu. Johanna II. und ihr Gemahl zogen aber erst ein Jahr später in Pamplona ein und empfingen die Königsweihe. Sie unternahmen große Anstrengungen, um ihre Herrschaft zu festigen: Erlaß verbesserter Fueros, Aufbau einer gut funktionierenden Regierung aus Franzosen und Navarresen. Nach dem Tod ihres Gemahls, der 1343 auf einem Kreuzzug Alfons‘ XI. von Kastilien verstarb, wandte sich Johanna II. jedoch ihren französischen Angelegenheiten zu und forderte von Philipp VI. die Herausgabe einer Reihe von Besitzungen. Nach ihrem Tod trat ihr Sohn Karl II. die Nachfolge in Navarra und Evreux an.


Johannas Erbanspruch auf die Krone Frankreichs wurde 1316 zugunsten ihres Onkels Philipp V. beiseite geschoben. Sie war mit Graf Philipp von Evreux, ihrem Cousin, vermählt, dem sie das Königreich Champagne-Navarra als väterliches Erbe in die Ehe brachte. Sie gebar 9 Kinder, deren zweites als Karl II. der Böse auf die Welt kam.
Johanna war die Erbin des Königreiches von Navarra, Champagne-Brie, von Bigorre und Rosnay.

Ehlers Joachim: Seite 224,232-234,239
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"Die Kapetinger"

Der Mannesstamm des kapetingischen Hauses war damit in Gefahr gebracht, denn 1314 hatte Ludwig von Navarra nur eine Tochter, die 1312 geborene Johanna; Philipp von Poitiers die Töchter Johanna (* 1308), Margarete (* 1310), Isabella (* wohl 1312) und wahrscheinlich Blanche (* wohl 1314); allein Karl von La Marche hatte seit dem 5. Januar 1314 einen Sohn.
Zum ersten Mal in der Geschichte des kapetingischen Hauses stellte sich eine Nachfolgefrage, für die es allgemein anerkannte Lösungen nicht gab, denn der verstorbene König hatte keinen Sohn hinterlassen. Ein Erbgang in weiblicher Linie mußte schon deshalb ausgeschlossen werden, weil Ludwigs Tochter Johanna zwischen Mitte Februar und Anfang März 1312 geboren war, zur Zeit der ehebrecherischen Beziehung ihrer Mutter Margarete zu Philipe d'Aulnay. Zwar hatte Ludwig Johanna angeblich als legitime Tochter anerkannt, entscheidend aber war das Geschlecht jenes Kindes, das seine zweite Gemahlin Clementia erwartete.
Erst auf die Nachricht, daß Karl von Valois sich im Interesse einer eigenen Regentschaft der Tochter Ludwigs X. bemächtigen wolle, um Johannas Thronfolge zu betreiben, blockierte Philipp durch vier ihm ergebene Kardinäle die vorher so energisch verlangte Papstwahl und brach Anfang Juli 1316 nach Paris auf.
Konfliktträchtig war schon die Tatsache, daß Johanna, Ludwigs X. Tochter aus erster Ehe und Enkelin des 1306 verstorbenen Herzogs Robert II. von Burgund, mittlerweile am Hof ihres Onkels Odo IV. lebte. Als Enkelin der Gemahlin Philipps des Schönen hatte sie Erbansprüche sowohl auf das Königreich Navarra als auch auf die Grafschaft Champagne, so daß der regierende Herzog sich zu ihrem Anwalt machen konte. Am 17. Juli schloß er mit Philipp von Poitiers einen Vertrag, der die Rechte Johannas und einer von der schwangeren Clementia möglicherweise zu erwartenden Tochter auf Navarra und Champagne anerkannte, Philipp aber bis zur Verheiratung Johannas und ihrer möglichen Schwester die Regentschaft des Königreichs und der Grafschaft garantierte.
Der König wurde durch seine Heirat zum Schwager des Grafen Philipp von Evreux, der seinerseits Ludwigs X. Tochter Johanna zur Frau genommen hatte; diese Konstellation sollte die Nachfolgefrage beim Tod Karls IV. 1328 vorübergehend schwieriger machen.

Ehlers Joachim: Seite 201
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"Geschichte Frankreichs im Mittelalter"

Neben dieser so getroffenen Abgrenzung nach außen waren für den Entschluß innerfranzösische Verhältnisse bestimmend, denn im Falle einer anderen Entscheidung hätten auch sämtliche Söhne der Töchter Ludwigs X., Philipps V. und Karls IV. eine Anwartschaft gehabt. Bald sollte Karl von Navarra, Sohn Johannasund Philipps von Evreux, mit diesem Argument in den Hundertjärigen Krieg eingreifen. Vor allem aber mußte die Navarra-Frage geregelt werden: Ludwig X. hatte von seiner Mutter das Königreich Navarra und die Champagne geerbt, und nach dem Tod Karls IV. erneuerte die inzwischen erwachsene Tochter Ludwigs  ihren Anspruch als älteste Enkelin der Gemahlin Philipps des Schönen. Gegen sie und Philipp von Evreux standen die Töchter Philipps V. und Karls IV. mit dem Argument, daß sie im Gegensatz zu Johanna von Evreux niemals eine Verzichterklärung abgegeben hätten. Der navarresische Adel favorisierte Johanna, denn mit ihr als Königin würde die Unabhängigkeit des Landes größer sein als in der Personalunion mit Frankreich, dessen Amtsträger man kannte und nicht schätzte. Das Conseil übertrug daher im April 1328 Navarra an Johanna von Evreux, die Champagne und Brie an Philipp VI.
 
 
 
 

 9.10.1329
  oo Philipp Graf von Evreux
       1301-16.9.1343
 
 
 
 

Kinder:

  Blanka
        -5.10.1398

Blanka war schön und klug, wurde daher "la belle Sagesse" genannt und war zuerst die Braut Johanns II. von Frankreich

29.1.1349
   oo 2. Philipp VI. König von Frankreich
           1293-22.11.1350

  Marie
  1330-29.4.1347
          Kindbett

 1342
  oo 1. Peter IV. der Zeremoniöse König von Aragon
          5.9.1319-5.1.1387

  Agnes (Ines)
  nach 1337-4.2.1396

5.7.1349
  oo Gaston III. Phoebus Graf von Foix
      1331-1.8.1391

  Johanna Nonne zu Longchamps
  um 1338-3.7.1387

  Philipp II. Graf von Longueville
  1336-29.8.1363

 1352
  oo 2. Jolanthe von Flandern-Cassel, Tochter Roberts de Dampierre
                -12.12.1395

  Johanna
  um 1339-20.11.1403

 1373
  oo Johann I. von Rohan Vicomte von Rohan
             -24.2.1395

  Karl II. der Böse König von Navarra
   10.1332-1.1.1387

  Ludwig Graf de Beaumont-le-Roger
  1341-   1372

 1366
  oo 1. Johanna von Anjou, Tochter Karls von Morea zu Gravina
          Ende 1344- Herbst 1372
 
 
 
 

Literatur:
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Ehlers Joachim: Die Kapetinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000 Seite 224,232-234,236,239 - Ehlers Joachim: Geschichte Frankreichs im Mittelalter. W. Kohlhammer GmbH 1987 Seite 201,225 - Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 231,238, 246,254,270 - Favier, Jean: Frankreich im Zeitalter der Landesherrschaft 1000-1515. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1989 Seite 282, 285 - Treffer Gerd: Die französischen Königinnen. Von Bertrada bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert) Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1996 Seite 184 - Tuchmann Barbara: Der ferne Spiegel. Deutscher Taschenbuch Verlag München 1995 Seite 53,103,131 -


Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller Bernd: Seite 237-245
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"Die französischen Könige des Mittelalters"

Als König sowohl von Frankreich wie auch von Navarra hinterließ Ludwig X. bei seinem Tod eine Tochter aus einer erster Ehe, Johanna, und eine Witwe, die ein Kind erwartete. Sollte dieses Kind als Sohn geboren werden, dann käme ihm nach dem französischen Thronfolgerecht unbestritten die Nachfolge auf dem Königsthron zu. Bis zur Geburt mußte somit eine Zwischenregelung getroffen werden, bei der von vornherein dem älteren der beiden noch lebenden Brüder Ludwigs X., Philipp dem Langen, die Vorzugsrolle zufiel. Philipp hatte von seinem Vater die Grafschaft Poitiers als Apanage erhalten und befand sich zum Zeitpunkt des Todes seines Bruders in königlichem Auftrag in Lyon, um die seit dem Tode Papst Clemens' V. im April 1314 noch immer ausstehende Wahl eines neuen Oberhauptes der römischen Kirche herbeizuführen. Er ließ beim Eintreffen der Nachricht vom Tode seines Bruders die weiterhin uneinigen Kardinäle einsperren und brach nach Paris auf, wo er am 12. Juli 1316 eintraf, während in Lyon inzwischen tatsächlich ein neuer Papst, der aus Cahors stammende Johannes XXII., gewählt wurde. In Paris bestellte eine Versammlung der Großen Philipp sogleich zum Regenten für die Königreiche Frankreich und Navarra, mit der Maßgabe, dass die Regentschaft fortdauern sollte, falls die Königin-Witwe Clementia einen Sohn zur Welt brächte. Er führte nunmehr den Titel "Philipp, Sohn des Königs von Frankreich, die Königreiche Frankreich und Navarra regierend".
Schwierigkeiten ergaben sich sofort im Verhältnis zu Herzog Odo IV. von Burgund, an dessen Hof sich die Tochter Ludwigs X. aus der ersten Ehe, Johanna, befand, die als Enkelin Philipps des Schönen Erbansprüche auf das Königreich Navarra und die Grafschaft Champagne hatte, da in beiden Gebieten nicht wie im Königreich Frankreich ein die männlichen Nachkommen bevorzugendes Erbrecht galt. Bereits am 17. Juli wurde jedoch ein die Situation vorerst entspannender Vertrag zwischen dem Regenten und Herzog Odo geschlossen; darin wurden die Rechte Johannas und einer eventuell hinzukommenden Tochter aus der zweiten Ehe Ludwigs X. auf Navarra und die Champagne anerkannt, während sich Philipp bis zu einer Heirat der beiden Damen die Regentschaft vorbehielt.
Inzwischen schenkte Clementia in der Nacht vom 13. zum 14. November einem Sohn, der den Namen Johannes erhielt, das Leben, der jedoch bereits am 19. November starb, aber für die wenigen Tage seines Daseins als König von Frankreich galt. Nach seinem Tode traf Philipp zur Sicherung seiner Position sofort Vorbereitungen für die Krönung in Reims, die am 9. Januar 1317 in Anwesenheit einer begrenzten Zahl von Fürsten und Baronen vollzogen wurde. So erschien der Herzog von Burgund nicht, da er vor der Königsweihe Philipps von diesem eine verbindliche Garantie der Rechte seiner Nichte Johanna, der Tochter Ludwigs X., verlangte. Der neue König berief nach der Rückkehr nach Paris dorthin eine große Versammlung von Prälaten, Baronen und Vertretern von Ständen, die Anfang Februar unter Hinzuziehung von Magistern der Pariser Universität stattfand. Die Versammelten billigten die Königserhebung Philipps und erklärten grundsätzlich, dass Frauen kein Anspruch auf die französische Königskrone zustehe.
 
 
 
 


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