Einzige Tochter des Königs
Ludwigs X. des Zänkers von Frankreich aus seiner 1. Ehe
mit der Margarete von Burgund, Tochter
von Herzog Robert II.
Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 523
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Johanna II., Königin von Navarra 1328-1349)
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* 1311, + 1349
Schloß
Breval (Normandie) an der Pest
Tochter von König Ludwig
X. von Frankreich, wurde 1316, nach dem Tod ihres Vaters und
ihres als Säugling verstorbenen Halbbruders
Jean I., von ihrem Onkel Philipp V.
von
der Thronfolge ausgeschlossen, wobei erstmals das salische Recht gegen
weibliche Erbfolge ins Feld geführt wurde. Philipp
V. behielt aber auch Navarra ein, obwohl dort die Rechte der
Erbtöchter anerkannt wurden. Johanna II.
wuchs
bei ihrem Onkel, dem Herzog von Burgund, auf. Unter den letzten
KAPETINGERN Philipp V. (1316-1322) und Karl
IV. (1322-1328), wurde ihr die Anerkennung ihrer Ansprüche
konsequent verweigert; als Entschädigung erhielt sie lediglich die
Grafschaft
Angouleme, dann die Grafschaft Longueville (Normandie). Sie
heiratete ihren Vetter Philipp
von Evreux, Sohn Ludwigs von Evreux,
des letzten Bruders König Philipps IV.
Nach dem Tod Karls IV.,
der nur eine postum geborene Tochter hinterließ, wurde der französische
Thron gemäß salischem Recht dem Vetter des Verstorbenen, Philipp
VI. von Valois (1328-1350), übertragen. Der Grand Conseil
des Königreiches Frankreich sprach Navarra dagegen
Johanna II. als der rechtmäßigen Erbin zu.
Johanna II. und ihr Gemahl zogen aber erst ein Jahr später
in Pamplona ein und empfingen die Königsweihe. Sie unternahmen große
Anstrengungen, um ihre Herrschaft zu festigen: Erlaß verbesserter
Fueros, Aufbau einer gut funktionierenden Regierung aus Franzosen und Navarresen.
Nach dem Tod ihres Gemahls, der 1343 auf einem Kreuzzug Alfons‘
XI. von Kastilien verstarb, wandte sich
Johanna II. jedoch ihren französischen Angelegenheiten
zu und forderte von Philipp VI. die
Herausgabe einer Reihe von Besitzungen. Nach ihrem Tod trat ihr Sohn Karl
II. die Nachfolge in Navarra und Evreux an.
Ehlers Joachim: Seite 224,232-234,239
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"Die Kapetinger"
Der Mannesstamm des kapetingischen
Hauses war damit in Gefahr gebracht, denn 1314 hatte Ludwig
von Navarra nur eine Tochter, die 1312 geborene
Johanna; Philipp von Poitiers
die Töchter Johanna (* 1308),
Margarete
(* 1310), Isabella (* wohl 1312)
und wahrscheinlich Blanche (* wohl 1314);
allein Karl von La Marche hatte seit
dem 5. Januar 1314 einen Sohn.
Zum ersten Mal in der Geschichte des kapetingischen
Hauses stellte sich eine Nachfolgefrage, für die es allgemein
anerkannte Lösungen nicht gab, denn der verstorbene König hatte
keinen Sohn hinterlassen. Ein Erbgang in weiblicher Linie mußte schon
deshalb ausgeschlossen werden, weil Ludwigs
Tochter Johanna zwischen Mitte Februar
und Anfang März 1312 geboren war, zur Zeit der ehebrecherischen Beziehung
ihrer Mutter Margarete zu Philipe
d'Aulnay. Zwar hatte Ludwig Johanna
angeblich als legitime Tochter anerkannt, entscheidend aber war das Geschlecht
jenes Kindes, das seine zweite Gemahlin Clementia
erwartete.
Erst auf die Nachricht, daß Karl
von Valois sich im Interesse einer eigenen Regentschaft der
Tochter Ludwigs X. bemächtigen
wolle, um Johannas Thronfolge zu betreiben, blockierte Philipp
durch vier ihm ergebene Kardinäle die vorher so energisch verlangte
Papstwahl und brach Anfang Juli 1316 nach Paris auf.
Konfliktträchtig war schon die Tatsache, daß
Johanna, Ludwigs X. Tochter
aus erster Ehe und Enkelin des 1306 verstorbenen Herzogs
Robert II. von Burgund, mittlerweile am Hof ihres Onkels
Odo IV. lebte. Als Enkelin der Gemahlin Philipps
des Schönen hatte sie Erbansprüche sowohl auf das
Königreich
Navarra als auch auf die Grafschaft Champagne, so daß
der regierende Herzog sich zu ihrem Anwalt machen konte. Am 17. Juli schloß
er mit Philipp von Poitiers
einen Vertrag,
der die Rechte Johannas und einer von
der schwangeren Clementia möglicherweise
zu erwartenden Tochter auf Navarra und Champagne anerkannte,
Philipp
aber bis zur Verheiratung Johannas
und
ihrer möglichen Schwester die Regentschaft des Königreichs und
der Grafschaft garantierte.
Der König wurde durch seine Heirat zum Schwager
des Grafen Philipp von Evreux, der
seinerseits Ludwigs X. Tochter Johanna
zur Frau genommen hatte; diese Konstellation sollte die Nachfolgefrage
beim Tod Karls IV. 1328 vorübergehend
schwieriger machen.
Ehlers Joachim: Seite 201
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"Geschichte Frankreichs im Mittelalter"
Neben dieser so getroffenen Abgrenzung nach außen
waren für den Entschluß innerfranzösische Verhältnisse
bestimmend, denn im Falle einer anderen Entscheidung hätten auch sämtliche
Söhne der Töchter Ludwigs X.,
Philipps
V. und Karls IV. eine Anwartschaft
gehabt. Bald sollte Karl von Navarra,
Sohn Johannasund
Philipps von Evreux, mit diesem Argument
in den Hundertjärigen Krieg eingreifen. Vor allem aber mußte
die Navarra-Frage geregelt werden: Ludwig X. hatte
von seiner Mutter das Königreich Navarra und die Champagne geerbt,
und nach dem Tod Karls IV. erneuerte
die inzwischen erwachsene Tochter Ludwigs
ihren Anspruch als älteste Enkelin der Gemahlin Philipps
des Schönen. Gegen sie und Philipp
von Evreux standen die Töchter
Philipps V. und Karls IV.
mit dem Argument, daß sie im Gegensatz zu Johanna
von Evreux niemals eine Verzichterklärung abgegeben hätten.
Der navarresische Adel favorisierte Johanna,
denn mit ihr als Königin würde die Unabhängigkeit des Landes
größer sein als in der Personalunion mit Frankreich, dessen
Amtsträger man kannte und nicht schätzte. Das Conseil übertrug
daher im April 1328 Navarra an Johanna von Evreux,
die Champagne und Brie an Philipp VI.
9.10.1329
oo Philipp Graf von Evreux
1301-16.9.1343
Kinder:
Blanka
-5.10.1398
Blanka war schön und klug, wurde daher "la belle Sagesse" genannt und war zuerst die Braut Johanns II. von Frankreich
29.1.1349
oo 2. Philipp VI. König von Frankreich
1293-22.11.1350
Marie
1330-29.4.1347
Kindbett
1342
oo 1. Peter IV. der Zeremoniöse König
von Aragon
5.9.1319-5.1.1387
Agnes (Ines)
nach 1337-4.2.1396
5.7.1349
oo Gaston III. Phoebus Graf von Foix
1331-1.8.1391
Johanna Nonne zu Longchamps
um 1338-3.7.1387
Philipp II. Graf von Longueville
1336-29.8.1363
1352
oo 2. Jolanthe von Flandern-Cassel, Tochter Roberts
de Dampierre
-12.12.1395
Johanna
um 1339-20.11.1403
1373
oo Johann I. von Rohan Vicomte von Rohan
-24.2.1395
Karl II. der Böse König von Navarra
10.1332-1.1.1387
Ludwig Graf de Beaumont-le-Roger
1341- 1372
1366
oo 1. Johanna von Anjou, Tochter Karls von Morea
zu Gravina
Ende 1344- Herbst 1372
Literatur:
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Ehlers Joachim: Die Kapetinger. W. Kohlhammer
GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000 Seite 224,232-234,236,239 - Ehlers
Joachim: Geschichte Frankreichs im Mittelalter. W. Kohlhammer GmbH 1987
Seite 201,225 - Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller
Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis
Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 231,238,
246,254,270 - Favier, Jean: Frankreich im Zeitalter der Landesherrschaft
1000-1515. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1989 Seite 282, 285 - Treffer
Gerd: Die französischen Königinnen. Von Bertrada bis Marie Antoinette
(8.-18. Jahrhundert) Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1996 Seite 184
- Tuchmann Barbara: Der ferne Spiegel. Deutscher Taschenbuch Verlag
München 1995 Seite 53,103,131 -
Als König sowohl von Frankreich wie auch von Navarra
hinterließ Ludwig X. bei seinem
Tod eine Tochter aus einer erster Ehe, Johanna,
und eine Witwe, die ein Kind erwartete. Sollte dieses Kind als Sohn geboren
werden, dann käme ihm nach dem französischen Thronfolgerecht
unbestritten die Nachfolge auf dem Königsthron zu. Bis zur Geburt
mußte somit eine Zwischenregelung getroffen werden, bei der von vornherein
dem älteren der beiden noch lebenden Brüder Ludwigs
X., Philipp dem Langen,
die Vorzugsrolle zufiel. Philipp hatte
von seinem Vater die Grafschaft Poitiers als Apanage erhalten und
befand sich zum Zeitpunkt des Todes seines Bruders in königlichem
Auftrag in Lyon, um die seit dem Tode Papst Clemens' V. im April 1314 noch
immer ausstehende Wahl eines neuen Oberhauptes der römischen Kirche
herbeizuführen. Er ließ beim Eintreffen der Nachricht vom Tode
seines Bruders die weiterhin uneinigen Kardinäle einsperren und brach
nach Paris auf, wo er am 12. Juli 1316 eintraf, während in Lyon inzwischen
tatsächlich ein neuer Papst, der aus Cahors stammende Johannes XXII.,
gewählt wurde. In Paris bestellte eine Versammlung der Großen
Philipp
sogleich
zum Regenten für die Königreiche Frankreich und Navarra,
mit der Maßgabe, dass die Regentschaft fortdauern sollte, falls die
Königin-Witwe
Clementia einen Sohn zur Welt brächte. Er führte nunmehr
den Titel "Philipp, Sohn des Königs von Frankreich, die Königreiche
Frankreich und Navarra regierend".
Schwierigkeiten ergaben sich sofort im Verhältnis
zu Herzog Odo IV. von Burgund, an dessen
Hof sich die Tochter Ludwigs X. aus
der ersten Ehe, Johanna, befand, die
als Enkelin Philipps des Schönen
Erbansprüche auf das Königreich Navarra und die Grafschaft Champagne
hatte, da in beiden Gebieten nicht wie im Königreich Frankreich ein
die männlichen Nachkommen bevorzugendes Erbrecht galt. Bereits am
17. Juli wurde jedoch ein die Situation vorerst entspannender Vertrag zwischen
dem Regenten und Herzog Odo geschlossen;
darin wurden die Rechte Johannas und
einer eventuell hinzukommenden Tochter aus der zweiten Ehe Ludwigs
X. auf Navarra und die Champagne anerkannt, während sich
Philipp
bis zu einer Heirat der beiden Damen die Regentschaft vorbehielt.
Inzwischen schenkte Clementia
in der Nacht vom 13. zum 14. November einem Sohn, der den Namen
Johannes erhielt, das Leben, der jedoch bereits am 19. November
starb, aber für die wenigen Tage seines Daseins als König von
Frankreich galt. Nach seinem Tode traf Philipp
zur Sicherung seiner Position sofort Vorbereitungen für die Krönung
in Reims, die am 9. Januar 1317 in Anwesenheit einer begrenzten Zahl von
Fürsten und Baronen vollzogen wurde. So erschien der Herzog von Burgund
nicht, da er vor der Königsweihe Philipps
von
diesem eine verbindliche Garantie der Rechte seiner Nichte
Johanna, der Tochter Ludwigs X.,
verlangte. Der neue König berief nach der Rückkehr nach Paris
dorthin eine große Versammlung von Prälaten, Baronen und Vertretern
von Ständen, die Anfang Februar unter Hinzuziehung von Magistern der
Pariser Universität stattfand. Die Versammelten billigten die Königserhebung
Philipps
und erklärten grundsätzlich, dass Frauen kein Anspruch auf die
französische Königskrone zustehe.