Älteste Tochter des Königs
LUDWIG II. VON ITALIEN und der Angilberga
von Parma, Tochter von Graf Adelgisus
Werner Karl Ferdinand: Seite 455
*******************
"Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr
1000 (1.-8. Generation)"
V. Generation
10
---
Das Todesdatum Ermengards,
bei Brandenburg 897 vor IV 2, ist nach R. Poupardin, Recueil des actes
des rois de Provence, nr. 31 und 35 zu berichtigen auf 896 vor
VI 22. Die Verlobung der Tochter Kaiser
LUDWIGS II. mit
Konstantinos,
ältestem Sohn und Mitkaiser Basileios I.
(und
nicht mit diesem selbst, wie Brandenburg angibt, der sie auf 866 datiert),
wurde, wohl nicht lange nach ihrer Vereinbarung, im Herbst 869 gelöst,
als
LUDWIG II. sich weigerte, seine
Tochter den Griechen auszuhändigen, vgl. Ohnsorge 220.
876, nach dem Tode des Vaters, heiratet sie den dux
regni Italici
Boso,
den Statthalter
KARLS DES KAHLEN, gegen
den Willen, zumindest ohne Wissen des letzteren, 878 XI 17 ist sie Äbtissin
von S. Salvatore in Brescia, vgl. Voigt 43 (BM² 1545, 1608), seit
879 X 15 Königin.
Nach dem Tode Lothars II.und
dem Vertrag von Meerssen (August 870) schritt KARL
DER KAHLE in der Provence gegen seinen alten Feind Graf Gerhard
von Vienne mit Waffengwalt ein und ersetzte ihn durch seinen neuen Schwager
Boso.
Im Februar 876 auf einer Reichsversammlung in Pavia wurde er von seinem
Schwager KARL DEM KAHLEN als bevollmächtigter
dux und missus eingesetzt und
Boso schuf
sich eine zusätzliche Legitimation für eine umfassende Statthalterschaft,
indem er alsbald
Irmingard, die Tochter
LUDWIGS
II. heiratete.
Er empfing im Mai 878 den aus Rom geflohenen Papst Johannes
VIII. und geleitete ihn ehrenvoll in die Francia. Im Schutz Bosos,
den Johannes VIII. adoptiert hatte und der in Italien vielleicht eine ähnliche
Platzhalterrolle wie 876 für KARL übernehmen
sollte, trat der Papst die Heimreise an. Da sich Hugo der Abt nach dem
Tode Ludwigs des Stammlers weiter an
seinem faktischen Regiment über ein ungeteiltes W-Reich festhielt,
provozierte er den Bruch mit dem ehrgeizigen
Boso,
der sich im Oktober 879 mit Hinweis auf die fehlende Legitimität der
Ansgard-Söhne
selbst zum König der Rhonelande aufschwang. Seine Proklamation, die
am 25.10.879 in Mantaille bei Vienne im Beisein von nicht weniger als 25
Bischöfen stattfand sowie die anschließende Krönung in
Lyon wurden im politischen Vakuum nach dem Tode Ludwigs
des Stammlers möglich und sollten sichtlich an das einstige
burgundisch-provencalische Königtum des LOTHAR-Sohnes
Karl
(+ 863) im S des Mittelreiches anknüpfen. Einen Bruch mit
allem Herkommen und ein Fanal für die Zukunft stellte der Vorgang
deshalb dar, weil hier erstmals jemand, der zwar Schwiegersohn eines Kaisers
und Schwager eines anderen Kaisers, aber der eigenen Herkunft nach kein
KAROLINGER
war, einzig unter Berufung auf Wahl und Salbung als gottgewollter Herrscher
innerhalb des Frankenreiches auftrat und damit, wenngleich begrenzten,
Anklang fand. Die Provokation wurde auch als solche begriffen und löste
sogleich entschiedene Aktionen gegen den "Tyrannen" aus, die westliche
und
östliche KAROLINGER zusammenführten
und in einer vergeblich gebliebenen monatelangen Belagerung von Vienne
durch Ludwig III.,
Karlmann
und KARL III. im Herbst 880 gipfelten.
Erst im zweiten Anlauf gelang es
Karlmann von
W-Franken und in dessen Auftrag Bososeigener
Bruder, Graf Richard von Autun, im Sommer 882 die Stadt zu erstürmen
und Bosos
Gattin, die Kaiser-Tochter Irmingard,
gefangen zu nehmen, während der König selbst entkam und bis zu
seinem Tode (11.1.887) eine geschrumpfte Herrschaft in der Provence aufrechterhielt.
Hlawitschka Eduard: Seite 31-34,36,84,87-89,241-245
*****************
"Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen
Geschichte"
Es ist deshalb von höchstem Interesse, wenn man sieht,
daß der Kaiser auf dem Wege vom Elsaß, wo die erneute Erkrankung
eingetreten war und er einige Monate darniederliegend verweilte, zu der
Pfalz Bodman am Bodensee, wo dann die Operation vorgenommen wurde, der
Kaiserin-Witwe
Angilberga, der Mutter der Boso-Gemahlin
Irmingard
von der Provence, ein Diplom zukommen ließ. Angilberga
repräsentierte ja doch gerade damals in besonderer Weise die lotharingische
Verwandtschaftslinie. Sollte KARL III.
auf jene sein besonderes Augenmerk gerichtet haben?
Angilberga hatte
nach dem Tode ihres Gemahls, des Kaisers LUDWIG
II. (+ 875), - wohl älteren Absprachen folgend - zunächst
die ostfränkischen
KAROLINGER
in ihren Bemühungen um die Nachfolge in Italien begübstigt, den
Erfolg KARLS DES KAHLEN aber doch nicht
verhindern können. Bis in die zweite Hälfte des Jahres 876 hinein
scheint sie in ihrer Haltung nicht wankend gewesen zu sein. Nachdem jedoch
ihre Tochter von
KARLS DES KAHLEN Vertrauten
Boso,
den dieser zu seinem dux und Stellvertreter in Italien eingesetzt hatte,
in einem wenig durchschaubaren Intrigenspiel (etwa in der 2. Hälfte
des Jahres 876) geehelicht worden war, hatte sie sich aber doch langsam
auf W-Franken und auf ihren Schwiegersohn
Boso
ausgerichtet. Und in dieser Haltung mag sie auch durch Papst Johann VIII.
bestärkt worden sein, der nach seinen schlechten Erfahrungen mit den
Spoletiner Markgrafen, die sich bei ihren Aktionen auf König
Karlmann von Bayern beriefen, das Kaisertum den westfränkischen
KAROLINGERN
zu erhalten gewillt war, der dann aber sich selbst von der Schwäche
Ludwigs
des Stammlers in W-Franken überzeugen mußte und hernachBoso
(gleichsam als Erben Kaiser LUDWIGS II. durch
dessen Tochter Irmingard) als zukünftigen
Regenten Italiens und Schützer auch der weltlichen Interssen des Papsttums
zu sehen wünschte. Nachdem schließlich Bososund
Johanns VIII. Italienpläne am Widerstand der italienischen Großen
gescheitert waren, 879 aber die Erhebung Bosos
zum König in der Provence gelungen war, scheint Angilberga
Tochter und Schwiegersohn nach Kräften unterstützt zu haben.
KARL
III. hatte sie dafür wiederum, nachdem er 880 an einem
gemeinsamen Feldzug der ost- und westfränkischen KAROLINGER
gegen den Usurpator teiilgenommen hatte und danach zur Kaiserkrönung
nach Italien gezogen war, sogleich in Haft genommen sowie nach Alemannien
in die Verbannung geschickt, ne aliquod solatium vel consilium dare
facereque possit Bosoni. Die Versöhnung
und Angilbergas Freilassung kamen erst
882 durch päpstliche Intervention zustande.
Wenn KARL III. gerade
in seiner angedeuteten bedrängten Situation
Angilberga
und ihr oberitalienisches Kloster zu Brescia berücksichtigte, so kann
dies nur - wie es von verschiedenen Seiten auch bereits geschehen ist -
als eine Beziehungsaufnahme, an der ihm besonders gelegen sein muß,
verstanden werden; denn damals, am 10. Februar 887, dürfte ihm einerseits
der am 11.1.887 erfolgte Tod Bosos von der Provence,
dessen Machtstreben die Beziehungen Angilbergas
zu den ostfränkischen KAROLINGERN getrübt
hatte, doch wohl schon bekannt gewesen sein. und andererseits sieht man,
daß mit dieser Beziehungsaufnahme weitere Kontakte nach Italien Hand
in Hand gingen: es erfolgte eine dringende Einadung des Papst, doch zum
30. April 887 zu einer Reichsversammlung nach Waiblingen zu kommen bzw.
eine Gesandtschaft zu schicken. Der Papst, Stephan V., versagte sich freilich
diesem Wunsche.
Sogleich nach der Reichsversammlung in Waiblingen, zu
der also der Papst nicht erschienen war udn auch keinen Vertreter gesandt
hatte, zog
KARL nach Kirchen bei Lörrach,
und zwar der Tochter Angilbergas und
Witwe Bosos sowie ihrem Sohne LUDWIG
entgegen - obviam veniens imperator ad Hrenum villa Chirihheim?
-, von deren Kommen er also gewußt und die er somit in gleicher Weise
wie den Papst eingeladen haben muß. Hier in Kirchen nahm er Mitte
bis Ende Mai 887 LUDWIGS Huldigung
entgegen und adoptierte ihn an Sohnes Statt. Ja, er gestand ihm damit zugleich
auch die regia dignita zu und bestätigte zum Schluß der
Mutter des kleinen LUDWIG,
Irmgard, ihm selbst und seinen Schwestern die von Kaiser
LUDWIG II. an Irmingard
in Italien, Burgund und Franzien dereinst geschenkten Besitzungen und Hörigen.
Die Verhaltensweise KARLS
in Kirchen kam natürlich einer politischen Aktion gegen ARNULF
VON KÄRNTEN gleich. Sie beraubte ihn, der seit der fortschreitenden
Erkrankung KARLS in immer zunehmendem
Maße auf die Nachfolge in der Herrschaft - zumindest was O-Franken
anbetrifft - rechnen durfte, mit einem Schlage sämtlicher Aussichten.
Und daß dies ernst gemeint war und Bestand haben sollte, sieht man
daran, daß KARL noch im Juli
887 für Irmingard und LUDWIG
die in Kirchen zugesagte Besitzbestätigung erließ, daß
er auch Angilberga ein ähnliches
Diplom gewährte, ja, daß Angilberga
ihrerseits
dem schwer erkrankten KARL einen Arzt
als Beistand zugesandt hatte.
Wieder, wie schon im Frühjahr 887, scheint es die
Kaiserin-Witwe
Angilberga aus Italien gewesen zu sein, die die politischen
Fäden spann. Da ARNULF eine Oberherrschaft
über BERENGAR VON FRIAUL
erlangt
hatte, bot sich auch ein guter Anlaß. Sie suchte, wiewohl BERENGAR
VON FRIAUL ihr eben erst eine Urkunde zur Bestätigung ihres
italienischen Besitzes hatte ausstellen lassen, nun bei ARNULF
um eine Besitzbestätigung nach. Bezeichnend ist, wer ihr Anliegen
vortragen sollte: sie schickte eigens ihre Tochter
Irmgard, die Witwe Bosos,
zu ARNULF nach Forchheim.
Irmgards Bestreben,
als sie 889 bei ARNULF in Forchheim
erschien, dürfte es somit gewesen sein, die Sicherung der Nachfolge
ihres kleinen Sohnes
LUDWIG in jenem
Reiche zu erwirken. Ist doch auch ihre Herrschbegierde genugsam bezeugt
[Vgl. ihre Charakterisierung durch Hinkmar in den Ann. Bertin. ad 879 Seite
150. Überdies setzen die Fuldaer Annalen bereits zum Jahre 888 (Seite
116) den jungen LUDWIG VON DER PROVENCE,
Irmingards
Sohn, als Prätendenten für das provencalische Königtum ein,
was hier nur Irmingards Wollen unterstreicht.].
Jedoch ARNULF verhielt sich abwartend.
Er gewährte Angilberga zwar die
durch Irmingard erbeten Besitzbestätigung
udn ließ diese desgleichen auf Irmingard
für den Fall des Todes der Kaiserin-Witwe
Angilberga ausdehnen, aber von sonstigen Unterstützungen
ist nichts bekannt. Im Gegenteil! Wenn Erzbischof Bernuin von Vienne sich
889/90 sogar zum Papst nach Rom begeben mußte, um dort die Nöte
dieses Reiches zu schildern und eine Zustimmung zur Erhebung LUDWIGS
zu erhalten, kann das Ergebnis des Besuches Irmgards
in Forchheim nicht verheißungsvoll gewesen sein. Und wenn es damals
noch nicht zu Absprachen über die Erhebung des jungen LUDWIG
kam, obgleich ARNULF zu jener Zeit
schon Odo von W-Franken,
Rudolf
von Hochburgund und BERENGAR VON ITALIEN
als Könige anerkannt und in ein System der Lehnssuprematie eingeordnet
hatte., kann das nur auf erhebliche Spannungen oder Verstimmungen zwischen
ARNULF
und Irmingard bzw. dem jungen LUDWIG
hindeuten.
Erst das folgende Jahr brachte eine Überbrückung
und die volle Aussöhnung und damit auch einen neuen Faktor in der
SW-Politik
ARNULFS. Der Meinungsaustausch
mag in der Zwischenzeit gewiß weitergepflegt worden sein. Irmingard
erschien
jedenfalls im Mai 890 mit reichen Geschenken erneut auf einem Reichstag
in Forchheim; sie wurde ehrenvoll - honorifice - empfangen. Dabei
hatte die nicht nur ihren Sohn LUDWIG
mitgebracht, sondern war auch von einer kleinen Gruppe der angesehnsten
Edlen des burgundischen Raumes begleitet. Das Ergebnis der Verhandlungen
wurde nur wenige Monate später - im Spätsommer oder Herbst 890
- offenbar: es war die Königserhebung des jungen LUDWIG
in Valence.
Und wir wissen weiter, daß LUDWIGS
VON DER PROVENCE Schwester Engelberga
mit dem Markgrafen Wilhelm von Aquitanien vermählt war, desgleichen,
daß Manassse der Sohn einer Schwester des Richardus justiciarus war
und eine Irmengard zur Gemahlin hatte.
Dagegen stimmt indessen die Überlegung bedenklich,
daß Wilhelm von Aquitanien - wenn wir diesen in den hier genannten
Uuilelmus
wiedererkennen
wollen - erst zu einer Zeit heiratete und sich mit der Familie LUDWIGS
VON DER PROVENCE verwandtschaftlich
verband [Die Gemahlin Wilhelms von Aquitanien und Tochter
Irmengards und Bosos,
Engelberga,
scheint ca. 877/78 geboren zu sein (vgl. E. Brandenburg, Die Nachkommen
Karls d.Gr. (1935) Seite 3, und C. v. Kalckstein, Gesch. d. frz. Königtums
I (1877) Seite 100 Anm.1). Eine Urkunde vom Mai 898 (Bouquet, Recueil des
historiens des Gaules et de la France IX (1757) Seite 708) zeigt Engelbergazum
ersten Mal als Gemahlin Wilhelms. Da dieser Ehe damals noch keine Kinder
entsprossen waren (neque filii nostri neque filiae, si haberimus bzw.
si fuerint), wird angenommen, daß die Ehe frühestens 897
zustande kam.], als LUDWIGS Mutter,
die hier mitaufgeführte Irmengarda,
wohl bereits verstorben war [Am 30. Novenmber 891 weilte Irmengarda
in Piacenza, wo sie den von ihrer Mutter gegründeten Kloster S. Resurrezione
die Höfe Felina und Luzzara etc. schenkte (L. Schiaparelli, I diplomi
die Berengario I Seite 107 nr. 37). Daß Irmengarda
damals
in das genannte Piacenter Kloster eintrat, wird man wohl kaum mit F. Gingins-Sarra
(Memoires pour servir a l'histoire des royaumes de Provence et de Borgogne-Jurane,
in: Arch. f. Schweizer Gesch. VIII (1851) Seite 66ff.) aus den Urkundeneingangsworten
ego
in Dei nomine Irmengarda Deo devota
herauslesen dürfen. Sieht man doch Irmengarda
noch am 18. März 892 und am 11. August 894 als Intervenientin in Diplomen
ihres Sohnes in der Provence auftreten (R. Poupardin, Recueil Seite 51
nr. 29 und Seite 55 nr. 30). Desgleichen wird sie in einer offensichtlich
der ersten Jahreshälfte 896 gehörenden Urkunde LUDWIGS
VON DER PROVENCE genannt (a.a.O. Seite 64 nr. 35). Am 22. Juni
896 scheint Irmengarda dann jedoch
schon gestorben zu sein; an diesem Tag erteilte jedenfalls LUDWIG
VON DER PROVENCE pro remedio anime gebitoris mei Bosonis
et genetricis mea Ermingardis necnon
et avi mei LUDOVICIeine Besitzbestätigung
an das Kloster Tournua (a.a.O. Seite 57 nr. 31) - Nun ist Irmengarda
noch in einer von R. Poupardin (a.a.O. Seite 72ff. nr. 39) zum Jahre 901
gesetzten Urkunde genannt; dieses Diplom, das LUDWIG
bereits als Kaiser zeigt und folgende Datierungszeile enthält: Actum
est preceptum apsud Lugdunum, anno ab incarnatione Domini DCCCXCV, indictione
quarta, anno primo imperante HLUDOVICO
gloriosissimo imperatore, ist aber im wesentlichen die Erneuerung eines
Diploms LUDWIGS vom Jahre 892, in dem
sich diese Nennung Irmengardas schon
findet. Diese Nennung ist also einfach Entlehnung aus der Vorurkunde und
somit nicht beweiskräftig. Dazu kommt, daß diese Urkunde eine
Fälschung sein dürfte, bei der der frühere Besitzstand der
Lyoner Kirche um die Eugendus-Abtei im Jura erweitert wurde. Im Jahre 901
war nämlich LUDWIG überhaupt
nicht in Lyon, sondern er hielt sich von Oktober 900 bis Mai 902
Italien auf! Wenn man schon an der Echtheit der Urkunde festhalten will,
dafür eine spätere Bearbeitung anzunehmen geneigt ist, muß
sie eher zum Jahre 895 gesetzt werde, das auch als Inkarnationsjahr angeführt
wird. Damals, als LUDWIG von ARNULF
gerade
quasdam
civitates cum adiacentibus pagis, quas Roudolfus
tenebat, erhielt (894), bestanden ja die besten Hoffnungen, das provencalische
Reich noch einmal bis in den Jura auszudehnen, wo die genannte Eugendus-Abtei
lag. - Daß Irmengarda 901 noch
lebte, läßt sich jedenfalls mit dieser Urkunde nicht erweisen.
Auch ein anderes Stück, auf das sich F. Fasoli, I re d'Italia (1949)
Seite 62 Anm. 5, stützt, wenn sie schreibt: "Nel 909
Ermengarda era ancora via; cf. H. P. M. XIII, 434" ist nicht
beweiskräftig; hier handelt es sich um eine Urkunde, die zum Herbst
891 einzureihen ist (vgl. oben Seite 58f. Anm. 99)]. Wenn Wilhelm als Verwandter
eingetragen wurde, müßte also Irmengarda
genauso wie der nicht genannte Boso
schon verstorben gewesen sein. Zu fragen wäre dann aber auch, warum
Engelberga,
die eigentlich das Bindeglied von LUDWIG VON DER
PROVENCE zu Wilhelm darstellt,
nicht in den Eintrag aufgenommen worden ist.
Konecny Silvia: Seite 126-131,151
*************
"Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die
politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen
Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert."
Auch LUDWIGS II. Tochter
Ermengard
stellt innerhalb der fränkischen Entwicklung einen Sonderfall dar
und ist im Zusammenhang mit den Besonderheiten des italischen Bereiches
zu beurteilen. Ihre Ausnahmestellung ergibt sich überdies durch den
Umstand, daß sie der einzige Nachkomme LUDWIGS
II. gewesen ist. Sie kann daher als Erbtochter bezeichnet werden.
Dem widerspricht zum Teil zwar ein byzantinisches Eheprojekt, das bis 869
für Ermengard bestanden hat, doch
stellte dieses - wie die meisten derartigen Projekte - kaum mehr als eine
unverbindliche diplomatische Abmachung dar. So wurde auch Ermengards
Verlobung mit dem Sohn des byzantinischen Kaisers rückgängig
gemacht, als man von byzantinischer Seite ernstes Interesse an einer Heirat
zeigte [Mohr, Boso von Vienne 142 nimmt an, daß die Kaiserwürde
seit dem Kaisertum KARLS DES GROSSEN
an den Besitz der lombardischen Krone gebunden war. Letztere vergaben die
oberitalienischen Großen, auf die Angilberga
Einfluß hatte.].
Die Ehe Ermengards
mit Boso aber entsprach weitgehend
dem Typus der Erbtochterehe, auch wenn sie die Einheirat nicht auf einen
konkreten Besitz, sondern vielmehr auf die legitimierung eiens Herrschaftsanspruches
bezog. Denn Boso von Vienne fand durch
seine Ehe mit Ermengard nicht nur Anschluß
an jene Sippe, die die Frage der Herrschaftsnachfolge in Italien beeinflussen
konnte, sondern vor allem auch eine theoretische Absicherung seiner eigenen
Herrschaftsansprüche.
Über die Eheschließung Bososund
Ermengards
existieren die widersprüchlichsten Nachrichten. Regino etwa berichtet,
daß die Ehe auf die Initiative
KARLS DES
KAHLEN hin zustande kam. Damit befleißigt sich Regino
einer Darstellung, die alle jene Konflikte verschweigt, die diese Eheschließung
hervorrief. Sogar Bosos Anspruch auf
die Königswürde in Italien weiß Regino im Sinne eines Machtzuwachses
KARLS
DES KAHLEN auszulegen. Reginos Bericht von der Ehe Bosos
und Ermentruds
(Richtig:
Ermengard)
korrespondiert zwar in gewisser Hinsicht mit einer Eintragung der Annales
Bertiniani zum Jahre 878, die ebenfalls das Einverständnis zwischen
Boso
und dem westfränkischen Königtum bezeugt. Jedoch zeigte sich
erst Ludwig der Stammler gegenüber
Boso
verbindlich, während KARL DER KAHLE
über dessen Ehe mit
Ermengard
verstimmt
gewesen war, mußte er doch eine allzugroße Selbständigkeit
jenes Mannes befürchten, an den er kurz zuvor die lombardische Herzogswürde
verliehen hatte. Demgemäß bezeichnete die westfränkische
Annalistik auch die Ehe Bosos und Ermengards
als Täuschung, die auf Anstiften BERENGARS
VON FRIAUL erfolgt sei. Eine Revision der öffentlichen
Meinung, wie sie im Fall
Bosos unter
Ludwig
dem Stammler erfolgte, blieb auf ostfränkischer Seite aus.
Hier bestritt man konsequent die Rechtmäßigkeit dieser Ehe und
sprach von einer Entführung, der überdies ein Mord an der ersten
Gattin Bososzuvorgegangen war.
Keine Quelle erwähnt hingegen die Haltung Angilbergas
in der Eheangelegenheit ihrer Tochter, obwohl vermutlich gerade die Kaiserin-Witwe
zu dem Zustandekommen dieser Verbindung wesentlich beitrug. Denn während
Ludwig
der Deutsche und KARL DER KAHLE
der Heirat ablehnend gegenüberstanden, und erst
Ludwig
der Stammler sich - wohl notgedrungen - mit der Ehe Bososabfamd,
profitierte Angilberga von der Ehe
ihrer Tochter. Noch 872 hatte die Kaiserin eine fränkisch orientierte
Politik der Kaisernachfolge betrieben, bei den Verhandlungen mit den Oheimen
ihres Gatten ihre eigenen Interessen jedoch anscheinend nur mangelhaft
sichern können. Nach dem Tod LUDWIGS II.
mußte es erst recht Angilbergasvordringliches
Anliegen sein, ihren Einfluß in Italien zu behaupten. Zu diesem Zweck
scheint die Kaiserin-Witwe nun auf eine regional-italienisch orientierte
Politik übergewechselt zu sein. Es war inzwischen wohl klar geworden,
daß ein Herrscher der nicht in Italien, sondern jenseits der Alpen
lebte, Angilberga nur wenig nützen
würde. Die Kaiserin strebte anscheinend eine Trennung von Kaisertum
und langobardischer Königswürde an, die seit KARL
DEM GROSSEN stets in einer Hand vereint gewesen waren. Während
sie sich bezüglich der Nachfolge im Kaisertum nicht festlegte, favorisierte
sie Boso wohl als langobardischen König.
Boso
war nicht nur der von KARL DEM KAHLEN
in Oberitalien eingesetzte Herzog, sondern erreichte auch durch die Ehe
mit Ermengard eine beträchtliche
Besitzkonzentration in Oberitalien, die ein bedeutendes Gegengewicht gegenüber
den fränkischen Teilreichen jenseits der Alpen darstellte. Überdies
wurde dadurch vielleicht auch der Konflikt beigelegt, der zwischen BOSONIDEN
und
SUPPONIDEN
anläßlich des "Ehestreits" Lothars
II. entstanden sein mag. Auf westfränkischer Seite fürchtete
man wohl, daß Boso
ganz ins Lager
Angilbergas übergewechselt
sei und gemeinsam mit der Schwiegermutter eine feindliche Politik betreiben
würde. Auf ostfränkischer Seite hingegen faßte man die
Ehe Ermengards und Bosos
als Bündnis zwischen
Angilberga und
dem westfränkischen Rivalen um die Kaiserwürde auf. In dieser
politischen Situation entstanden wahrscheinlich bereits die Voraussetzungen
für jenen Plan, Bososselbständige
Stellung in Italien durch die Königswürde, ja vielleicht sogar
durch den Kaisertitel zu krönen. Deutlichere Gestalt nahmen solche
Veersuche jedoch erst nach dem Tod KARLS DES KAHLEN
an.
Mit dem Tod LUDWIGS II.
war die Nachfolge im Kaisertum, die bis dahin in der älteren Linie
der KAROLINGER erblich gewesen war,
zum Problem geworden. LUDWIG II. hatte
872 vielleicht auf Betreiben Angilbergas Karlmann
zum Nachfolger designiert, während nahezu gleichzeitig Papst Hadrian
II. KARL DEN KAHLEN Hoffnungen auf
die Kaiserwürde machte. In beiden Fällen handelte es sich jedoch
kaum um mehr als um kurzlebige Vereinbarungen, auf deren Gültigkeit
und Durchsetzbarkeit wenig zu geben war. Als nach dem Tode
LUDWIGS
II. KARL DER KAHLE jedoch in Rom eintraf und zuvor seinen Neffen
Karlmann,
der gleichfalls nach Rom ziehen wollte, zur Umkehr genötigt
hatte, entschloß Johannes VIII. sich dazu, die Vereinbarung seines
Vorgängers einzuhalten und den westfränkischen König zum
Kaiser zu krönen. Es zeigte sich jedoch bald, daß
KARL
DER KAHLE dem Papst in Rom nicht den nötigen Schutz angedeihen
lassen konnte, und dieser einem Bündnis zwischen WIDONEN
und
ostfränkischen
KAROLINGERN
ausgeliefert war. Aus diesem Grunde war der Papst wohl daran
interessiert, Boso durch eine kirchliche
Legitimierung an sich zu binden. KALR DER KAHLE
fand im italienischen Adel so wenig Unterstützung, daß er sich
877 anläßlich seines zweiten Italienzuges hier sowohl mit der
selbständigen Stellung Bosos,
als auch mit der militärischen Übermacht seines Neffen Karlmannabfinden
mußte. Nach dem Tode KARLS DES KAHLEN
war zunächst kein KAROLINGER in
der Lage, einen Anspruch auf die Kaiserwürde zu behaupten. In dieser
Situation entschloß sich der Papst, die Herrschaft jenes Mannes in
Italien zu unterstützen, der Papst und Kirche auch schützen würde.
Als Johannes VIII. 878 ins Frankenreich reiste, um auf einer Synode in
Troyes die Frage des Kaisertums zu regeln, amg er bezüglich des neuen
Kaisers noch geschwankt haben. Jedenfalls aber deutete einer seiner Briefe
an Angilberga bereits an, daß
er Boso in seine Pläne einbezogen
hatte. Bei einer Zusammenkunft mag der Papst erkannt haben, daß Boso
besser als Ludwig der Stammler die
Kirche in Italien schützen würde. Für die ostfränkische
Linie aber hatte der Papst wegen deren Bündnis mit den WIDONEN
wenig Sympathien. Zu einem offenen Bruch zwischen Ludwig
dem Stammler und Boso
kam es indes nicht, vielmehr versäumte letzterer keine Gelegenheit,
seine Beziehungen zu dem westfränkischen König zu verbessern.
Darin wurde er vom Papst unterstützt. Nachdem sich aber 881 die Beziehungen
zwischen den ostfränkischen KAROLINGERN
und dem Papst gebessert hatten, krönte Johannes VIII. KARL
III. zum Kaiser. Zwei Jahre vorher war Boso
zum König der Provence erhoben worden. Dies mochte dem ursprünglichen
Plan des Papstes und Bosos entsprochen
haben, die vermutlich die Teilung von Kaiserwürde und Königtum
in Italien angestrebt hatten. Ein diesbezüglicher Konsens, den schon
Ludwig
der Stammler verweigert hatte, war jedoch auch von KARL
III. nicht zu erreichen.
Das Kernstück des Geheimabkommens zwischen Johannes
VIII. und
Boso von 878 scheint aber
die Legitimierung des Anspruches auf dessen Nachfolge im Kaisertum gebildet
zu haben. Bis zum Tod LUDWIGS II. war
die Kaiserwürde in der ältesten Linie der KAROLINGER
erblich gewesen. Nach
LUDWIGS II. Tod
konkurrierten als Erbprinzipien zunächst Eintritts- und Erbrecht der
Brüdergemeinde, wobei letzteres sich durchsetzte. Als Konkurrenten
standen einander vor allem KARL DER KAHLE
und nach dem Tod Ludwigs des Deutschen
dessen Sohn Karlmann
gegenüber.
Nach den Tod KARLS DES KAHLEN ging
die Kaiserwürde auf die nunmehr älteste Linie der KAROLINGER,
und zwar auf
KARL III., über.
Hugo,
der als illegitimer Sohn Lothars II. galt,
wurde für die Kaiserwürde nicht in Betracht gezogen. Boso
selbst scheint sich bezüglich der Erbfolge im Kaisertum mit dem Papst
auf einen gemeinsamen Rechtsstandpunkt geeinigt zu haben, der eine Senioratserbfolge
vorsah, die als Anrecht auch in weiblicher Linie vererbt werden konnte.
Die Erbfolge eines "illegitimen" Sohnes hingegen dürfte dieser Standpunkt
ausgeschlossen haben. Hugo, der Sohn
Lothars
II., zählte selbst zu den Verbündeten Bosos;
ein allfälliger Anspruch Hugos
auf die Kaiserwürde, der eigentlich nahegelegen wäre, verlautete
aber nirgends. Vor allem scheinen auch die Einwände gegen die Legitimität
der Geburt der
westfränkischen KAROLINGER
im Umkreis Bosos entstanden zu sein.
Auch der Vorwurf der Illegitimität gegen ARNULF,
der später allerdings auch im Interesse LUDWIGS
III. gelegen sein mag, und bei der Erhebung ARNULFS
selbst so wenig Rolle spielte, könnte aus der Periode der Streitigkeiten
um die Nachfolge im Kaisertum zwischen 878 und 881 stammen, und ein vonBoso
und dem Papst verbreitetes Argument gegen einen Anspruch des Sohnes Karlmanns
auf die Kaiserwürde darstellen. Eine Politik aber, die so weitgehend
auf Legitimität der Nachfolge im Kaisertum ausgerichtet war, konnte
Boso
kaum für sich selbst, wohl aber für seinen Sohn verfolgen, wenn
er sich nur auf den Standpunkt der weiblichen Erbfolge stellte und vor
allem Vorkehrungen traf, seine Macht in Italien zu festigen, um den Rechtsstandpunkt
seines Sohnes zu gegebener Zeit durchsetzen zu können. So ist es wahrscheinlich,
daß man erst an eine Kaiserkrönung eines Sohnes Bosos
dachte, während dieser selbst für die Stellung eines Königs
in Italien in Frage gekommen wäre. Der Papst setzte auch bei seinem
Aufenthalt im westfränkischen Reich Handlungen, die sich gegen Konkurrenten
eines Sohnes Bosos
gerichtet haben dürften. Johannes verweigerte eine Krönung
Adelheids,
der Gemahlin Ludwigs des Stammlers,
vermutlich unter dem Hinweis auf dessen noch bestehende, allerdings ebenfalls
zu Unrecht geschlossene Ehe mit Ansgard.
Damit wurde die Legitimität der gesamten Nachkommenschaft
Ludwigs
des Stammlers - fast möchte man sagen, nach dem Vorbild
des lotharingischen "Ehestreites" - in Frage gestellt. Ob der Papst eine
ähnliche Politik auch gegenüber den Nachkommen der ostfränkischen
Linie
verfolgte oder diese für die Nachfolge im Kaisertum nicht
in Betracht zog, muß dahingestellt bleiben.
Der Annahme, daß 878 an ein KaisertumBosos
gedacht war, widerspricht auch der Umstand, daß der Papst und Boso
sich um ein gutes Einvernehmen mit Ludwig den
Stammler bemühten. Die italienische Frage ließ der
Papst vorläufig offen, da es anscheinend zu keiner Einigung kam. Nur
in der Frage der Legitimierung der Nachkommenschaft Ludwigs
des Stammlers zeigte der Papst sich wenig verbindlich. Als Konkurrent
der "illegitimen" Söhne des westfränkischen Königs aber
konnte eher ein legitimer Sohn Bosos,
der mütterlicherseits immerhin ein Enkel LUDWIGS
II. war, den Sieg davontragen, als Boso
selbst. Vielleicht im Hinblick auf eine spätere Kaiserwürde seines
Sohnes erhob Boso auch 881 in keiner
Weise Einspruch gegen die Kaiserkrönung
KARLS
III., der ja ebenfalls keinen legitimen Nachfolger hatte. Hingegen
schien KARL III. eine Opposition Bosos
zu befürchten und nahm wohl aus diesem Grund Angilberga
gefangen. Boso wandte nun alle Sorgfalt
darauf, seinen regionalen Herrschafstbereich auszubauen und ließ
sich zum König der Provence erheben. Damit scheint er jene Stellung
erreicht zu haben, die er einvernehmlich mit dem Papst angestrebt hatte.
Bosos
Unabhängigkeit in einem regionalen Regnum war nun auch theoretisch-politisch
untermauert. Von dieser Basis aus sollte Bosos
Sohn
LUDWIG DER BLINDE
seine Ansprüche auf die Kaiserwürde stellen.
Die Funktion Ermengards
als Gattin
Bosos dürfte diese
Hypothese bestätigen. Wenn schon Ermengards Abstammung die Königswürde
Bosos
absicherte, konnte man damit noch in viel höherem Grade einen Anspruch
LUDWIGS
DES BLINDEN unterstützen. Dieser war als Enkel LUDWIGS
II. der Nachkomme jenes letzten KAROLINGERS,
dessen Kaiserwürde unbestritten war. Insgesamt suchte Boso
seine Herrschaft in weitaus stärkerem Maß durch eine Ansippung
an das karolingische Königshaus zu legitimieren, als die anderen nicht-karolingischen
Könige der fränkischen Nachfolgestaaten. Dies erklärt sich
im wesentlichen daraus, daß die Ehe Bosos
mit Ermengard dem Typus einer Einheirat
entsprach. Als Königin war Ermengard
an der Herrschaft Bosos weitgehend
mitbeteiligt. Sie urkundete selbst oder gemeinsam mit Boso.
Die Historiographen führten Bosos
Erfolg auf den Ehrgeiz Ermengards zurück,
die als Kaisertochter einen König zum Gatten wünschte, sahen
also auch einen Zusammenhang zwischen Ermengards
Abstammung und Bosos Stellung. Auch
der Papst betonte in einem Brief an Angilberga
die Abstammung Ermengards.
Boso
selbst widmete 881 dem Gedenken der karolingischen
Vorfahren seiner Gattin eine Schenkung an die Kirche von Vienne. In ähnlich
sinnfälliger Weise bezeugte auch ein Chronist die Bedeutung der mütterlichen
Abstammung LUDWIGS DES BLINDEN, als
er daraus einen Rechtsanspruch LUDWIGS herleitete
und als dessen Eltern zuerst Ermengard
und
dann Boso nannte.
Obwohl es Boso nicht
gelang, seinen Herrschaftsbereich ungeschmälert zu erhalten, setzte
Ermengard
nach dem Tod des Gatten dessen Politik fort und bahnte für ihren Sohn
schließlich die Erlangung der Kaiserwürde an. Eine vormundschaftliche
Regierung
Ermengards für den noch
minderjährigen Sohn war schon deshalb kein Problem, weil Ermengard
auch zu Lebzeiten Bosos Mitherrscher
war. Um ihren Sohn zum Kaiser zu machen, griff Ermengard
allerdings zu einem zusätzlichen Mittel der Legitimierung und verließ
sich nicht allein auf das Kriterium der Abstammung LUDWIGS.
Sie veranlaßte vielmehr KARL III.,
der selbst keinen legitimen Nachkommen besaß, LUDWIG
DEN BLINDEN als den nächsten rechtmäßigen Anwärter
auf die Kaiserwürde zu adoptieren und zum Nachfolger zu bestimmen.
Das prinzip legitimer Geburt als Auswahlkriterium unter mehreren Anwärtern
trug dabei einen Sieg davon über das des Ausschlusses der weiblichen
Linie von der Erbfolge.
Ein voller Erfolg war der Politik Ermengards
allerdings nicht beschieden.
LUDWIG DER BLINDE
wurde 901 zwar zum Kaiser erhoben, im selben Jahr jedoch wieder abgesetzt
und geblendet. Die oberitalienischen Adelsfamilien, die Kaiser und Könige
Italiens stellten, waren mit den KAROLINGERN
verschwägert. Die einzelnen Herrscher hätten sich also, in ähnlicher
Weise wie LUDWIG DER BLINDE, auf eine
karolingische
Abstammung in weiblicher Linie berufen können. Eindeutig ist eine
Legitimierungspolitik jedoch nur im Falle LUDWIGS
DES BLINDEN festzustellen. Dieser betrieb auch als einziger
eine universale Kaiserpolitik, während die übrigen Kaiser sich
als Herrscher Italiens verstanden, und zwar nicht nur Widonischen,
die mit den
KAROLINGERN nicht verwandt
waren. In Italien dürfte die karolingische
Abstammung nicht asl Voraussetzunge für die lombardische Königswürde
gegolten haben, während das universale Kaisertum überhaupt unerwünscht
war. Daraus erklärt sich wohl der Mißerfolg LUDWIGS
DES BLINDEN, der insgesamt wenig Einschätzungsvermögen
der realen politischen Situation bewies, als er seinen imperialen Anspruch
durch eine Ehe mit einer byzantinischen Prinzessin unterstrich. Die Verbindung
mit einem mächtigen Adelsgeschlecht Oberitaliens wäre für
LUDWIG
DEN BLINDEN wohl zweckmäßiger gewesen als jene byzantinische
Heirat, die erste, die in fränkischer Zeit überhaupt zustande
kam. Sie diente wohl ausschließlich propagandistischen Zwecken, ein
"Luxus", den sich bisher kein KAROLINGER
bei seiner Eheschließung erlaubt hatte: denn eine militärische
Hilfeleistung hätten die Byzantiner wohl kaum durch eine solche Ehe
besiegelt, sondern vielmehr selbst eie KAROLINGERIN
zur Frau gefordert. Jedenfalls erwies sichj die Politik Bosos
und Ermengards in der Fortsetzung LUDWIGS
DES BLINDEN als nicht mehr ganz "zeitgemäß". Denn
durch das Entstehen regionaler Königtümer auf dem Boden des westfränkischen
Reiches und eines regionalen Kaisertums in Italien hatte eine universale
Kaiserpolitik an Aktualität verloren.
Nur Ermengard, die
Tochter LUDWIGS II., und Rothild,
eine Tochter
KARLS DES KAHLEN, sind
sowohl als Äbtissinnen als auch als Ehefrauen fränkischer Großer
bezeugt. Ermengard wurde von LUDWIG
II. zur Nachfolgerin
Angilbergas
im Besitz der Abtei in Brescia bestimmt. 879 wurde neben Angilberga
erstmals auch Ermengard als Äbtissin
bezeichnet. Wann Rothild ihre Abtei erhielt, ist ungewiß. Vermutlich
hat noch KARL DER KAHLE selbst die
Abtei seiner Tochter übertragen.Ermengard
wie
Rothild
heirateten erst nach dem Tode ihrer Väter, die Wahl der Gatten traf
in beiden Fällen vermütlich die mütterliche Verwandtschaft.
Die Äbtissinnenwürde dieser KAROLINGERINNEN
könnte darauf hindeuten, daß ihre Ehen den Typus der sogenannten
Erbtochterehe repräsentieren. Der umfangreiche Besitz an Abteien könnte
die unabhängige Stellung dieser KAROLINGERINNEN
als Ehefrauen sichergestellt haben. Im Fall Ermengard
kann von einer Erbtochterehe auch insofern gesprochen werden, als die Kaisertochter
für ihren Söhn auch Erbansprüche auf dei Herrschaftsnachfolge
nach LUDWIG II. erhob.
876/78
oo 2. Boso Graf von Vienne
um 844/50-11.1.887
Kinder:
LUDWIG III.
880-5.6.928
Engelberga (Irmgard)
877- nach 1.917
11.9.878
1. oo Karlmann König von Frankreich
866-12.12.884
2. oo Wilhelm I. Herzog von Aquitanien
-6.7.918
Ermengard (Irmgard)
-
oo Manasses I. Graf von Chalon
- 918
Literatur:
-----------
Beumann, Helmut: Die Ottonen. Verlag W. Kohlhammer
Stuttgart Berlin Köln, Seite 18,20 - Dümmler Ernst: Geschichte
des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und Humblot Berlin
1865 Band I Seite 459-461,484,488,509,519,575-601;Band II Seite 80,90,123,146,210,277,331,388
- Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München
1994, Seite 59 - Giese, Wolfgang: Der Stamm der Sachsen und das
Reich in ottonischer und salischer Zeit. Franz Steiner Verlag Wiesbaden
1979, Seite 81 - Hlawitschka Eduard: Die Anfänge des Hauses
Habsburg-Lothringen. Genealogische Untersuchungen zur Geschichte Lothringens
und des Reiches im 9., 10. und 11. Jahrhundert. Kommissionsverlag: Minerva-Verlag
Thinnes Nolte OHG Saarbrücken 1969, Seite 9,15,23,41,171 - Hlawitschka
Eduard: Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte.
Anton Hiersemann Stuttgart 1968, Seite 29, 31-34,36,55,59,84,87-89,94,96-98,104,106,123,159,241-243,245,248
- Hlawitschka, Eduard: Nachfolgeprojekte aus der Spätzeit Kaiser
Karls III., in Stirps Regia von Eduard Hlawitschka, Verlag Peter Lang Frankfurt
am Main - Bern - New York - Paris, Seite 123-155 - Hlawitschka,
Eduard: Untersuchungen zu den Thronwechseln der ersten Hälfte des
11. Jahrhunderts und zur Adelsgeschichte Süddeutschlands. Zugleich
klärende Forschungen um “Kuno von Öhningen”, Jan Thorbecke Verlag
Sigmaringen 1987, Seite 47 - Holtzmann Robert: Geschichte der sächsischen
Kaiserzeit. Deutscher Taschenbuch Verlag München 1971, Seite 434 -
Konecny
Silvia: Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische
Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie
vom 7. bis zum 10. Jahrhundert. Dissertation der Universität Wien
1976, Seite 126-133,151-
Schieffer Rudolf: Die Karolinger.
W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992, Seite 164,166, 176,186
- Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern.
Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln
1990, Seite 78,80 -