Tochter des Grafen Theophylakt von Tusculum und
der Theodora I.
Lexikon des Mittelalters: Band VI Seite 321
********************
Marozia (diminutiv für Maria), römische
Senatrix
-------------------------------------
+ vor 936
Die Tochter und Erbin Theophylakts gilt samt ihrer
Mutter Theodora als Repräsentantin des "römischen Hurenregimentes".
Ihr übler Ruf schon in zeitnahen Quellen (Liutprand von Cremona, Benedikt
von S. Andrea, Flodoard) resultiert wohl aus herrschsüchtigen Heiraten
(bzw. Konkubinaten?) mit Herzog Alberich I. von Spoleto (nach 904?,
nach 915?), Markgraf Wido von Tuscien (ca. 926) und (gegen kirchliches
Recht) mit dessen Stiefbruder, dem König
Hugo von Arles (932).
Fünf Kinder sind namentlich bekannt.
Einem Ehebruch mit Papst Sergius III. soll Johannes
XI. sein Leben verdanken, der nach dem von Marozia
veranlaßten
Mord an Johannes X. Papst wurde. Eine Tochter (Bertha?)
sollte 932 dem byzantinischen Kaiser Stephan Lekapenos
verheiratet werden. Der von den Zeitgenossen als "männlich" empfundenen
Herrschaft der auch als "Patricia" bezeichneten Mutter machte Alberich
II. 932 ein Ende. Beim Friedensschluß des römischen Fürsten
mit dem aus Rom entflohenen Hugo 936
wird die nach ihrem Sturz eingekerkerte Marozianicht
mehr erwähnt.
Literatur:
-----------
V.E. Löscher, Hist. des röm. Huren-Regiments
der Theodorae und M.ae, 1705 - H. Zimmermann, Das dunkle Jh., 1971 - Ders.,
V.E. Löscher, Das finstere MA und dessen Saeculum obscurum (Monogr.
zur Gesch. des MA 11, 1975), 259-277.
Schreiber Hermann: Seite 76,81,84,86,91,102,107
*****************
"Geschichte des Papsttums"
Ab etwa 900 tritt neben Theophylakt seine Frau
Theodora
hervor und übt in Rom großen Einfluß aus, und in den Jahren
von 926 bis 932 scheint seine Tochter Marozia
mit dem Titel einer Senatrix die Stadt Rom vollständig beherrscht
zu haben, Rom und den Papst Johannes X., den sie, als er Widerstand zu
leisten versuchte, zunächst einkerkern und dann ermorden ließ.
Wie es zu solchen Zuständen kommen konnte, wird nur in einer einzigen
Quelle geschildert, sie ist darum auch sehr umstritten: Es ist Liudprands
erklärtermaßen gegen seine Freunde gerichtetes autobiographisches
Buch Liudprandi antapodosis.
"In dieser Zeit saß auf dem verehrungswürdigen
römischen Stuhl Johannes von Ravenna. Er aber hatte das höchste
Bischofsamt durch ein gottloses Verbrechen wider göttliches und menschliches
Recht auf folgende Art erlangt: Die schamlose Hure Theodora, Großmutter
des kürzlich verstorbenen Patricius Alberich, herrschte nicht unmännlich
über die Stadt Rom. Sie hatte von dem Konsul und Senator Theophylakt
zwei Töchter namens Marozia und
Theodora, die ihr nicht nur gleich, sondern im Venusdienst sogar noch eifriger
waren.
Marozia
brachte in ruchlosem
Ehebruch von dem Papst Sergius III. (897/98 und 904/11) den Johannes
zur Welt, der nach dem Tod des Johannes von Ravenna die höchste Würde
der römischen Kirche erlangte (Johannes XI., 931-935); von dem Markgrafen
Alberich von Spoleto aber empfing sie einen Sohn namens Alberich, der
später, zu unserer Zeit, die Herrschaft über die Stadt Rom an
sich riß." Wenige Zeilen später beschuldigt Liudprand auch den
Papst Johannes X. des intimen Umgangs mit Theodora, der Schwester
der Marozia, und schreibt es dem Einfluß
der Frauen zu, dass der in Ravenna allzuweit von Rom entfernte, gut aussehende
Johannes auf den Stuhl Petri nach Rom geholt wurde.
Natürlich war jene Marozia,
die zur Zeit Johannes' X. lebte, inzwischen längst Großmutter
geworden - aber zu einer Großmutter der Päpste. Für den
Klan der Grafen von Tusculum schien kein Zölibat zu existieren, und
die Anklage, die der Kaiser gegen Johannes XII. formulierte, läßt
ja auch erkennen, dass es selbst Blutschande und Inzest gegeben haben muß.
Ein in seiner Herkunft unklares, aber offenbar mächtiges Geschlecht
der kleinen alten Etruskerstadt wirft sich mit allen Mittel zur Herrschaft
über Rom auf, wobei die Schönheit und die Intelligenz dieser
Frauen durch sieben Jahrzehnte zum eigentlichen Motor aller kriminellen,
ja gotteslästerlichen Handlungen wird.
"In der allgemeinen Verdorbenheit, welche die römische
Gesellschaft kennzeichnete, wäre Marozias
Moral
überhaupt nicht aufgefallen. Was in die Augen fiel, war ihre Fähigkeit,
Menschen nach ihren Willen zu formen... Die Eltern
Marozias
hatten bloß Bündnisse zwischen der Familie und dem Papsttum
geschlossen. Ihre Tochter führte dieses Prinzip kühn bis zur
letzten Konsequenz durch: das Papsttum und die Familie sollten identisch
sein. Offenbar war sie völlig gleichgültig gegen die universalen
Ansprüche dieses Amtes und betrachtete es einfach... als ein Mittel,
die reichen Einkünfte des Stuhles Petri direkt in die theophylaktischen
Schatzkammern zu leiten." (Chamberlain).
In Verflechtungen, die zu entwirren nur noch den Spezialforscher
interessiert, beherrschten die Geschöpfe und die Kinder der drei Frauen
aus dem
Hause Theophylakt das 10. Jahrhundert in Rom. Seit Marozia
die
Mätresse
Papst Sergius' III. gewesen war, seit Papst Johann
X. ein 5-jähriges Kind zum Erzbischof von Reims gemacht hatte, seitJohann
X., Leo VI. und Stephan VII., also drei aufeinanderfolgende Päpste,
ermordet wurden, hatte die Gewalt, hatte aber auch die Willkür in
Rom geherrscht. Johannes XI. (931-935) war ein Sohn Papst Sergius' III.
mit der Marozia
gewesen,
und nur die Jahre, in denen Alberich II. von Tuszien als "Fürst und
Senator aller Römer" ein wenig antiken Glanz und altrömische
Rechtschaffenheit erkennen ließ, dürfen wir als eine Pause in
diesem düsteren Zeitalter ansehen.
Mit Alberich II. endet die kurze Phase der Frauenherrschaft
in Rom, nicht aber die Vormacht der weltlichen Fürstentums über
das geistliche. Nach vielen Jahrhunderte, in denen in Rom die Kleriker
regiert und die Frauen somit keine Stimme gehabt hatten, war im Zusammenbruch
der Papstmacht zunächst der Machtzuwachs für die Frauen gekommen,
für Theodora die Ältere und die Jüngere und für
Marozia,
die bedeutendste, sichtbarste, rücksichtsloseste von allen. Aber ihr
Sohn verdammte sie zur Untätigkeit, ja er soll sie eingekerkert haben,
ihr Sohn, dem sie als einzigem nicht mißtraut hatte. Und es dürfte
sie kaum getröstet haben, dass auch Alberich II. mit seinem Sohn,
Marozias
Enkel,
die tiefste Enttäuschung erleben mußte. Noch als Knabe und unter
dem Namen Oktavian war dieser Sohn des Alberich den Römern vorgestellt
worden, und sie hatten jubelnd geschworen, dass er ihr Fürst und Papst
sein sollte. Alberich starb am 31. August 954 eben rechtzeitig, um nicht
mehr erleben zu müssen, was für ein Papst sein 955 gekrönter
Sohn wurde.
Beumann, Helmut: Seite 51
****************
"Die Ottonen"
Hugo ließ 931 seinen Sohn Lothar zum Mitkönig erheben, bevor er selbst dritter Gemahl der senatrix Marozia wurde, der Herrin Roms als Tochter des "Senators" Theophylakt, der 901 eine stadtrömische Adelsherrschaft errichtet hatte. Doch ehe es zur versprochenen Kaiserkrönung ihres Gemahls kommen konnte, wurde Marozia von Alberich II., dem Sohn aus ihrer ersten Ehe mit Alberich von Spoleto, gestürzt.
Holtzmann Robert: Seite 98-99
****************
"Geschichte der sächsischen Kaiserzeit"
In Rom war die Herrschaft über das Papsttum und alle Gewalt an den Adel gekommen, der Adel aber zwei schamlosen Frauen verfallen, das waren Theodora, deren Gatte Theophylakt sich "Konsul und Senator der Römer" nannte, und ihre Tochter Marozia, die gleich ihrer Mutter den Titel senatrix führte. Schon Johannes X. ist durch Theodora auf den päpstlichen Stuhl erhoben, durch Marozia aber, da er sich als energischer Mann erwies, gestürzt worden, so daß er im Kerker sein Leben beschloß. Es folgten mehrere Puppen des Marozia, zuletzt (931) ihr eigener Sohn, Johannes XI., den sie einst dem Papst Sergius III. geboren hatte. Der große römische Kirchenhistoriker und Kardinal Baronius, um die Wende des 16. Jahrhunderts, hat dieser dunklen Periode in der Geschichte des Papsttums den Namen der "Pornokratie" gegeben und sie damit besser bezeichnet als mancher neuere Historiker, bei dem entweder apologetische Gründe oder eine kühle Haltung jenseits von Gut und Böse daran Anstoß nahmen. Hugo kam in die Lage, diese Verhältnisse auszunützen, da die nach vielen Liebschaften und zwei Ehen etwas gealterte und der Römer nicht mehr ganz sichere Marozia mit ihm in Verbindung trat. Die Heiraten der Marozia dienten dem Zweck, ihrer Stellung einen sicheren Rückhalt zu geben. Aus diesem Grunde hatte sie sich zuerst mit dem Markgrafen Alberich von Spoleto vermählt, dem sie einen gleichnamigen Sohn gebar, dann mit dem Markgrafen Wido von Tuszien, der durch seine Mutter ein Halbbruder des Königs Hugo war. Jetzt, nach dem Tode Widos, richtete sie die Blicke auf Hugo, dem sie zugleich die Kaiserkrone in Aussicht stellen konnte. Hugo schlug sofort ein, hielt im März 932 seinen Einzug in Rom und vollzog in der Engelsburg die Vermählung mit Marozia. Er mochte glauben, unmittelbar vor dem Zuiel seiner Wünsche zu stehen. Aber der junge Alberich erregte einen Aufstand der Römer gegen seinen Stiefvater und gegen "die Gier und den Übermut der Burgunder". Hugo mußte fliehen, Marozia verschwand im Gefängnis; das war das Ende der Pornokratie.
Riche Pierre: Seite 281-282
***********
"Die Karolinger. Eine Familie formt Europa."
Nach dem Sieg am Garigliano verheiratete Theophylakt
seine Tochter
Marozia mit Alberich
I., einem hervorragenden Kriegsmann. Bis 925 beherrschten
Marozia
und Alberich - dessen genaues Todesjahr unbekannt ist - den Lateran.
Papst Johannes X. sah in der Ankunft von König
Hugo einen Ausweg, um sich vom Einfluß Marozias
zu befreien. Er traf Hugo in Mantua,
um ihm die Lage zu erklären. Aber Marozia
heiratete nach dem Tode Alberichs Wido, den Sohn Adalberts II. von
Tuscien und Bertas,
der folglich ein Halbbruder Hugos von Arles
war. Wido und Marozia beschlossen,
Johannes X. endgültig auszuschalten. Sie ließen den Lateran
stürmen und den Papst in der Engelsburg einkerkern (928), wo er wenig
später starb, vielleicht mit einem Kopfkissen erstickt. Drei Jahre
später, nach zwei sehr kurzen Pontifikaten, ließ
Marozia
unter dem Namen Johannes XI. ihren eigenen Sohn zum Papst wählen,
dessen Vater möglicherweise
Sergius III. war.
Marozia regierte
als Herrin des Laterans, sie träumte von der Herrschaft über
ganz Italien und hatte damit dasselbe Ziel wie Hugo
von Arles. Sie war seit 929 Witwe, und auch Hugo
hatte seine Gemahlin verloren. Da bot die allmächtige Senatrix
dem König von Italien ihre Hand an und verlockte ihn wohl auch mit
dem Hinweise auf die Kaiserkrone. Die Hochzeit wurde 932 in der Engelsburg
in Anwesenheit von Papst Johannes XI. gefeiert. Aber es gab einen
Störenfried: Alberich II., Marozias Sohn
aus erster Ehe. Er war ungefähr 18 Jahre alt, erregte einen Aufstand
der Römer gegen die "Fremden" und ließ Marozia
samt
Johannes XI. gefangensetzen.
Brühl Carlrichard: Seite 168
***************
"Die Geburt zweier Völker. Deutsche und Franzosen."
Kein Herrscher hat sich so intensiv - und vergeblich - um die römische Kaiserwürde bemüht wie Hugo. Die beste und scheinbar absolut sichere Gelegenheit bot sich, als er, gerade Witwer geworden, die Hand der römischen Senatorin Marozia gewann, die Witwe von Hugos Halbbruder Wido von Tuszien und Mutter Papst Johanns XI. Gerade als er kurz vor Erlangung der Kaiserwürde stand, zweifelsohne war sie für Weihnachten 932 vorgesehen, zettelte der älteste Sohn Marozias, Alberich II., einen Aufstand an. Seine Mutter wurde gefangengesetzt und verschwindet aus der Geschichte.
Dümmler Ernst: Band II Seite 599
*************
"Geschichte des Ostfränkischen Reiches"
Johannes X., vorher Erzbischof von Ravenna, bestieg den päpstlichen Stuhl in durchaus ungesetzlicher Weise nur durch seine nahe Verbindung mit der in Rom allmächtigen Familie des Konsuls und Senators Theophylaktus. Theodora, die Gemahlin Theophylakts, eine Frau von äußerst ausschweifenden Sitten, wie sie damals in den vornehmen Kreisen Italiens nur allzu sehr herrschten, hatte zwei Töchter, Marozia (d .i. Mariuccia, Mariechen) und Theodora, die an Reizen wie an Üppigkeit ihre Mutter weit übertrafen. Während jene dem Markgrafen Alberich von Spoleto vermählt, zugleich mit dem Papste Sergius buhlte und durch ihn Mutter des späteren Papstes Johanns XI. wurde, schenkte die ältere Theodora dem Erzbischof Johanns von Ravenna ihre Gunst, der eben durch ihren Einfluß zum Nachfolger Petri erkoren ward.
Cawthorne Nigel: Seite 72,74-81
***************
"Das Sexleben der Päpste. Die Skandalchronik des
Vatikans."
In Ageltrudes Begleitung befand sich ein sechsjähriges Mädchen namens Marozia, das die Aufmerksamkeit eines 36-jährigen Kardinals namens Sergius erregte. Die Finger sollten Ageltrude von Kardinal Sergius überreicht werden. Als er ihr die grausige Trophäe schließlich übergab, fiel sein Blick wieder auf das Kind Marozia. Trotz des Altersunterschiedes von 30 Jahren wurde in diesem Augenblick ein Band geschmiedet, das für das nöchste Jahrhundert die Entwicklung des Papsttums bestimmen sollte. Exakt in dem Augenblick, da Papst Stephan im Anschluß an die Leichensynode mit Ageltrude, Marozia und Kardinal Sergius aus dem Lateranpalast trat, stürzte mit einem gewaltigen Donnern die alte Basilika des Lateran ein.
EIN HURENGESPANN LEITET DEN VATIKAN
Nach einem solchen Anfang kann es kaum überraschen,
daß das Papsttum im 10. Jahrhundert zum Synonym für schamlosen
Amtsmißbrauch und Korruption wurde. Diese Epoche wurde unter der
Bezeichnung "Pornokratie" oder "das römische Hurenregiment" bekannt,
weil das Papsttum in den Augen eines großen Teils der Christenheit
von zwei Huren geleitet wurde. Es handelte sich um ein Mutter-Tochter-Gespann:
Theodora
und Marozia, die beide päpstliche
Mätressen waren.
Zu dieser Zeit gab es in Rom keinen Kaiser. Die Stadt
wurde effektiv von Theophylakt, Konsul, magister militum (Kommandant
der Miliz) und Leiter der päpstlichen Finanzen regiert - und, wichtiger
noch, er war gleichzeitig der Gemahl der ehergeizigen Theodora.
Sie galt als "schamlose Hure, die zu dieser Zeit in Rom lebte und zwei
Töchter hatte, Marozia und Theodora,
von denen keine einen besseren Ruf genoß als die Mutter". Theodora
die Jüngere war vermutlich die Tochter des späteren Papstes Johannes
X. (914-928). Marozia scheint größeren
Gewinn aus den Lehren ihrer Mutter gezogen zu haben. Sie hatte bereits
als Kind auf der Leichensynode Ageltrude
in Aktion erlebt und verfolgte ehrgeizige Machtpläne.
Theodora hatte den sanftmütigen Benedikt
IV. (900-903) auf den päpstlichen Thron gehievt, und Leo V. sowie
der Gegenpapst Christophorus waren beide ihre gefügigen Marionetten.
Ihnen folgte Sergius III. (904-911), mit dem nicht gut Kirschen
essen war. Er hatte bei der Leichensynode von Stephan VI. - damals noch
als Kardinal - eine Hauptrolle inne. Als Gegenpapst Christophorus Leo V.
in den Kerker werfen ließ, marschierte Sergius auf Rom und
brachte Christophorus ebenfalls hinter Schloß und Riegel. Er weihte
sich selbst zum Papst und sorgte dann dafür - aus Mitleid, wie manche
sagen -, daß Leo und Christophorus erdrosselt wurden. Aber Theodora
wußte, wie er an die Kandare zu nehmen war: Sie stellte ihm ihre
sexuell frühreife, halbwüchsige Tochter Marozia
an die Seite.
LOLITASEX IM LATERN
Marozia war erst fünfzehn,
da wurde sie die Mätresse von Sergius III. Er war fünfundvierzig.
Sie hatte bereits einen Sohn mit ihm, als er vier Jahre später starb.
Die Erfahrung, Geliebte des Papstes gewesen zu sein, hatte nachhaltigen
Eindruck bei ihr hinterlassen. Drei Ehen und zahllose Affären taten
ihrem ehrgeizigen Streben nach dem Papsttum keinerlei Abbruch
Die halbwüchsisge Marozia
ging im Lateranpalast ein und aus, da ihr Vater der Senatsvorsteher von
Rom war. Als Sergius das erste Mal mit ihr schlief, war sie nicht
mehr als ein hübsches Kind. Für die restliche Zeit seines Pontifikats
verfolgte er mit außerordentlicher Freude, wie seine minderjährige
Liebe zu einer Frau von atemberaubender Schönheit aufblühte.
Marozia
ihrerseits genoß in den Armen des Papstes nicht die romantische Leidenschaft
der Jugend, sondern die Ekstase der Macht. Die Geschichtsschreibung fällte
über sie das verständliche Urteil, eine "äußerst dreiste
und unverschämte Hure" zu sein, und lastete ihr die Entweihung des
Heiligen Stuhls an. Der Sohn von Marozia
und Papst Sergius wurde schließlich Papst Johannes XI. (931-935).
Sergius selbst kam bei der ganzen Geschichte nicht
sonderlich gut weg. Kommentatoren beschuldigten ihn, während seiner
Amtszeit fortgesetzt "grenzenlose Abscheulichkeiten mit leichten Frauen"
begangen zu haben. Dem Historiker Cesare Baronio zufolge stand Sergius
nicht nur auf Sex mit Minderjährigen, sondern war obendrein "der Skalve
eines jeden Lasters und ein äußerst gottloser Mansch". Sergius
ließ in seiner Amtszeit die Lateranbasilika wieder aufbauen, die
seit der Leichensynode zur Ruine zerfallen war, und stellte Papst Formosus,
nur zur Sicherheit, gleich noch einmal vor Gericht. Auch dieses Mal kam
Formosus nicht davon.
PÄPSTE IN BUNTER FOLGE
Theodora suchte die nächsten beiden Päpste aus - Anastasius III. (911-913) und Lando I. (913-914). Keiner war ein Muster an Tugendhaftigkeit, und Lando, so wird berichtet, "ein gesalbter Junggeselle, vergeudete den größten Teil seines Lebens mit unanständigen Frauen, und am Ende wurde er selbst verzehrt, nachdem er sieben Monate regiert hatte". Er hatte einen unehelichen Sohn namens Johannes, in den sich Theodora, Marozias Mutter, einige Jahre zuvor verliebt hatte. Sie hatte ihren Einfluß auf den damaligen Papst Sergius genutzt, um Johannes zunächst zum Bischof von Bologna und dann zum Erzbischof von Ravenna zu machen. Doch Theodora paßte es überhaupt nicht, ihren Liebhaber in so weiter Ferne zu wissen, und als Lando starb sorgte sie dafür, daß Johannes als Nachfolger seines Vaters in den Lateranpalasr gewählt wurde, wo sie "seine nächtliche Gefährtin" sein konnte. Er wurde Papst Johannes X.
MAROZIAS SOHN AUF DEM LANGEN MARSCH ZUM APOSTOLSCHEN STUHL
Bischof Liudprand von Cremona erzählt, Marozia
sei darüber alles andere als glücklich gewesen, und so entstand
eine ungesunde Rivalität zwischen Mutter und Tochter. Marozias
Sohn war damals erst sechs und damit - selbst für jene Zeit - ein
bißchen sehr jung, um schon Papst zu werden.
914 war Marozia 22
und stand, wie es heißt, in der Blüte ihrer Schönheit.
Sie führte ein kleines Etablissement auf der Isola Tiberina, einem
Inselchen in der Mitte des Tiber. Dort veranstaltete sie Lustbarkeiten
für junge Adlige und kirchliche Würdenträger. Die meisten
von ihnen waren Bischöfe der Sorte, die mit Sporen an den Stiefeln
die Messe lasen, Jagdmesser an den Gürteln baumeln und ihre Pferde
gesattelt und bereit vor der Tür stehen hatten, damit sie nachmittags
auf Bärenjagd gehen oder sich der Falknerei widmen konnten, sobald
der Gottesdienst beendet war. Sie bewohnten prächtige, in Samt und
Purpur dekorierte Häuser, speisten von goldenen Tellern und ließen
dazu Musikanten aufspielen und Tänzerinnen auftreten. Sie schliefen
auf seidenen Laken in Betten, die mit goldenen Intarsien und mit Erinnerungsstücken
an frühere Geliebte verziert waren. In dieser Welt fühlte sich
Marozia
vollkommen heimisch.
Mitten in diese dekadente Szenerie platzte Alberich,
ein Prinz aus der Lombardei. Da er als Bedrohung angesehen wurde, entschieden
Papst Johannes X. und Theodora, daß Marozia
ihn heiraten sollte, um ihn unter die Kontrolle der Familie zu bringen.
Ein riskanter Schachzug. In Marozias
Händen verwandelte sich Alberich von einer vagen Bedrohung
in eine echte Gefahr. Statt sich auf die Seite ihrer Mutter und deren Geliebten
zu schlagen, überredete Marozia
ihren frischgebackenen Gemahl, Rom anzugreifen. Der Coup mißlang,
Alberich
wurde getötet und Johannes X. zwang die junge Witwe, die verstümmelte
Leiche ihres Ehemannes anzusehen. Wieder ein Fehler.
Marozia,
die inzwischen Mutter von
Alberichs Sohn geworden war, Alberich
II., sann auf Rache.
Als Theodora 928 starb, ließ Marozia
Papst Johannes X. gefangensetzen und in der Hoffnung, ihren erstgeborenen
Bastard auf den Heiligen Stuhl befördern zu können, Seine Heiligkeit,
ihren Stiefvater, mit einem Kissen ersticken.
"Dennoch wurde sie um den Erfolg betrogen", schrieb Liutprand.
"Denn unmittelbar nach dessen Tod wurde Leo VI. gewählt, den Marozia
mit Gift umbrachte, um für ihren Bastard Platz zu schaffen. Jedoch
irrte sie ein zweites Mal, denn nachdem er so vergiftet wurde, wählte
man Stephan VII., der 930, nur wenige Jahre später, auf die gleiche
Weise und durch dieselbe Hand umkam."
Schließlich erfüllte sich Marozias
Wunsch, als ihr unehelicher Sohn im Jahre 931 als Papst Johannes XI. den
Apostolischen Thron bestieg. Angeblich hat er einen großen Teil seiner
Amtszeit mit "abscheulich unanständigen Frauen" verbracht. Unterdessen
war seine Mutter nicht untätig gewesen. Aus ihrer ersten Ehe war der
ehrgeizige Alberich hervorgegangen; und sie beabsichtigte, ein drittes
Mal zu heiraten, diesmal Hugo von Provence,
Alberichs
Bruder [Richtig ist: König Hugo von Italien
folgte
seinem Halbbruder Wido von Tuszien als Gemahl Marozias.].
Er war zwar schon verehelicht, aber Marozias
Sohn Papst Johannes XI. arrangierte für seinen Onkel eine Scheidung
und las außerdem bei ihrer Hochzeit die Messe [Selbstverständlich
war König Hugo nicht der Onkel
von Papst Johannes XI.].
ALBERICH II. LÄSST SEINE MUTTER EINKERKERN
Schon beim Hochzeitsmahl beschimpften sich Marozias
Sohn Alberich II. und ihr neuer Gemahl Hugo.
Einige Monate später führte Alberich einen bewaffneten Mob gegen
das Castel Sant'Angelo, die Engelsburg. Hugo gelang
die Flucht über die angrenzenden Stadtmauer, versteckt in einem Korb
und lediglich mit einem Nachthemd bekleidet, aber Alberich II. konnte seine
Mutter Marozia und seinen Stiefbruder
Papst Johannes XI. gefangensetzen und in den Kerker werfen.
Nachdem sich Alberich zum Herrscher Roms ernannt hatte,
ließ er Johannes XI. frei. Allerdings stand er im Lateranpalast unter
Hausarrest, wo er nur wenig mehr tun durfte als das heilige Abendmahl auszuteilen.
Marozia
jedoch blieb im Kerker der Engelsburg, und das immerhin für die Dauer
der nächsten 50 Jahre.
Ganz so streng hätte Alberich II. wirklich nicht
sein müssen, hatte er doch selbst einen unehelichen Sohn, Octavian,
der später Papst Johannes XII. (955-963) [Richtig ist: Octavian
war der Sohn Alberichs II. aus seiner Ehe mit König
Hugos Tochter Alda.] wurde.
Er war der erste Papst, der seinen Namen änderte. Außerdem hieß
es von ihm, daß zu seinen zahlreichen Mätressen "eine der Konkubinen
seines Vaters" zählte.
Alberich regierte Rom die folgenden 22 Jahre und ernannte
die nächsten fünf Päpste, von denen einer, Marinus II. (942-946),
angeblich der Sohn einer gemeinen Frau und eines Geisterbeschwörers"
war.
MAROZIA WIRD MIT 94 JAHREN AUS DEM KERKER BEFREIT
Lange nach Alberichs Tod im Jahre 954 erbarmte sich schließlich
Papst Johannes XV. (985-996) Marozias.
Im Jahre 986 hob er die Strafe der Exkommunikation auf und schickte einen
willfährigen Bischof, der alle Dämonen austreiben sollte, von
denen die 94-jährige Frau angeblich immer noch besessen war. Dann
sollte sie hingerichtet werden. Einen Tag vor ihrer Hinrichtung erhielt
sie in ihrer Zelle Besuch vom Kaiser der Heiligen Römischen Reiches,
dem sechsjährigen OTTO III. Zwar
war sie Gefangene des Papstes und nicht der weltlichen Behörden, aber
er wollte einmal die Frau sehen, die Geliebte eines Papstes gewesen war,
die Mutter eines zweiten, die Tante eines weiteren und die Großmutter
wieder eines anderen. Gemeinsam mit ihrer Mutter hatte sie immerhin acht
Päpste gemacht. Zwei waren erdrosselt, einer mit einem Kissen erstickt
und vier weitere abgesetzt und unter nie ganz geklärten Umständen
beseitigt worden.
Ein junger Bischof folgte OTTO
in Marozias Zelle. "Marozia,
Tochter des Thephylakt, weilst du noch unter den Lebenden?" fragte
der Bischof eine Gestalt, die wie ein Haufen alter Lumpen auf dem Stroh
in einer Ecke des schmutzigen und verwahrlosten Verlieses lag. "Ich, Bischof
Johannes Crescentius von Protus, befehle dir im Namen der Heiligen Mutter
Kirch zu sprechen."
Ohne sich zu rühren, flüsterte Marozia,
das Gesicht zur Wand gedreht: "Ich lebe, Eure Exzellenz, ich lebe." Nach
einer langen Pause fügte sie hinzu: "Für all meine Sünden,
Vergebung ... Vergebung."
UM DANN HINGERICHTET ZU WERDEN
Dann verlas der Bischof den Hinrichtungsbefehl. "Insofern
du, Marozia, von Anfang an und bereits
im Alter von 15 Jahren während der Herrschaft des Heiligen Vaters
Papst
Sergius gegen die Rechte des Stuhls Petri konspiriert hast, dem Beispiel
deiner satanischen Mutter Theodora folgend ..."
Ihr wurde zur Last gelegt, mit ihrem Sohn Papst Johannes
XI. versucht zu haben, die Weltherrschaft an sich zu reißen, und
daß "sie es gewagt habe, wie Isebel
in alten Zeiten noch einen dritten Ehemann zu nehmen". Sie wurde sogar
für die Sünden ihres Enkels Johannes XII. verantwortlich gemacht,
obwohl sie während seiner skandalösen Herrschaft bereits im Kerker
geschmachtet hatte. Er war schließlich der Sohn des Mannes, der sie
ins Gefängnis geworfen hatte.
"Dein Enkelsohn Papst Johannes XII.", lautete die Anklage,
"war gegen sich selbst meineidig, indem er seinen Eid gegenüber dem
großen Kaiser brach. Er stahl den Kirchenschatz und flüchtete
zu den Feinden Roms, wurde von der Heiligen Synode abgesetzt und durch
Leo VIII. ersetzt. Dann kehrte der Abtrünnige nach Rom zurück,
zwang Leo VIII. zur Abdankung, schnitt dem Kardinaldiakon Nase, Zunge und
zwei Finger ab, häutete Bischof Otger, schnitt Notar Azzo den Kopf
ab und enthauptete 63 Geistliche und Adlige Roms. Im Verlauf der Nacht
des 14. Mai 964, während er verbotenen und schmutzigen Verkehr mit
einer römischen Matrone hatte, wurde er vom wütenden Ehegatten
der Matrone im Akt der Sünde überrascht. Der Ehemann schlug ihm
in gerechtem Zorn mit einem Hammer den Schädel ein und befreite so
seine böse Seele vom Zugriff Satans ..." Marozia
muß todunglücklich gewesen sein, diesen Heidenspaß nicht
selbst erlebt zu haben.
Als der junge Bischof den Hinrichtungsbefehl verlesen
hatte, legte ein Henker, der heimlich in die Zelle geschlichen war, ein
Kissen über ihr Gesicht und erstickte die alte "zum Wohlergehender
Heiligen Mutter Kirche und des Friedens des römischen Volkes".
910
1. oo Alberich I. Markgraf von Spoleto
- um 920/25
925
2. oo Wido II. Markgraf von Tuszien
896- 929
932
3. oo 3. Hugo König von Italien
880-10.4.947
Kinder:
1. Ehe
Alberich II. Markgraf von Spoleto
911-31.8.954
2. Ehe
Bertha
-
Ancharius Markgraf von Spoleto
915- 940
Illegitim
Johannes XI.
- Januar
936
Literatur:
-----------
Beumann, Helmut: Die Ottonen, Verlag W. Kohlhammer,
1991 Seite 51 - Brühl Carlrichard: Die Geburt zweier Völker.
Deutsche und Franzosen Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Seite
168 -
Cawthorne Nigel: Das Sexleben der Päpste. Die Skandalchronik
des Vatikans. Benedikt Taschen Verlag 1999 Seite 72,74-81- Dümmler
Ernst: Geschichte des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und
Humblot Berlin 1865 Band II Seite 599 - Holtzmann Robert: Geschichte
der sächsischen Kaiserzeit. Deutscher Taschenbuch Verlag München
1971 Seite 98-99 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt
Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991
Seite 281,346 -
Wies, Ernst W.: Otto der Große, Bechtle Esslingen
1989, Seite 211,227 -