Ältester Sohn des Franken-Königs Theuderich
II. von einer Konkubine; Urenkel
des Königs Sigibert
I. von Austrasien
Lexikon des Mittelalters: Band VII Spalte 1884
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Sigibert II., merowingischer König
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* 601/02, † 613
Im letzten Akt des blutigen merowingischen Familiendramas besiegte Brunichilds Enkel, der frankoburgundische König Theuderich II., 612 seinen Bruder Theudebert II. von Austrasien und ließ ihn und seine Söhne töten; bereits im folgenden Jahr starb er selbst. Brunichild ließ seinen ältesten Sohn Sigibert II. zum König erheben, der sich nicht nur des vorrückenden Chlothar II. und der ihn unterstützenden Austrasier, sondern auch der wachsenden Opposition in Frankoburgund zu erwehren hatte. Der Versuch, im mainfränkischen Thüringen Verstärkung zu gewinnen, scheiterte (unter anderem am Verrat seines Hausmeiers Warnachar); das gegen Chlothar mobilisierte Heer löste sich kampflos auf. Sigibert II. und zwei seiner Brüder wurden gefangengenommen (der dritte entfloh). Chlothar ließ Brunichild und ihre Urenkel mit Ausnahme seines Patenkindes Merowech grausam töten.
Quellen:
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Fredegar IV, 21, 3942 (MGH SRM II)
Literatur:
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E. Ewig, Die frk. Teilungen und Teilreiche (511-561),
AAMz 1952, Nr. 9, 692, 715 (= Ders., Spätantikes und frk. Gallien,
I, 1976, 150,170) - Ders., Die Merowinger und das Frankenreich, 1993, 51f.
SIGIBERT II.
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†
613
Sigibert II. folgte
613 als König und wurde ermordet.
Nach dem Tode seines Vaters handelte Brunichild rasch. Sie ließ ihren Urenkel Sigibert II., den ältesten Sohn Theuderichs, zum König erheben. Aber die Austrasier gingen zu Chlothar II. über. Die aristokratische Opposition regte sich bald sogar in den Reihen der Frankoburgunder. Das gegen Chlothar mobilisierte Heer löste sich ohne zu kämpfen in Chalon sur Marne auf. Brunichild wurde in Orbe (beim See von Neuchatel) vom frankoburgundischen Hausmeier festgenommen und Chlothar ausgeliefert. Die düstere dynastische Tragödie nahm ein schreckliches Ende. Chlothar ließ die alte Königin, der er die Schuld an allen seit 575 begangenen Bluttaten aufbürdete, in grausamer Weise vierteilen. Er verschonte von der Familie Theuderichs nur sein Patenkind Merowech.
Schneider Reinhard: Seite 137,222
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„Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter“
Kurz nach seines Bruders Tod starb Theuderich
II. 613 (nach dem 23. August) bei einem Feldzug gegen Chlothar
II. in Metz. Sein Heer löste sich auf und zog nach Hause,
während Brunhilde mit vier Söhnen
Theuderichs,
ihren Urenkeln, in Metz blieb. Der sog. Fredegar gebraucht bei dieser Nachricht
das Partizip (Mettis) resedens, was andeutet, daß Brunhilde
versuchte, Theuderichs Hof und Erbe
zu verwalten. Überraschenderweise bemühte sich die Königin,
ihren ältesten Urenkel Sigibert
in
des Vaters Königsherrschaft einzusetzen, das heißt den ältesten
Bruder einseitig zu bevorzugen. Ganz sicher stand hinter diesem Vorgehen
die realere Einschätzung der Möglichkeiten, da Theuderichs
Erbe kaum zu vierteln war. Andererseits hätte mindestens der Plan
einer Teilung in Austrasien und Burgund auch nahegelegen. Immerhin aber
gab es wiederholt und in der Folge weitere Ansätze zu einer erbrechtlichen
Bevorzugung des Ältesten in der prinzipiell Gleichberechtigt gedachten
Erbengemeinschaft der Söhne, Ansätze zu einer Bevorzugung, die
offenbar weit über eine sogenannte organschaftsrechtliche Sonderrolle
des ältesten Bruders in der Brüdergemeinschaft hinausging. Zweckmäßigkeit,
politisches Kalkül und vorgeformter rechtlicher Ansatz werden folglich
bei Brunhildes Versuch ineinandergreifende
Motive gewesen sein. Mögliche Zweifel, ob Brunhildes
Bemühen erfolgreich war (Sigybertum
in regnum patris instituere nitens), lassen sich leicht zerstreuen.
Sigibert
II. wurde tatsächlich König (613, nach dem
23. August). Als solcher trat er auch wenig später an der Spitze seines
Heeres dem ihn bedrändgenden Chlothar II.
entgegen. Wenn also Brunhilde bei der
Regelung der austrasischen Herrschaftsnachfolge für ihren Enkel Theuderich
II. sich sowohl mit der Sohnesfolge Sigiberts
II.
als auch seiner alleinigen Bevorzugung durchzusetzen vermochte,
die entscheidende Machtfrage aber ließ sich von der Königin
nicht in zufriedenstellender Weise lösen. Auf Betreiben der austrasischen
Großen kam Chlothar II. nach
Austrasien und bezog sich in seinen Gesandtschaften an
Brunhilde
ganz eindeutig auf das Interesse der Großen.
Vergebens waren Brunhildes
Hinweise auf den Erbanspruch ihrer Urenkel, denen Theuderich
II. sein regnum hinterlassen hatte, erfolglos auch ihr
Angebot, sich selbst zurückzuziehen und den Urenkeln das väterliche
Erbe zu überlassen - was gewiß eine Regentschaft durch Austrasiens
und Burgunds Adel bedeutet hätte. Denn um beide alten regna
ging es nach Theuderichs Tod, und beide
übernahm Chlothar II., nachdem
er Brunhilde und ihre Urenkel mit Ausnahme
seines Patenkindes Merowech
und
des entkommenen Childerbert hatte umbringen
lassen.
In Wettis Vita Galli wird berichtet, König
Sigibert II. († 613)
sei mit der Alamannen-Herzogs Tochter Fridiburga
verlobt gewesen und habe ihr für die Hochzeit vestem regalem et
coronam rüsten lassen.
Hartmann Martina: Seite 67,69-72
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"Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger."
Danach führte Theuderich
keine von der Kirche legitimierte Ehe, hatte aber insgesamt vier Söhne
namens Sigibert, Childebert,
Corbus
und Merowech von verschiedenen Konkubinen,
wie Fredegar gewissenhaft zu den Jahren
602, 603,604 und 607 verzeichnet
hat.
Theuderich war dazu
nicht bereit und schickte sich an, mit Heeresmacht gegen Chlothar
zu ziehen, doch genau in diesem Moment starb der 25-jährige König
im März 613 in der Stadt Metz an der Ruhr und stürzte damit Brunichild
und ihre Urenkel in die tödliche Krise. Zwar versuchte die Königin
noch, ihren ungefähr neunjährigen Urenkel Sigibert
II. als König zu etablieren, doch
fiel Chlothar
auf Anraten Arnulfs, Pippins und seiner
übrigen Großen in Austrasien
ein.
(Fredegar, Chronik IV, 40 = Seite
197)
Aber die Bedrohung kam nicht nur von außen, auch
der austrasische Adel ging zu Chlothar II. über:
das gegen Chlothar mobilisierte Heer
Sigiberts
II. löste sich auf, als die Schlacht gegen die Neustrier
beginnen sollte und kehrte in die Heimat zurück. Der elfjährige
Sigibert, der neunjährige Corbus
und der fünfjährige Merowech
fielen ihrem Großonkel Chlothar
in die Hände; er verschonte aber nur sein Patenkind Merowech
und ließ Sigibert und Corbus
töten.
Literatur:
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Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899
- Dahn, Felix: Die Völkerwanderung. Kaiser Verlag Klagenfurth
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und der Literatur in Mainz 1952 - Ewig, Eugen: Die Merowinger und
das Frankenreich. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1993,
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W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1997, Seite 98 - Hartmann
Martina: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger. Primus Verlag
2003 Seite 67, 69-72 - Herm, Gerhard: Karl der Große. ECON
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Thilo: Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen
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