Tochter des fränkischen Hausmeiers Pippin
I. der Ältere und der Itta
Lexikon des Mittelalters: Band IV Spalte 1356
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Gertrud von Nivelles
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* um 626, † 17. März
659
Tochter des austrasischen Hausmeiers Pippin der Ältere und der heiligen It(t)a (Idaberga, † 652)
Nach der ältesten Vita, verfaßt von einem Mönch
von Nivelles bald nach 670, soll Gertrud
einen von König Dagobert
I. ausgewählten reichen Bräutigam zurückgeweisen
haben. Nach dem Tod ihres Vaters nahm sie auf Betreiben ihrer Mutter, die
auf Rat des hl. Amandus in ihrer villa Nivelles ein Frauenkloster,
das älteste in den Niederlanden, gegründet hatte, den Schleier
und wurde Äbtissin von Nivelles. Die junge, durch Weisheit,
asketische Religiosität und hingebungsvoll karitative Haltung ausgezeichnete
Äbtissin stattete ihr Kloster mit kostbaren Reliquien und Handschriften
aus Rom und "Übersee" (Irland?) aus; sie stand in engen Beziehungen
zu irischen Missionaren, insbesondere zu Foillan und Ultan, den Brüdern
des hl. Furseus.
Nach It(t)as
Tod, die zeitweise unter der Leitung ihrer Tochter in Nivelles gelebt
hatte, übertrug
Gertrud die Geschäfte
außerhalb des Klosters männlichen Religiosen und beschränkte
sich selbst auf die geistliche Leitung der Nonnen. Das irisch geprägte
Nivelles tritt somit als Doppelkloster, allerdings mit Übergewicht
der Äbtissin und weiblichen Religiosen, in Erscheinung. Die Klostergründung
(Familienkloster) stieß zeitweise auf den heftigsten Widerstand (politisch
motiviert) der fränkischen (neustrischen) Aristokratie.
Durch Askese ausgezehrt, übertrug
Gertrud
mit 30 Jahren ihr Äbtissinen-Amt ihrer Nichte
Vulfetrude
und lebte noch drei Jahre als einfache Reliogiose in Gebet und Buße.
Durch Vermittlung eines Mönchs von Nivelles soll sie von dem "Fremden
aus Fosses" (= hl. Abt Ultan?) Tag und Stunde ihres Todes erfahren haben,
der einen Tag nach dem Fest des hl. Patricius, des Patrons von Irland,
eintrat.
Quellen:
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Älteste Vita (nach 670) und zeitgenöss. Mirakelbuch
(vom gleichen Verf.?): BHL 3490, 3495 - MGH SRM II, 453-464, 464-471 -
A. Welkenhuysen, De oudste Vita S. Gertrudis ..., I, II, 1964 - Continuatio
(um 783): BHL 3399 - MGH SRM II, 471-474 -
spätere Quellen:
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BHL 3492f. -
Literatur:
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Bibl. SS VI, 288-291 - DHGE XX, 1065-1068 - LCI VI, 406-408
- NBW IV, 361-368 - L. van der Essen, Et. crit. et litt. sur les Vitae
des saints merov. de ' ancienne Belgique, 1907, 1-13 - A.F. Stock,
Vie crit. de sainte Gertrude de N. en Brabant, 1931 - D.A. Stracke, Oud
en niueuw over de Vita Geretrudae, Ons Geestelijk Erf 10.1936, 48-84, 129-155,435-455
- Vies des saints III, 1941, 380-383 - E. de Moreau, Hist. de l'Eglise
en Belgique I, 1945², 144-146, 156-157,174-175, 177-179 - J. J. Hoebanx,
L'abbaye de Nivelles des origines au XIV s., 1952 - XIIIe Centenaire
de la mort de sainte Gertrude, 1959 - M. Zender, Räume und Schichten
ma. Hl.enverhrung in ihrer Bedeutung für die Volkskunde. Die Hl.en
des mittleren Maaslandes und der Rheinlande in Kultgesch. und Kultverbreitung,
1959, 89-143 - J. Mertens, Recherches archeol. ans l'abbayes merov. de
Nivelles, Archeologica belgica 61, 1962, 89-113 - F. Prinz, Frühes
Mönchtum im Frankenreich, 1965, 185-188, 242,278,359,501 - B. Schemmel,
Sankt G. in Franken, Sekundäre Legendenbildung an Kultstätten
Würzburger Diözesangeschichtsbll. 30,1968, 7-153 - M. Madou,
De hl. Gertrudis van Nijvel, I: Bijdrage tot een iconografische studie;
II: Inventaris van de Gertrudisvorstellingen, 1975 - M. Werner, Zur Verwandtschaft
des Bf.s Modoald v. Trier, I: Modoald, Itta und G. v. N., Jb. für
Westdt. Lagdesgesch. 4, 1978, 1-35 - J.Mertens, Le sous-sol archeol. de
la collegiale e N., 1979 - A. Dierksens, Saint Amand et la fondation de
l'abbaye de N.,-Rev. du Nord 68, 1986, 325- 334. -
9. Geretrud
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Vita Geretrudis c. 1, MG. SS. rer. Merov. 2, Seite 454:
Geretrudis
secus pedes beatae memoriae genetrix suae Ittanae
...crescebat ...Dum
Pippinus genitor suus ... Lebensdaten aus dieser
Vita ermitelt von B. Krusch, ebd. Seite 447f.
Vater:
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Pippin der Ältere
Mutter:
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Iduberga
Eintritt in das von ihrer Mutter gegründete Kloster
Nivelles.
652 dort 1. Äbtissin.
Große Schriftkenntnis.
Verehrung in den Niederlanden und Niederdeutschland.
Anrufung gegen Ratten- und Mäuseplage, zur Versöhnung
von Feinden.
Literatur:
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LThK 4.
FREIE PRESSE 17.03.1998
GERTRUDENTAG: Startschuß für Frühling und Hobbygärtner
Im März ist die Heilige schlechthin Gertrud
von Nivelles. Sie gilt als Frühjahrsbotin und "erste Gärtnerin".
Jeder Schrebergärtner weiß, dass er spätestens morgen,
dem Gertruden-Tag, mindestens einmal mit dem Spaten in seinem Heiligtum
gewesen sein muß. Und wenn schon die Heilige Gertrud in so
enger Beziehung mit dem Lenz steht, ist es nicht verwunderlich, dass sich
so manche Wetter- und Bauernregel um ihren Namen rankt. Es heißt
zum Beispiel: "Gertrud nützt dem Gärtner fein, wenn sie
sich zeigt mit Sonnenschein". Die Heilige bringt zudem die Störche,
Schwarzspechte und Kuckucke zurück, daher heißen diese
Tiere im Volksmund Gertruden-Vögel. Eines allerdings
will niemand erleben: "Geht die Kuh zu Sankt Gertraud nicht im Klee, so
steht sie ganz sicher noch im Schnee." Durch die Bauernsprüche ist
die Heilige Gertrud besonders auf dem Lande populär.
Doch wer war eigentlich diese Frau
aus dem belgischen Nivelles? Sie wurde im Jahre 626 geboren und
stammte aus einer sehr frommen Familie. Ein Bruder ihrer Mutter Itta
war der Bischof Modoald zu Trier, eine Schwester die Äbtissin
Begga
von Andenne. Schon im Kindesalter gelobte Gertrud Keuschheit
und lehnte die Heirat mit einem wohlhabenden Mann ab. Sie trat dagegen
in ein Kloster ein, das von ihrer Mutter anno 640 in Nivelles gegründet
worden war. Als 12 Jahre später Itta starb, wurde Gertrud
die Äbtissin.
In allen wichtigen historischen
Überlieferungen ist von ihrer grenzenlosen Nächstenliebe die
Rede. Vielen Kranken und Sterbenden stand sie zur Seite, oft aufopferungsvoll,
nie ihre eigene zerbrechliche Gesundheit beachtend. Gertrud hatte
aus tiefster innerer Überzeugung ihr Leben Gott geweiht, indem sie
für die Mitmenschen ihre ganze Kraft einsetzte. Als Kennerin der Bibel
war sie Vorbild für die Mitschwestern. Die Pflege der Heiligen Schrift
lag ihr sehr am Herzen. Unter großen Aufwendungen und Mühen
- sie ließ sogar aus Rom Bücher kommen - baute die belesene
Frau eine Bibliothek auf. Auch die praktische Arbeit vernächlässigte
die Heilige nie. Das Spinnen und Weben wurde im Kloster groß geschrieben.
Gertrud
starb im Alter von 33 Jahren am 17. März 659.
Sie ist die Schutzheilige gegen
Mäuse- und Rattenplage, daher ist Gertrud auf Bildern oft von
Mäusen umgeben. Der Grund: Laut einer Legende soll die Heilige einst
durch ihr Gebet eine Mäuseplage verhindert haben und konnte so die
Ernte retten. Daher bittet man die Schutzheilige auch heute noch um das
gute Gedeihen der Früchte von Feld und Garten.
Gertrud ist
als Frühjahrsbotin Patronin der Gärtner, steht aber auch allen
Reisenden und Wanderburschen auf der Wanderschaft bei.
Literatur:
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Boshof Egon: Die Salier. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart
Berlin Köln 1987, Seite 94 - Dahn Felix: Die Franken. Emil
Vollmer Verlag 1899 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag
C.H. Beck München 1994, Seite 76,256 - Ewig Eugen: Die Merowinger
und das Frankenreich. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1988,
Seite 145,163,182,191 - Jarnut Jörg: Agilolfingerstudien. Anton
Hiersemann Stuttgart 1986, Seite 107,127 - Riche Pierre: Die Karolinger.
Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.
KG, München 1991, Seite 35,89 - Werner Karl Ferdinand: Die
Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher Taschenbuch Verlag
GmbH & Co. KG, München 1995, Seite 356 - Werner Matthias:
Adelsfamilien im Umkreis der frühen Karolinger. Jan Thorbecke Verlag
Sigmaringen 1982, Seite 39,80,122,167,172,204-207,213,255,318 -