Ältester Sohn des Feldherrn Nikephoros
Phokas
Lexikon des Mittelalters: Band VI Spalte 2108
********************
Phokas
---------
Sein Sohn Nikephoros der Ältere (†
nach 900/01), hatte wichtige militärische Komamndos im Osten und
in Süd-Italien inne. Dessen älterer Sohn Leon, Domesticus
der Scholen, unterlag am 20. August 917 in der Schlacht bei Acheloos
den Bulgaren und wurde nach einem Usurpationsversuch gegen Romanos
I. Lakapenos
geblendet; der jüngere Sohn Bardas
jedoch starb Anfang 969 als Kaisar.
Leo [1 Leo Phokas soll mit Romanos Lekapenos verwandt sein (Leo Grammaticus)], Magistros, Domestikos 913
oo N.N. (Schwester Konstantins)
Kinder:
Manuel Domestikos
†
966 gefallen
Simeon Großhetarch
†
Leon Phokas der Ältere, General, um 920 geblendet
†
Sohn des Generals Nikephoros Bardas des Älteren
Unterdessen war das Heer unter dem Befehl des Domestikos
Leon Phokas, Sohn des Befehlshabers Nikephoros, von Konstantinopel
die Schwarzmeerküste entlang vorgestoßen und hatte am Südende
des Golfs von Burgas bulgarisches Gebiet betreten. Dort schlug man außerhalb
des kleinen Hafens Anchailos am 20. August 917 in der Abenddämmerung
das Lager auf. In dem Moment sah der Bulgaren-Khan
Symeon, der den byzantinischen Vormarsch eingehend beobachtet
hatte, seine Chance gekommen. Seine Horden fegten von den westlichen Hügeln
herab, überrumpelten die byzantinischen Truppen vollkommen und zeigten
keine Gnade. Was genau geschah, ist ungewiß. Georgios Kredenos
erzählt,
Leons Pferd habe plötzlich gescheut, während
sein Heer beim Baden war, und sei reiterlos durch die Reihen galoppiert,
wo unter den Soldaten eine Panik ausbrach, glaubten sie doch, ihr Feldherr
sei tot. Dies Geschichte
mag wahr sein oder nicht, fest steht, dass beinahe
das gesamte byzantinische Heer niedergemetzelt wurde. Die Kriegsflotte,
die sich in der Nähe hätte aufhalten sollen, um Überlebende
zu bergen, war bereits in den Bosporus zurückgekehrt. Wer dem Gemetzel
entkommen konnte, hatte keine Möglichkeit zur Flucht und wurde von
den Verfolgern umgebracht. Leon Diakonos, der gut 100 Jahre später
schrieb, berichtet, zu seiner Zeit sei das Schlachtfeld noch immer von
den von der Sonne gebleichten Knochen der Gefallenen bedeckt gewesen. Einer
der wenigen, die mit dem Leben davonkamen, war Leon Phokas. Ihm
war es irgendwie gelungen, sich der Küste entlang Richtung Norden
nach Mesembria durchzuschlagen; dort bestieg er einige Zeit später
ein Schiff nach Konstantinopel.
Die Wut der Kaiserin
Zoe, als sie von dem Debakel erfuhr, war nicht gering. Sie ordnete
sofort eine offizielle Untersuchung des Verhaltens von Romanos
Lakapenos an, und er wurde zur Blendung verurteilt. Zu seinem
Glück - und, wie sich später herausstellen sollte, auch dem des
Reiches - verwendeten sich ein paar seiner einflußreichen Freunde
für ihn und erwirkten in letzter Minute, dass man ihn begnadigte.
Zoes
Vertrauen in Leon Phokas war trotz der so verheerenden Niederlage
offenbar ungebrochen. Im selben Winter vertraute sie ihm ein weiteres Heer
an, um die Bulgaren zurückzudrängen. Sie hatten erneut Ost-Thrakien
überrollt und waren bis zu den Mauern Konstantinopels vorgedrungen.
Leon
hatte jedoch nichts vom militärischen Geschick seines Vaters geerbt.
Er gelangte gerade bis Kasasyrte in den westlichen Außenbezirken
der Stadt, da ereilte seine zweite Armee eine fast ebenso gründliche
Niederlage wie die erste.
Dennoch stand Konstantinopel zu Beginn des Jahres 918
im Zeichen einer zunehmenden Krise. Nach zwei vernichtenden Niederlagen
war Zoes Ruf angeschlagen, ihre Herrschaft
ernstlich in Gefahr. Sie wußte, dass keine Aussicht auf eine Übereinkunft
mit dem Bulgaren-Khan
Symeon bestand. Er beharrte weiterhin auf einer Ehe zwischen
ihrem Sohn Konstantin und seiner Tochter
als Vorbedingung eines Abkommens.
Zoe aber
konnte sich noch immer nicht dazu durchringen, eine fremdländische
Schwiegertochter auch nur in Erwägung zu ziehen. Um die nötige
Unterstützung für die Rettung ihres wackligen Throns zu finden,
mußte sie innerhalb des Reichs suchen. Nüchtern betrachtet kamen
nur zwei Personen in Frage. Der erste war Leon Phokas, so diskredidiert
er auch sein mochte. Er hatte sich nach der Schmach in Kasasyrte auf ihren
Befehl nach Asien begeben, um Ordnung in die anatolischen Truppen zu bringen.
Seit Konstantin Dukas'
Sturz war die Familie, der er entstammte, zur anerkannten führenden
Kraft innerhalb des reichen Landadels aufgestiegen. Leon war zudem
Witwer, so dass Zoe eine Ehe
mit ihm in Betracht ziehen konnte - ein Schritt, der ihre Position, geschweige
denn die ihres Sohnes, enorm gestärkt hätte.
Die Alternative hieß Romanos
Lakapenos. Er unterschied sich in zwei wichtigen Belangen von
Leon:
er war erstens weder von hoher Geburt noch gebildet, sondern hatte sich,
aus bäuerlichen Verhältnissen stammend, aus eigenen Kräften
hochgearbeitet, und war zweitens, obwohl auch er sich in den vergangenen
Kämpfen nicht gerade ausgezeichnet hatte, immerhin nicht besiegt worden.
Sein großes Flaggschiff lag auch jetzt stolz im Goldenen Horn vor
Anker, umgeben von der kaiserlichen Flotte: eine Zurschaustellung der Seemacht,
die ihre Wirkung auf die byzantinische Bevölkerung nicht verfehlte,
vor allem im Vergleich zum Zustand ihrer Armee - und an dem war, wie wohl
alle wußten, hauptsächlich Leon Phokas schuld.
Die Kaiserin zog schließlich doch den properen,
aristokratischen Feldherrn dem ungebildeten, fremden Emporkömmling
vor. Sie ließ Leon in den Palast kommen, und innerhalb weniger
Wochen gehörte er zu ihren engsten Mitarbeitern und vertrautesten
Beratern. Sie hatte indes Macht und Einfluß der öffentlichen
Meinung ernstlich unterschätzt. Konstantins
VII. Lehrer Theodor schrieb einen Brief an Romanos
Lakapenos und bat ihn um seinen Schutz. Zweifellos nach Absprache
mit Phokas, gab Kaiserin Zoe
ihrem alten Freund und Berater, Parakoimomenos Konstantin, den Auftrag,
Romanos
in ihrem Namen zu befehlen, seine Seeleute auszuzahlen und die Flotte umgehend
aufuzulösen. Dieser reagierte überaus höflich und bat Konstantin
an Bord seines Flaggschiffes, wo er sofort gefangengesetzt wurde.
Die Verhaftung ihres bedeutenden Vertreters war ein vorsätzliche
Beleidigung und eine Kampfansage an die Kaiserin. Zoe
sandte eine Abordnung an Romanos mit
der Forderung nach einer Erklärung, und diese wurde von einem Steinhagel
begrüßt. Alarmiert berief sie umgehend eine Sitzung ihrer Magistraten
im Bukoleon ein - und mußte erkennen, dass diese die Seite gewechselt
hatten. Ihr eigener Sohn, der Knabe Konstantin
Potphyrogennetos, verlas eine Erklärung, in der seiner
Mutter, der Kaiserin, verkündet wurde, ihre Regentschaft sei zu Ende
und werde zukünftig gemeinsam von Patriarch Nikolaos und dem
Magistraten Stephanos, einem weiteren Mitglied des früheren
Rates, übernommen. Am Morgen danach erschien ein Trupp Soldaten, um
Kaiserin Zoe
erneut in das Euphemiakloster zu verfrachten. Erst nachdem
Konstantin unter Tränen lange darum gefleht hatte, durfte
sie schließlich, allerdings entmachtet, im Palast bleiben.
Leon Phokas und Romanos
Lakapenos befanden sich weiterhin in offenem Kampf um die oberste
Gewalt. Am 25. März 919 erschien denn auch Romanos
mit seiner Flotte beim Bukuleon, betrat den Palast über das Seetor
und verkündete, er habe die Regierung des Reiches übernommen.
Das größte Hindernis auf Romanos Lakapenos'
Weg an die Macht war nun Leon Phokas, der zu seinem Heer auf der
anderen Seite des Bosporus zurückgekehrt war und von seinem Lager
in Chrysopolis aus das Signal zum Aufstand gegeben hatte. Um sich die Loaylität
seiner Truppen zu sichern, ließ er verlauten, sein Ziel sei einzig,
den Kaiser aus den Klauen des Basileopator zu befreien. Darauf heuerte
Romanos
insgeheim einen Priester und eine Agentin aus gewissen Kreisen an und ließ
durch sie Kopien eines Briefes verteilen, der deutlich die Signatur des
Kaisers trug und in dem es hieß, sein Schwiegervater besitze sein
vollstes Vertrauen, während
Leon Phokas nichts anderes als
ein verachtungswürdiger Rebell sei, der die Verwegenheit besaß,
sich gegen seinen rechtmäßigen Souverän zu erheben. Der
Priester geriet schon bald in die Hände der Häscher, die Agentin
dagegen versah ihren Dienst mit bewunderungswürdigem Erfolg. Hunderte
von Leons Männern legten die Waffen nieder.
Leon mußte
erkennen, dass seine Chance gleich Null war. Die einzige Möglichkeit,
noch mit dem Leben davonzukommen, bestand in der Flucht. Er wurde jedoch
in einem bithynischen Dorf aufgegriffen, geblendet und in Ketten
nach Konstantinopel zurückgebracht.
Romanos soll einen
Tobsuchtsanfall bekommen haben, als er von der Blendung seines Rivalen
hörte, was ihn aber nicht daran hinderte, den Pechvogel zum Spott
und Jubel der Massen auf einem Maulesel um das Forum führen zu lassen,
als nur wenige Wochen später eine weitere Verschwörung aufgedeckt
wurde. Doch Leon Phokas war am Ende, und es bestand keine Veranlassung
mehr, Energie auf seine Vernichtung zu verschwenden.
Literatur:
-----------
Collenberg, Weyprecht Hugo Graf Rüdt von:
Wer war Theophano? Seite 52 - Norwich John Julius: Byzanz. Der Aufstieg
des oströmischen Reiches. Econ Verlag GmbH, Düsseldorf und München
1993 Band II Seite 170-176 - Tinnefeld Franz: Die Braut aus Byzanz
- Fragen zu Thephanos Umfeld und gesellschaftlicher Stellung vor ihrer
abendländischen Heirat. in: Wolf, Gunther: Kaiserin Theophanu.
Prinzessin aus der Fremde - des Westreichs Große Kaiserin, Böhlau
Verlag Köln/Weimar/Wien 1991 Seite 261 -