Andronikos, das älteste,
ein intelligenter und auffallend gutaussehender Jüngling, wurde
im Februar 1316 im Alter von 19 Jahren zum Mit-Kaiser gekrönt.
Somit teilten sich nun drei Kaiser den Thron, was die Nachfolge mindestens
zwei Generationen lang hätte sichern müssen. Der junge Andronikos
zeigte
jedoch schon bald Anzeichen gefährlicher Instabilität. Er trank,
spielte,
trieb
sich in schlechter Gesellschaft herum, machte heimlich Schulden
bei den genuesischen Kaufleuten in Galata und war auch noch ein bekannter
Frauenheld. Ein Jahr nach der Krönung wurde er der Adligen
Adelheid von Braunschweig-Grubenhagen
angetraut und scheint etwas ernsthafter geworden zu sein, doch nach der
Geburt eines Kindes (das früh starb) verlor er den Halt erneut und
nahm sein altes Lotterleben wieder auf, falls er es denn überhaupt
aufgegeben hatte.
Allmählich begann sein Betragen seinen Angehörigen
ernstlich Sorgen zu bereiten. Aber erst 1320 spitzte die Lage sich wirklich
bedrohlich zu. Da er eine seiner Liebhaberinnen der Untreue verdächtigte,
legte er dem ihm unbekannten Rivalen in der Nähe ihres Hauses einen
sorgfältig geplanten Hinterhalt. Ob sein Bruder Manuel
tatsächlich dieser Rivale war oder nur zufällig vorbeikam, weiß
kein Mensch. Er wurde jedenfalls angegriffen und umgebracht. Michael
IX. trauerte noch um den Tod seiner Tochter
Anna, als ihm diese Nachricht übermittelt wurde. Ohnehin
bereits krank, war diese Schock zuviel für ihn. Er verfiel zusehends
und starb am 12. Oktober in Thessalonike. Der aufgebrachte
Kaiser Andronikos II. enteignete
seinen Enkel und bestimmte Michaels
Bruder Konstantin als Erben des
byzantinischen Throns. Da kam es zum Bürgerkrieg.
Als der junge Andronikos
sich der Anordnung seines Großvaters widersetzte und in Adrianopel
die Fahne der Rebellion aufpflanzte, war es also kein Wunder, dass in Konstantinopel
viele, insbesondere junge Adlige und solche, die Land besaßen, sich
begeistert um ihn scharten. Die rechte Hand des jungen Kaisers war Johannes
Kantakuzenos, ein führendes Mitglied der Militäraristokratie.
Von denen, die Andronikos III. ebenfalls
unterstützten, stand ein gewisser Syrgiannes Palaiologos an
Bedeutung
Johannes Kantakuzenos kaum
nach. Mütterlicherseits war er entfernt mit der kaiserlichen Familie
verwandt, während sein Vater kumanischer Herkunft war. Er erwies sich,
wie sich noch zeigen wird, allerdings als unzuverlässiger Verbündeter.
Sowohl er als auch
Johannes hatten
eine Statthalterschaft in Thrakien gekauft - der Ämterkauf gehörte
nicht zu den unbedeutendsten Mißständen, die unter den PALAIOLOGI
aufblühten
- und sofort begonnen, Unzufriedenheit unter den dort Ansässigen zu
schüren, die ohnehin unter der immer größer werdenden Last
der Reichssteuern stöhnten. Ostern 1321 schloß sich ihnen der
junge Kaiser an; wenn man Gregoras Glauben schenken kann, war eine
seiner ersten Amtshandlungen die Befreiung dieser Provinz von jeglicher
Steuer. Durch derlei Maßnahmen und weitere ausgefallene Versprechungen
gewann er sehr schnell die nötige Unterstützung. Syrgiannes
marschierte gegen Konstantinopel, wo sich der alte Andronikos aus Furcht,
der Aufstand könnte sich ausbreiten, rasch verhandlungsbereit zeigte.
Am 6. Juni 1321 einigten sich beide Seiten auf eine Teilung des Reichs.
Wie schon bisher sollte Andronikos II. am
Bosporus herrschen und Andronikos III.
in Adrianopel. Als Kaiserin Irene
zwei Jahre zuvor einen nämlichen Vorschlag unterbreitet hatte, war
die Reaktion Entsetzen gewesen. Dass er nun so bereitwillig akzeptiert
wurde, deckt überdeutlich auf, wie sehr sich die Stellung des alten
Andronikos in der letzten Dekade verschlechtert hatte. Um wenigstens
den Anschein von Einigkeit zu wahren, bestand er darauf, für die Außenpolitik
allein verantwortlich zu sein. Doch beinahe von Anfang an beschnitt sein
Enkel offen und ohne Rücksicht einen eigenen diplomatischen Weg. Schon
bald gab es praktisch zwei unabhängige Reiche, die eine völlig
unterschiedliche Politik verfolgten und einander öfter entgegenstanden,
als dass sie sich einig waren.
Unter diesen Umständen konnte der Friede nicht lange
bestehen. Zu Beginn des Jahres 1322 brachen die Feindseligkeiten offen
aus. Den Anlaß dazu scheint seltsamerweise Syrgiannes geboten
zu haben. Er war indes schon immer eifersüchtig auf
Johannes Kantakuzenos gewesen, den er mit Recht für den
besonderen Günstling des jungen Kaisers hielt. Nun veranlaßte
ihn diese Eifersucht dazu, die Seiten zu wechseln. Gleich nach seinem Eintreffen
in Konstantinopel begab er sich zum alten Andronikos
und
stachelte ihn dazu auf, seinem Enkel eine Lektion zu erteilen. Dies erwies
sich jedoch als aussichtslos. Denn in Thrakien und Makedonien erfreuten
die Rebellen sich zu großer Beliebtheit. Schon bald stellte sich
heraus, dass der alte Kaiser höchstwahrscheinlich auch jene Gebiete,
über die er noch herrschte, verlieren würde, falls er sich weiterhin
gegen die Rebellen stellte. Im Juli 1322 trafen die beiden Kaiser erneut
eine Übereinkunft. Nun war nicht mehr die Rede von einer Teilung,
sondern es hieß, beide würden das ganze Reich gemeinsam regieren,
und Andronikos III. wurde wieder zum
einzigen Erben erklärt; Andronikos II.
sollte die Obergewalt und ein Vetorecht gegen alle politischen Entscheidungen
seines Enkels erhalten.
Diesmal hielt der Friede immerhin fünf Jahre. Innerhalb
dieses Zeitraumes wurde zunächst am 2. Februar 1325 Andronikos
III. zum zweiten Mal in der Hagia Sophia gekrönt. Am 6.
April 1326 nahmen die türkischen Osmanen nach siebenjähriger
Belagerung Brussa ein und erhoben es zu ihrer Hauptstadt. Noch bedrohlicher
als diese Katastrophe war die Nachricht, dass Johannes
Palaiologos, Neffe Andronikos'
II.
und Statthatter von Thessalonike, sich offen vom
Reich lossagte. Er war mit Irene Metochites verheiratet und somit
ein Schwiegersohn des Großlogotheten Theodor; während
dieser seinem Herrn die Treue hielt, stellten sich seine beiden Söhne,
die das Kommando über die bedeutenden Militärstützpunkte
Melnik und Strumika führten, sofort hinter die Rebellion. Johannes
ersuchte
sodann den serbischen König
Stephan Dechanski (Urosch III.),
dem er seine und Irenes Tochter Maria
zur Frau gegeben hatte, um Unterstützung und begab sich deshalb eigens
an den serbischen Hof.
Hätte er ein Bündnis mit König
Stephan zustande gebracht, wäre Byzanz vielleicht eine
neue, große Gefahr erstanden. Großvater und Enkel hätten
möglicherweise vorübergehend ihre Rivalität vergessen und
gemeinsame Sache gegen den Feind gemacht. Aber Johannes
Palaiologos starb plötzlich und unerwartet kurz nach seiner
Ankunft in Skopje. Es bestand nun keine unmittelbare Gefahr mehr. Im Herbst
des Jahres 1327 brach zum dritten Mal in einem Zeitraum von nicht einmal
sieben Jahre Bürgerkrieg aus. Diesmal kämpften die beiden Kaiser
nicht allein. Stephan Dechanski, dessen
Frau Maria immerhin Großnichte
des Kaisers war, schlug sich auf die Seite Andronikos'
II. Der Bulgaren-Zar
Michael III. Sisman hatte sich von seiner ersten Frau,
einer Schwester Stephans, getrennt,
um Theodora zu heiraten, eine Schwester
Andronikos' III. und nach dem
Tod ihres ersten Mannes Theodor Swetoslaw
verwitwet, und willigte nur zu gern in ein Bündnis mit seinem neuen
Schwager ein. Wie bei den früheren Aufständen kam es auch diesmal
kaum zu ernsthaften Gefechten; sie waren auch gar nicht nötig, denn
der junge Andronikos, der immer häufiger
zu jenen ausgefallenen Versprechungen und Geschenken griff, die ihm in
der Vergangenheit so gute Dienste geleistet hatten, wurde überall,
wo er erschien, bejubelt. Im Januar 1328 begab er sich mit Johannes
Kantakuzenos nach Thessalonike. Dort bereitet man ihm
einen rauschenden Empfang als Basileus. Fast alle anderen wichtigen
Städte und Festungen in Thrakien und Makedonien sicherten ihm ihre
Unterstützung zu.
Während dieser Zeit traf er in aller Ruhe Vorbereitungen
für den Marsch auf die Hauptstadt direkt nach dem Frühjahrsregen.
Kurz vorher erhielt er jedoch beunruhigende Nachrichten: Zar
Michael III. hatte unerklärlicherweise die Seiten gewechselt
und 3.000 bulgarische Reiter zur Verteidigung von Konstantinopel entsandt.
Nun zögerte Andronikos III. keinen
Augenblick mehr. An der Spitze einer Vorhut eilte er ostwärts, fing
die bulgarischen Reiter ab, bevor sie Stellung bezogen hatten, und erreichte
mit dem Hinweis, andernfalls handle er dem Bündis zuwider, dem sein
Herr vor einem knappen Jahr beigetreten sei, dass deren Befehlshaber den
sofortigen Abzug befahl. Nachdem er dann Michael
in einer wütenden Botschaft an seine Vertragsverpflichtungen erinnert
hatte, wartete er das Eintreffen seines übrigen Heeres ab. Der Abzug
der Bulgarentruppe war nicht der einzige Schlag, den der alte Andronikos
im
Frühjahr 1328 verkraften mußte. Venedig und Genua nutzten wieder
einmal die Gunst der Stunde für ihre üblichen Tricks und betrachteten
ohne Rücksicht auf die Leiden der griechischen Bevölkerung Konstantinopels
und die Wasserwege darum herum als häufigstes Schlachtfeld. Den ganzen
April hindurch riegelte eine venezianische Flotte von 50 Schiffen Galata
und die Einfahrt zum Bosporus ab, wodurch die Stadtbevölkerung an
den Rand des Hungers geriet. Denn nach den Bürgerkriegsjahren, in
denen die gegnerische Landwirtschaft beinahe zum Erliegen gekommen und
der übliche Nachschub an Nahrungsmitteln aus den westlichen Provinzen
auf dem Landweg unterbrochen. Nun traf dieser nicht einmal mehr auf Seeweg
ein. Was es noch zu erstehen gab, war unerschwinglich teuer und unerreichbar
für eine Bevölkerung, die von Steuern ausgeblutet war und deren
Wirtschaft schon seit langem nicht mehr funktionierte. Die Beliebtheit
des alten Kaisers nahm immer mehr ab, und seine Autorität schwand
mit jedem Tag noch mehr dahin.
Unter solchen Umständen erfolgte die Einnahme der
Stadt durch seinen Enkel ohne nennenswerten Widerstand. Am Abend des 23.
Mai 1328 schlichen Andronikos III.
und Johannes Kantakuzenos an der Spitze
eines 24 Mann starken Trupps mit Sturmleitern zu einer bestimmten Stelle
der Großen Bastion gegenüber dem Romanostor. Komplizen in der
Stadt ließen Taue herab, die Leitern wurden hochgezogen, und nach
ein paar Minuten standen die ersten Leute des jungen Kaisers innerhalb
der Mauern und öffneten ihren Kameraden das Tor. Es kam weder jemand
um, noch gab es Plünderungen, nicht einmal Verletzte. Der alte
Andronikos, aus dem Schlaf gerissen,
geriet anfangs in Panik. Seine Befürchtungen bewahrheiteten sich indes
nicht. Von ihm wurde einzig die Abdankung verlangt. Er durfte seine kaiserlichen
Titel und Insignien behalten und, falls er dies wünsche, weiterhin
im Blachernenpalast wohnen. Dann wurde eine Abordnung zur Befreiung des
Patriarchen Esajas losgeschickt, der sich im Jahr zuvor Andronikos'
Weisung, seinen Enkel aus der Kirche auszuschließen, widersetzt
hatte und daraufhin im Manganenkloster festgesetzt worden war. Die Rückkehr
in seinen Palast habe er, so berichtet Gregoras, nicht etwa, wie
zu erwarten war, in Begleitung von bedeutenden Kirchenleuten angetreten,
sondern mit einer Musikantentruppe, Komödianten und Tänzerinnen,
von denen ihn eine bald so sehr zum Lachen gebracht habe, dass er
beinahe vom Pferd gefallen sei.
Andronikos III. war
nun 31 Jahre alt. In den vergangenen zehn Jahren war er schließlich
doch noch erwachsen geworden. Freilich widmete er sich mit seinen 1.000
Jägern, 1.000 Hunden und 1.000 Falken weiter den Freuden der Jagd
etwas zu sehr. Auch waren nicht alle begeistert von seiner Vorliebe für
Turniere, ein Zeitvertreib, den das italienische Gefolge seiner zweiten
Frau Anna von Savoyen, einer Tochter
von Graf Amadeus V., in byzantinischen Hofkreisen wieder eingeführt
hatte. Immerhin lagen nun die schlimmsten Exzesse seiner Jugend hinter
ihm. Obwohl man bei ihm stets mit unverantwortlichen und rücksichtslosen
Aktionen rechnen mußte - nie vermochte er seine gefährliche
Schwäche, Versprechungen zu machen, die er nicht einhalten konnte,
zu überwinden -, erwies er sich als unerschrockener Soldat
und insgesamt als gewissenhafter Herrscher. Mit Sicherheit stellte
er seinen Großvater weit in den Schatten. Und vor allem. Er hatte
Glück. Während seiner 30-jährigen Regierungszeit stand ihm
ein Mann von außerordentlichen politischen und militärischen
Fähigkeiten zur Seite, der ihm unerschütterlich treu ergeben
war. Johannes Kantakuzenos war nicht
nur Freund und Berater des Kaisers, sondern im wahrsten Sinne des Wortes
sein guter Geist. So wie er als treibende Kraft hinter der jüngsten
Rebellion stand, lenkte er auch nach deren Gelingen die Geschicke des Reichs.
Kantakuzenos schlug alle Titel aus - selbst den des Regenten
und Mit-Kaisers, die ihm Andronikos zum
Dank angeboten hatte - und bekleidete offiziell kein Staatsamt außer
dem des Großdomestikos, also des Oberbefehlshabers. Dennoch gab es
in Konstantinopel keine Zweifel, wer die Macht wirklich in Händen
hielt.
Und doch ging die Initiative für eine der ersten
und zugleich bedeutendsten Entscheidungen seiner Regierung vermutlich von
Andronikos
und
nicht von Johannes Kantakuzenos
aus.
Er war sich völlig im klaren darüber - wie übrigens auch
das Volk und damit die Leidtragenden -, dass die Rechtsordnung im Reich
völlig korrumpiert war. Wie schon erwähnt, konnten Johannes
Kantakuzenos und Syrgiannes Palaiologos ihre Statthalterschaft
in Thrakien mit Leichtigkeit kaufen. Sogar der Großlogothet Theodor
Metochites, dessen Integrität unbestritten und der moralphilosophisch
sehr versiert war, hatte ohne Skrupel hohe Staatsämter gekauft und
verkauft. Etwa 30 Jahre zuvor hatte Andronikos
II. einen Anlauf genommen, um das Problem anzugehen, sich jedoch
wie meist nicht durchsetzen können. Nun stellte sich ein knappes Jahr,
nachdem er als einziger Kaiser auf dem Thron saß, sein Enkel der
Herausforderung. 1329 ließ er einen Gerichtsstand schaffen, den "obersten
römischen Gerichtshof". Dieser bestand aus vier Richtern, zwei Klerikern
und zwei Laien, die im Prinzip die oberste Appellationsinstanz bildeten,
als solche die Oberaufsicht über das Rechtswesen im ganzen Reich ausüben
und ihr Augenmerk besonders auf Fälle von Korruption und Steuerhinterziehung
hoher Ämter richten sollte. In abgelegenen Gebieten wurden Gerichte
mit vergleichbarer Machtfülle eingesetzt. Leider erwies sich das System
nicht durchweg als erfolgreich. Die Korruption, hat sie einmal Fuß
gefaßt, ist bekanntlich nur schwer auszurotten; schon 1337 wurden
anläßlich eines Gerichtstags in der Hagia Sophia unter dem Voritz
des Kaisers und des Patriarchen drei von den vier obersten Richtern
der Bestechung überführt, abgesetzt und ins Exil geschickt. Doch
die Ernennung der Nachfolger erfolgte auf dem Fuße. Die Institution
blieb bis zum Untergang von Byzanz bestehen.
Auf internationalem Parkett erbrachte Andronikos'
Politik
der Nichtbeschwichtigung schon sehr schnell Ergebnisse. Noch im Monat des
Staatsstreichs marschierte Zar
Michael von Bulgarien in Thrakien ein, wie schon des öfteren
in der Vergangenheit; diesmal jedoch schlug Andronikos
zurück, indem er mit seinen Truppen sofort in dessen Territorium einfiel,
wo sie eine bulgarische Festung einnahmen. Und als Michael
es zwei Monate später noch einmal versuchte, sah er sich erneut einem
byzantinischen Heer gegenüber. Das Ergebnis dieser Konfrontation war
ein Friedensvertrag, der weitere Gewaltakte für die nächsten
beiden Jahre verhinderte und vielleicht noch länger gehalten hatte,
wäre das bulgarische Heer nicht am 28. Juli bei Welbasched (Kjustendil)
von den Serben unter Führung von Stephan
Dechanski vernichtend geschlagen worden. Michael
wurde in der Schlacht schwer verwundet und starb bald darauf in Gefangenschaft.
Stephan
setzte seinen Neffen Johannes Stephan
auf den Thron; die arme Theodora mußte
ihr Heil in der Flucht suchen.
Andronikos kam das
Mißgeschick seiner Schwester indes gelegen, bot es ihm doch einen
geeigneten Vorwand, sich in die bulgarischen Angelegenheiten einzumischen.
Angeblich um sie zu rächen, zog er aus und nahm mit seinen Truppen
die Schwarzmeerhäfen Mesembria und Anchialos ein, die sein Großvater
vor etwa einem Vierteljahrhundert zusammen mit mehreren Festungen an der
Reichsgrenze Bulgarien überlassen hatte. Sie ließen sich jedoch
nicht lange halten, denn im Jahr darauf brachen in beiden slawischen Staaten
Palastrevolutionen aus. In Bulgarien wurden Johannes
Stephan und seine Mutter Anna Dechanski
verjagt und durch Johannes Alexander,
einen Neffen Michaels III. Sisman,
ersetzt, während in Serbien Stephan Dechanski,
der anscheinend seinen Sieg nicht in bewährter Weise zu seinem Vorteil
genutzt hatte, von einer Gruppierung Adliger ermordet wurde und sein
Sohn
Stephan Duschan seine Stelle
einnahm. Die beiden neuen Herrscher schlossen ein Bündnis, das sie
durch die Heirat zwischen Stephan Duschan
und
Helena, Johannes
Alexanders Schwester, festigten. Einträchtig begannen
sie - Serbien in Makedonien, Bulgarien in Thrakien - an der Realisierung
ihres Traums zu arbeiten: den Basileus zu stürzen und ein Großslawisches
Reich in Konstantinopel zu etablieren. Johannes
Alexanders Truppen eroberten im Handstreich die umstrittenen
Schwarzmeerhäfen zurück, während Stephans
Heer immer weiter nach Süden auf byzantinisches Territorium marschierte.
Die inneren Schwierigkeiten des Byzantinischen Reichs und vor allem das
Überlaufen von Syrgiannes Palaiologos in das serbische Lager
1334 begünstigten sein Vorrücken.
Syrgiannes ist schwer einzuschätzen. Wie
erwähnt, Aristokrat von der Mutter her und väterlicherseits Kumane,
war er ein enger, intimer Freund des Kaisers und seines Großdomestikos
gewesen, dazu hochintelligent und anscheinend ungewöhnlich charmant.
Doch schien er weder Treue noch Loyalität zu kennen. Schon einmal
hatte er Andronikos verraten - als
er während des Bürgerkriegs zu dessen Großvater übergelaufen
war. Schon bald danach beteiligte er sich an einer Verschwörung zur
Ermordung des alten Kaisers und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt,
nachdem Andronikos III. die Macht ergriffen
hatte, jedoch wieder freigelassen und offiziell begnadigt, dies auf nachdrücklichen
Wunsch von Johannes Kantakuzenos, und
sodann verblüffenderweise zum Statthalter von Thessalonike ernannt.
Dort gab es gleich wieder Probleme; er intrigierte gegen Kantakuzenos
und schmeichelte sich bei Kaiserin
Rita-Maria ein - die sich nach dem Tod ihres Mannes,
Michael IX., in Thessalonike niedergelassen
hatte -, bis sie ihn an Sohnes Statt annahm. Nach ihrem Tod 1333
stellte sich bald heraus, dass Syrgiannes erneut eine Verschwörung
anzettelte, diesmal gegen den Kaiser und vermutlich mit dem Ziel, sich
selbst auf den Thron zu setzen. Ob er damals schon mit Stephan
Duschan in Kontakt stand, ist nicht bekannt. Doch da Thessalonike
zu nah an der serbischen Grenze lag, um dort im Notfall Zuflucht zu suchen,
wollte Andronikos nichts dem Zufall
überlassen. Syrgiannes wurde unter strengem Arrest zur Aburteilung
nach Konstantinopel gebracht. Bevor es jedoch dazu kam, entfloh er über
das Goldene Horn nach Galata und von dort über Euböa und Thessalien
nach Serbien. Stephan Duschan empfing
ihn herzlich und übertrug ihm den Oberbefehl über ein Heer, das
im Frühjahr 1334 Kastoria und dazu mehrere benachbarte Festungen einnahm.
Andronikos und Johannes
Kantakuzenos eilten nach Makedonien, fest entschlossen, Syrgiannes
ein für allemal zu vernichten. Da sie jedoch unsicher waren, ob ihr
eilig zusammengerafftes Heer der Aufgabe gewachsen wäre, griffen sie
zu einem Trick. Sie trugen einem ranghohen Offizier namens Sphrantzes
Palaiologos einen Plan vor, nach dem er zum örtlichen Stathalter
ernannt werden sollte, um einen wohlschmeckenden Köder für Syrgiannes
abzugeben; dieser würde gewiß sogleich versuchen, Sphrantzes
auf seine Seite zu ziehen. Darauf sollte Sphrantzes zum Schein eingehen,
um sein Vertrauen zu gewinnen und ihn dann um sie leichter festnehmen und
einer Bestrafung zuführen zu können. Alles lief ab wie geplant,
außer dass im kritischen Augenblick Sphrantzes seinen Auftrag
übertrieb und, anstatt Syrgiannes gefangenzusetzen, ihn sofort
umbrachte. Für diesen Ungehorsam wurde er zwar verwarnt, bald darauf
jedoch in den Rang eines Großstratopedarchen erhoben, womit
eine beträchtliche Erhöhung seiner Bezüge einherging. Diese
Ausgabe bezahlte der Kaiser gern; denn nur einen oder zwei Monate später,
im August 1334, traf er Stephan Duschan
unweit von Thessalonike an der Grenze. Dabei kamen sie überein, dass
als Gegenleistung byzantinischer Hilfe gegen Ungarn, die von Syrgiannes
eingenommenen Festungen an das Reich zurückfallen sollten.
Und Andronikos benötigte
sie dringend, denn Stephan ließ
keine Zweifel daran, dass alle anderen Eroberungen der letzten beiden Jahre
- dazu gehörten auch Ochrid, Prilap, Strumika und sogar Wodena (Edessa)
- serbischer Hand verblieben. Es war dies der Anfang vom Ende.
In Kleinasien ging es noch schneller auf den Untergang
zu. Als Ende Mai 1329 Berichte in Konstantinopel eintrafen, die türkischen
Osmanen unter Orhan hätten eine
Blockade über Nikäa verhängt, setzten Andronikos
III. und Johannes Kantakuzenos
mit einem etwa 4.000 Mann starken Heer über die Meerenge nach Chalkedon
über und marschierten südostwärts entlang der Küste
des Marmarameeres. Am Morgen des dritten Marschtages erspähten sie
das türkische Heerlager in den Hügeln oberhalb des kleinen Ortes
Pelekanos (Manyas). Das Heer war nicht nur strategisch viel günstiger
postiert, sondern erschien ihnen auch doppelt so groß wie das eigene.
Doch nach einem kurzen Kriegsrat beschloß man, sich zu stellen und
zu kämpfen, falls Orhan von oben angreifen würde. Und
dies tat er. Am 10. Juni kam es zur Schlacht. Der Kampf tobte den ganzen
Tag über bei glühender Sonne; gegen Abend sah es so aus, als
sollten die byzantinischen Truppen, die zwei große Angriffe der Türken
abgewehrt hatten, die Oberhand behalten. Sie hatten allerdings schon schwere
Verluste erlitten. Außerdem wußten sie, dass Orhan,
der bewußt einen Teil seines Heers aus dem Kampf herausgehalten hatte,
am nächsten Tag wieder angreifen würde. Aus diesem Grund riet
Kantakuzenos
zu einem unauffälligen ehrenvollen Rückzug im ersten Morgengrauen.
Und so geschah es. Leider scherten wie so oft einige
jüngere, wenig erfahrene Soldaten, von den ständigen Belästigungen
der türkischen Bogenschützen zur Raserei gebracht, aus den Reihen
aus, um sie zu vertreiben. Sich der großen Gefahr einer solchen Aktion
voll bewußt, wandte Kantakuzenos
sein Pferd und galoppierte ihnen nach. Einen Moment später tat Andronikos,
der ihn nicht bemerkt hatte, es ihm nach. Was sie befürchtet hatten,
war eingetreten. Sie fanden die Heißsporne umzingelt. Im nun folgenden
erbitterten Kampf traf Andronikos ein
Pfeil am Oberschenkel. Mit knapper Not erreichte er die Hauptmasse
des Heers - sein blutüberströmtes Pferd brach bei Ankunft tot
zusammen - und kehrte am folgenden Tag auf einer Bahre nach Konstantinopel
zurück. Da es sich nicht um eine schwere Wunde handelte, wäre
alles gut gewesen, hätten nicht einige Soldaten Anblick der Bahre
angenommen, er sei gefallen. Sie gerieten in Panik, und mit äußerster
Mühe konnte Johannes Kantakuzenos,
der selbst nur um Haaresbreite entkommen war, die Ordnung halbwegs wiederherstellen,
bevor die nachstürmenden Türken sie vor den Mauern von Philokrene
erneut zum Kampf zwangen.
In der Schlacht von Pelekanos kam es zum ersten persönlichen
Aufeinandertreffen eines byzantinischen Kaisers und eines osmanischen Emirs.
Zwar stellte sie keine Katastrophe in der Größenordnung von
Mantzikert dar, doch unmißverständlich machte sie klar, dass
der türkische Vormarsch in Kleinasien sich nicht mehr aufhalten ließ.
Bedurfte es dafür noch eines Beweises, sollte er schon bald erbracht
werden: Nikäa, noch 70 Jahre früher die Hauptstadt, fiel am 2.
März 1331, Nikomedia sechs Jahre später. Außer ein oder
zwei Ägäisinseln verblieben dem Byzantinischen Reich in Asien
nur vereinzelte, isolierte Städte, welche die Türken zu erobern
nicht für nötig befunden hatten, wie etwa Philadelphia (Alaschehir)
und Herklea am Schwarzen Meer. Sie waren jedoch allesamt nicht von strategischer
Bedeutung, und ihr Zusammenbruch, wie allgemein bekannt, nur eine Frage
der Zeit. Da sich nun die asiatische Küste des Marmarameers ganz in
seiner Gewalt befand, konnte Orhan
eine Seestreitmacht aufbauen, mit der er die europäische Küste
fortan fast ununterbrochen attackierte. In Anbetracht der Lage im Süden
und Osten blieben Andronikos noch drei
Hoffnungsschimmer.
Zum einen hatte er mit den Türken diplomatische
Beziehungen aufgenommen. Im August 1333 setzte er unter dem Vorwand, der
belagerten Stadtbevölkerung Mut zusprechen zu wollen, nach Nikomedia
über. Tatsächlich jedoch traf er sich heimlich mit Orhan
zu Gesprächen über einen möglichen Friedensvertrag. Dabei
ließ er sich darauf ein, dem Emir einen jährlichen Tribut zu
zahlen, wofür dieser die letzten byzantinischen Besitzungen in Asien
in Ruhe zu lassen versprach.
Zum zweiten zeigte sich deutlich, dass Emir
Orhan keineswegs jener halb wahnsinnige, fanatische Barbar nach landläufiger
Vorstellung war, sondern, wie bereits sein Vater Osman, ein vernünftiger,
zivilisierter Mensch. Er hatte weder versucht, der Christenheit in den
eroberten Ländern den Islam aufzuzwingen, noch Vergeltung an denen
verübt, die Widerstand geleistet hatten, sondern nach der Einnahme
Nikäas vielmehr allen, welche die Stadt zu verlassen wünschten,
dies gestattet; sie durften sogar lkonen und Reliquien mitnehmen. (Nur
wenige hatten bemerkenswerterweise von diesem Angebot Gebrauch gemacht.)
Sein Hauptziel bestand in der Errichtung eines Staates gemäß
dem Auftrag seines sterbenden Vaters, in dem Gerechtigkeit, Bildung und
der moslemische Glaube gepflegt werden sollten, der jedoch zugleich Menschen
aller Rassen und Bekenntnisse duldete. Konversion und Eroberung galten
ihm demgegenüber als untergeordnet; sie würden sich früh
genug von allein einstellen, denn die Zeit arbeitete, wie er wußte,
für ihn.
Das dritte und letzte, woran Andronikos
eine
gewisse Hoffnung knüpfte, war eine deutliche Stärkung der byzantinischen
Macht in der Ägäis. Vom ersten Augenblick seiner Inthronisierung
an hatte er mit dem Wiederaufbau der Flotte begonnen, und bereits innerhalb
weniger Jahre sorgten byzantinische Schiffe dafür, dass man auf den
Inseln die Hand des Reichs wieder spürte. Dass Chios im Jahre 1329
gegen die genuesische Familie ZACCARIA rebellierte - diese hatte
die Insel ein Vierteljahrhundert lang regiert - und in den Schoß
von Byzanz zurückkehrte, war nicht zuletzt diesem Umstand zu verdanken.
Als fast ebenso bedeutend betrachtete er die Festlandstadt Neuphokäa
an der nördlichen Einfahrt zur Bucht von Smyrna (lzmir); dorthin begab
sich Andronikos von Chios gegen Ende
desselben Jahres, um ein Treuegelöbnis entgegenzunehmen. Leider gab
es abgesehen von Genua noch andere westliche Mächte, die sich im östlichen
Mittelmeer engagierten. Von den Johannitern in ihrer Burg Rhodos,
über die venezianische Kolonien, die LUSIGNANS
auf Zypern und andere Familien wie die ZACCARIA - etliche solcher
Familien herrschten seit dem 4. Kreuzzug auf einzelnen Inseln - verfolgten
sie alle ihre eigenen Interessen. An einem war ihnen jedoch gleichermaßen
gelegen: Küstengebiete von den Raubzügen der türkischen
Emirate.
Es überrascht daher nicht, dass bald der Gedanke
an eine große christliche Liga aufkam, den Papst Johannes XXII.
in Avignon begeistert aufgriff. Deren Heer sollte zunächst mit den
moslemischen Piraten abrechnen und dann als regelrechter Kreuzzug in das
Heilige Land weiterziehen. Doch da gab es ein Problem: Welche Rolle sollte
Byzanz dabei übernehmen? Während Venedig und die Ritter, welche
sich vor allem für den Zug stark machten, die byzantinische Teilnahme
begrüßten, blieb der Papst in dieser Beziehung unbeugsam. Solange
das Reich im Schisma verharrte, machte er geltend, könne es der Liga
nicht angehören.
Das alte Lied. Selbst nach dem Debakel, welches auf das
Konzil von Lyon gefolgt war, wollten die Päpste immer noch nicht begreifen,
dass das Schisma nicht durch einen Federstrich des Kaisers beenden ließ.
Andronikos
III. hätte vermutlich einer Wiedervereinigung keine unübersteigbaren
Schranken entgegengesetzt, aber er würde sicher nicht den Fehler seines
Urgroßvaters wiederholen und diese Union von oben gewaltsam einführen
wollen. Und überhaupt interessierte ihn die Haltung des Papstes nicht
sehr. Er hielt nichts von Kreuzzügen, seine Untertanen hatten ebenfalls
nie etwas davon gehalten, und die Geschichte hat beiden recht gegeben.
Andronikos
konzentrierte sich vor allem auf innere Angelegenheiten: die Verteidigung
von Konstantinopel und Byzanz, Ziele, für welche, wie er sehr wohl
wußte, die westlichen Nationen nicht viel übrig hatten. Ihm
jedenfalls bereiteten genuesische Unternehmungen weit mehr Ungemach als
türkische: Nur sechs Jahre nach dem Verlust von Chios beglichen sie
die Rechnung im Herbst 1335 mit der Eroberung von Lesbos. Andronikos
reagierte
postwendend und befahl die sofortige Zerstörung ihrer Verteidigungsanlagen
von Galata. Dann brach er mit Johannes Kantakuzenos
in die Ägäis auf, um ein neues Bündnis mit Umur Pascha,
dem Emir von Aydin, auszuhandeln.
Umur, bekannt als "Löwe Gottes" und Held
eines großen Epos der türkischen Literatur, war ein typischer
Ghazi, das heißt "Streiter für den Glauben«, der sein
Leben der Terrorisierung der Christenheit geweiht hatte. In erster Linie
betraf dies genuesische und venezianische Glaubensangehörige sowie
die Johanniter auf den ägäischen Inseln sowie, in den Jahren
1332 und 1333, auch auf Euböa und dem griechischen Festland. Da Genua
ihm besonders verhaßt war, griff er die byzantinischen Vorschläge
gerne auf, woraufhin eine vereinigte byzantinisch-türkische Flotte
1336 Lesbos zurückgewann. Später stellte Umur, wie noch zu sehen
sein wird, eine beträchtliche Anzahl gut ausgebildeter Soldaten für
die europäischen Feldzüge des Kaisers zur Verfügung. Doch
diese Verhandlungen führten zu mehr als bloß einem Bündnis;
vielmehr entstand eine lebenslange Freundschaft zwischen Umur Pascha
und Johannes Kantakuzenos, und sie
sollte sich in den kommenden Jahren als bedeutender erweisen, als die beiden
es sich je hätten träumen lassen.
Der einzige größere Geländegewinn, den
Andronikos
und Johannes Kantakuzenos erzielten,
gab es in Thessalien und Epiros zu verzeichnen - und auch dieser Erfolg
sollte wieder zerrinnen. Schon 1318 waren die letzten herrschenden Vertreter
der in diesen beiden griechischen Gebieten mächtigsten Dynastien innerhalb
weniger Monate gestorben: Johannes II. von Thessalien auf unspektakuläre
Weise und Thomas von Epiros ermordet, wie schon berichtet, von seinem
Neffen Nikolaus Orsini, mit dem sich Anna,
die Ehefrau seines Opfers und Schwester Andronikos'
III., verehelichte, womit er Thomas nicht nur auf dem
Thron nachfolgte. Nach Johannes' Tod zerfiel Thessalien. Das Gebiet
erbeuteten zum größten Teil katalanische und venezianische sowie
verschiedene einheimische Adelsfamilien, die sich dort holten, was es noch
zu holen gab. Lediglich die Ecke zwischen Trikkala und Kastoria im Nordwesten
wurde von ihrem Oberhaupt, einem gewissen Stephan Gabrielopulos Melissenos,
in Frieden regiert; er führte den Titel Sebastokrator und war
daher vermutlich vom Kaiser dazu ermächtigt. Als er 1333 ebenfalls
starb, sah auch dieses Gebiet anarchische Zustände auf sich zukommen.
Andronikos,
der sich damals gerade in Makedonien aufhielt, und Michael Monomachos,
der Statthalter von Thessalonike, retteten jedoch die Situation.
Beide eilten mit ihren Truppen in die bedrohte Region, vertrieben Johannes
Orsini, den Despoten von Epiros, der seinen Bruder Nikolaus
ermordet hatte, und stellten in Windeseile die byzantinische Herrschaft
im Süden bis an die Grenze des katalanisch beherrschten Territoriums
wieder her. Der Wiedergewinnung Thessaliens für Byzanz mußte
früher oder später jene von Epiros nach sich ziehen. Die ORSINI
waren nie als legitime Herrscherfamilie allgemein anerkannt worden. Das
nachfolgende Gerangel und die unablässigen Angriffe von außen
hatten das einst blühende Despotat an den Rand des Zusammenbruchs
gebracht. Zu den führenden Personen in der bereits mächtigen
probyzantinischen Parta in Arta gehörte auch
Anna
Palaiologina, die Ehefrau des vertriebenen Johannes
Orsini. Ermuntert durch die jüngsten Ereignisse in Thessalien,
vergiftete sie 1335 ihren Ehemann - der dritte Mord an einem ORSINI
innerhalb von 17 Jahren - und übernahm selbst die Regierung anstelle
ihres siebenjährigen Sohnes Nikephoros. Als Andronikos
zwei Jahre darauf in diese Gegend kam, um einen albanischen Aufstand niederzuschlagen,
sandte Anna Boten zu ihm nach Berat
mit dem Vorschlag, ihn auch im Namen ihres Sohnes Nikephoros als
Oberherrn anzuerkennen und dafür weiter in Epiros zu regieren. Andronikos
paßte beides nicht. Epiros hielt sich nun schon seit mehr als 130
Jahren als unabhängiges Despotat. Künftig, darauf bestand er,
müsse es von einem ihm direkt unterstellten byzantinischen Statthalter
verwaltet werden. An Ort und Stelle ernannte er für diesen neuen Posten
einen engen Freund und Waffengefährten, Protostrator Theodor Synadenos,
einen Anführer des Staatsstreichs gegen seinen Großvater neun
Jahre zuvor. Anna, ihr Sohn und ihre
zwei kleinen Töchter erhielten ein Gut in Thessalonike, um künftig
im - wenigstens bequemen - Exil zu leben.
Wie so oft nicht nur in der byzantinischen Geschichte
nicht alles nach Plan. Unvermutet verschwand der junge Nikephoros,
entführt durch epirotische Adlige. Dabei hatten höchstwahrscheinlich
jene westlichen Mächte die Hand im Spiel, bei denen ein Fortbestand
des unabhängigen Despotats bestand. Der Junge gelangte zunächst
nach Italien und kam schließlich an den Hof Katharinas
von Valois, der Fürstin von Tarent und lateinischen
Titular-Kaiserin Konstantinopel. Dort blieb er bis zum Herbst 1338.
In diesem Jahr begab sich Katharina
mit ihm zu ihrem Landsitz in Achäa - Achäa gehörte zum Gebiet,
über welches ihr Ehemann Philipp gebot
- und benutzte ihn als Galionsfigur, um eine antibyzantinische Erhebung
in Epiros anzuzetteln. Schon nach kurzer Zeit hatte sie damit Erfolg. Der
Statthalter Theodor Synadenos wurde verhaftet und eingekerkert.
Zu Beginn des Jahres 1339 kehrte der junge Nikephoros in aller Form
nach Epiros zurück; in der Küstenfestung Thomokastron fand seine
Einsetzung statt. Doch dieser Revolte war nur kurzzeitig Erfolg beschieden,
denn sie fand außerhalb von Arta, Janina und ein oder zwei anderen
Städten keine Unterstützung. Andronikos
erschien 1340 erneut, an seiner Seite wie gewöhnlich
Johannes Kantakuzenos. Arta wurde erfolgreich belagert, und
noch lange vor Jahresende eine Generalamnestie verkündet und Statthalter
Synadenos wieder auf freien Fuß gesetzt. Anschließend ritt
Johannes Kantakuzenos nach Thomokastron. Dort ließ sich,
trotz Anwesenheit einer angevinischen Flotte,
Nikephoros rasch dazu bringen, seine Ansprüche aufzugeben und
nach Thessalonike zurückzukehren. Als eine Art Entschädigung
wurde ihm der wohlklingede Titel Panhypersebastos verliehen und
die Hand von
Johannes'
Tochter
Maria
Kantakuzena angetragen. Für einen noch nicht 13-jährigen
Knaben ging ein ereignisreiches Jahr zu Ende.
Zu Beginn des Frühjahrs von 1341 feierte Andronikos,
der sich immer noch in Thessalonike aufhielt, die Vermählung seiner
Kusine Irene Palaiologina mit
Johannes Kantakuzenos' ältestem
Sohn Matthäus, wodurch die beiden
Familien sich noch enger miteinander verbanden. Kurz danach kehrte er mit
Johannes nach Konstantinopel zurück,
mitten in das Dickicht einer neuen Krise. Diesmal handelte es sich jedoch
um eine ganz besonderer Art, die sich nur in Byzanz ereignen konnte. Ausgelöst
wurde sie durch ein Grüppchen orthodoxer Einsiedler überwiegend
vom Berg Athos: den Hesychasten.
Der Hesychasmus - das griechische Wort bedeutet Ruhe,
Stille - war nichts Neues. Schon im Frühchristentum hatte in der orthodoxen
Kirche ein starkes Brauchtum mystischer Askese eingesetzt, deren Anhängerschaft
ihr Leben in einsamer stiller Meditation verbrachte. Zwischen 1330 und
1340 trat dann ein Wandermönch namens Gregor von Sinai im Ostmittelmeerraum
auf und verkündete, durch die Befolgung bestimmter Techniken sei es
möglich, das göttliche, ungeschaffene Licht zu sehen, das Jesus
bei seiner Verklärung auf dem Berg Tabor umstrahlte. Seine Lehre fand
besonderen Widerhall auf dem Berg Athos, der schon bald zum Zentrum der
Hesychasmusbewegung wurde, aber sie entfachte leider auch die uralte byzantinische
Leidenschaft für Haarspaltereien, zumal die empfohlenen psychosomatisch
wirksamen Techniken, wie etwa das Senken des Kinns auf die Brust, die Nabelschau,
die Atemregulierung sowie die endlos gemurmelte Wiederholung des sogenannten
"Jesus-Gebets", spöttische Kritik geradezu herausforderten. Die Opposition
gegen den Hesychasmus führte ein orthodoxer Mönch aus Kalabrien
namens Barlaam an. Aufgrund seiner bemerkenswerten Bildung und Belesenheit
hatte er schon früh die Aufmerksamkeit Johannes
Kantakuzenos' auf sich gezogen und von ihm einen Lehrstuhl an
der Universität Konstantinopel vermittelt bekommen. 1339 sandte man
ihn sogar in geheimer Mission nach Avignon zum Papst, um die byzantinische
Vorstellung von einer Vereinigung der Kirchen darzulegen. Nach seiner Rückkehr
ließ er sich jedoch im Übereifer auf eine öffentliche Debatte
mit Nikephoros Gregoras ein, dem größten Gelehrten seiner
Zeit, und dieser kanzelte ihn gehörig ab. Dass er nun eine heftige
Kampagne gegen Praktiken in die Wege leitet, die für ihn reinen Aberglauben,
und zwar häretischen Aberglauben darstellten, mag zum Teil auch eine
Kompensation dieser Schmach gewesen sein. Aber auch die hesychastische
Bewegung stand im Genuß eines erfolgreichen Vorkämpfers: des
Theologen Gregor Palamas. Er verfaßte das umfassende Manifest
"Triaden zur Verteidigung des heiligen Hesychasmus". Dieses Dokument, hinter
das sich in der Folge all seine Mitbrüder auf dem Berg Athos stellten,
enthielt beweiskräftige Ausführungen und trug - zumal Johannes
Kantakuzenos stark mit der Bewegung sympathisierte - besonders
dazu bei, dass Andronikos ein Kirchenkonzil
einberief, auf dem die Angelegenheit Klärung finden sollte.
Das Konzil fand am 10. Juni 1341 in der Hagia Sophia
unter dem Vorsitz des Kaisers statt. Es dauerte nur einen Tag lang und
endete mit einem überwältigenden Sieg der Hesychasten. Barlaam
wurde mitsamt seinen Werken verurteilt. Gregor Palamas und sein
Gefolge verhielten sich ihm gegenüber betont großzügig,
umarmten ihn und wünschten ihn zu den ausgezeichneten Darlegungen.
Er dagegen gab zwar zunächst seine Irrtümer zu, beschwerte sich
dann jedoch lautstark über die Entscheidung und jammerte, die Untersuchung
sei von Anfang an gegen ihn gerichtet gewesen. Im weiteren zog er sich
gedemütigt und diskreditiert nach Kalabrien zurück, wo er, laut
Kantakuzenos, in seiner tiefen Enttäuschung
vom orthodoxen Glauben abkam und in die römische Kirche eintrat. Er
beendete seine wechselvolle Laufbahn als Bischof von Gerace.
Nach der Abreise der Konzilsmitglieder klagte Andronikos
über Erschöpfung und zog sich zur Erholung in das Kloster
Hodegon zurück, wo er am folgenden Tag einen heftigen Fieberanfall
erlitt. Es ging ihm in den nächsten vier Tagen immer schlechter,
und am 15. Juni 1341 starb er. Er hat sich als guter Herrscher erwiesen,
als ein weit besserer als sein Großvater, der ihn mit allen Mitteln
vom Thron fernzuhalten versucht hatte. Trotz der überbordenden Jugendsünden
war er zu einem energischen, arbeitsamen und - außer wenn die Jagdlust
ihn überkam - gewissenhaften Kaiser gereift. Die von ihm veranlaßten
Gesetzesreformen und Maßnahmen gegen die Korruption trugen ihm die
Dankbarkeit der Bevölkerung ein, besonders weil er sie nicht nur einleitete,
sondern auch durchsetzen ließ. Stets mehr Soldat und Tatmensch als
Diplomat oder Staatsmann, hatte er das Glück, dass ihm während
seiner gesamten Regierungszeit Johannes Kantakuzenos
zur Seite stand, und er war klug genug, seinem Rat zu folgen.
Sein Unglück und das seiner Nachfolger bestand darin,
dass sie auf den Thron gelangten, als das Reich bereits dem Untergang geweiht
war. Die Eroberungen auf dem Balkan, weniger ein Ergebnis der militärischen
Stärke von Byzanz als der inneren Schwierigkeiten der gegnerischen
Staaten, waren nicht von Dauer und außerdem unbedeutend im Vergleich
zum endgültigen Verlust Anatoliens an die türkischen Osmanen,
welche dadurch in Sichtweite Konstantinopels vorrückten. Der Niedergang
ist ihm nicht anzutasten, und er konnte ihn auch nicht aufhalten. Trotzdem
erreichte er mehr, als man gemeinhin wohl für möglich hielt.
Die Partnerschaft zwischen ihm und dem Großdomestikos Johannes
Kantakuzenos (denn um eine solche handelte es sich) trug viel
dazu bei, den Lebensmut einer niedergeschlagenen und demoralisierten Bevölkerung
zu heben und sie auf die noch viel schwereren künftigen Prüfungen
vorzubereiten.