Buch IV
Kapitel 11
Dieser erlauchten Frau, welche ihre hohe Geburt durch
herrliche Tugenden schmückte, diente mein Vater, Graf Sigifrid, treu
im Kriege und im Frieden. Er fiel in dem Kampfe bei Brandenburg, wo er
zum letzten Male kämpfte, vom Roß, und fing seit der Zeit an,
von heftigen Körperschmerzen heimgesucht zu werden. Außerdem
merkte er, daß nun das achte Jahr da war, welches ihm als sein Todesjahr
auf folgende Weise im Traume vorher bezeichnet war. In Köln ward er
aus dem Schlafe geweckt durch eine Stimme, welche rief: "Sigifrid, sei
wach, wisse bestimmt, daß du acht Jahre nach diesem Tage deine Erdenlaufbahn
beschließen wirst." Diesem vorausbestimmten Tage hatte er nun stets
mit wachsamem Auge entgegen gesehen und nicht aufgehört, sich in Hinsicht
auf demselben durch die Früchte tugendhafter Thaten im voraus nach
Kräften sicher zu stellen. Mich aber nahm er von seiner Mutterschwester
Emnilde in Quedlinburg [69 Nonne, vgl. Stammtafel, + 991
(Ann. Quedl.).], welche
lange Zeit am Schlagflusse litt, nachdem ich bei ihr in den Anfangsgründen
wohl unterrichtet war, weg, und übergab mich dem Abte Ricdag
dem zweiten von St. Johannes zu Magadaburg zur weiteren Ausbildung. Nachdem
ich daselbst drei Jahre verweilt hatte, ward ich am Feste aller Heiligen
[Nov. 1] von meinem Vater, weil er mich an jener Kirche [zu St. Johannes]
nicht anbringen konnte, der geistlichen Brüderschaft von St.
Mauritius einverleibt. Bei dieser Gelegenheit wurde an dem nächstfolgenden
Namenstage des heiligen Andreas [am 30. Nov.] ein großes, allen sehr
wohl gefallendes Gastmahl gehalten, welches den nächsten Tag noch
fortgesetzt wurde.
Nachdem mein Vater von da weggereist war, erkrankte er
gegen Fastnacht in der Burg Willibizi [Walbeck], und bezahlte am
15. März die Schuld der Natur. Er war ein Vertheidiger des Vaterlandes
und ein wahrhafter Mann. Ihn beweinte sammt seiner Gemahlin Cunigunde seine
durch musterhafte Frömmigkeit ehrwürdige Mutter Mathilde,
die ihm schnell folgen sollte. Denn einer solchen Stütze beraubt,
erwartete sie mit ausnehmender Trauer ihren Tod und starb noch in demselben
Jahre, am 3. December im treuen Glauben an den Erlöser. Mein
Oheim mit Namen Liutharius aber, der mit uns zu gleichen Theilen erbte,
fügte meiner Mutter im Jahre 996, indem er ihr den alten Schmerz erneuerte,
viel böses zu, und ging, obwohl sie von ihrer Mutter ihm zu treuem
Schutze anvertraut war, nichts desto weniger darauf aus, sie aller Güter
ihres Gemahls zu berauben. Doch was verliere ich darüber noch viel
Worte? Mit Hülfe des Kaisers bekam sie alles wieder.